Grundlagen der Fertigungstechnik Birgit Awiszus, Klaus-Jürgen Matthes, Holger Dürr, Joachim Bast ISBN 3-446-22799-7 Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/3-446-22799-7 sowie im Buchhandel
4 Trennen Prof. Dr.-Ing. habil. H. Dürr (TU Chemnitz, Professur Fertigungslehre) Dr. rer. nat. R. Pilz (TU Chemnitz, Professur Fertigungslehre) Dr.-Ing. S. Herrbach Dipl.-Ing. E. Seliga (TU Chemnitz, Professur Schweißtechnik) 4.1 Systematisierung der Verfahrenshauptgruppe Trennen Die Ordnungsmerkmale der Verfahrenshauptgruppe Trennen sind Stoffzusammenhaltvermindern und Formändern. Die Verfahrenshauptgruppe Trennen umfasst die fünf Verfahrensgruppen Zerteilen, Spanen, Abtragen, Zerlegen und Reinigen (Bild 4.1). Bild 4.1: Beispiele trennender Bearbeitungsverfahren Trennen ist das Herstellen geometrisch bestimmter fester Körper mittels Werkzeugen durch Formändern und Stoffzusammenhaltvermindern. Geometrisch bestimmte feste Körper sind Halbzeuge, montagefähige Einzelteile oder Werkzeuge. Die weitere Klassifizierung der Verfahren ist verfahrensgruppenabhängig und wird in den nachfolgenden Abschnitten für das Spanen und Abtragen erläutert.
124 4 Trennen 4.2 Trennen durch Spanen 4.2.1 Wirtschaftliche Bedeutung Die Verfahrensgruppe Spanen umfasst die große Anzahl von Verfahrensuntergruppen und speziellen Verfahren, mit denen verschiedenartige Formelemente an Werkstücken durch Abtrennen von Stoffteilchen auf mechanischem Weg gefertigt werden können. Trennende, insbesondere spanende Werkzeuge, sind meist werkstückunabhängige Werkzeuge mit geringer Formspeicherung. Um dennoch verschiedenartige Formelemente erzeugen zu können, ist ein komplizierter Bewegungsaufwand notwendig. Die Werkzeuge besitzen den Vorteil der Nachstellbarkeit, so dass hohe Forderungen hinsichtlich Maß-, Form- und Lagetoleranz sowie Oberflächengüte erfüllt werden können. Spanende Fertigungsverfahren sind daher vorwiegend Verfahren der Fertig- bzw. Feinbearbeitung vorgeformter (z. B. umgeformter) Werkstücke in mittleren Stückzahlbereichen. Tabelle 4.1: Fertigungsverfahren im Qualitätsvergleich (R Z ) nach DIN 4766 (Auszug) Generell stehen die Fertigungsverfahren miteinander im Anwendungswettbewerb. Die besonderen Vorteile des Spanens liegen in der hohen Fertigungsgenauigkeit, hohen Reproduzierbarkeit der Qualität (Tabelle 4.1),
4.2 Trennen durch Spanen 125 nahezu geometrisch unbegrenzten Bearbeitungsmöglichkeit und hohen auftrags- und stückzahlbezogenen Fertigungsflexibilität. Die Nachteile des Spanens sind vor allem im Materialverbrauch (Späneabfall), in der relativ geringeren Produktivität und in den Festigkeitseigenschaften (unterbrochener Faserverlauf) des Endproduktes zu sehen. Allgemein gesagt, hat die spanabhebende Bearbeitung überall dort ihre Berechtigung, wo sie unter Berücksichtigung der genannten Faktoren vorteilhafter als die spanlose Formung anzuwenden ist. Daraus lassen sich die nachstehend genannten Einflussgrößen auf den Spanungsvorgang und somit auch auf die Werkstückqualität ableiten: Bearbeitungsverfahren Werkstück (Werkstoff, Festigkeit, Gefüge, Homogenität, Abmessungen, Gestalt, Stabilität) Werkzeug (Sorte, Anschliff, Verschleiß, Abmessungen, Starrheit) Werkzeugmaschine (Spannelemente, Starrheit und Schwingungsverhalten, Betriebszustand) Spanungsbedingungen (Schnittgeschwindigkeit, Schnitttiefe, Vorschub, Werkzeugwinkel, Kühlung, Schmierung) Der Gesamtzusammenhang zwischen Einflussgrößen und Werkstückqualität ist im Bild 4.2 dargestellt. Die Werkstückqualität wird wesentlich vom System Werkzeugmaschine Werkzeug Werkstück bestimmt. Bild 4.2: Einflussgrößen auf die entstehende Werkstückoberfläche bei der Metallzerspanung Die Wettbewerbsfähigkeit der Zerspanungstechnik wird zukünftig vor allem durch folgende Faktoren beeinflusst: Flexible Automatisierung der Werkstück- und Werkzeughandhabung Einstellbare Werkzeugsysteme zur Minimierung der Rüst- und Nebenzeit Hohe Standzeiten der Werkzeuge im HSC-(High Speed Cutting-)Bereich und in der Hartzerspanung durch verbesserte Schneidstoffeigenschaften
126 4 Trennen Automatisierte Prozess- und Fertigungsmittelüberwachung Komplettbearbeitung in einer Aufspannung Kundengerechte Modularisierung der Fertigungsmittel durch Plattformstrategien Werkstattnahe und wissensbasierte Programmiertechnologien Minimierung des Kühl- und Schmiermittelverbrauchs bis zur Trockenbearbeitung 4.2.2 Grundlagen der spanenden Fertigung In den folgenden Ausführungen soll auf die wesentlichsten verfahrensübergreifenden Grundlagen der spanenden Formung eingegangen werden. Sie sollen dazu dienen, die Verfahrenssystematik, -kinematik, -einflussgrößen und Verschleißgrößen im Zusammenhang zu sehen. 4.2.2.1 Klassifizierung im Überblick Prinzipiell sind die Klassifizierungsmerkmale Automatisierungsgrad, Schneidengeometrie, Formelementegeometrie und Lage der Bearbeitungsstelle für die Verfahrenseinteilung und -auswahl entscheidend. nach Automatisierungsgrad: maschinell automatisiert manuell unbestimmte Relativbewegung zwischen Werkzeug und Werkstück nach geometrischer Art der Schneide: geometrisch bestimmte Schneide Schneidenanzahl, Geometrie der Schneidkeile und Lage der Schneiden zum Werkstück sind bekannt (Drehen, Bohren, Fräsen) geometrisch unbestimmte Schneide Schleifen, Honen, Läppen nach Art der zu erzeugenden Fläche (Formelement): Tabelle 4.2: Einfache Grundkinematik ebene Fläche kreiszylindrische Fläche Plandrehen Planfräsen Runddrehen Schraubflächen Profilflächen Abbilden mit Werkzeugprofil Form implizit im Werkzeug Gewindestrehlen Profildrehen
4.2 Trennen durch Spanen 127 Tabelle 4.3: Komplizierte Grundkinematik Formflächen einfacher Art Freiformflächen (3D) Verzahnungsflächen räumliche Steuerung der Vorschub- bzw. Schnittgeschwindigkeit beim Formdrehen z. B. Hohlformen (Gesenke) 5-Achsbearbeitung beim Formfräsen Werkstück und Werkzeug wälzen einander ab (Abwälzen) Fräser mit Bezugsprofil führt mit der Vorschubbewegung simultane Werkzeugbewegung aus. Wälzfräsen 4.2.2.2 Basisgrößen der Zerspantechnik Die Zerspanungstechnologien zeichnen sich durch eine eindeutige Definition ihrer Basisgrößen aus. Im Bild 4.3 ist dazu ein Überblick gegeben. Die weiteren Erläuterungen dieser Größen erfolgt überwiegend am Beispiel des Drehens. Bild 4.3: Basisgrößen der Zerspantechnik
128 4 Trennen 4.2.2.3 Bewegungsvorgänge und Geschwindigkeiten bei der Spanabnahme Beim Spanen wird eine in der Ausgangsform eines Fertigteils bereits enthaltene End- bzw. Fertigform durch die mechanische Trennwirkung eines Schneidkeils erzeugt. Die Bewegungen beim Zerspanvorgang sind Relativbewegungen zwischen Werkzeugschneide und Werkstück. Die Bewegungen können gerade, kreisförmig oder beliebig sein. Es sind Bewegungen an der Wirkstelle, die durch die Werkzeugmaschine erzeugt werden. Im einzelnen sind dies folgende Bewegungsvorgänge: Bewegungen, die die Spanabnahme vorbereiten (Anstell-, Zustell-, Nachstell-, Rückstellbewegung) Bewegungen, die unmittelbar zur Spanabnahme führen (Schnitt-, Vorschub-, Wirkbewegung). Die Späne entstehen durch die Wirkbewegung nach einer vorangegangenen Zustellbewegung. Die Bewegungsrichtungen sind dabei momentane Richtungen der Bewegungen im ausgewählten Schneidenpunkt (Bild 4.4). Bild 4.4: Bewegungen zwischen Werkzeugschneide und Werkstück (Richtungen der Schnitt-, Vorschub- und Wirkbewegungen) Die Wirkbewegung ist die resultierende Bewegung aus Schnitt- und gleichzeitig ausgeführter Vorschubbewegung. Erfolgt keine gleichzeitige Vorschubbewegung (z. B. beim Stoßen), dann ist die
4.2 Trennen durch Spanen 129 Schnittbewegung auch die Wirkbewegung. In diesem Zusammenhang sind folgende Geschwindigkeiten für den Spanungsvorgang von Bedeutung: Schnittgeschwindigkeit v c Vorschubgeschwindigkeit v f Wirkgeschwindigkeit v e Ist das Verhältnis v f zu v c sehr klein, so gilt die Annäherung: v e v c. Weitere Informationen bezüglich der Bewegungen, Bewegungsrichtungen, Geschwindigkeiten, Wege sowie deren Komponenten sind der DIN 6580 zu entnehmen. 4.2.2.4 Hilfsgrößen (Bilder 4.5, 4.6, 4.7, 4.8) Die einheitliche Betrachtung der verschiedenen spanenden Fertigungsverfahren erfordert die Einführung einiger Hilfsgrößen: Vorschubrichtungswinkel ϕ Der Vorschubrichtungswinkel ist der Winkel zwischen Vorschubrichtung und Schnittrichtung. Er kann konstant sein, z. B. beim Drehen ϕ =90 oder sich während des Zerspanvorganges ständig ändern, wie z. B. beim Stirnfräsen. Bild 4.5: Arbeitsebene, Vorschub- und Wirkrichtungswinkel beim Drehen ϕ =90 Bild 4.6: Arbeitsebene, Vorschub- und Wirkrichtungswinkel beim Gegenlauffräsen ϕ<90 Wirkrichtungswinkel η Der Wirkrichtungswinkel ist der Winkel zwischen Wirkrichtung und Schnittrichtung. tan η =sinϕ[(v c /v f )+cosϕ] Arbeitsebene P fe Die Arbeitsebene (vgl. DIN 6581) ist eine gedachte Ebene, die die Schnittrichtung und die Vorschubrichtung im ausgewählten Schneidenpunkt enthält. In der Arbeitsebene vollziehen sich die Bewegungen, die an der Spanabnahme beteiligt sind.
130 4 Trennen Bild 4.7: Arbeitsebene, Vorschub- und Wirkrichtungswinkel beim Gleichlauffräsen ϕ>90 Bild 4.8: Vorschubrichtungswinkel ϕ beim Stirnfräsen 4.2.2.5 Flächen und Vorschubgrößen Vorschubgrößen ergeben sich aus Vorschubwegen, die auf die Umdrehung oder auf den Hub bezogen werden. Vorschub f beim Drehen (Bild 4.9, Bild 4.10) Der Vorschub f ist der Vorschub je Umdrehung oder Hub, gemessen in der Arbeitsebene. Bild 4.9: Flächen am Werkstück Bild 4.10: Haupt-/Nebenschnittfläche, Vorschub f (Drehen) Zahnvorschub f z Der Zahnvorschub (f z ) ist der Vorschubweg je Zahn oder je Schneide, gemessen in der Arbeitsebene. Der Zahnvorschub ist gleich dem Abstand zweier unmittelbar hintereinander entstehender Schnittflächen, gemessen in Vorschubrichtung. f z = f/z, (z Anzahl der Zähne oder Schneidenträger)
4.2 Trennen durch Spanen 131 Ist z =1(beim Drehen oder Fräsen mit Einzahnfräser), so gilt f z = f. Beim Räumen ergibt sich der Zahnvorschub aus der Staffelung der Zähne des Räumwerkzeuges. Vom Zahnvorschub abgeleitet sind Schnittvorschub und Wirkvorschub. Schnittvorschub f c Der Schnittvorschub f c ist gleich dem Abstand zweier unmittelbar hintereinander entstehender Schnittflächen, gemessen in der Arbeitsebene senkrecht zur Schnittrichtung. f c f z sin ϕ Beim Drehen und Hobeln ist: ϕ =90 : f c = f z = f. Wirkvorschub f e Der Wirkvorschub f e ist gleich dem Abstand zweier unmittelbar hintereinander entstehender Schnittflächen, gemessen in der Arbeitsebene senkrecht zur Wirkrichtung. f e f z sin(ϕ η) Oft ist das Verhältnis v f /v c so klein, dass der Winkel η vernachlässigt werden kann: f e (f z sin ϕ) =f c 4.2.2.6 Eingriffsgrößen des Werkzeuges Die Eingriffsgrößen beschreiben geometrisch das Ineinandergreifen von Werkzeug und Werkstück (Bild 4.11, Bild 4.12). Bild 4.11: Schnittbreite a p, Arbeitseingriff a e und Vorschubeingriff a f beim Umfangsfräsen Bild 4.12: a p,a e und a f beim Stirnfräsen Schnitttiefe bzw. Schnittbreite a p Ist die Tiefe bzw. Breite des Eingriffs des Werkzeuges, gemessen senkrecht zur Arbeitsebene. Beim Längs-/Plandrehen, Stirnfräsen, Seitenschleifen entspricht a p der Schnitttiefe. Beim Einstechdrehen, Räumen, Umfangsdrehen, Umfangsschleifen spricht man von der Schnittbreite a p. Beim Bohren gilt a p = 0,5 Bohrerdurchmesser.
132 4 Trennen Arbeitseingriff a e Ist die Größe des Eingriffs des Werkzeuges, gemessen in der Arbeitsebene und senkrecht zur Vorschubrichtung. Der Arbeitseingriff hat insbesondere beim Fräsen und Schleifen Bedeutung. Vorschubeingriff a f Ist die Größe des Eingriffs des Werkzeuges in Vorschubrichtung. 4.2.2.7 Spanungsgrößen Die Spanungsgrößen beschreiben die Maße der vom Werkstück abzuspanenden Schichten (Bild 4.13). Bild 4.13: a p,a f und Spanungsquerschnitt A beim Runddrehen Sie sind nicht identisch mit den Maßen der entstehenden Späne. Spanungsgrößen werden abgeleitet aus: dem Profil der aktiven Schneide, Eingriffsgrößen und Vorschüben. Für die vereinfachte Betrachtung der Spanungsgrößen gelten: gerade Schneiden scharfkantige Schneidenecke Neigungswinkel λ s =0 Werkzeug-Einstellwinkel der Nebenschneide κ r =0 (Anmerkung: Die Kennzeichnung der Winkel und Flächen an der Nebenschneide erfolgt durch ein Apostroph am Kurzzeichen. Eine detaillierte Betrachtung wird in der DIN 6581 vorgenommen.) Spanungsquerschnitt A Der Spanungsquerschnitt A ist die Querschnittsfläche eines abzunehmenden Spanes, gemessen senkrecht zur Schnittrichtung. Durch ihn werden im einzelnen beeinflusst:
4.2 Trennen durch Spanen 133 Schnittkraft Standzeit des Werkzeuges Werkstückoberflächenqualität Spanvolumen (besser: Zeitspanvolumen) Für das Runddrehen gilt: A = a p f = b h 4.2.2.8 Werkzeuggeometrie für das Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide Die festgelegten Begriffe über Bezugssysteme und Winkel am Schneidteil des Werkzeuges gelten für alle spanenden Fertigungsverfahren mit geometrisch bestimmter Schneide. Die Begriffe beziehen sich auf einen ausgewählten Schneidenpunkt im jeweils betrachteten Augenblick (Bild 4.14, Bild 4.15). Bild 4.14: Schneidkeil am Zerspanwerkzeug Bild 4.15: Schneiden und Flächen am Schneidteil des Drehmeißels Schneidteil Ist der wirksame Teil des Werkzeuges, an dem sich die Schneidkeile mit den Schneiden befinden. Bei Werkzeugen mit mehreren Zähnen hat jeder Zahn einen Schneidteil. Schneidkeil Ist ein durch Spanfläche und Freifläche gebildeter Keil am Schneidteil. Durch Relativbewegungen zwischen Werkzeug und Werkstück entstehen am Schneidkeil die Späne. Spanfläche A γ Ist die Fläche am Schneidkeil, auf der der Span abläuft. Freifläche Ist die Fläche am Schneidkeil, die der entstehenden Schnittfläche zugekehrt ist. Bei Werkzeugen mit Haupt- und Nebenschneide(n) wird unterschieden in Hauptfreifläche A α (Fläche an der Hauptschneide) und Nebenfreifläche A α (Fläche an der Nebenschneide).
134 4 Trennen Schneide Ist die von Spanfläche und Freifläche gebildete Kante am Schneidkeil. Es wird unterschieden in Hauptschneide S (bei ϕ =90 in Vorschubrichtung) und Nebenschneide S (bei ϕ =90 entgegen Vorschubrichtung). Schneidenecke Ist der relativ kleine Teil der Schneide, in dem Haupt- und Nebenschneide zusammentreffen. Aus Stabilitätsgründen wird in der Praxis die Schneidenecke mit einem Radius versehen. Bezugssysteme Für die eindeutige Definition und Beschreibung der Winkel am Schneidteil sind ein Werkzeug- Bezugssystem und ein Wirk-Bezugssystem erforderlich. Das Werkzeug-Bezugssystem wird für die Bestimmung der Geometrie am Schneidteil des Werkzeuges bei der Konstruktion, Herstellung und Prüfung benötigt. Das Wirk-Bezugssystem ist für die Bestimmung der Geometrie am Schneidteil des Werkzeuges während des Zerspanungsvorganges notwendig. Für v c» v F können die Unterschiede zwischen beiden Bezugssystemen vernachlässigt werden. Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich nur auf das Werkzeug-Bezugssystem (Bild 4.16). Weitere Angaben zu beiden Bezugssystemen sind der DIN 6581 zu entnehmen. Bild 4.16: Ebenen im Werkzeug-Bezugssystem Wichtige Winkel am Schneidkeil eines Drehmeißels Ausgangspunkt bildet die Werkzeug-Bezugsebene P r, die parallel zur Auflagefläche des Drehmeißels liegt. Der ausgewählte Schneidenpunkt ist ein Punkt der Ebene P r. Die Werkzeug-
4.2 Trennen durch Spanen 135 Schneidenebene P s steht senkrecht auf P r und verläuft entlang der Hauptschneide. Die Werkzeug- Orthogonalebene P o steht senkrecht auf P r und P s. Gemeinsamer Schnittpunkt der drei Ebenen ist der ausgewählte Schneidenpunkt. Für die Winkel am Schneidkeil gelten nachfolgende Definitionen: a) Messung der Winkel in der Werkzeug-Bezugsebene P r (Bild 4.17) Der Einstellwinkel der Hauptschneide κ r ist der Winkel zwischen der Hauptschneide und dem Werkstück in Vorschubrichtung. Der Eckenwinkel ε r ist der Winkel zwischen der Haupt- und Nebenschneide. Der Einstellwinkel der Nebenschneide κ r ist der Winkel zwischen der Nebenschneide und dem Werkstück in Vorschubrichtung Bild 4.17: Messung der Winkel in der Werkzeug-Bezugsebene b) Messung der Winkel in der Werkzeug-Orthogonalebene P o (Bild 4.18) Der Freiwinkel α o ist der Winkel zwischen der Hauptfreifläche und der Werkzeug- Schneidenebene P s. Der Keilwinkel β o ist der Winkel zwischen der Hauptfreifläche und der Spanfläche. Der Spanwinkel γ o ist der Winkel zwischen der Spanfläche und der Werkzeug-Bezugsebene P r. Der Spanwinkel ist positiv, wenn die durch den betrachteten Schneidenpunkt gelegte Werkzeug-Bezugsebene außerhalb des Schneidkeils liegt. c) Messung der Winkel in der Werkzeug-Schneidenebene Der Neigungswinkel λ s ist der Winkel zwischen der Hauptschneide und der Werkzeug- Bezugsebene. Der Neigungswinkel ist positiv, wenn die durch den betrachteten Schneidenpunkt gelegte Werkzeug-Bezugsebene außerhalb des Schneidkeils liegt. Zur Vereinfachung wird in den weiteren Ausführungen auf die Verwendung der Indizes an den Werkzeug-Winkeln verzichtet. Der Freiwinkel α ist der freie Winkel zwischen Freifläche und bearbeiteter Fläche am Werkstück. Für α =0 tritt eine starke Reibung zwischen der Freifläche des Werkzeugs und der Werkstückoberfläche auf. Daraus ergibt sich eine schlechte Werkstückoberflächenqualität. Ein großer Freiwinkel mindert den Freiflächenverschleiß, begünstigt aber das Ausbrechen der Schneidkante.
136 4 Trennen Bild 4.18: Messung der Winkel in der Werkzeug-Orthogonalebene Der Keilwinkel β ist der Winkel des in das Werkstück eindringenden Schneidkeils. Die Werkzeugschneide dringt um so leichter in den Werkstoff ein, je kleiner der Keilwinkel ist. Andererseits muss die Schneide um so stabiler sein, je höher die Festigkeit des zu spanenden Werkstoffs ist. Schneiden mit großem Keilwinkel können die Zerspanungswärme besser von der Schneide abführen. Der Spanwinkel γ beeinflusst vor allem die Spanbildung. Der Spanwinkel wird um so größer gewählt, je weicher der Werkstoff ist. Tabelle 4.4 enthält Richtwerte für die Winkel α, β und γ zum Spanen unterschiedlicher Werkstoffe. Tabelle 4.4: Winkel am Schneidkeil bei unterschiedlichen Werkstoffen