Lernen, Gedächtnis, Sprache Dr. Wiese



Ähnliche Dokumente
Sensorisches Gedächtnis (Ultrakurzzeitgedächtnis)

Lernen und Gedächnis. Was ist Gedächtnis? Explizites vs implizites Gedächtnis Anatomisches Substrat Neuronale Mechanismen Plastizität

Allgemeine Psychologie: Gedächtnis. Sommersemester Thomas Schmidt

Eine einfache Aufgabe schlussfolgernden Denkens (nach Baddeley & Hitch, 1974)

Kurzzeit- vs. Arbeitsgedächtnis

Amnesie und medialer Temporallappen. Patient HM:

Stundenbild Gedächtnissysteme :

Def. Gedächtnis = Informationsspeicher für gelernte Informationen Fähigkeit, Informationen abzuspeichern und wiederzugeben

Gedächtnis Prof. Dr. Hermann Körndle Professur für die Psychologie des Lehrens und Lernens Technische Universität Dresden

Stundenbild. Experimente im Psychologieunterricht. Lehrplanbezug: Die verschiedenen Speichermodelle unseres Gedächtnisses

3. Methoden zur Verarbeitung und Speicherung von Information

Übersicht Experiment zum Modelllernen Interpretation und Komponenten des Modelllernens Bewertung des Modelllernens Überblick

Gedächtnis. Istvan Tiringer Institut für Verhaltenswissenschaften

Lernen und Gedächtnis. Kognitive Gedächtnispsychologie: Das Mehrspeichermodell

Übersicht 1/3 Sensorisches Gedächtnis, Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE. Diktat unter zwei Bedingungen handschriftlich vs. tastaturschriftlich. Gedächtnis

Gedächtnis / Gedächtnismodelle Störungen der Gedächtnisfunktionen. Tutorium: Medizinische Psychologie Petra Beyer SS 05

Gedächtnismodelle. Gliederung. Pädagogische Psychologie Psychologie des Lernens SoSe Florentine Leser Lena Möller Karin Brunner

Beispielbild. Lernen & Gedächtnis. Gedächtnis: Sensorisches Gedächtnis & Arbeitsgedächtnis. SoSe 2007

Ereignisse: Erinnerung und Vergessen

Altersveränderung des Gedächtnisses was ist (noch) normal?

Erklärungsansätze der Amnesie

Einführung in die Pädagogische Psychologie HS 2014 Vorlesung 8: Kogni?ve Lerntheorien: Lernen als Verarbeitung fürs Langzeitgedächtnis Teil 3

Biologische Psychologie II

Deklaratives Gedächtnis: Abrufen und Vergessen

Lernen und Gedächtnis

Gedächtnismodell. nach Büchel F. (2010). DELV Das eigene Lernen verstehen, S. 15 ff.

Lernen und Gedächtnis. Kognitive Gedächtnispsychologie: Das Mehrspeichermodell

Seminarleiter: Dr. Bertram Opitz. Seminar: Sprache Thema: Domänenspezifität

Auswirkungen von Epilepsie auf das Denken Neuropsychologische Aspekte

Neuropsychologie. Gedächtnis

Die Architektur des Gedächtnisses. Thomas Schmidt

Beeinflussung des Immunsystems

Hörtext FREIE UNIVERSITÄT BERLIN STUDIENKOLLEG. Textumfang: 580 Wörter. Thema: Wie Kinder Wörter lernen

Gedächtniskonsolidierung im Schlaf - Modell

Vorschau. Dr. Anne Fischbach, Dr. Janin Brandenburg & Prof. Dr. Marcus Hasselhorn

Albert Bandura (geb. 1925) Beobachtungslernen ( Lernen am Modell )

Aufmerksamkeit und Gedächtnis aus allgemeinpsychologischer und neurowissenschaftlicher Sicht

Die Psychologie des Gedächtnisses

HCI 3 Gedächtnis und Lernen

Beispielbild. Lernen & Gedächtnis. Einführung. SoSe 2007

Erinnern und Vergessen: Wie funktioniert unser Gedächtnis? PD Dr. Thomas Schmidt

Methoden zur Erforschung des Gedächtnisses

Allgemeine Psychologie II: Gedächtnis!

Katrin Kaiser Experimente im Psychologieunterricht WS 2007/08. Stundenbild. Thema der Stunde: Kurzzeitgedächtnis

Versuch: Sensorisches, Kurzzeitund Arbeitsgedächtnis. Sensorisches Gedächtnis: K L P B C V N F. Gliederung: Visual Sensory Memory

Vorläuferfertigkeiten ein Blick auf den Schulbeginn im Fach Mathematik

Erinnern & Vergessen

Wie funktionieren unser Gehirn und unser Gedächtnis?

Vorlesung: Kognitive Neuropsychologie

Langzeitgedächtnis: Abruf und Vergessen

Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was Du Dir vertraut gemacht hast. Du bist für Deine Rose verantwortlich (A.

Gedächtnis (Gruber T., 2018) Basiswissen Psychologie 2. Auflage. Denkanstöße durch Vertiefungsfragen

Allgemeine Psychologie I. Vorlesung 11. Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg

Lernen und Gedächtnis. Kognitive Gedächtnispsychologie: Das Mehrspeichermodell

Mensch-Maschine-Interaktion

Die Wahrnehmung schwarzer & weißer Flächen nach einem Bericht von Alan L. Gilchrist

Denken, Lernen, Vergessen? Was Pädagogik von Hirnforschung lernen kann

Wie lernt unser Gehirn?

Professur für Allgemeine Psychologie. Vorlesung im WS 2013/14. Lernen und Gedächtnis. Arbeitsgedächtnis. Prof. Dr. Thomas Goschke

Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Leseverstehen

Neurobiologische Aspekte des Spracherwerbs

Kapla-Steine. Worum geht es? Das Material. Was soll gefördert werden? Leitidee Raum und Ebene. Leitidee Muster und Strukturen

Becoming Famous Overnight:

Deklaratives Gedächtnis: Abrufen und Vergessen

Universität Mannheim NAME:... Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber (DSH) HS 2015

bestehenden sind, weiterhin benutzt werden. Oft beleuchten unterschiedliche Formalismen Dinge nämlich von unterschiedlichen Blickwinkeln.

Psychologie des Lernens

Einstieg: Drogen und Glück

Ich sehe was, was Du nicht siehst

SCOPA-COG. Gedächtnis und Lernen

Effizienz von Algorithmen

Allgemeine Psychologie I. Vorlesung 10. Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg. Allg. 1 Björn Rasch Unifr

Reizleitung in Nervenzellen. Nervenzelle unter einem Rasterelektronenmikroskop

6 höhere Funktionen der Wahrnehmung - Teil 2. Referent: Philipp Schneider

Ich möchte Sie daher bitten, diesen Fragebogen vor der Untersuchung bei mir auszufüllen.

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Arbeitsgedächtnis und Lernstörungen. Das komplette Material finden Sie hier:

Nachhaltigkeit des Lernens aus neurobiologischer Sicht

TEIL 13: DIE EINFACHE LINEARE REGRESSION

Gedächtnis: Behalten und Abruf

Lehrbuch der Kognitiven Psychologie

Kognition und Lernen

Christiane Sauer & Dirk Konnertz. Power-Gedächtnis fit in 30 Minuten

Das Wissen. Propositionen und Vorstellungen. hoo.de. Anna-Melina Hartmann

Stundenbild: Sprache & Denken Automatismen / Stroop-Effekt

1.4 Gradient, Divergenz und Rotation

Das Kurzzeitgedächtnis

Der Hahn ist tot! 1. Warm-up

Biologische Psychologie II

Nervensystem Gliederung des Nervensystems der Wirbeltiere

Sprache und Gedächtnis

Homans Verhaltenstheorie

Lernen leicht gemacht

Biologische Psychologie II

1. Korinther 12, 4-11: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Biologische Psychologie I

Transkript:

Allgemeine Psychologie I Lernen, Gedächtnis, Sprache Dr. Wiese Sommersemester 2009 1

Vorwort Ich stelle meine zum Teil sehr ausführliche Mitschrift zur Verfügung, die um die entsprechenden Passagen der Lehrbücher ergänzt wurde. Sie beginnt mit einer kleinen Einführung und den wichtigsten Patienten, die man kennen sollte und folgt dann relativ konform der Vorlesung. Zu beachten ist, dass sich die Inhalte der Vorlesung von Jahr zu Jahr ändern können. Ich habe alles nochmal nachgelesen und vieles mehr oder weniger wörtlich aus den Büchern übernommen. Trotzdem kann ich nicht ausschließen, dass sich Fehler eingeschlichen haben. Wenn Du Kritik, Lob oder Verbesserungsvorschläge äußern möchtest, kannst Du mir eine E-Mail schicken: Janis.Etzel[ät]web.de Janis Etzel (SoSe 2009) Pflichtliteratur: Baddeley, A.D. (1999). Essentials of Human Memory. Hove: Psychology Press, 1999. Hierin Kapitel 1,2,3,5,6,11. Becker-Carus, C. (2004). Allgemeine Psychologie. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum Adademischer Verlag, 2004. (Hierin Kapitel 8, 10, 11) Müsseler, J. & Prinz, W.. (2004). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Adademischer Verlag, 2004. (Hierin Kapitel 4a) Vertiefende Literatur (fakultativ) Baddeley, A.D. (1999). Essentials of Human Memory. Hove: Psychology Press, 1999. Hierin die Kapitel 9 und 10 (vormals Pflichtliteratur). Baddeley, A. (2000) The episodic buffer: a new component of working memory? Trends in Cognitive Sciences, 4, 417 423. (vormals Pflichtliteratur) Eichenbaum, H. (2002). The Cognitive Neuroscience of Memory. Oxford: Oxford University Press. Ward, J. (2006). The Student s Guide to Cognitive Neuroscience. Hove, New York: Psychology Press, 2006 (insbes. Kap. 9-11). Tulving, E. (2002). Episodic memory: From mind to brain. Annual Review of Psychology, 53, 125. Es kann sich lohnen, den Artikel von Baddeley (2000) nachzulesen, da es zum Datum der Veröffentlichung seines Buches die Theorie des episodischen Puffers noch nicht gab, und dieser folgerichtig noch nicht beschrieben ist. Er wurde trotzdem in der Vorlesung behandelt. 2

Wie forschen Gedächtnispsychologen? Fragt man Probanden, wie sie Lernen und wie gut ihr Gedächtnis funktioniert, neigen sie dazu ihre Fähigkeit falsch einzuschätzen. Stattdessen untersuchen sie Probanden in Aufgaben, die Gedächtnisleistung erfordern, und bewerten wie gut oder schlecht sie in variierenden Bedingungen sind. Besonderes Interesse gilt systematischen Fehlern die auftreten. Eine andere Möglichkeit ist, Patienten zu untersuchen, die fokale neurologische Läsionen erlitten haben (z.b. Schlaganfall). Diese Patienten haben oft spezifische Ausfälle verschiedener Gedächtnis-Formen. So kann man untersuchen, wie Gedächtnisformen zusammenhängen. Ein solcher Patient ist der Patient H.M.. Eine dritte Möglichkeit sind neurochirurgische Studien an Tieren. Durch gezielte Läsion verschiedener Gehirnareale lassen sich Erkenntnisse über Neuroanatomie und Gedächtnisabläufe und -Leistung gewinnen. Warum nutzen so viele Studien verbales Material? 1) Sprache scheint eine wichtige Rolle für das menschliche Gedächtnis zu spielen. Menschen tendieren dazu, visuelle Stimuli verbal zu beschreiben. Ein visuell-präsentierter Stimulus wird also normalerweise nicht nur bildlich sondern auch verbal erinnert. 2) Verbales Material ist praktischer. Verbales Material ist viel einfacher auszuwählen und zu kontrollieren als visuelle, taktile oder akkustische Stimuli. Außerdem kann verbales Material gesprochen oder geschrieben präsentiert werden und in beiden Formen wieder abgerufen werden. Mit visuellem Material ist man für gewöhnlich auf wiedererkennenden Abruf (recognition) beschränkt. Patient Clive Wearing Patient Clive Wearing war ein talentierter Musiker, der an Herpes Simplex erkrankte. Das Virus überwand die Blut-Hirn-Schranke und verursachte Enzephalitis. Das Virus verursachte massive Schädigungen in seinem Gehirn, unter anderem am Hippocampus, Frontallappen und Temporallappen. Wearing ist so beeinträchtigt, dass er sich Dinge nur einige Minuten merken kann (schwere anterograde Amnesie). Er lebt in einem Zustand permanenter Gegenwart, unfähig Veränderungen zu bemerken oder ausgehend von Vergangenem Zukünftiges zu antizipieren. Sein Gedächtnis für Vergangenes ist weniger schwer betroffen. Er weiß, wer er ist und einen kurzen Überblick über sein Leben geben, jedoch mit wenig akkuraten Details (leichte retrograde Amnesie). Ebenso ist sein visuelles Gedächtnis geschädigt - Er verbrachte vier Jahre in Cambridge, aber er erkennt keine Bilder vom Campus. Sein Allgemeinwissen ist ebenfalls reduziert - zum Beispiel kann er nicht sagen, wer der Autor von "Romeo und Julia" ist. Ein bestimmtes Gebiet ist jedoch nicht geschädigt, nämlich sein musikalisches Talent. Er kann Noten lesen, eine Begleitung spielen und mit großem Talent und großer Hingabe Singen (unbeeintrachtigtes implizites motorisches Gedächtnis). 3

Patient H.M. Der Patient H.M. litt unter schweren epileptischen Anfällen. In einer Operation wurden ihm auf beiden Seiten Teile des Temporallappens, darunter der Hippocampus, entfernt. Nach der Operation litt H.M. an anterograder Amnesie, zeigte aber nur ein geringes Ausmaß an retrograder Amnesie. Die Operation hatte keine Auswirkungen auf die Intelligenz, motorisches Lernen, Priming oder das Kurzzeitgedächtnis (Test wie oben). Aus diesen Beobachtungen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Es gibt zwei verschiedene Arten von Gedächtnis, das KZG und das LZG. Das LZG wiederum lässt sich in Systeme mit deklaritiven (nicht-prozeduralen) und nicht-deklarativen (prozeduralen) Eigenschaften unterteilen. Der Hippocampus (und das umliegende Gewebe) ist nicht notwendig für kurzzeitige Speicherung, Priming oder motorisches Lernen, aber für die Konsolidierung episodischer und semantischen Gedächtnisinhalte. Er ist nicht endgültiger Speicherort der Erinnerungen und ist für den Abruf von Erinnerungen nicht notwendig. Patientin PV Nach einem Schlaganfall hatte die italienische Patientin PV starke Beeinträchtigungen im auditorischen Kurzzeitgedächtnis davongetragen. Semantisches und visuelles Gedächtnis waren unbeeinträchtigt, weshalb sie (vermutlich) normale Leistung in den meisten KZGAufgaben zeigte. An ihr wurden verschiedene Experimente zu geschriebener und gesprochener Sprache durchgeführt. Sie zeigte wenig Beeinträchtigung beim Lesen, woraus man schloss, dass die phonologische Schleife nicht unbedingt zum Lesen benötigt wird, diese aber eine Art Kontrollmechanismus (Fehler, Reihenfolge von Informationen) darstellt. Dann beschloss man, ihr russische Vokabeln beizubringen. Zwei Arten wurden ausprobiert: 1) Sie lernte zwei italienische Worte zu assoziieren (e.g. cavallo-libro, Pferd-Buch). Sie zeigte normale Leistung. 2) Dann sollte sie ein russisches Wort mit dem italienischen Äquivalent assoziieren. Sie zeigte Beeinträchtigungen und lernte in der Tat kein einziges russisches Wort. Daraus schloss man, dass die phonologische Schleife massgeblich beim Spracherwerb beteiligt ist. 4

Digit Span Personen werden Item-Sequenzen präsentiert und gebeten, sie in der genauen Reihenfolge zu wiederholen. Die Länge der Sequenzen wird stetig erhöht, bis der Punkt erreicht ist, an dem die Person immer scheitert. Die Halbe Sequenzlänge davon ist die Länge, die als Digit Span definiert ist. Selektive Interferenz Es gibt die Hypothese, dass sich Personen Zahlenlisten wie z.b. Telefonnummern durch interne Wiederholung (rehearsal) merken. Wenn die Personen daran gehindert werden, sollte die Gedächtnisleistung dramatisch sinken. Artikulatorische Suppression Eine Methode, Personen an der internen Wiederholung zu hindern, ist die "selektive Interferenz". Die Idee ist, dass das mehrmalige laute Aussprechen eines irrelevanten Wortes ("the") das interne Wiederholen verhindern und die Leistung dramatisch senken sollte. Zwar senkt die artikulatorische Suppression die Leistung, aber auch systematische Fehler, wie z.b. die Vertauschung ähnlich klingender Buchstaben (wie bei Conrad & Hull 1964) oder der Wortlängeneffekt (siehe Baddeley et al 1975) verschwinden. Neurophysiologie des Gedächtnisses Sensorische Informationen werden auf neuronaler Ebene repräsentiert. Man geht davon aus, dass eine Kette von elektrophysiologischen und neurochemischen Veränderungen im Gehirn an Lernprozessen beteiligt sind. Neuronen-Schleifen Die Schleifenbildung ist die Basis für das KZG. Neurone sind in Schleifen verschaltet. Die Aktivität der Schleifen-Neurone kann selbst dann weiterbestehen, wenn der sensorische Reiz nicht mehr besteht. Langzeitpotenzierung Unter Langzeitpotenzierung (LTP) versteht man eine langandauernde Verstärkung der synaptischen Übertragung. LTP benötigt Aktivität an beiden Rezeptoren auf beiden Seiten der Synapse. Wenn zwei Neurone oft miteinander feuern, dann kann dies zwei Auswirkungen haben: 1) Schon ein schwacher prä-synaptischer Stimulus bewirkt das Feuern des postsynaptischen Neurons und 2) die Art der "Verknüpfung" der beteiligten Neurone ändert sich. Besonders viele Zellen, die mit LTP assoziiert werden sind im Hippocampus lokalisiert, sodass angenommen wird, dass dieser eine entscheidende Rolle bei der Konsolidierung Frei nach der Hebb-Regel: "what fires together, wires together". Hebb Regel: Wenn ein Axon der Zelle A [ ] Zelle B erregt und wiederholt und dauerhaft zur Erzeugung von Aktionspotenzialen in Zelle B beiträgt, so resultiert dies in Wachstumsprozessen oder metabolischen Veränderungen in einer oder in beiden Zellen, die bewirken, dass die Effizienz von Zelle A in Bezug auf die Erzeugung eines Aktionspotenzials in B größer wird. 5

Hippocampus Der Hippocampus ist nicht Speicherort von Erinnerungen aber eminent wichtig für die Gedächtniskonsolidierung, also die Verfestigung von Gedächtnisspuren nach initialem Erwerb. Es wurde nachgewiesen, dass sich im erwachsenen Gehirn im Hippocampus neue Verbindungen zwischen bestehenden Nervenzellen bilden (synaptische Plastizität) und dass diese Neubildung mit dem Erwerb neuer Gedächtnisinhalte zusammenhängt. Hier befinden sich spezielle Glutamat-Rezeptoren (NMDA), die an der Langzeit-Potenzierung beteiligt sind. Menschen, bei denen beide Hippocampi entfernt oder zerstört wurden, können keine neuen Erinnerungen formen und weisen somit eine anterograde Amnesie auf. Alte Erinnerungen bleiben jedoch meist erhalten. Kurz- und Langzeit-Habituation: Unter Habituation versteht man eine einfach nicht-assoziative Form des Lernens. Habituation ist die Abnahme der Reaktionsbereitschaft bei wiederholter folgenloser Darbietung des selben Stimulus. Die Habituation ist stimulus-spezifisch (single-eventlearning). Das Gegenteil ist die Sensitivierung, die erhöhte Reaktionsbereitschaft gegenüber einem (oft aversiven) Stimulus. Nicht die Reaktion wird habituiert, sondern die Reaktion als Folge des Stimulus (d.h. die Fähigkeit des Stimulus die Reaktion auszulösen sinkt, und nicht die Reaktionsfähigkeit sinkt). Der Lernprozess verläuft asymptotisch. Bei der Habituation gibt es keine Veränderung der Aktionspotentiale sensorischer Neurone. Bei kurfristiger Habituation findet die Veränderung in einer Reduktion der Transmitterbläschen in der präsynaptischen Endung statt und die Bläschen können schlechter mit der Membran verschmelzen. Langzeithabituation bei Aplysia: Bei Aplysia verlieren dabei 70% der sensorischen Neurone ihre synaptische Verbindung zu den motorischen Kiemenreflexneuronen. Die verbleibenden Neurone weisen ca. 35% weniger Synapsen mit den motorischen Neuronen auf. Die synaptische Verbindung zwischen diesen Neuronen ist so geschwächt, dass sie selbst bei 6

starker Reizung kaum oder gar nicht mehr gar nicht mehr aktiviert werden konnten. Subitizing Subitizing (Simultanerfassung): Fähigkeit, die Anzahl von visuellen Stimuli schnell und genau wiederzugeben, ohne zu zählen (z.b Augenzahl auf einem Würfel). Bei einem normalen Erwachsenen liegt die Grenze bei etwa 4-5 Items. Überschreite die Anzahl der gezeigten Stimuli diese Grenze, muss gezählt werden. Werden die Stimuli nur kurz präsentiert, kann der Proband die Stimuli kurz im ikonischen Gedächtnis behalten und dort zählen. Conrad & Hull (1964) In diesem Experiment sollten sich Probanden eine Reihe von Konsonanten einprägen (z.b. l, r, p, f, q, h). Anschließend wurden sie gebeten, diese Reihe laut zu wiederholen. Die meisten Buchstaben konnten korrekt wiedergegeben werden, es traten jedoch systematische Fehler auf. Die Probanden tendierten dazu, Buchstaben durch ähnlich klingende zu ersetzen (b für p oder s für f etc.). Daraus lässt sich schließen, dass die Buchstaben eher verbal oder akkustisch als visuell kodiert wurden. Wie viele Arten von Gedächtnis? Viele Wissenschaftler gehen heute von drei Arten von Gedächntis aus: Sensorisches Gedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis. Beruhen KZG und LZG auf unterschiedlichen Systemen? 1. Bei amnestischen Patienten kann das KZG völlig intakt sein: 1. intakte Zahlenmerkspanne (e.g. Baddeley & Warrington 1970). 2. intakter End-Effekt (Recency-Effekt) beim Lernen von Listen. 3. Normale Effekte in der Brown-Peterson Aufgabe 2. Umgekehrt gibt es Patienten, die ein gestörtes verbales KZG bei gleichzeitig intaktem LZG haben -> doppelte Dissoziation. (e.g., Shallice & Warrington, 1970). 3. Kodierung im KZG scheint eher nach phonologischen, im LZG eher nach semantischen Merkmalen zu erfolgen (Conrad, 1964; Baddeley, 1966) Model von Atkinson and Shiffrin (1968) Das Modell geht davon aus, dass sensorische Informationen der Umwelt parallel in verschiedenen sensorischen Gedächtnisspreichern (ikonisch, echoisch, haptisch) sehr kurz gespeichert wird. Das Kurzzeitgedächtnis oder Arbeitsgedächtnis empfängt Informationen vom Sensorischen Gedächtnis, verarbeitet diese und bezieht sie zu Inhalten des Langzeitgedächtnisses. Ohne aufrechterhaltendes oder elaboriertes Wiederholen verblassen die Informationen sehr schnell. Prozesse des KZGs sind u.a. interne Wiederholung, Organisation, Kodierung und Abrufung von Informationen. Sind Informationen konsolidiert worden, werden sie im LZG gespeichert. Im Langzeitgedächtnis ist ein langandauernder, fast unbegrenzter Speicher für Informationen. Aus ihm können Informationen ins KZG gelangen und verarbeitet werden. Das Modell wurde kritisiert, weil es wenig Aussagen machte, welche Informationen aus dem Sensorischen Gedächntis weiterverarbeitet werden und wann eine Information vom KZG ins LZG überführt wird. Es berücksichtigt keine neurologischen Grundlagen und einige Patienten, darunter autistische Inselbegabten widersprachen ihm sogar, da sie komplexe Informationen auch ohne rehearsal wiedergeben konnten. Außerdem impliziert das Modell, dass alleiniges Rehearsal genügt, um Informationen ins LZG zu überführen, entscheidende ist jedoch die Verarbeitungstiefe der Informationen. 7

Eigenschaften des Sensorisches Gedächtnis (auch Ultrakurzzeitgedächtnis) - Rasches verblassen der Informationen (ikonisches G. ca. 0,1-0,5s, echoisches G. ca. 20s) - sehr große Kapazität - sehr wahrscheinlich keine semantischen oder bedeutungshaltigen Repräsentationen - Inhalte sind normalerweise erst bewusst zugänglich, wenn sie ins KZG übertragen und dort verarbeitet werden. Segner 1749: Visuelle Persistenz Segner beschrieb 1740 eine Methode, um die Dauer der ikonischen Gedächtnisspur zu messen. Dabei wurde ein glühendes Kohlestück auf ein rotierendes Rad aufgebracht. Segner zeigte, dass ab einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit ein Betrachter gerade einen ganzen Kreis wahrnahm (während bei langsamerer Rotation nur ein Teilkreis gesehen wurde). Die Zeitdauer für eine Rotation diente Segner somit als Schätzung für die Dauer der ikonischen Gedächtnisspur, ~ 0.1 s. Dieses Phänomen heißt visuelle Persistenz. Sperling (1960) In diesem Experiment zum ikonischen Gedächtnis, zeigte Sperling den Probanden einen weißen Bildschirm, dann 3 Reihen mit 4 Buchstaben für 50 millisekunden und wieder einem weißen Bildschirm. Wenn die Probanden gefragt wurden, an wie viele Buchstaben sie sich erinnern konnten, konnten sie typischerweise nur 4 oder 5 der 12 Buchstaben nennen. In einem anderen Versuch zeigte Sperling die Buchstaben wie gewohnt und zeigte den Probanden anschließend durch Töne an, welche Reihe sie nun aufsagen sollten. Unter diesen Umständen konnten Probanden typischerweise 3 von 4 Buchstaben erinnern. Da die Probanden vorher nicht wussten, welche Reihe Sperling abfragen würde, konnte Sperling zeigen, dass zumindest 3/4 der Buchstaben wahrgenommen wurden, aber während des Abrufens schon wieder vergessen wurden. Sperling (1963) In diesem Experiment variierte Sperling die Dauer zwischen der Präsentation der Buchstaben und dem Hinweisreiz. Er vermutete, dass mit zerfallender Gedächtnisspur auch die Leistung absinken sollte. Wenn der Hinweisreiz erst 0,5s nach der Präsentation der Buchstaben kam, war die Leistung nicht besser als wenn er die Probanden nach allen Buchstaben fragte. In einer späteren Studie verwendete er vor und nach der Präsentation einen schwarzen 8

Bildschirm. Wenn vor und nach der Darbietung ein schwarzer Bildschirm schwarz war, zerfiel der sensorische Gedächtnisinhalt langsamer, als wenn der Bildschirm weiß war und die Probanden zeigten bessere Leistungen. Sperling vermutete, dass je größer der Kontraststimulus ist, desto besser bleiben die Gedächtnisspuren erhalten. Das Paradigma, dass geringe Kontraste die Gedächtnisspuren schneller zerfallen lassen, nennt man "Visuelles Maskieren". Crowder and Morton (1969) In diesem Experiment zum echoischen Gedächtnis wurden den Probanden Reihen mit 9 Nummern vorgelesen (auditorische Information) oder präsentiert (visuelle Präsentation). Zunächst zeigte sich, dass die Position der Nummer einen Einfluss darauf hatte, wie wahrscheinlich sie später erinnert wurde. Besonderst gut wurden die ersten und die letzten Nummern erinnert (serielle Positionseffekte). Die Wahrscheinlichkeit, die letzte Zahl korrekt zu erinnern war bei auditorischer Präsentation bedeutend größer. Daraus ließ sich schließen, dass die letzte Ziffer noch im echoischen Ultrakurzzeitgedächtnis war. Die letzten Items ließen sich also besser erinnern, weil das echoische Gedächtnis beständiger ist, als das ikonische Gedächtnis. Dieser Effekt ließ sich umgehen, wenn nach der akkustischen Präsentation ein weiteres, irrelevantes Item präsentiert wurde, z.b. die Silbe "bah". Das echoische Gedächtnis enthielt dann das irrelevante Item statt der letzten Zahl. Die Präsentation eines Tons jedoch hatte keinen Effekt. Anmerkung: Die hier gezeigten seriellen Positionseffekte (Recency- und PrimacyEffect) stehen an dieser Stelle nicht im Vordergrund. Wichtig ist, dass das auditorische Material besser erinnert wird als das visuelle Material, was dafür spricht, dass das echoische Gedächtnis eine längere Gedächtnisspanne hat, als das ikonische Gedächtnis. 9

Eigenschaften des Kurzzeitgedächtnisses (KZG) Insbesondere Studien an Patienten mit Läsionen im Gehirn (z.b. Patient HM) legen nahe, dass KZG und LZG zwei verschiedene Systeme sind, wenn sie auch eng zusammenarbeiten. Das KZG ist ein System für die (temporäre) Speicherung und Manipulation einer begrenzten Zahl von Informationen. Zahl der Items oder Ideen, die simultan repräsentiert sein können ist begrenzt (~ 7 ± 2), aber die Kapazität kann durch Mnemotechniken (z.b. chunking) erweitert werden. Das Kurzzeitgedächtnis fungiert aber auch als Arbeitsgedächtnis, in welchem die aus dem sensorischen Speicher sowie aus dem LZG kommenden Informationen (beide unbewusst) kognitiv gegenwärtig und bewusst bearbeitet werden kann. Digit Span Die längste Sequenz von Items, die sofort in der richtigen Reihenfolge wiedergegeben werden kann. Die Anzahl der Items ist konstant, der Informationsgehalt der Digit Span kann jedoch durch Chunking erhöht werden, Rehearsal Gedächtnisinhalte im KZG gehen anscheinend verloren, wenn sie nicht durch erhaltende Wiederholung (maintenance rehearsal) vor dem Zerfall oder dem Displacement geschützt werden. Durch langes wiederholen können Gedächtnisinhalte leichter konsolidiert werden. Brown (1958) und Peterson and Peterson (1959) Stellten fest, dass selbst wenige Items schnell vergessen wurden, wenn die Probanden daran gehindert wurden, die Items intern zu wiederholen (rehearsal). Versuch: Buchstaben wurden kurz präsentiert, dann mussten die Probanden Rechenaufgaben lösen, die an der internen Wiederholung hinderten (Interferenz). 10

Chunking Rhythmische, semantische oder lautmalerische Verknüpfung von Informationen. Da die Anzahl der repräsentierten Einheiten im KZG begrenzt ist, können durch Chunking wesentlich mehr Informationen im KZG gespeichert werden, als wenn diese Informationen einzeln gemerkt werden. Interferenz Proaktive Interferenz: Verwechseln und Verschlechterung der Leistung von Durchgang zu Durchgang bei gleichbleibender Kategorie, da vorherige items mit nachfolgenden interferieren. Release from proactive interference: Bei Kategorienwechsel können die neuen Items besser erinnert werden, da die nachfolgenden Items nicht mit den vorherigen verwechselt werden (interferieren). 11

Retroactive Interference: Nach hinten gerichtete Verwechslung; spätere Item können besser erinnert werden als vorhergehende. Serielle Positionseffekte bei seriellem Abruf (Siehe Experiment von Postman und Phillips, 1965) Serieller Abruf: Wiedergabe aller Items in richtiger Reihenfolge (Gegenteil: freier Abruf ohne Reihenfolge). Bei freiem Abruf werden die ersten und die letzten Items besonders gut erinnert. Die Leistung wird von mehreren Faktoren beeinflusst: Vertraute Wörter werden generell besser erinnert als selten verwendete Wörter. Langsame Präsentation der Wörter verbessert die Leistung allgemein Wörter, die konkrete Objekte bezeichnen, werden besser erinnert als Wörter, die abstrakte Konzepte bezeichnen. Dies gilt nur für die ersten paar Items, nicht für den Recency-Effect. Primacy Effect: Effekt, dass bei seriellem Abruf die ersten Items besonders gut erinnert werden können, da diese durch rehearsal am Ende des Durchgangs im LZG gespeichert wurden. Recency Effect: Effekt, dass bei seriellem Abruf, die letzten Items besonders gut erinnert werden können, da diese durch rehearsal noch im KZG gespeichert sind. Wurden die Probanden vom rehearsal durch Interferenz abgehalten, blieb der Primacy Effect erhalten (Items waren bereits im LZG), aber der Recency Effect verschwand (durch Interferenz). Selbst eine Verzögerung von 30s war genug, um den Recency-Effect zu verhindern. 12

Baddley 1966 In diesem Experiment zeigte Baddley den Probanden mehrere Reihen von 5 Wörtern und bat sie, diese in der richtigen Reihenfolge aufzuschreiben. Es gab 4 Gruppen von Wörtern: Phonologisch ähnlich (man, map, can, mad, cat ) Phonologisch distinkt (pen, cow, pit, few, hot ) Semantisch ähnlich (big, huge, wide, large, great, ) Semantisch distinkt (old, late, strong, safe, thin ) Dieses Experiment zeigte, dass das Kurzzeitgedächtnis eher phonologisch als semantisch organisiert ist. Während phonologische Ähnlichkeiten die Leistung dramatisch verschlechterte, hatte semantische Ähnlichkeiten einen nur geringen Einfluss auf die Leistung. Um die Organisation des LZG zu untersuchen wurde ein ähnliches Experiment durchgeführt. In diesem umfassten die Reihen jeweils 10 statt 5 Wörtern und die Probanden wurden von interner Wiederholung abgehalten. Unter diesen Konditionen verschwand der phonologische Ähnlichkeitseffekt, jedoch wurden Wörter mit ähnlicher Bedeutung schlechter erinnert. Das bedeutet, dass das LZG eher semantisch organisiert ist. 13

Levels of Processing - Verarbeitungstiefe Atkinson & Shiffrin (1968) nahmen an, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Item vom KZG ins LZG übertragen wird, von der Verweildauer im KZG abhängt. Problem: Patienten mit extrem gestörtem KZG können annähernd normal lernen (Shallice & Warrington, 1970). Maintenance Rehearsal hilft dabei, Items im Kurzzeitgedächtnis zu behalten, aber es steigert nicht unbedingt das Langzeitlernen. Craik & Lockheart (1972): Die Übertragung eines Items vom KZG ind LZG hängt von der Verarbeitungstiefe ab; sie ist beispielsweise grösser, wenn ein Wort semantisch, hinsichtlich seiner Bedeutung verarbeitet wird ( deep encoding ), im Vergleich zu einer rein phonologischen oder orthographischen Verarbeitung ( shallow encoding ). 14

Die Verarbeitungstiefe kann durch die Aufgabeninstruktion beim Lernen manipuliert werden Bsp: Bezeichnet das Wort ein belebtes oder unbelebtes Objekt? (semantische Aufgabe, deep encoding). Beinhaltet das Wort den Buchstaben b? (orthographische Aufgabe, shallow encoding) 15

Arbeitsgedächtnis Badley & Hitch, 1974 Kurzzeitgedächtnis hat eine limitierte Speicherkapazität. Die Hypothese war, dass wenn das KZG als Arbeitsgedächtnis funktioniert, sollten Probanden, deren Kapazität durch das Wiederholen von Buchstaben-Reihen aufgebraucht ist, große Schwierigkeiten haben, andere Aufgaben, die Informationsverarbeitung (nachdenken, verstehen etc.) beinhalten, simultan auszuführen. Um das zu prüfen wurden den Probanden eine Reihe von Sätzen präsentiert, die die Anordnung zweier Buchstaben A und B beschrieben. Auf jeden Satz folgte das Paar AB oder BA. Die Aufgabe der Probanden war, zu entscheiden, ob der Satz das Paar korrekt beschrieb. Die Sätze konnten aktiv-sätze, passiv-sätze, verneinende aktiv-sätze oder verneinende passiv Sätze sein. Bereits in anderen Experimenten konnte gezeigt werden, dass aktiv-sätze schneller verarbeitet werden konnten als passive oder verneinende Sätze. Während sie die Aufgaben bearbeiteten, sollten sie eine 6-stellige Ziffernfolge laut aufsagen. Baddley fand, dass die Probanden erstaunlich wenig Fehler machten, sowohl beim Wiederholen als auch beim Lösen der Aufgaben, und die Verabeitungsgeschwindigkeit nur wenig reduziert war. Daraus wurde geschlussfolgert, dass es im Arbeitsgedächtnis mehrere Teilsysteme gibt, die sich nur teilweise überlappen. Die Slave Systems entlasten das Central System, indem sie kurzzeitig Informationen speichern können. Arbeitsgedächtnis-Modell von Baddeley Das Modell von Baddeley nimmt ein zentrales Exekutiv-System (Central Executive) an, ein System, dass das gesamte Arbeitsgedächtnis kontrolliert. Der zentralen Exekutive stehen eine Reihe von Sklavensystemen (Slave Systems) zur Seite, die zum Teil die Speicherfunktion für Informationen übernehmen können, sodass Kapazitäten für gerade dringliche informationsverarbeitende Prozesse frei werden. Eines dieser Sklavensysteme ist die artikulatorische oder phonologische Schleife 16

(phonocological loop). Für die Existenz einer solchen Schleife sprechen vier Hinweise: Phonologischer Ähnlichkeitseffekt: Die Tendenz, dass Fehler der Probanden phonologisch ähnlich zum korrekten Item sind (F -> S, B -> G etc), und die Tatsache, dass phonologisch ähnliche Items schwieriger zu erinnern sind als phonologisch unterschiedliche Items (Baddeley, 1966). Irrelevanter Spracheffekt: Präsentation von irrelevanter, zu ignorierender gesprochener Sprache beeinträchtigt das KZG für visuell präsentierte Ziffern. Der Effekt ist unabhängig davon ob die irrelevante Sprache englisch, deutsch oder arabisch ist; irrelevante nichtsprachliche Stimuli erzeugen ihn aber nicht (Salamé & Baddeley, 1982, 1989; vgl. allerdings die Arbeiten von Jones, 1994, 1995). Annahme daher: nur sprachliches Material kann in den phonologischen Speicher gelangen. Der Effekt der Wortlänge auf die Gedächtnisspanne: Lange Worte ->kürzere Gedächtnisspanne; kurze Worte -> längere Gedächtnisspanne (Baddeley et al., 1975). Dieser Effekt liegt vermutlich am rehearsal (innerer Wiederholung), das für längere Worte länger dauert, so dass die Gedächtnisspur vorher präsentierter Wörter leichter zerfällt. Tatsächlich verschwindet der Wortlängeneffekt, wenn rehearsal durch sog. artikulatorische Supression mittels repetitiver lauter Sprache ( das, das, das ) verhindert wird. Artikulatorische Suppression eliminiert den phonologischen Ähnlichkeitseffekt bei visueller Präsentation (Interpretation: visuelles Material kann nicht in den phonologischen Speicher transferiert werden), und es eliminiert auch den irrelevanten Spracheffekt (Interpretation: wenn Material nicht in den phonologischen Speicher gelangt, wird es auch nicht von irrelevantem Sprachmaterial gestört). (Kritik jedoch: Phonologischer Ähnlichkeitseffekt und irrelevanter Spracheffekt scheinen auf unterschiedlichen Mechanismen zu beruhen; Martin-Loeches, Schweinberger & Sommer, 1997) Anmerkung: etwas weiter unten findet sich ein aktuelleres Modell von badeley (2000), dass einen episodischen Puffer als drittes Slave System mit einschließt. Mind's Ear Das Mind's ear ist eine Art innere Sprache beim Lesen von Texten, die aber nicht das gleiche wie die phonologische Schleife ist. Es ist möglich das Mind's Ear zu unterdrücken und den 17

Text trotzdem zu verstehen. Wir lesen i.d.r. nicht, indem wir den Klang eines Wortes produzieren und ihn dann verstehen (was auch möglich ist, siehe Auditory Imagery). Jedoch, wenn wir subvocalization unterdrücken, fällt es uns schwerer Fehler zu entdecken, etwa wenn zwei Worte vertauscht sind. Die phonologische Schleife scheint daher eher ein Kontrollmechanismus beim Lesen zu sein, der gut die Abfolge der Informationen speichert. Auditory Imagery Wir haben die Möglichkeit, akkustische Repräsentationen von Tönen und Melodien vorzustellen, die wir selbst nie produzieren könnten. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass dieses Vorstellungsvermögen auf der phonologischen Schleife beruhen. Phonologische Schleife Rolle der phonologischen Schleife beim Spracherwerb Kapazität der phonologischen Schleife kann die Effizienz des Fremdsprachenerwerbs vorhersagen und Baddeley hält die phonologische Schleife für eine entscheidende Komponente beim Neuspracherwerb (siehe Patienten PV und Baddley, Papagno & Vallar 1988) Kinder mit verzögertem Spracherwerb haben oft eine stark reduzierte verbale Gedächtnisspanne und sind besonders beeinträchtigt bei der Wiederholung von Pseudowörtern ( nonword repetition deficit ) Baddley, Papagno, Vallar 1988 In ihrem Versuch wollten Baddley et. al. die Beeinträchtigung der Patientin PV neue fremdsprachige Vokabeln zu lernen (da ihr auditorisches KZG gestört war) an gesunden Probanden nachstellen. Die Hypothese war, dass die phonologische Schleife unbedingt notwendig ist, um neue, fremdsprachige Vokabeln zu lernen und diese mit den entsprechenden Wörtern in der Muttersprache zu assoziieren. Sie baten also die Patienten die Artikulation zu unterdrücken. Während die Probanden bekannte Wörter in der Muttersprache gut assoziieren konnten, gelang ihnen das nicht sehr gut, wenn sie fremdsprachige Worte mit den entsprechenden Worten in der Muttersprache assoziieren sollten. Daraus schloss man, dass auditorisches Kurzzeitgedächtnis für phonologisches Langzeitlernen notwendig ist. Zentrale Exekutive Die Zentrale Exekutive ist ein Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität, dass die phonologische Schleife und den visuell-räumlichen Notizblock kontrolliert und eine Verbindung zum Langzeitgedächtnis herstellt. U.U. identisch zu dem, was andere Wissenschaftler als supervisory attentional system (SAS) bezeichneten Arbeitsgedächtnisspanne (working memory span; Daneman & Carpenter, 1980): Aufgabe: Lesen einer bestimmten Anzahl einfacher Sätze; Nach dem letzten Satz soll das letzte Wort jedes Satzes reproduziert werden Leistung korreliert mit Leseverständnis (Oakhill et al., 1988) Arbeitsgedächtnisspanne korreliert hoch mit schlussfolgerndem Denken (Kyllonen & Christal, 1990), evtl. Intelligenz Räumlich-Visueller-Notizblock Eine Kontroverse herrscht, ob das Bild direkt im Gedächtnis gespeichert wird oder ob es von abstrakteren Repräsentationen zusammengebaut wird. Befürworter der ersten Ansicht suchten Ähnlichkeiten zwischen dem Prozess des Lesens und dem Prozess des Wahrnehmens. Shepard (Shepard & Feng 1972, Shepard & Metzler 1971) suchten diese Ansicht zu belegen. Shepard & Feng, 1972 18

Den Probanden wurden Bildern von Faltvorlagen gezeigt. Sie sollten die Faltvorlagen gedanklich falten und entscheiden, ob die Pfeile sich treffen. Shepard und Feng fanden, dass die Zeit, die die Probanden brauchten systematisch mit der Anzahl der Arbeitsschritte, die gebraucht werden würden, wenn die Vorlage tatsächlich gefaltet werden würde, zusammenhing. Es war, als würden sie die Vorlage tatsächlich im Kopf falten. Shepard & Metzler 1971 In einem anderen Experiment sollten die Probanden Bilder von Figuren gedanklich rotieren und entscheiden, ob es sich um gleiche oder verschiedene Figuren handeln. Shepard's Probanden zeigten einen klaren Zusammenhang zwischen der Entscheidungszeit und wie sehr sich die Figuren im Winkel unterschieden. Es schien, als würden sie sich tatsächlich vorstellen, wie die Figuren rotieren. Die Experimente zeigten, dass sich visuelle Vorstellung wie visuelle Wahrnehmung, zu einem gewissen Grad. Jedoch, visuelle Vorstellung ist mehr als Bilder im Kopf zu haben (Detailtreue, Ressourcenaufwand etc.). Was hat visuelle Vorstellung nun mit Arbeitsgedächtnis zu tun? Baddley ist der Ansicht, dass räumliche Information im Langzeitspeicher abstrakt codiert vorliegt, aber um sich die Informationen anzeigen zu lassen und sie zu manipulieren mit Hilfe eines räumlichvisuellen-sklaven-systems abläuft. Dieses System nutzt viele Mechanismen, die auch bei der Wahrnehmung angewendet werden und ist abhängig von der zentralen Exekutive. Brooks (1968) Probanden wurde ein Großbuchstabe, wie z.b. ein F, gezeigt und wurden gebeten, diesen im Gedächtnis zu behalten. Nun sollten sie, angefangen von der linken unteren Ecke, sagen, ob die Ecke von der unteren oder oberen Linie gebildet wird. Probanden konnten antworten, indem sie entweder antworteten oder indem sie auf ein gedrucktes "Ja" oder "Nein" deuteten. Die Probanden fanden es sehr viel schwerer, zu antworten indem sie auf die Wörter deuten als wenn sie antworteten, als ob der Fingerzeig mit dem räumlichen Vorstellungsprozess interferieren würde. In einem anderen Experiment sollten sie den Satz Ein Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach erinnern während sie entscheiden sollten, ob jedes Wort im Satz ein Nomen ist oder kein Nomen. Bei dieser Aufgabe waren die Probanden viel besser, wenn sie auf die Antwort zeigen konnten als wenn sie die Antwort aussprachen. Zeigen mit dem Finger wurde als räumlich-visuelle Aufgabe gewertet, weshalb sie mit der visuell-räumlicher Vorstellung interferierte,aber nicht mit sprachlicher Verarbeitung. Sprachliche Antwort interferiert mit sprachlichen Aufgaben, aber nicht mit visuellräumlicher Vorstellung. Episodischer Puffer Mit der Zeit entdeckte Baddeley Effekte, die sich mit dem Drei-Komponenten-Modell nicht mehr erklären lassen. Normalerweise kann man sich ca. 5 Wörter merken, wenn die Wörter aber einen Zusammenhang haben (z. B. einen Satz bilden, s. Chunking), kann man sich ca. 16 Wörter merken. Der ursprüngliche Gedanke, dass daran das Langzeitgedächtnis beteiligt ist, musste verworfen werden, da sich Menschen mit geschädigten Kurzzeitgedächtnis und funktionierendem Langzeitgedächtnis nur ca. 5 Wörter merken können. Das Langzeitgedächtnis ist also offensichtlich nicht beteiligt. Zur Erklärung hat Baddeley im Jahr 2000 den episodischen Puffer zu seinem Modell hinzugefügt. Es handelt sich dabei um ein multimodales Speichersystem mit begrenzter Kapazität, es kann sowohl visuelle als auch phonologische Informationen in Form von Episoden speichern. 19

Das Displacement-Modell Die Beobachtung, dass die gespeicherten Elemente nur kurzzeitig erhalten bleiben und beim Aufnehmen neuer Information vornehmlich die älteren verloren gehen, hat zur Modellvorstellung eines Schieberegisters (displacement register) mit begrenzter Kapazität geführt. Dieses Register bietet Platz für etwa 7 Registerkärtchen. Jedes neu einkommende Item, zum Beispiel ein Tiername, benötigt einen Platz für sich. Dabei werden die bereits vorhandenen Kärtchen immer weiter über zum offenen Ende des Registers geschoben, in dem allerdings nur etwa 7 Kärtchen Platz finden. Solange also die Anzahl der Items die Anzahl der Registerfächer nicht überschreitet, können wir alle Items erinnern. Sobald aber alle vorhandenen Fächer gefüllt sind, der Gedächtnisspeicher also "voll" ist, kann ein neu eintretendes Kärtchen nur gespeichert werden, wenn ein bereits gefülltes Fach geleert wird bzw. aus dem Speicher geschoben wird. Es gibt die Tendenz, dass die ältesten Items zugunsten der neuen aus dem Speicher geschoben werden, wenn der Speicher voll ist. 20

Langzeitgedächtnis (LZG) Als Langzeitgedächtnis wird das System bezeichnet, der Informationen (auch ohne rehearsal) länger als einige Sekunden speichert. Man unterscheidet jedoch verschieden Arten von LZG: Implizites Gedächtnis: Das prozedurale Gedächtnis, auch implizites Gedächtnis oder nichtdeklaratives Gedächtnis speichert Fertigkeiten, Erwartungen, Verhaltensweisen und die Ergebnisse von Konditionierungsvorgängen und Priming. Gemeinsam ist den Inhalten des prozeduralen Gedächtnisses, dass sie ohne Einschaltung des Bewusstseins das Verhalten beeinflussen können. Explizites Gedächtnis: Das deklarative Gedächtnis, auch Wissensgedächtnis oder explizites Gedächtnis, speichert Tatsachen und Ereignisse, die bewusst wiedergegeben werden können. Bei der Wissensrepräsentation des expliziten Gedächtnisses unterscheidet man wiederum ein semantisches Gedächtnis, in dem Faktenwissen gespeichert wird, und ein episodisches Gedächtnis, das für die Speicherung von Erlebnissen verantwortlich ist. 21

Enkodierung von Langzeitgedächtnisinhalten Zwei-Speicher-Theorie Nach der Zwei-Speicher-Theorie wird angenommen, dass die in das Kurzzeitgedächtnis aufgenommenen Informationen hier nur erhalten werden, wenn sie durch mehrfache Erhaltungswiederholungen (maintenance rehearsal) aufrechterhalten wird - andernfalls geht sie dem stufenweisen displacement (Ersatz durch neue Inhalte) oder durch Zerfall verloren. Um die im Kurzzeitspeicher zunächst zwischengespeicherten Informationen auf Dauer zu erhalten, muss sie in irgendeiner Weise in das Langzeitgedächtnis transferiert werden. Hier wird angenommen, dass dieser Transfer durch integrative Wiederholung (integrative reheasal) oder elaboriertes Wiederholen, bei dem die verschiedenen Encodierungen ausgearbeitet werden, erfolgt. (Bild: 2 Speicher Modell) Das behalten von Informationen im (semantischen) LZG ist insbesondere von drei Faktoren abhängig: Der Elaboration des Materials, z.b. in Form von Codierung oder in Zusammenhang mit der Verarbeitungstiefe. von der Organisation es Wissens, das ebenfalls bei der Einspeicherung erfolgt. von dem Kontext, in welchem das Material gelernt wurde. 22

Serielle Positionseffekte bei freier Reproduktion (Murdock 1962) Den Versuchspersonen wird eine Liste von unzusammenhängender Wörter einmalig zum Behalten präsentiert. 20 oder 40Wörter werden nacheinander visuell oder akkustisch angeboten, und die Versuchspersonen haben jeweils genau eine Sekunde Zeit, um jedes Wort zu betrachten. nach der einmaligen Vorgabe der gesamten Liste müssen die Versuchspersonen sofort möglichst viele Worte in beliebiger Reihenfolge - freier Abruf reproduzieren. Die gemittelten Daten aus mehreren Wortlisten ergeben die sogenannte serielle Positionskurve von U-förmiger Gestalt. Die letzten Wörter sind offensichtlich noch im KZG gespeichert und werden besser erinnert, der sogenannte Recency-Effekt. Aber auch Wörter vom Anfang werden mit höherer Wahrscheinlichkeit erinnert als der verbleibende große Mittelteil, was als Primacy-Effekt bezeichnet wird. Der Primacy-Effekt wird darauf zurückgeführt, dass die Items schon im LZG gespeichert wurden. Eine ablenkende Aufgabe direkt nach dem Lernen der Wortliste eliminiert den RecencyEffekt, da die kurzzeit-gespeicherten Worte durch andere Items verdrängt werden (displacement), nicht aber den Primacy-Effekt, da diese Worte schon ins LZG transferiert worden sind. Verarbeitungstiefe Studien zeigte, dass Maintenance Rehearsal zwar Informationen im Kurzzeitspeicher hielten, aber die Dauer der Maintenance Rehearsal nicht die Behaltensleistung erhöhte. Manche Autoren sind deshalb der Meinung, dass nicht die Dauer des Memorierens entscheidend sei, ob eine Information ins LZG überführt wird, sondern die Verarbeitungstiefe. Statt dem Zwei-Speicher-Modell schlugen sie ein Ein-Speicher-Modell vor, die sogenannte Theorie der Verarbeitungstiefe, die besagt, dass die zu speichernden Informationen in mehreren Stufen (levels of processing) bearbeitet werden können, wobei das Memorieren die Gedächtnisleistung nur dann verbessert, wenn das Material in einer bedeutungshaltigen (tiefen) Weise memoriert wird, wohingegen ein passives Memorieren 23

nicht zu einer besseren gedächtnisleistung führt. Die Art der Bearbeitung der zu lernenden Information bestimmt die Wahrscheinlichkeit mit der diese Information behalten wird. Je tiefer die Verarbeitung während des Lernens ( deep encoding ), desto besser die spätere Gedächtnisleistung, je oberflächlicher die Verarbeitung ( shallow encoding ), desto schlechter die spätere Gedächtnisleistung. Tiefere Verarbeitung dauerte auch länger. Ist also die Verarbeitungszeit und nicht die Verarbeitungstiefe entscheidend? Craik und Tulving (1975) konnten zeigen, dass der Effekt der Verarbeitungstiefe auch dann erhalten blieb, wenn die Bearbeitungszeit der tiefen und oberflächlichen Aufgaben vergleichbar sind (z.b. Zählen der Vokale statt Entscheidung Groß- oder Kleinschreibung). Ein anderer Ansatz ist, dass die Verarbeitungstiefe deshalb zu besseren Abrufleistunge führt, weil tiefere Verarbeitung stärkere Gedächtnisspuren legt und die Items angereichert und elaboriert wurden und das Item deshalb mit einem größeren Netzwerk verbunden ist. Craik & Lockhart 1972 Zur Operationalisierung unterschiedlicher Verarbeitungstiefen des Gedächtnisses, wie sie in der Theorie der verarbeitungstiefe angenommen werden, führten Craik und Lockhart einen Versuch durch, der die Erinnerung in Abhängigkeit verschiedener Verarbeitungsformen demonstrierte. Den Versuchspersonen wurden nacheinander einzelne Wörter blitzlichtartig für 0,2 Sekunden auf einem Schirm gezeigt, und sie mussten anschließend jeweils eine Frage beantworten, die sich auf diese Frage bezog. Es gab drei unterschiedliche Fragetypen erste, oberflächige Ebene: Frage nach Schriftart der Wortes (z.b. ist das Wort in Großbuchstaben geschrieben?) -> geringe Verabeitungstiefe zweite Ebene: Frage nach Klang/ Aussprache des Wortes (z.b. "Reimt sich das Wort auf Ofen?") -> tiefere Verarbeitungstiefe dritte, tiefe Ebene: Frage nach semantischer Bedeutung des Wortes (z.b. "passt das Wort in den Satz") -> tiefste Verarbeitungstiefe Die Fragen wurden mit "ja" oder "nein" beantwortet. Bei einem späteren Behaltenstest wurde sowohl Rekognition als auch Reproduktion gemessen und es zeigte sich, dass die Behaltensleistung mit steigender Verarbeitungstiefe anstieg. Methodische Kritik: Wie misst man die Tiefe der Verarbeitung? Reaktionszeit während der Bearbeitung ist offenbar kein geeignetes Maß! Theoretische Kritik: Der Ansatz nimmt an, dass unterschiedliche Informationen seriell verarbeitet werden, z.b. bei Wörtern zuerst visuelle, dann phonologische, dann semantische Aspekte. Wenn höhere Aspekte für die Aufgabe nicht benötigt werden, findet auch keine Analyse dieser höheren Aspekte statt. Aber: Wie wahrscheinlich ist es, dass bei der Entscheidung ob das Wort HUND großgeschrieben ist, die Bedeutung des Wortes nicht auch verarbeitet wird? Die Rolle von Oranisation von Informationen beim Lernen De Groot (1966): In diesem Experiment betrachteten Schach-Großmeister und normale Spieler für 5 Sekunden eine Spielsituation und sollten dann versuchen, die Situation aus dem Gedächtnis 24

nachzustellen. Die Großmeister konnten 90% der Spielsteine korrekt aufstellen, die normalen Spieler lediglich 40%. De Groot interpretierte die Leistungsunterschiede wie folgt: Die überlegenen Spielfertigkeiten der Großmeister entstehen aus ihrer Fähigkeit, dass Schachbrett als ein organisiertes Ganzes und nicht als eine Ansammlung einzelner Bestandteile wahrzunehmen und zu erinnern. Allgemeiner: Experten sind in der Lage, das Material zu einem bedeutungsvollen und organisierten Muster zu organisieren. Bower et. al. (1969) In diesem Experiment wurden die Probanden gebeten, Wortlisten zu lernen. Manche davon waren hierarchisch organisiert (z.b. Mineralien -> Metalle (Edelmetalle, Metalle und Metalllegierungen) und Steine (Edelsteine, gewöhnliche Steine)) andere nicht. Anschließend sollten sie im freien Abruf so viele Wörter niederschreiben, wie möglich. Viele Probanden fanden es bedeutend leichter, sich Wörter zu merken, wenn sie hierarchisch organisiert waren. Aber auch visuelle-vorstellende Mnemotechnik kann helfen unzusammenhängende Wörter gut zu behalten, wenn sie in einer Geschichte verwoben werden. Eine eigene Geschichte zu erfinden führte zu besseren Gedächtnisleistungen als fremde zu übernehmen. Konsolidierung von Langzeitgedächtnisinhalten Unter Gedächtniskonsolidierung versteht man die Verfestigung von Gedächtnisspuren nach dem initialen Erwerb. Agranoff (1967) Besonders eindrucksvoll konnte Agranoff (1967) in verschiedenen Experimenten zeigen, dass die Langzeitspeicherung von bereits gelernten Inhalten nicht erfolgt, wenn während oder nach dem Training die cerebrale Proteinsynthese durch Injektion eines Syntheseblockers in den Liquor des Gehirns gehemmt wird. Bei allen Experimenten erlernten Goldfische konditioniertes Vermeidungsverhalten und erhielten zu zu unterschiedlichen Zeiten eine Injektion des Synthesblockers. Beobachtet wurde die Auswirkung des Syntheseblockers zu unterschiedlichen Zeiten der Injektion auf die Konsolidierung des gelernten: 1. Wird dem Goldfisch kein Syntheseblocker injiziert, so behalten sie das Gelernte für 3-30 Tage. 2. Wird ihnen der Syntheseblocker direkt nach dem Training injiziert, so wird die Konsolidierung verhindert und die Vermeidungsreaktion wird vergessen. 3. Wartet man nach dem Training etwa 1 Stunde und injiziert dann das Medikament, dann zeigte sich keine Wirkung mehr auf das Gedächtnis, da das Gelernte bereits konsolidiert war. 4. Besonders bedeutsam ist das Ergebnis, dass eine Injektion direkt vor dem Training das Lernen nicht behindert, aber das einmal Gelernte ist nach zwei Stunden wieder vollständig vergessen. Diese Ergebnisse indizieren also eine erste Phase der Informationsspeicherung, die einer funktionierenden Proteinsynthese nicht bedarf und die Lerninhalte nur für eine Zeit von weniger als drei Stunden zu speichern vermag. Weiterhin schloss man von den Experimenten, dass Konsolidierungsprozesse stattfinden, nachdem Informationen bereits ins Langzeitgedächtnis transferiert wurden. Die Konsolidierung benötigt eine gewisse Zeit und kann sie nicht stattfinden oder wird sie gestört, gehen die informationen wieder verloren. 25

Modell der Gedächtniskonsolidierung (Alvarez & Squire, 1994) Unterschiedliche zu einer Episode gehörende Informationen sind in verschiedenen Arealen des Neokortex gespeichert. Die Zuweisung während des Lernens und das Zusammenfügen während des Abrufs leistet der MTL. Konsolidierung entsteht innerhalb des Neokortex durch graduelles Zusammenfügen der neokortikalen Repräsentationen. Vor der Konsolidierung ist das LZG also auf den MTL angewiesen. Konsolidierung verläuft nach der Hebb schen Regel, tritt nämlich dann auf, wenn neuronale Aktivität im MTL getrennte Areale im Neokortex aktiviert. Bei wiederholter Koaktivierung führt dies zu einer stärker werdenden Verbindung dieser Areale. Nach der Konsolidierung ist das LZG also nicht mehr auf den MTL angewiesen. 26

Abruf aus dem Langzeitgedächtnis Im Langzeitgedächtnis sind mehr Informationen gespeichert, als zu einem bestimmten Zeitpunkt abgerufen werden können. Ein wichtiger Faktor ist, dass die Information organisiert wird, damit sie im richtigen Moment abgerufen werden kann. Retrieval Cues können dabei helfen, Informationen abzurufen, die ansonsten nicht zugänglich wären, vielleicht weil zwar eine Gedächtnisspur besteht, aber diese nicht stark genug ist, um einen Abruf zuzulassen. Der Retrieval Cue erlaubt, zusammen mit der schwachen Gedächtnisspur, die Information abzurufen. Manchmal können wir Informationen nicht direkt abrufen, aber systematische Suche (z. B nach Assoziationen zur gesuchten Information) im Gedächtnisspeicher kann dazu führen, dass wir die Information wiederfinden und Abrufen können. Dieser Vorgang heißt recollection. Tulvig & Pearlstone (1966) Dieses Experiment untersuchte die Wirkung von Retrieval Cues (Hinweisreizen). Tulvig präsentierte den Probanden eine Wortliste von 28 Wörtern, die aus 7 Kategorien ausgewählt wurden (Metalle, Blumen, Spirituosen etc.). Dann wurden sie gebeten, so viele Wörter wie möglich frei abzurufen, einmal unter der Bedingung, dass die Retrieval Cues sichtbar waren und einmal unter der Bedingung, dass dies nicht der Fall war. Das Ergebnis war, dass die Probanden wesentlich mehr Wörter abrufen konnten, wenn die Retrieval Cues sichtbar waren. Tulvig (1967) Tulvig bat seine Probanden eine Liste von 36 Worten zu lernen und bat sie anschließend dreimal hintereinander so viele wie möglich frei abzurufen und das ganze zu wiederholen. Überraschenderweise lernten die Probanden genau so schnell, wie diejenigen, die abwechselnd lernten und abriefen. Es scheint, als würde der Vorgang des Suchens und Abrufens der Items tatsächlich zum Lernen beizutragen. Bei der Analyse der drei Durchgänge wurde gefunden, dass bei allen drei Abrufdurchgängen gleich viele Items abgerufen werden konnten, aber nur die Hälfte der Worte wurden konsistent in allen drei Durchgängen abgerufen. Man ging also davon aus, dass manche Items in den einzelnen Durchgängen nicht vergessen wurden, sondern lediglich temporär nicht abgerufen werden konnten. Auf der Zunge liegen (on the tip of the tongue) Wenn wir in einer Situation eine Information nicht abrufen können, von der wir sicher wissen, dass wir sie kennen, sagen wir üblicherweise "es liegt mir auf der Zunge". Brown & McNeill 1966 Brown und McNeill untersuchten, ob dieses Gefühl tatsächlich berechtigt ist oder auf 27