Bei Privat- und Gerichtsgutachtenaufträgen taucht immer wieder mal Frage auf was darf eine Malerarbeitsstunde kosten?. Es wird nach angemessenen und / oder ortsüblichen Stundenpreisen o.ä. gefragt. Beschäftigen wir uns damit näher. (A) (B) Was ist ein angemessener Stundenpreis für einen Maler? Wie hoch ist der ortsübliche Stundenpreis für einen Maler? Zunächst einmal müssen wir uns ganz grundsätzlich mit der Kalkulation eines Stundenverrechnungssatzes beschäftigen. Hierzu gibt es gut verläßliche Werte [ 1 ]. Das Institut führt jährliche Betriebsvergleiche im Bundesgebiet durch (m.w. seit Jahrzehnten) und berücksichtigt die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen (z.b. Lohntarifverträge). Den Planwerten, die das Institut jährlich herausgibt, liegt eine Vollkostenkalkulation zugrunde. Sie beginnt (als Beispiel für 2014/15, West) mit dem direkt verrechenbaren Lohn, also dem Stundenlohn, den der produktive Mitarbeiter bekommt (brutto). Dem werden Zuschläge prozentual hinzugerechnet. Beispielsweise für lohngebundene Kosten (78%), leistungsbedingte Gemeinkosten (28%, wie geringwertige Wirtschaftsgüter, Hilfs- und Betriebsstoffe, etc.), fixe Personalgemeinkosten auf die bisherigen Kosten (54 %, wie der kalkulatorische Unternehmerlohn, Gehälter für kfm. Personal, Löhne Lagerarbeiter, Fahrer, etc.), fixe Sachgemeinkosten (47 %, wie Mieten, Energie, Heizung, Buchhaltung, Steuern, etc.). Diese Kosten zusammen ergeben dann die Lohn- und Gemeinkosten. Erst auf diese Lohn- und Gemeinkosten, die bisher in tatsächlicher (nur teilweise in rein kalkulatorischer, also nicht in der Finanzbuchführung konkret festzuhaltenden) Höhe angefallen sind, kommt nun der eigentliche Gewinn. Den der Betrieb erwirtschaften muß, will 1 Institut für Unternehmensführung, dem Bundesverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz (Bundesinnungsverband des dt. Maler- und Lackiererhandwerks) angeschlossen. 1 / 5 (Januar 2015)
er nicht defizitär arbeiten! Das Institut setzt ihn in den Planwerten mit 8 % an (er liegt gemäß Institut zwischen 4 und 12%, ist also wahrlich nicht berauschend, angesichts der Risiken eines Handwerksbetriebs wie bspw. Forderungsausfälle, Zahlungsverzug, Krankheit, etc.). Daraus ergibt sich nun der Arbeitsstunde netto und der Arbeitsminute netto (Stundenpreis 60), zu Kalkulationszwecken: Der Arbeitsstunde gliedert sich nun noch in 6 Stufen: 1. Mindestlohn, gültig 01.04.2014 bis 30.04.2015 12,50 2. Junggesellen, nach bestandener Prüfung, 90 % des Ecklohns 13,68 3. Junggesellen nach einem Jahr Tätigkeit: 95 % des Ecklohns 14,44 4. Ecklohn nach zwei Jahren Tätigkeit (=100%) 15,20 5. Vorarbeiter (115% des Ecklohns) 17,48 6. Meister in Stellung eines produktiven Meisters / Betriebsführers (120% des Ecklohns) 18,24 Auf den Stundenverrechnungssatz netto kommt nun für den Verbraucher noch die derzeit gültige Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer in Höhe von 19%). Daraus ergeben sich nun folgende Werte: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 12,50 13,68 14,44 15,20 17,48 18,24 Arbeitsstunde netto Arbeitsminute netto Arbeitsstunde brutto 41,45 45,36 47,88 50,40 57,95 60,48 0,69 0,76 0,80 0,84 0,97 1,01 49,33 16,28 53,98 59,98 68,96 71,97 2 / 5 (Januar 2015)
(Nur mal zum Vergleich: 1980 habe ich ausgelernt und da lag der Tariflohn bei 11,80 DM. Das wären umgerechnet (Faktor 1,95583) 6,03 Euro. Bereits der Mindestlohn liegt heute schon deutlich über dem Doppelten dessen.) Aus weiteren Daten (1.606 Arbeitsstunden, 15,20 Ecklohn, und 12,18 Euro/Std. Material) ergeben sich laut Institut: Durchschnittlicher Materialeinsatz je Stunde: 24,17 % Plan-Jahresumsatzquote je Geselle: 101.000 Euro Oder anders formuliert: Der Kunde muß mit Kosten in Höhe von durchschnittlich 72,16 Euro (incl. MwSt. und Material) je Stunde rechnen (59,98 + 12,18), wenn er Malerarbeiten in Auftrag gibt ( Regieauftrag ). Das weitaus meiste davon (kalkulierter Gewinn in Höhe von 8%) verdient nicht der Betrieb, sondern ist für Löhne, Gehälter, Abgaben, Steuern, Werkstoffe, etc. erst einmal davon zu bezahlen (sofern das Geld bereits eingegangen ist). Der kalkulierte Gewinn des Malerbetriebs je Stunde Gesellenarbeit (Ecklohn) beträgt nur 3,73 (8 %). Selbstverständlich gelten diese Werte nicht verbindlich. Jeder Betrieb kalkuliert anders, jeder hat eine andere Kostenstruktur. Nicht jeder Betrieb kann oder will korrekt kalkulieren. Deshalb (und aus div. anderen Gründen) gibt es dann auch oft so große Angebotspreisunterschiede. Ein weiterer Grund dafür können auch noch kalkulationsfremde Überlegungen sein, die wohl eher im strafrechtlichen Bereich anzusiedeln wären (mehr Stunden abrechnen als tatsächlich geleistet, etc.). Des weiteren dürfte dann auch erst einmal zu berücksichtigen sein, daß ein vereinbarter Stundensatz wohl nicht mehr so ohne weiteres zu Fall gebracht werden kann (Rechtsfrage). Es hilft also wohl nichts, am Stundenverrechnungssatz nachträglich herumzumäkeln, wenn es eine konkrete Vereinbarung hierzu gibt (Wucher, etc. nicht berücksichtigt, da Rechtsfrage). Aus der vorigen Tabelle kann man also zunächst einmal angemessene Preise je Malerstunde entnehmen. 3 / 5 (Januar 2015)
Nun zum ortsüblichen Preis: Hier ist zunächst einmal zu klären, was ortsüblich eigentlich heißt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier eine Leitsatzentscheidung getroffen (BGH, Urteil vom 26.10.2000, Aktenzeichen VII ZR 239/98), darin heißt es: Üblich im Sinne von 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt ( ). Vergleichsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraus. In den letzten Jahren haben die diversen Gerichte, von denen ich entsprechende Gutachtensaufträge erhielt, durchweg bejaht, daß diese Definition zu beachten ist. Entscheidend für eine Ortsüblichkeit (oder auch eine Üblichkeit) von Preisen, also auch von Preisen einer Malerstunde, ist zunächst der Ort der Werkleistung. Der Ort des Betriebssitzes ist also uninteressant (bspw. wenn ein Malerbetrieb aus Hamburg in München Malerarbeiten ausführt). Sodann ist die Auffassung der beteiligten Kreise maßgeblich. Wer diese genau sind, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Und dann kommt das für mich entscheidende Kriterium: Vergleichsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs in zahlreichen Einzelfällen. Spätestens diese Kriterien sind nun für Malerarbeiten in aller Regel nicht mehr zu ermitteln. Hierfür gibt es keine laufenden Aufzeichnungen von tatsächlich vereinbarten Preisen. Der LIV Bayern gibt zwar bspw. eine Marktpreisstatistik heraus. Im Jahr 2008 haben 100 Betriebe an der Befragung teilgenommen, 2007 waren es 50, 2006 waren es 72, 2005 waren es 84. Zudem wurden nur Innungsmitgliedsbetriebe befragt. Und es war eine bayernweite Befragung. Angesichts der Gesamtzahl der eingetragenen Malerbetriebe in Bayern (nur HWK München 2014: 2.838) sowie zusätzlich der ebenfalls immer wieder Malerarbeiten ausführenden Holzund Bautenschutzbetriebe (nur HWK München 2014: 3.080) ist die Befragung sicherlich nicht als repräsentativ anzusehen. 100 Betriebe (bayernweit) von 5.915 (HWK München), sind nur 1,7%. Es kommt hinzu, daß in der Befragung jeder Betrieb angeben kann, was er will. Die 4 / 5 (Januar 2015)
Angaben können, müssen aber nicht zutreffen. Kontrolliert wurden die Angaben nicht (könnte man auch nicht). Wer wollte es dem einzelnen Betrieb auch verdenken, wenn er in solchen Umfragen nicht die tatsächlichen betrieblichen Zahlen offenlegen will? Wirklich verläßlich, geschweige denn aussagekräftig für unseren Zweck, scheint mir die Marktpreisstatistik also wohl nicht zu sein. Auch sog. Preissammlungen wie das Grundlagenwerk der Preisberechnung (DVA Stuttgart), herausgegeben vom Bundesverband FGB, stellen keine Statistiken tatsächlich gezahlter Preise dar. Sie sind zu gänzlich anderem Zwecke erstellt worden. Diverse weitere Preissammlungen geben keine Daten wieder gemäß der vom BGH aufgestellten Kriterien. Auch zur Offenlegung einer tatsächlichen betrieblichen Kalkulation wird kaum ein Betrieb gezwungen werden können. Daran ändern auch mit Angebotsabgabe hinterlegte Kalkulationen, bspw. bei öffentlichen Aufträgen, nichts. Was da drin steht, muß nicht die übliche betriebliche Kalkulation sein. Somit bleibt also m.e. nur, jedenfalls in den allermeisten Fällen (Ausnahmen: kleine Orte, engbegrenztes Angebot, umfassende Kenntnis des Beurteilenden der Preise am Ort, etc.), auf einen ortsüblichen Preis zu verzichten und als Grundlage den angemessenen Preis einer Malerstunde zu verwenden, für nachträgliche Beurteilungen. ZUSAMMENFASSUNG (A) (B) Ein angemessener Stundenpreis für einen Maler ist i.d.r. am sinnvollsten den Planwerten des Instituts für Unternehmensführung zu entnehmen. Ein ortsüblicher Stundenpreis für einen Maler ist i.d.r. nicht zu bestimmen, wenn man die Definition des BGH (VII ZR 239/98) zugrunde legt. 5 / 5 (Januar 2015)