Die Wahrnehmung schwarzer & weißer Flächen nach einem Bericht von Alan L. Gilchrist



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Transkript:

Die Wahrnehmung schwarzer & weißer Flächen nach einem Bericht von Alan L. Gilchrist Seminar: Visuelle Wahrnehmung Dozent: Prof. Gegenfurtner Referentin: Andrea Hackl Datum: 15.11.2001

Grundlagen Farbkonstanz: Fähigkeit des Auges, die Farbe eines Objektes als relativ gleichbleibend wahrzunehmen, auch wenn es von Licht mit unterschiedlichen Spektren beleuchtet wird. Helligkeitskonstanz: Fähigkeit des Auges, die neutralen Farben eines Objekts als gleichbleibend wahrzunehmen, auch wenn es mit Licht unterschiedlicher Intensität beleuchtet wird.

Neutrale Farben: Neutrale Farben ändern die Intensität des auffallenden Lichtes. Weiß reflektiert 80 90% des auffallenden Lichtes. Schwarz reflektiert 3 5% des auffallenden Lichtes.

Konturenwahrnehmung Versuch von Krauskopf: Stabilisation des Bildes, so dass es sich relativ zur Netzhaut nicht mehr bewegen kann. >Verschwinden der grünen Scheibe nach spätestens 3 Sekunden

Erklärung: Das Auge führt ständige Zitterbewegungen aus (30 150 Hz). Das von der Augenlinse erzeugte Bild bewegt sich relativ zur Netzhaut. Bei Änderungen im auftreffenden Licht feuern die lichtempfindlichen Zellen.

Auf den Versuch bezogen bedeutet das: > Durch Fixierung des Netzhautbildes verschwindet der grüne Kreis. > Visuelles System ergänzt den roten Kreis.

Schlussfolgerung: Das visuelle System reagiert auf wechselnde Stimulation an Grenzlinien.

Mängel des Modells: Beleuchtungsgrenzlinien bleiben unberücksichtigt: objektbezogene: zurückzuführen auf räumliche Anordnung von Flächen projizierte: Schattengrenzen

Grenzlinien & Farbwahrnehmung Gilchrists Versuch: Durchführung: Zwei Flächen werden im rechten Winkel in einem Raum aufgehängt, zunächst ohne, dann mit schwarzem Hintergrund. Eine Fläche wird 30-mal stärker beleuchtet als die andere. Anhand verschiedener Grautonkarten müssen 2 Versuchsgruppen die Farben der Flächen beschreiben. Die zweite Gruppe betrachtet die Anordnung durch ein Loch in der Wand (>Fehlen der räumlichen Information).

Ergebnis: Die erste Gruppe erkennt die Raum- und Lichtverhält - nisse und die weiße Farbe der Flächen, sobald der schwarze Hintergrund hinzugefügt ist. Die zweite Gruppe interpretiert die Grenzlinien immer als Grenze zwischen Flächen unterschiedlicher Farbe. Ihr erscheint die stärker beleuchtete Fläche weiß, die andere schwarz.

Schlussfolgerung: Das visuelle System benötigt Informationen zu den räumlichen Verhältnissen und mehr als eine Grenzlinie zur korrekten Farbwahrnehmung.

Gilchrists Versuch zum Ausschluss des Kantenphänomens: Durchführung: Ein weißes Quadrat wird waagrecht, ein schwarzes senkrecht im Raum aufgehängt. Senkrecht zu den Quadraten wird an den Kanten jeweils ein kleineres Trapez im selben Farbton des Quadrates befestigt. Das weiße Quadrat wird 30-mal so stark beleuchtet wie das schwarze. Alle Versuchspersonen betrachten die Anordnung aus einem 45 Winkel. Die zweite Gruppe schaut durch ein kleines Loch.

Ergebnis: Die erste Gruppe sieht die reelle Anordnung und die korrekten Farben. Der zweiten Gruppe erscheinen die Trapeze als kleine Quadrate in der gleichen Ebene wie die großen Quadrate. Das weiße Trapez nehmen sie als schwarz, das schwarze als hellgrau wahr. In beiden Fällen ist das Netzhautbild identisch: 2 Trapeze, die an drei Seiten von einem Hintergrund gleicher Farbe umgeben sind.

Erklärung: Das Lichtintensitätsverhältnis zwischen einem Trapez und dem in der selben Ebene liegendem Quadrat ist entscheidend für die Farbwahrnehmung.

Schlussfolgerung: Ändert sich der Typ der Grenzlinie, so ändert sich die Wahrnehmung der Farbe der von der Grenzlinie umschlossenen Fläche.

Hintergrund & Farbwahrnehmung Experiment von Yarbus: Durchführung: Obwohl das Auge Zitter - bewegungen ausführt, wird das Netzhautbild stabilisiert.

Ergebnisse: Die Netzhautbilder der Grenzlinien der Halbkreise stabilisieren sich. Die Wahrnehmung dieser Flächen gehen verloren. Die roten Scheiben erscheinen vor rotem Hintergrund in unterschiedlichen Rottönen; ihre Ränder sind sichtbar.

Erklärung: Dem visuellen System bleibt die Information erhalten, das die linke Scheibe heller und die rechte Scheibe dunkler ist als der jeweilige Hintergrund.

Schlussfolgerung: Das visuelle System integriert die Information an einer Grenzlinie mit den Informationen an entfernteren Grenzlinien.

Gilchrists und Delmans Versuch zum Einfluss des Hintergrunds Durchführung: Eine zweite Versuchspersonen - gruppe betrachtet die Anordnung durch ein kleines Rechteck und sieht nur die mittleren Quadrate und deren unmittelbare Umgebung.

Ergebnis: Die erste Gruppe erkennt die korrekten Farben der kleinen Quadrate. Die zweite Gruppe nimmt die Quadrate als weiß wahr, die Umgebung als weiß bzw. schwarz.

Erklärung: Die erste Gruppe erkennt die unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnisse und schließt auf ein gleichartiges Reflexionsvermögen der Hintergründe. Die zweite Gruppe glaubt, dass sich die Hintergründe in ihren Reflexionsgraden unterscheiden und folgert,dass die Quadrate den gleichen Farbton haben.

Schlussfolgerung: Das visuelle System integriert Informationen näher gelegener Grenzlinien mit Informationen entfernterer Grenzlinien. Zwei verschiedene Grenzlinienmuster überlagern sich: Solche, die auf unterschiedliches Reflexionsvermögen zurückzuführen sind, und solche, die aufgrund unterschiedlicher Beleuchtungsstärken entstehen. Das visuelle System unterscheidet Grenzlinienmuster und integriert alle Informationen zu einem Gesamtbild.

Lichtintensität & Farbwahrnehmung Gilchrists und Jacobsens Versuch (I) Zwei vollkommen identische Räume werden gebaut. Ein Raum ist in schwarz, der andere in mattweiß gehalten. Die Versuchspersonen betrachten die Räume durch eine kleine Öffnung. Die Glühlampe, die den Raum erhellt, liegt nicht in ihrem Blickwinkel.

Ergebnis: Die Versuchspersonen empfinden den Raum als gleichförmig in der Farbe. Der weiße Raum wird als weiß, der schwarze als dunkelgrau empfunden, selbst nach Erhöhung der Lichtintensität im schwarzen Raum.

Annahme: Dem indirekten Licht kommt eine wichtige Bedeutung zu. Im schwarzen Raum fällt fast nur direktes Licht auf die Gegenstände. Die Kanten haben deutliche Konturen. Im weißen Raum existiert viel indirektes Licht.Die Kanten erscheinen verwischt

Schlussfolgerung: Das visuelle System schließt von der Intensität des Lichtes auf den Grauton. Aber wie???

Literaturverzeichnis: 3131 Gilchrist, A.L.: Die Wahrnehmung schwarzer und weißer Flächen. In: Wahrnehmung und visuelles System. Heidelberg, 1986 Goldstein, E.B.: Wahrnehmungspsychologie. Eine Einführung. Heidelberg, 1997