Die Regulation des Kaliumhaushalts



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CURRICULUM Schweiz Med Forum 2006;6:68 73 68 Die Regulation des Kaliumhaushalts Andreas Pasch Abteilung für Nephrologie/Hypertonie, Inselspital Bern Quintessenz Kalium + ist das wichtigste intrazelluläre Kation. Die intrazelluläre Konzentration beträgt etwa 10 mmol/l, die extrazelluläre 3,5 5 mmol/l. Das Membranpotenzial erregbarer Zellen ist näherungsweise ein Kaliumgleichgewichtspotenzial. Voraussetzung eines stabilen Membranpotenzials ist ein konstantes Verhältnis von intra- und extrazellulärem Kalium. Dieses wird vor allem durch Änderungen des (extrazellulären) Plasmakaliums stark beeinflusst. Zur Konstanthaltung der Kaliumkonzentration im Plasma können grosse Mengen Kalium innert kurzer Zeit zwischen Intra- und Extrazellulärraum verschoben werden (sog. «internes Kaliumgleichgewicht»). Die im Körper befindliche Gesamtmenge an Kalium wird fast vollständig durch die Niere reguliert (sog. «externes Kaliumgleichgewicht»), wobei dem Hormon Aldosteron eine Schlüsselstellung zukommt. Summary The regulation of potassium metabolism Potassium + is the most important intracellular cation. The intracellular concentration is approximately 10 mmol/l and the extracellular 3.5 5 mmol/l. The membrane potential of excitable cells is approximately a potassium equilibrium potential. The prerequisite for a stable membrane potential is a constant ratio of intra- to extracellular potassium. This is strongly influenced chiefly by changes in (extracellular) plasma potassium. To maintain a constant plasma potassium concentration large amounts of potassium can be shifted between the intra- and extracellular space in a very short time ( internal potassium balance ). The total amount of potassium in the body is almost entirely regulated by the kidney ( external potassium balance ), with the hormone aldosterone playing a key role. Einleitung Mit einer intrazellulären Konzentration von ungefähr 10 mmol/l ist Kalium 1 das mit Abstand häufigste und wichtigste intrazelluläre Kation. Im Gegensatz hierzu ist im Extrazellulärraum vor allem das Kation Natrium + anzutreffen (Konzentration ebenfalls ungefähr 10 mmol/l). Interessanterweise wurden die beiden Elemente Kalium und Natrium lange Zeit für identisch gehalten, bis dem englischen Chemiker Davy im Jahr 1807 erstmals die Isolierung von Kalium aus Pottasche gelang. Aus jener Zeit stammt auch der englische Name «potassium», das deut- sche «Kalium» geht hingegen auf das arabische Wort «qali», «alkalisch», zurück. Seine biologische Bedeutung als wichtigstes intrazelluläres Kation erlangte Kalium bereits in frühen Meeresorganismen, deren wässrige Umgebung durch das Überwiegen von Natrium charakterisiert war. Diese asymmetrische Kationenverteilung von Kalium und Natrium wird im menschlichen Körper durch die Arbeit der Na + /K + -ATPase aufrechterhalten, welche unter Energieverbrauch kontinuierlich jeweils drei Natriumionen aus den und zwei Kaliumionen in die Körperzellen pumpt. Über die Nahrung nehmen wir täglich 75 100 mmol K + auf, was anschaulicher ausgedrückt etwa einem Kaffeelöffel Kaliumchlorid entspricht. Kalium wird im Dünndarm praktisch vollständig resorbiert und später zu 90% über die Nieren und zu 10% über den Darm ausgeschieden. Die durchschnittliche Kaliumkonzentration im menschlichen Körper beträgt etwa 50 mmol K + pro Kilogramm Körpergewicht [1], was bedeutet, dass eine 70 kg schwere Person über etwa 3500 mmol Kalium verfügt (Abb. 1 x). Berücksichtigt man neben dem Konzentrationsunterschied zwischen dem Intra- und dem Extrazellulärraum (10 mmol/l vs. 3,5 5 mmol/l), dass der Intrazellulärraum etwa 80%, der Extrazellulärraum jedoch nur ungefähr 20% des Körpergewichts enthält, so befinden sich insgesamt rund 330 mmol (98%) Kalium im Intra- und nur gerade 70 mmol (2%) im Extrazellulärraum. Eine oral eingenommene Einmaldosis von 75 mmol Kalium (Abb. 1) wird innert etwa zwei Stunden vollständig resorbiert [2]. Würden diese 75 mmol im Extrazellulärraum verbleiben, käme es dort zu einer lebensgefährlichen Konzentrationszunahme auf 9 10 mmol/l. Die Tatsache, dass der Genuss dieser Menge Kalium gefahrlos überstanden wird, ist der Existenz zweier Regulationsmechanismen zu verdanken: Erstens wird über den Mechanismus des sogenannten «internen Kaliumgleichgewichts» ein Grossteil des sonst überschüssigen extrazellulären Kaliums vorübergehend in den Intrazellulärraum verschoben. Dieses intrazellulär «zwischengelagerte» Kalium wird dann während der 1 Wenn im folgenden von «Kalium» die Rede ist, so ist damit stets die kationische Form (K + ) dieses Elements gemeint. CME zu diesem Artikel finden Sie auf S. 63 oder im Internet unter www.smf-cme.ch.

CURRICULUM Schweiz Med Forum 2006;6:68 73 69 Zufuhr 75 mmol K + Externes Kaliumgleichgewicht Ausfuhr 75 mmol K + Darm Niere Extrazellulärraum 70 mmol K + (2%) Intrazellulärraum 35 mmol 0 mmol Internes Kaliumgleichgewicht 330 mmol K + (98%) [K + ] 3,5 5 mmol/l [K + ] 10 mmol/l Abbildung 1 Überblick über den Kaliumhaushalt. Prozessierung einer Einmaldosis von 75 mmol Kalium. 35 mmol werden rasch über die Niere ausgeschieden, während 0 mmol zunächst intrazellulär zwischengespeichert werden. Zusätzlich angegeben ist die Verteilung des Gesamtkörperkaliums in den Kompartimenten des Intra- und Extrazellulärraums. Enterale Kaliumverluste (normalerweise 10%) sind nicht berücksichtigt (nach van Buren et al. [2]). nächsten Stunden wieder mobilisiert und anschliessend renal eliminiert [2]. Zweitens gelingt es dem Körper bereits während der Resorptionsphase etwa 35 mmol K + renal zu eliminieren («externes Kaliumgleichgewicht») [2]. Aufgrund dieser beiden Mechanismen steigt die Plasmakonzentration auch nach einer kaliumreichen Mahlzeit nur unwesentlich an. Weshalb aber ist ein Konstanthalten der Plasmakaliumkonzentration innerhalb sehr enger Grenzen ein so wichtiges Ziel des Körpers? Der wesentliche Grund hierfür ist, dass das zelluläre Membranpotenzial in erster Linie durch den Konzentrationsunterschied zwischen intra- und extrazellulärem Kalium definiert wird [3]. Dieses Kaliumgleichgewichtspotential beträgt in den meisten Zellen etwa 70 mv. Ein stabiler Kaliumgradient ist also eine elementare Voraussetzung für die Generierung von Aktionspotenzialen und damit für die funktionelle Integrität von Nerven-, Herz-, Muskel- und anderen Körperzellen. Durch Störungen des Kaliumhaushalts hervorgerufenen Symptome sind folglich Ausdruck zellulärer Über- oder Untererregbarkeit bzw. einer gestörten Generierung von Aktionspotenzialen. Da internes und externes Kaliumgleichgewicht voneinander abhängen, führen Veränderungen der insgesamt im Körper befindlichen Kaliummenge auch zu Veränderungen des Plasmakaliums (Abb. 2 x) und damit des transmembranären Kaliumgradienten. Die beiden Regulationsmechanismen des Kaliumhaushalts internes und externes Kaliumgleichgewicht sollen nun im folgenden näher charakterisiert werden. Internes Kaliumgleichgewicht (extrarenale Kaliumregulation) Der Begriff des «internen Kaliumgleichgewichts» umfasst alle Mechanismen, die das Plasmakalium und den transmembranären Kaliumgradienten unabhängig von der externen Kaliumzuoder -ausfuhr regulieren []. Der transmembranäre Kaliumgradient ist hierbei keine statische Grösse, sondern das Resultat eines dynamischen Fliessgleichgewichts und wird durch zwei Faktoren determiniert: einerseits durch den aktiven Kaliumtransport nach intrazellulär (durch die Na + /K + -ATPase), andererseits durch die passive Diffusion entlang des Kaliumkonzentrationsgefälles in extrazellulärer Richtung, was im wesentlichen über kaliumspezifische Membrankanäle geschieht (Abb. 3 x). Folgerichtig wirken die Mechanismen, die eine Kaliumverschiebung («shift») bewirken, entweder über eine Beeinflussung der Aktivität der Na + /K + -ATPase oder über die Öffnungswahrscheinlichkeit der Kaliumkanäle. Das Problem kurzfristiger Störungen dieser Kaliumhomöostase wird bei starker körperlicher Aktivität und den hierbei auftretenden Aktionspotenzialen bzw. repetitiven Membrandepolarisationen deutlich (Abb. x) [5]. Aktionspotenziale entstehen durch ein rasches Einströmen von Na + -Ionen in die Zellen, gefolgt von einem langsamen Ausströmen von K + -Ionen, welcher der Wiederherstellung des Ruhepotenzials (wie oben erwähnt meist zwischen 60 und 90 mv) dient. Das initiale Einströmen der Natriumionen führt zur Membrandepolarisation, bei der das Zellinnere gegenüber dem Extrazellulärraum elektrisch positiv wird. Kaliumionen (positiv geladen) diffundieren daraufhin entlang eines elek- Plasmakalium (mmol/l) 10 8 6 2 900 600 300 0 300 600 Kaliummangel (mmol) Kaliumüberschuss (mmol) Abbildung 2 Plasmakalium in Abhängigkeit vom Gesamtkörperkalium. Kaliummangel führt zu Hypokaliämie, Kaliumüberschuss zu Hyperkaliämie. Aufgrund weiterer Variablen, insbesondere aus dem Bereich des «internen Kaliumgleichgewichts», ist das Plasmakalium jedoch kein zuverlässiger Indikator für die insgesamt im Körper befindliche Kaliummenge.

CURRICULUM Schweiz Med Forum 2006;6:68 73 70 Abbildung 3 Einflussgrössen auf das «interne Kaliumgleichgewicht». Das «interne Kaliumgleichgewicht» wird über die Aktivität der Na + /K + -ATPase und den Aktivitätszustand von Kaliumkanälen reguliert. + Aktivierung, Hemmung Plasmakalium in mmol/l körperliche Belastung Hyperosmolalität Hypokaliämie K + -Permeabilität 8 7 6 5 3 2 20 Zelle ATPase Beta-2-Rezeptorstimulation Insulin Muskelkontraktionen Hyperkaliämie Alpharezeptorstimulation Glukagon Digoxin Azidose 10 0 10 20 30 Zeit (min) 3 Na + 2 K + Abbildung Plasmakalium bei körperlicher Belastung. Dargestellt sind der Anstieg des Plasmakaliums bei einminütiger maximaler körperlicher Belastung (violette Balken) sowie der Abfall des Plasmakaliums während der vierminütigen Ruhephasen (rote Linie) (nach Sejersted et al. [5]). trochemischen Gradienten in den Extrazellularraum. Bei starker körperlicher Belastung können über diesen Mechanismus grosse Mengen an intrazellulärem Kalium in den Extrazellulärraum gelangen, was innert kurzer Zeit zu einem starken Anstieg des Plasmakaliums führt (Abb. ). Dieser Mechanismus ist auch in der Präanalytik wichtig und kann Ursache einer Pseudohyperkaliämie sein: So führt etwa das mehrmals wiederholte Schliessen der Faust während der Blutentnahme bei liegendem Stauschlauch zu einem reversiblen Kaliumanstieg von bis zu 1 mmol/l [6]. Die anstrengungsinduzierte extrazelluläre Kaliumakkumulation kann kurzfristig nur durch eine enorme Steigerung der Aktivität der Na + /K + -AT- Pase und damit über eine in dieser Situation überlebenswichtige Kaliumrückverschiebung in intrazellulärer Richtung abgefangen werden (Abb. ). Die Stimulation der Na + /K + -ATPase erfolgt dabei einerseits durch die zellulären Aktionspotenziale selbst [7] sowie andererseits durch während der Belastung systemisch ausgeschüttete Katecholamine (z.b. Adrenalin) [8] und Insulin. Katecholamine aktivieren die Na + /K + - ATPase über eine Bindung an Beta-2-Rezeptoren (daher führen Beta-2-Sympathomimetika zu einer transienten Hypokaliämie) [9]. Weiterhin bewirken Beta-2-Agonisten sowohl direkt als auch indirekt (über einen Anstieg des Blutzukkers durch die Aktivierung der Glykolyse) die Freisetzung von Insulin. Insulin wiederum aktiviert über noch nicht vollständig geklärte Mechanismen ebenfalls die Na + /K + -ATPase und forciert so seinerseits die Wiederaufnahme von Kalium in die Zellen. Eine Stimulation der Alpharezeptoren hingegen zieht eine Hemmung des Kaliumeinstroms und damit einen der Beta-2-Stimulation entgegengesetzten Effekt nach sich [10, 11]. Abgesehen von diesen kurzfristig wirksamen Mechanismen kann die Aktivität der Na + /K + -AT- Pase aber auch längerfristig moduliert werden. So führen beispielsweise körperliches Training, chronische Veränderungen der diätetischen Kaliumzufuhr, aber auch eine Hypo- und eine Hyperthyreose zur Erhöhung der Na + /K + -AT- Pase-Dichte in den Muskelzellen. Neben der Aktivität der Na + /K + -ATPase spielen Änderungen der Kaliumpermeabilität von Zellmembranen eine wichtige Rolle bei der Kaliumhomöostase. Der Grad der Kaliumpermeabilität wird hierbei vom Öffnungszustand membranständiger Kanäle bestimmt, die meist einer spannungsabhängigen Regulation unterliegen [12]. Auf diesem Prinzip basiert beispielsweise der Kaliumausstrom während eines Aktionspotenzials. Zu einem starken Anstieg der Kaliumpermeabilität kommt es auch im Fall einer erhöhten Plasmaosmolalität, wie sie zum Beispiel bei der ausgeprägten Hyperglykämie auftritt. Zum Ausgleich der extrazellulären Hyperosmolalität strömt Wasser vom Intra- in den Extrazellulärraum, wobei die entstehende «Strömung» in der Lage ist, Kaliumionen mit sich zu reissen (sog. «solvent drag»). Dies führt trotz einer parallel hierzu verlaufenden und ebenfalls durch «solvent drag» gesteigerten renalen Kaliumausscheidung zur Erhöhung des Plasmakaliums. Damit besteht in dieser Situation trotz eines erhöhten Plasmakaliums im Gesamtkörper ein renal bedingter Kaliummangel, der bei Insulingabe (die einen Kaliumshift in intrazellulärer Richtung bewirkt) zu lebensgefährlichen Hypokaliämien führen kann. Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt können ebenfalls der Grund für Störungen des

CURRICULUM Schweiz Med Forum 2006;6:68 73 71 internen Kaliumgleichgewichts sein. Als Faustregel gilt, dass saure Valenzen (H + -Ionen) und K + -Ionen über die Zellmembran hinweg gegeneinander ausgetauscht werden, um so den extrazellulären ph-wert auf einem konstanten Niveau zu halten. Dies bedeutet nach klassischer Lehrbuchmeinung, dass Azidosen (H + -Überschuss) zu einer Hyper-, Alkalosen (H + -Mangel) hingegen zu einer Hypokaliämie führen. Allerdings löste eine geringgradige akute metabolische Azidose in einem kürzlich publizierten In-vivo- Experiment bei gesunden Probanden überraschenderweise keine Hyperkaliämie aus [13]. Als Ursache dieses fehlenden Effekts auf das Plasmakalium wird vermutet, dass der Kaliumausstrom durch eine azidoseinduzierte Insulinfreisetzung antagonisiert wird (die Katecholamine bleiben bei Säurebelastung unverändert) [13]. Externes Kaliumgleichgewicht (renale Kaliumregulation) Die Adaptation der Kaliumausscheidung an eine täglich schwankende Kaliumzufuhr ist Voraussetzung für die Stabilität der Kaliumgesamtmenge im Körper und damit für das «externe Kaliumgleichgewicht» [1, 15]. Da die Kaliumaufnahme in der Regel nicht bewusst gesteuert wird, wird diese Anpassungsleistung praktisch ausschliesslich durch die Nieren erbracht. Daher werden die Begriffe «renale Kaliumregulation» und «externes Kaliumgleichgewicht» häufig gleichgesetzt. Zur Orientierung gibt Abbildung 5 x einen Überblick über die an der Regulation des Kaliumhaushalts beteiligten Nephronsegmente sowie deren ungefähren Anteil an der Regulation der Kaliumausscheidung [16]. Die wichtigsten Nephronabschnitte für die Feinabstimmung der Kaliumausscheidung sind der distale Tubulus und das Sammelrohr. Ein Anstieg des Plasmakaliums führt als Hauptmechanismus zur Abwehr einer Kaliumvergiftung direkt zur Ausschüttung von Aldosteron, was in den Hauptzellen des Sammelrohrs eine Öffnung der apikalen Na + - und K + -Kanäle sowie eine verstärkte Aktivierung der basolateralen Na + /K + -ATPase bewirkt [17]. Dies zieht einerseits die Resorption von Natrium und andererseits die Exkretion von Kalium nach sich. Zusätzlich wird die Na + /K + -ATPase auch direkt durch ein erhöhtes Plasmakalium und/oder eine chronisch erhöhte diätetische Kaliumzufuhr stimuliert (Abb. 6 x). Wie bei einem Kaliumüberschuss die Ausscheidung erhöht wird, so muss im Fall eines Mangels die tubuläre Rückresorption von Kalium erhöht werden. Dies geschieht an der apikalen Zellmembran von Schaltzellen [18] entweder durch eine parallele Resorption von K + - und Cl -Ionen oder durch einen gekoppelten Austausch von K + gegen H + [19]. Die insgesamt daraus resultierende Hemmung der Kaliumsekretion wird durch ein niedriges Plasmakalium und ein hohes tubuläres Kalium begünstigt. Metabolische Alkalosen lösen eine verstärkte renale Kaliumausscheidung und damit eine Hypokaliämie aus. Als Beispiel für die praktische Relevanz dieses Mechanismus sei hier auf den Verlust von Magensaft (dieser ist kaliumarm!) hingewiesen, der durch einen HCl-Verlust zu einer metabolischen Alkalose und konsekutiv zu einer renal bedingten Hypokaliämie führt. Mehrere Faktoren tragen zu diesem renalen Kaliumverlust bei: 1. Die vermehrte Ausscheidung von basischen Anionen (z.b. Bicarbonat) bewirkt einen Kaliumverlust, da diese Anionen im Nephron schlecht resorbierbar sind und daher Kationen, das heisst im wesentlichen Na + oder K +, «einfangen» und mit sich reissen. 2. Der bei vielen metabolischen Alkalosen (namentlich beim rezidivierenden Erbrechen) bestehende Extrazellulärvolumenmangel löst einen sekundären Hyperaldosteronismus und konsekutiv einen aldosteroninduzierten renalen Kaliumverlust aus. Entsprechend besteht die Korrektur einer durch Volumenmangel bedingten Hypokaliämie nicht in der alleinigen Substitution von Kalium, sondern vorrangig auch in der Kompensation des Volumenmangels, der die Hypokaliämie induziert bzw. unterhält. Feinregulation Kaliumsekretion oder -absorption Glomerulum K + -Menge 100% (etwa 600 mmol/d) Proximaler Tubulus 60 70% Rückresorption Henle-Schleife 20 30% Rückresorption Distaler Tubulus K + -Menge noch 10% Sammelrohr K + -Menge 3 150% (!) je nach K + -Aufnahme Abbildung 5 Kaliumprozessierung in der Niere. Dargestellt ist der in den verschiedenen Nephronabschnitten resorbierte Anteil der ursprünglich filtrierten Kaliummenge (ungefähr 600 mmol/d = 100%). Die Feinregulation der Kaliumausscheidung findet nur in einem kleinen Bereich von distalem Tubulus und Sammelrohr unter dem Einfluss von Aldosteron statt (adaptiert nach Silbernagl / Despopoulos [16]).

CURRICULUM Schweiz Med Forum 2006;6:68 73 72 Die Regulationsmechanismen des externen Kaliumgleichgewichts erlauben eine relativ schnelle (innert Stunden eintretende) Reaktion der Niere auf eine akute Kaliumbelastung. Bei einer chronischen Erhöhung der Kaliumzufuhr greifen jedoch auch längerfristige Mechanismen wie beispielsweise die Hypertrophie der kaliumausscheidenden Hauptzellen (innert Tagen). Diese Kaliumadaptation führt zu einer verbesserten Kaliumtoleranz, so dass selbst normalerweise tödliche Kaliumdosen überlebt werden können. Analoges gilt für den Fall eines Kaliummangels, in dem die Schaltzellen hypertrophieren, was zu einer leistungsfähigeren Kaliumrückresorption führt. Über diese Mechanismen ist der Körper in der Lage, innert ungefähr einer Woche auf eine drastisch reduzierte Kaliumaufnahme zu reagieren. Umgekehrt erfolgt die Adaptation an eine deutlich gesteigerte Kaliumzufuhr innert etwa einem Tag. Dieser zeitliche Rahmen, in dem sich die renalen Anpassungsvorgänge als Reaktion auf eine geänderte Kaliumzufuhr abspielen, ist in Abbildung 7 x dargestellt. Distaler Tubulus / Sammelrohr Hauptzelle (K + -Sekretion) Basalmembran K + ATPase Na + Schaltzelle (K + -Resorption) K + ATPase H + Abbildung 6 Feinregulation der Kaliumprozessierung in distalem Tubulus und Sammelrohr. Stark vereinfachte Darstellung der Prinzipien von Kaliumsekretion und -resorption. Die Hauptzellen sind für die Sekretion, die Schaltzellen für die Resorption zuständig. Aldosteron stimuliert die Kaliumsekretion der Hauptzellen (Stimulation der Na + /K + -ATPase und Synthese von Ionenkanälen). K + -Ausscheidung in mmol/d A 120 90 60 30 0 1 2 3 5 6 7 Tag 80 mmol 10 mmol K + -Zufuhr pro Tag 3 Plasmakalium in mmol/l K + -Ausscheidung in mmol/d B 00 300 200 100 0 1 2 3 19 20 Tag 100 mmol 00 mmol K + -Zufuhr pro Tag 5 3 Plasmakalium in mmol/l Abbildung 7 Externes Kaliumgleichgewicht/Adaptation der Nierenleistung an die veränderte Kaliumzufuhr. A) Bei Reduktion der Kaliumzufuhr auf 10 mmol pro Tag benötigt die Niere etwa eine Woche zur Adaptation. B) Demgegenüber wird das überschüssige Kalium bei erhöhtem Kaliumangebot (Erhöhung der täglichen Zufuhr auf 00 mmol) praktisch sofort ausgeschieden.

CURRICULUM Schweiz Med Forum 2006;6:68 73 73 Korrespondenz: Dr. med. Andreas Pasch Abteilung für Nephrologie/Hypertonie Inselspital Freiburgstrasse 10 CH-3010 Bern andreas.pasch@insel.ch Literatur 1 Forbes GB, Lewis AM. Total sodium, potassium and chloride in adult man. J Clin Invest 1956;35:596 600. 2 van Buren M, Rabelink TJ, van Rijn HJ, Koomans HA. Effects of acute NaCl, KCl and KHCO3 loads on renal electrolyte excretion in humans. Clin Sci (Lond) 1992;83:567 7. 3 Bilbrey GL, Herbin L, Carter NW, Knochel JP. Skeletal muscle resting membrane potential in potassium deficiency. J Clin Invest 1973;52:3011 8. Sterns RH, Cox M, Feig PU, Singer I. Internal potassium balance and the control of the plasma potassium concentration. Medicine (Baltimore) 1981;60:339 5. 5 Sejersted OM, Medbo JI, Hermansen L. Metabolic acidosis and changes in water and electrolyte balance after maximal exercise. Ciba Found Symp 1982;87:153 67. 6 Don BR, Sebastian A, Cheitlin M, Christiansen M, Schambelan M. Pseudohyperkalemia caused by fist clenching during phlebotomy. NEJM 1990;322:1290 2. 7 Clausen T, Everts ME. Regulation of the Na,K-pump in skeletal muscle. Kidney Int 1989;35:1 13. 8 Williams ME, Gervino EV, Rosa RM, Landsberg L, Young JB, Silva P, et al. Catecholamine modulation of rapid potassium shifts during exercise. NEJM 1985;312:823 7. 9 Brown MJ, Brown DC, Murphy MB. Hypokalemia from beta2- receptor stimulation by circulating epinephrine. NEJM 1983; 309:11 9. 10 Williams ME, Rosa RM, Silva P, Brown RS, Epstein FH. Impairment of extrarenal potassium disposal by alpha-adrenergic stimulation. NEJM198;311:15 9. 11 Ensinger H, Dirks B, Altemeyer KH, Grunert A. The role of alpha 1-adrenoceptors in adrenaline-induced hyperkalaemia. Br J Anaesth 1990;65:786 90. 12 Catterall WA. Structure and function of voltage-sensitive ion channels. Science 1988;22:50 61. 13 Wiederseiner JM, Muser J, Lutz T, Hulter HN, Krapf R. Acute metabolic acidosis. Characterization and diagnosis of the disorder and the plasma potassium response. J Am Soc Nephrol 200;15:1589 96. 1 Bia MJ, DeFronzo RA. Extrarenal potassium homeostasis. Am J Physiol 1981;20:F257 68. 15 Brown RS. Extrarenal potassium homeostasis. Kidney Int 1986;30:116 27. 16 Silbernagl S, Despopoulos A. Taschenatlas der Physiologie, 6., korrigierte Auflage. Stuttgart: Thieme Verlag; 2003. 17 Stanton BA. Renal potassium transport: morphological and functional adaptations. Am J Physiol 1989;257:R989 97. 18 Okusa MD, Unwin RJ, Velazquez H, Giebisch G, Wright FS. Active potassium absorption by the renal distal tubule. Am J Physiol 1992;262:F88 93. 19 Wingo CS, Smolka AJ. Function and structure of H-K-AT- Pase in the kidney. Am J Physiol 1995;269:F1 16.