Erstspracherwerb Sprachentwicklung: Wortschatz
I. Drei Hauptschritte in der lexikalischen Entwicklung 1. Allgemeine Informationen, Statistiken Grundwortschatz mit 16 Jahren: ~ 60.000 Wörter Voraussetzung: ca. 9 neue Wörter pro Tag Worterwerb: Zusammenhang zwischen phonologischem Bild und entsprechender Bedeutung
2. Die ersten Wörter 10. bis 18. Lebensmonat: Wandel im Wortgebrauch vorher: Wörter gebunden an bestimmte Situationen/Kontexte nachher: kognitive Ebene der Wörter, Ausdruck abstrakter Phänomene Benennungsexplosion: Bedürfnis nach Kennzeichnung jedes Objektes durch Eltern-Kind-Interaktionen late talkers Kinder, bei denen die Benennungsexplosion nicht eintrifft; erhöhtes Risiko von Sprachentwicklungsstörung
Bedeutungsunterschiede bei Kindern und Erwachsenen Übergeneralisierung: Anwendung eines Begriffs auf mehrere Objekte/Ereignisse Bsp.: Hund für alle Vierbeiner Überdiskriminierung: eingeschränkte Verwendung eines Begriffs Bsp.: Sessel für den ganz bestimmten unten im Wohnzimmer Diese Phänomene lassen nach, sobald das Kind die hierarchische Struktur von Wortfeldern wahrnimmt
3. Schneller Worterwerb für Objekte und Eigenschaften Abschwächung der Benennungsexplosion etwa nach Vollendung des 2. Lebensjahres Danach: selbstständiger Worterwerb durch Fähigkeit der schnellen Zuordnung von Begriff und dessen Bedeutung wechselseitige Beziehung von Sprache und Kognition
3.1. Begleiterscheinungen beim Worterwerb Induktionsproblem : Verbinden eines Wortes mit mehreren möglichen Bedeutungen Worterwerb begleitet von bestimmten Lernmechanismen, den constraints (eingeschränkte Vorannahmen von möglichen Bedeutungen) Constraints spielen während der Benennungsexplosion eine wichtige Rolle
a) Ganzheitsconstraint : Bezogenheit der Wörter auf ganze Objekte b) Taxonomieconstraint : Wörter bezeichnen kategorial verbundene Objekte (derselbe Typ) c) Disjunktionsconstraint : Jedes Objekt hat eine einzige Bezeichnung; zum Erlernen von Objektteilen und -eigenschaften d) syntaktische Constraints : Verben bestimmen Struktur der produzierten Sätze; Perspektivenwechsel nicht immer erkennbar, Ereignisse nicht immer sichtbar Kinder benutzen Verben im gelernten Satzrahmen
Zusammenfassung Phase Früher Worterwerb ab ungefähr dem 10. Lebensmonat Benennungsexplosion : Schnelles Wortlernen für Objekte und Objektmerkmale ab ungefähr dem 18. Lebensmonat Schnelles Wortlernen für Verben und andere relationale Wörter ab ungefähr dem 30. Lebensmonat Merkmale Pragmatischer Gebrauch: soziale Wörter, spezifische Benennungen Übergeneralisierungen Überdiskriminierungen Verwechslungen wie zwischen geben und nehmen Theoretische Erklärung Assoziative Verknüpfungen im sozialinteraktiven Lernkontext Ganzheits-, Taxonomie- und Disjunktionsconstraints Syntaktische Merkmale als Steigbügelhalter
II. Die Entwicklung des frühkindlichen Wortschatzes 1. Inhalte des frühen Vokabulars Kinder sprechen zunächst über Objekte, Lebewesen, Handlungen und Ereignisse in ihrer unmittelbaren Umgebung Beispiele für Vokabular von 2-Jährigen: Tiere: Hund/Wauwau, Katze, Ente Menschen: Mama, Papa, Baby Spielzeug: Ball, Puppe Fahrzeuge: Auto, Zug Lebensmittel/Haushalt: Apfel, Brot, Saft, Tasse, Löffel Körperteile: Bein, Auge Kleidung: Jacke, Schuhe, Hose
Im frühen Vokabular: überwiegend Nomen; Verben, Adjektive, Artikel etc. kommen später hinzu viele Lautmalereien: miau, wauwau, brrrr, bumm Ausdrücke für soziale Interaktionen Bsp: Hallo, Tschüss, Danke, Bitte diachronische Vergleiche, sowie Vergleiche verschiedener Sprachen weisen ähnliche Ergebnisse auf
Erweiterung des Vokabulars Verben: erste Verben sind Aktionswörter Bsp.: kommen, gehen, essen, laufen Funktionswörter, Partikel Bsp.: auf, ab, weg Adjektive Bsp.: klein, groß, heiß, kaputt 3-Jährige: Ausdruck innerer Zustände, Gefühle: freuen, traurig, Gefühlswörter: lachen, weinen
2. Anwachsen des frühen Vokabulars Benennungsexplosion auch Vokabelspurt genannt dauert ca. bis zum 28. Lebensmonat Worterwerb kann linear (graduell) oder in Schüben erfolgen (Treppenform) Art des Zuwachses wird bestimmt von den von Kindern bevorzugten Wörtern
Altersspanne des Wortschatzanstieges Fragebogen Studie: Große Variabilität zwischen 16. und 30. Lebensmonat (80% der Kinder): 16 Monate: 10-200 Wörter 24 Monate: 50-550 Wörter 30 Monate: 250-680 Wörter Die übrig gebliebenen lagen zu je 10% unter bzw. über den Werten
3. Wortklassen im frühen Vokabular Laut einer Studie mit spontanen Äußerungen: Präferenz für Nomen (60,5 %); Grund: Verfügbarkeit von Objekten Verben mit 6,7 % und Adjektive mit 4,7% Funktionswörter mit 28,6% Aber: viele individuelle Unterschiede: Es gibt referentielle Kinder 50 % der Wörter sind Nomen Es gibt pronominale Kinder Nomen: weniger als 50 % d. Wortschatzes; größter Teil besteht aus Funktionswörtern, Routinen, stereotypen Ausdrücken
4. Worterwerb und Entwicklung Studie: frühes und späteres Wortschatzniveau (22 Kinder, amerik. Englisch) frühes Wortschatzniveau: Vokabular von 74 Wörtern Nomen bevorzugt (47,9%); Verben (10 %), Adjektive (4,1%) späteres Wortschatzniveau: Vokabular von 187 Wörtern Nomen (33,1%), Verben (23,4%), Adjektive (5,1%) Anteil der Funktionswörtern liegt bei beiden Niveaus etwa gleich (37% /38%) Vgl. Deutsch: Hoher Anteil der Funktionswörter schon auf d. frühen Wortschatzniveau, Anzahl der Verben und Adjektive gering
III. Zusammenhänge zwischen früherem Sprachverstehen und früherem Sprachproduktion Kinder verstehen Sprache lange bevor sie sie sprechen können Sprachverstehen und Sprachproduktion stehen nicht unbedingt in Zusammenhang
IV. Zusammenhänge zwischen Wortschatz und Grammatik Bei der Informationsverarbeitung im Gehirn sind Wortschatz und Grammatik getrennte Systeme Laut empirischen Studien: sehr enger Zusammenhang zwischen Wortschatzerwerb zu einem früheren Zeitpunkt und Grammatikerwerb acht Monate später Alter : 1,4-2,6 Die Korrelationen rangierten durchweg zwischen +0,70 bist +0,84 Wortschatzerwerb sagt in hohem Maße den Grammatikerwerb vorher
Deutschsprachige Kinder: Zusammenhang zwischen Grammatik und Wortschatz Stichprobe von 333 Kindern im Alter von 1,6 bis 2,6, unter Verwendung des Elternfragebogens, der zwei Grammatik teile enthielt (Flexionsmorpheme und Satzkompatibilität):
Beträgt der Wortschatz zwischen 200 und 300 Wörter, nehmen die Fortschritte im Grammatikerwerb sehr stark zu:
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