Amtlich, zuverlässig und aus einer Hand



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Transkript:

Die Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes Amtlich, zuverlässig und aus einer Hand

Foto: Claudia Hinz Eine Wetterkatastrophe und ihre Folgen Der 18. Januar 2007: Am Vormittag tost Kyrill über die Nordsee heran. Bis zum 19. Januar zieht der Orkan eine Spur der Verwüstung durch Deutschland. Auf dem Brocken im Harz erreichen die Windböen fast 200 km/h Spitzengeschwindigkeit. In Berlin reißt der Sturm einen tonnen schweren Stahlträger aus der Glasfassade des nagelneuen Hauptbahnhofs. Foto: THW Insgesamt müssen 13 Menschen sterben. 2

Zeitweilig fallen alle Bahnverbindungen aus, auch der Straßen-, Schiffs- und Flugverkehr gerät ins Stocken. Strommasten knicken um wie Streichhölzer. In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt fällt die Stromversorgung großflächig aus. Die Versicherungen werden den Gesamtschaden später auf etwa 2,4 Milliarden Euro bilanzieren. Kyrill traf Deutschland heftig, aber es hätte noch schlimmer kommen können. Zum Glück waren die Bürgerinnen und Bürger rechtzeitig informiert. An diesem Erfolg war der Deutsche Wetterdienst (DWD) maßgeblich beteiligt, denn er warnte schon Tage vorher vor dem schweren Orkantief. Er versorgte die Öffentlichkeit über die Medien und seine eigene Website intensiv mit Informationen. Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und weitere Katastrophenschützer waren über spezielle Wetterwarnsysteme des Deutschen Wetterdiensts gut vorbereitet. Warnungen müssen aus einer Hand kommen Vor allem bewies das Drama um Kyrill: Im Ernstfall muss eine einzige Institution zentral organisiert und amtlich zuverlässig warnen. Dieses Prinzip der Warnung aus einer Hand vermeidet regionales Chaos und Fehlinterpretationen von Wetterinformationen. Deshalb hat der Staat den Deutschen Wetterdienst gesetzlich mit der Herausgabe von amtlichen Warnungen über Wettererscheinungen, die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können beauftragt. Diese Aufgabe ist eminent wichtig, denn bei uns werden 80 Prozent aller Naturkatastrophen vom Wetter verursacht. Foto: Ralph-Christian Mendelsohn Hinter den Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdiensts steckt ein hoher technischer Aufwand: Aus dem weltumspannenden Netz der Meteorologie fließen verschiedenste Informationen vom Wettersatelliten und Wetterballon bis zur automatischen Messboje auf dem Atlantik zusammen. Hinzu kommen die Wettervorhersagen aus Supercomputern, einer davon gehört dem Deutschen Wetterdienst. Der DWD verfügt zudem über ein Hochgeschwindigkeits-Datennetz, an das seine Regionalzentralen in Essen, Hamburg, Leipzig, München, Potsdam und Stuttgart angeschlossen sind. Am Ende der High-Tech-Kette stehen aber immer Menschen, die Wettervorhersagen und Warnungen für Menschen machen. Ohne Meteorologinnen und Meteorologen, die mit ihrer Erfahrung die Datenflut sortieren und kompetent bewerten, geht es nicht. Wie das Warnmanagement des Deutschen Wetterdiensts funktioniert, erzählt nun die Geschichte von Kyrill. Springen wir dazu im Januar 2007 um eine Woche zurück. Orkane Die drei stärksten Orkane in Deutschland seit 1990 Wiebke, 28.02.-01.03.1990: 201 km/h, Feldberg (Schwarzwald) Lothar, 26.12.1999: 259 km/h, Wendelstein Kyrill, 18.01.2007: 202 km/h, Wendelstein 3

Der frühe Meteorologe fängt den Orkan Es ist der 13. Januar 2007, Zeitpunkt T-120, also 120 Stunden oder fünf Tage, bevor Kyrill Deutschland trifft. Foto: Heiko Gericke, Alfred-Wegener-Institut Wetterballonaufstiege in der Arktis Es ist früh am Morgen in der Vorhersage- und Beratungszentrale des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach. Der Meteorologe des Mittelfristdienstes studiert routinemäßig große Computerkarten. Die mittelfristige Wettervorhersage gilt 10 bis 4 Tage vor Eintreffen des vorhergesagten Wetters. Auf den Karten sind die Umrisse des Nordatlantiks, Kanada im Westen und Europa im Osten erkennbar. Aus vielen Linien, Zahlen und Symbolen kann der Experte ablesen, welches Wetter der Computer vorhersagt. Er markiert, wo sich etwas Kritisches tut und heute sieht es danach aus. Solche Karten basieren auf den aktuellen Läufen verschiedener numerischer Wettermodelle. Diese Modelle errechnen die Wetterentwicklung in den kommenden Tagen. Sie laufen auf den Supercompu- 4

Sturmtief Joachim zieht am 16. Dezember 2012 über Deutschland. Die grafische Darstellung der Windstärke zeigt, dass vor allem die Mitte und der Süden Deutschlands stark betroffen waren. tern verschiedener Wetterdienste, einer davon steht in Offenbach. Für die Mittelfristvorhersage sind Globalmodelle zuständig. Sie werden mit den aktuellen Wetterdaten gefüttert. Entscheidend sind dabei die Fernbeobachtungen der Wettersatelliten, weil nur diese die Erde in großen Gebieten lückenlos erfassen. Weitere Daten fließen aus dem weltweiten meteorologischen Beobachtungs- und Messnetz der staatlichen Wetterdienste ein. Das globale Modell des DWD überzieht den Globus mit einem Gitter aus fast gleich großen Dreiecken. Die durchschnittliche Länge einer Dreieckskante beträgt derzeit etwa 20 Kilometer. In der dritten Dimension unterteilt es die Atmosphäre in 60 Stockwerke. Für jedes Stockwerk berechnet es die Lufttemperatur, den Wind, die Feuchte, das Wasser und das Eis in den Wolken, sowie Regen und Schnee. Im untersten Stockwerk kommt noch der Bodendruck hinzu. Besonders wichtig sind für die Offenbacher zudem die Modellvorhersagen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) im englischen Reading. Auch die Deutschen sind daran beteiligt. Dort rechnen sogenannte Ensembles aus 50 globalen Wettermodellen gleichzeitig das Wetter der Zukunft aus. Jedes Modell wird mit leicht veränderten Anfangsbedingungen gefüttert. Der Grund für diesen Aufwand: Wetter lässt sich nicht hundertprozentig genau vorhersagen. Mit drei unterschiedlichen Vorhersage- Modellen, die immer genauer werden, berechnet der Deutsche Wetterdienst das Wetter bis zu sieben Tage im Voraus. Eine Ursache ist ein ordentlicher Schuss Chaos in der Atmosphäre. Hinzu kommen unvermeidbare Informationslücken. Trotz enormer Fortschritte wird das meteorologische Messnetz niemals den Zustand der Atmosphäre bis auf jedes wirbelnde Wolkentröpfchen genau erfassen können. Und selbst wenn das gelänge, könnte kein Supercomputer die Datenflut verarbeiten. Auch Unsicherheit der Vorhersage wird berechnet Also müssen die Meteorologen mit der Unsicherheit taktisch geschickt umgehen. Dazu liefern ihnen die Ensembles verschiedene Vorhersagen wie eine Expertenkommission. Sind sich die meisten Modelle einig, dann wird sich das Wetter wahrscheinlich so entwickeln. Sind sie sich dagegen uneinig, dann zeigt dies den Meteorologen: Achtung, das Wetter kann in unterschiedliche Entwicklungen hinein kippen. Entsprechend vorsichtig müssen sie ihre Vorhersagen abwägen. Insgesamt hat diese Ensemble-Technik die Vorhersagen präziser gemacht, weil man jetzt auch ihre Unsicherheit einschätzen kann. Seit Juni 2012 hat der DWD die Ensemble-Technik - als erster Wetterdienst in Europa - auch bei dem besonders fein auflösenden Vorhersagemodell für Deutschland, das einen Gitterpunktabstand von 2,8 Kilometern hat, eingeführt. Damit kann besonders vor kleinräumigen Sommergewittern besser gewarnt werden. 5

Erste Frühwarnungen Als der Meteorologe des Mittelfristdienstes am 13. Januar 2007 die eingehenden Wetterdaten bewertet, wird klar: Da braut sich über dem Nordwestatlantik vor Kanada ein Sturmtief zusammen, das Richtung Europa ziehen könnte. Das Vorhersagemodell des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage zeigt Tief- und Hochdruckgebiete über dem Nordatlantik. 6

Das Deutschlandwetter rund um die Uhr fest im Blick: Die Vorhersagezentrale des DWD in Offenbach und die sechs Regionalzentralen des nationalen Wetterdienstes. Bremen Schleswig- Holstein Hamburg Niedersachsen Mecklenburg- Vorpommern Berlin Brandenburg Sachsen- Anhalt Nordrhein- Westfalen Hessen Thüringen Sachsen Rheinland- Pfalz Saarland Bayern Schon am Vortag deuteten die Ensemble-Rechnungen des EZMW darauf hin. Heute verfestigt sich dieses Bild. Kyrill gehört zu den großen Orkantiefs, die Deutschland etwa alle zehn bis 20 Jahre treffen. Solche großskaligen Wettersysteme, wie sie in der Meteorologie heißen, entstehen vor allem im Winter. Über dem Atlantik treffen dann ausgedehnte Warmluftmassen aus dem Süden auf große Kaltluftmassen aus der Arktis. Ihr Zusammenprall setzt eine enorme Energie frei, die den Orkan ankurbelt. Wettervorhersage ist Teamarbeit Solche großen Wettersysteme können die Wettermodelle inzwischen recht gut vorhersagen im Gegensatz zu kleinräumigen Sommergewittern. Der Mittelfristdienst informiert den sogenannten Supervisor, der in der Offenbacher Zentrale Dienst hat. Dieser Meteorologe mit besonderer Entscheidungsbefugnis hält wie immer um 8:30 Uhr eine telefonische Frühkonferenz ab. Zugeschaltet sind die sechs Regionalzentralen des Deutschen Wetterdienstes. Die Regionalzentralen werden zwei Tage vor dem Unwetter die Aufgabe übernehmen, für ihre Gebiete zunehmend genauere Warnungen herauszugeben. Je näher das Ereignis heran rückt, desto detaillierter wird das Bild, das Baden- Württemberg Wettermodelle und zunehmend aktuelle Wetterbeobachtungen zeichnen. Kurz vor dem Eintreffen des Unwetters können die Meteorologen von Stunde zu Stunde genauer vorhersagen, wann und wo es kritisch wird. Das gilt zumindest für so große Wettersysteme wie Kyrill. Bei kleinräumigen Sommergewittern dagegen können die DWD-Experten oft erst sehr kurzfristig warnen. Nun informiert der Supervisor die Kolleginnen und Kollegen darüber, dass voraussichtlich am 18. bis 19. Januar ein Orkantief Deutschland treffen wird. In solchen Fällen gibt der Deutsche Wetterdienst für diesen Zeitraum eine sogenannte Frühwarninformation heraus. Am 12. Januar hatte er bereits in der Wochenvorhersage Wettergefahren Deutschland darauf hingewiesen, dass die Entwicklung einer schweren Sturmlage möglich sei. 7

Amtliche Warn informa tionen des Deutschen Wetterdienstes Warnungen im Internet: www.wettergefahren.de www.dwd.de/warnungen Warnungen kostenlos als E-Mail abonnieren: www.dwd.de/newsletter Warnungen für das Mobil telefon: mobil.dwd.de Warnungen für Ihre eigene Internetseite: www.dwd.de/warnmodul Warnungen in Facebook: www.facebook.com/deutscherwetterdienst Unwettervideos in YouTube: www.youtube.com/dwdderwetterdienst Detaillierte Angaben zum Faxabruf von Warnungen erhalten Sie auf der Warnseite des DWD im Internet Amtliche Unwetterwarnungen für Deutschland: Zum Anschauen und Abonnieren auf der Internetseite des Deutschen Wetterdienstes unter www.dwd.de www.dwd.de die Warnseite im Internet Am 13. Januar steht nun in der neuen Wochenvorhersage im Ausblick bis Freitag, 19.01.07 : An der Küste und im Bergland Orkanböen bis 120 km/h möglich, sonst schwere Sturmböen bis 100 km/h wahrscheinlich. Die Warnung veröffentlicht der Deutsche Wetterdienst auf seiner Website www.dwd.de, wo sie allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich ist. Auch eine Hotline und der Faxabruf stehen zur Verfügung. Zudem verschickt er Warnungen über verschiedene Kanäle wie Fax, Email oder SMS an die Medien und spezielle Kunden. Dazu zählen auch hoheitliche Partner wie die Länderinnenministerien, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk. Seit Anfang 2012 warnen die Meteorologen des DWD die Bevölkerung bei überregionalen Unwettergefahren auch mit eigenen Unwettervideos, die zum Beispiel über YouTube verbreitet werden. Windwarnskala des Deutschen Wetterdienstes Beaufortgrad Bezeichnung km/h * 0 Windstille 0 Rauch steigt senkrecht auf 1 leiser Zug <5 Windrichtung angezeigt durch den Zug des Rauches 2 leichte Brise 5 10 Wind im Gesicht spürbar, Blätter und Windfahnen bewegen sich 3 4 5 schwache Brise schwacher Wind mäßige Brise mäßiger Wind frische Brise frischer Wind um 15 6 starker Wind 40 45 Wind bewegt dünne Zweige und streckt Wimpel 20 25 Wind bewegt Zweige und dünnere Äste, hebt Staub und loses Papier 30 35 kleine Laubbäume beginnen zu schwanken, Schaumkronen bilden sich auf See starke Äste schwanken, Regenschirme sind nur schwer zu halten, Telegrafenleitungen pfeifen im Wind 7 steifer Wind 50 60 fühlbare Hemmungen beim Gehen gegen den Wind, ganze Bäume bewegen sich 8 stürmischer Wind 65 70 Zweige brechen von Bäumen, erschwert erheblich das Gehen im Freien 9 Sturm 75 85 Äste brechen von Bäumen, kleinere Schäden an Häusern (Dachziegel oder Rauchhauben abgehoben) 10 schwerer Sturm 90 100 Wind bricht Bäume, größere Schäden an Häusern 11 orkanartiger Sturm 105 115 Wind entwurzelt Bäume, verbreitet Sturmschäden 12 Orkan ab 120 schwere Verwüstungen * im DWD verwendete Schwellenwerte 8

Die Woche vor dem Sturm In den folgenden Tagen der Mittelfristvorhersage im Zeitraum T-120 bis T-48, also 5 bis 2 Tage vor dem Eintreffen des Sturms, gewinnen die Meteorologen ein immer präziseres Bild der Großwetterlage. Foto Fotolia Am Montag, dem 15.1., T-72, also 72 Stunden vor dem Ereignis, liegen die ersten Prognosen aus dem regionalen Wettermodell des Deutschen Wetterdiensts vor. Regionale Wettermodelle decken eine begrenzte Region viel feinmaschiger als Globalmodelle ab, ohne die Rechenkapazität der Supercomputer zu überfordern. Das Modell überdeckt Europa und erfasst mit einer Maschenweite von nur 7 Kilometern feinere Strukturen in der Atmosphäre und auf der Erdoberfläche. Ab der 78. Stunde der Vorhersage wird es regulär eingesetzt. Am 15.1. ergeben die Vorhersagen des Regionalmodells und der Globalmodelle ein schlüssiges Bild: Am Vormittag des kommenden Donnerstags, dem 18.1., wird das Orkantief wahrscheinlich vor der dänischen Westküste Jütlands eintreffen. Mit seiner enormen Ausdehnung wird es Deutschland voraussichtlich nicht verschonen. Der Meteorologe vom Mittelfristdienst stellt fest: Eventuell rechtfertigt dies sogar das Aussprechen einer Extrem-Unwetterlage, besonders im Norden. 9

Deutscher Wetterdienst Luftdruck Vorhersage- und Max.Böen und aus Beratungszentrale COSMO-EU, VHS +60 h / WV12 Wettervorhersage ist Teamarbeit: Blick in die Vorhersage und Beratungzentrale des DWD in Offenbach WV12 / 31.07.2012 Vier Warnstufen Der Deutsche Wetterdienst warnt mit wachsender Schwere des bevorstehenden Ereignisses in vier Stufen: Wetterwarnung (gelb), markante Warnung (ocker), Unwetter (rot) und extremes Unwetter (violett). Der Mittelfristdienst macht die Kollegen also nun darauf aufmerksam, dass sie möglicherweise für einige Regionen die höchste Warnstufe herausgeben müssen. Diese Information ist auch für die Katastrophenschützer wichtig. Die 4 Warnstufen des DWD Wetterwarnung Markante Warnung Unwetterwarnung Extreme Unwetterwarnung An diesem Montag, vier Tage vor dem Ereignis, kann der Medienmeteorologe vom Dienst, der ebenfalls in der Offenbacher Zentrale sitzt, im Deutschlandwetter aktuell schon sehr konkret werden: am Donnerstag ist der Aufbau einer schweren Sturmlage wahrscheinlich, dabei können verbreitet Sturmböen (Stärke 8 bis 9 Bft, etwa 70 bis 80 km/h), in höheren Lagen sowie an der See auch schwere Sturmböen oder gar Orkanböen (Stärke 10 bis 12 Bft, 95 bis 125 km/h) auftreten. Diese Meldung und die nachfolgenden Warnungen greifen Rundfunk und Fernsehen auf. Sie informieren die breite Öffentlichkeit. Auch die Zahl der Zugriffe auf die Website des Deutschen Wetterdiensts steigt an. Zeit für Vorabinformation Unwetter Dienstag, der 16. Januar, markiert einen neuen Abschnitt: Mit T-48, also 48 Stunden vor Eintreffen des Orkantiefs, beginnt beim Deutschen Wetterdienst der Vorwarnbereich. Er wird bis sechs Stunden vor dem Ereignis andauern. Auf der Website des Deutschen Wetterdienstes erscheinen Vorabinformationen auf der Deutschlandkarte Amtliche Warnungen als kleines Verkehrsschild mit Ausrufezeichen. Nun werden die Regionalzentralen aktiv: Sie geben erste Warnlageberichte für die eigene Region heraus. 10

Deutscher Wetterdienst Satellitenbild Vorhersage- IR und Luftdruck und Beratungszentrale aus ECMWF_Analyse / WV12 Folie Nummer Vorhersage 1 und Wirklichkeit passen WV12 / zusammen: 31.07.2012 Die Vorhersage des Luftdrucks beim Orkan Kyrill (links) und die am 18. Folie Januar Nummer 2007 2 gemessenen Druckverhältnisse über Europa. Katastrophenschutz wird frühzeitig alarmiert Noch ist es für Warnungen für einzelne Landkreise zu früh, dafür sind die Vorhersagen nicht genau genug. Doch die Regionalzentralen können bereits konkretere Warnungen für einzelne Bundesländer herausgeben. Vor allem die Innenministerien der Länder und damit die Polizei, die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und andere Katastrophenschützer wissen nun, dass sie in zwei Tagen mit einem schweren Sturm rechnen müssen. Die Zentrale in Offenbach beginnt in einer solchen Situation, fünfmal täglich einen aktuellen Warnlagebericht herauszugeben. Er gilt für die kommenden 24 Stunden und informiert über die voraussichtliche Wetterentwicklung in zwölf Regionen. Inzwischen stehen den Meteorologen auch Ensemblerechnungen mit regionalen Wettermodellen zur Verfügung. 2007 hieß dieses Ensemble COSMO-LEPS. Es basiert auf dem regionalen Wettermodell COSMO, das der Deutsche Wetterdienst federführend mit anderen Wetterdiensten entwickelt hat. Das Resultat des im Januar 2007 noch aktuellen Ensembles LEPS ergibt nun ein verfeinertes Bild. Demnach ist es nun sehr wahrscheinlich, dass Windböen mit mehr als 100 km/h die deutsche Küste treffen werden. Außerdem sieht es danach aus, als ob die Mittelgebirgsregionen, vor allem der Schwarzwald, mit kräftigem Dauerregen rechnen müssen. Ab 18:30 Uhr gibt der Deutsche Wetterdienst seine Vorabinformation Unwetter flächendeckend für ganz Deutschland heraus. Es ist absehbar, dass das Orkantief zuerst die deutsche Nordseeküste treffen wird, andere Gebiete erst später. Also warnen die Meteorologen zeitlich gestaffelt nach Regionen. WARNLAGEBERICHT für Schleswig-Holstein und Hamburg ausgegeben vom Deutschen Wetterdienst am Montag, 12.03.2012, 06:30 Uhr Bis Montagabend zeitweise Windböen, sonst keine warnrelevanten Wetterereignisse. Entwicklung der Wetter- und Warnlage für die nächsten 24 Stunden bis Dienstag, 13.03.2012, 06:30 Uhr: Am Rande eines Hochs über den Britischen Inseln liegt Norddeutschland in einer nordwestlichen Strömung. Dadurch bestimmt wolkenreiche und milde Meeresluft das Wetter. WIND: Bis Montagabend treten zeitweise Windböen bis 60 km/h (Bft 7) aus Nordwest auf. Nächste Aktualisierung: spätestens Montag, 12.03.2012, 10:30 Uhr. DWD, RSZ Hamburg / J. Fruntke 11

Wetterexperten vor Ort Die bundesweit sechs Regionalzentralen sehen wie verkleinerte Ausgaben der Zentrale in Offenbach aus. Sie versorgen aber speziell ihre Region mit detaillierten Wettervorhersagen und Warnungen. Die Experten der Regional- zentralen des DWD beraten den Katas trophenschutz und die Einsatzkräfte der Bundesländer bei allen Unwettersituationen. Am Schluss der komplexen Kette, die in der Geschichte von Kyrill mit ersten Vorhersagen der globalen Wettermodelle begann, werden Warnungen für einzelne Landkreise stehen. Sie werden von den Regionalzentren verfasst. Diese Warnungen sind auch auf der Website des Deutschen Wetterdiensts zu sehen: Auf der Deutschlandkarte Amtliche Warnungen kann man die Bundesländer anklicken, die dann vergrößert mit einzelnen Landkreisen erscheinen. Bei unkritischer Lage sind alle Kartenelemente blau, bei Wetterwarnungen in einer der vier Warnstufen gefärbt. Klickt man einen Landkreis an, dann erhält man einen kurzen, präzisen Warntext und oben eine Zeitschiene. Diese zeigt, 12

für welchen Zeitraum die Warnung gilt. Unten steht die Regionalzentrale, die für die Warnung zuständig ist. In der Geschichte von Kyrill befinden wir uns am 16.1.2007 noch im Vorwarnbereich. Jede Regionalzentrale berät ihre lokalen Kunden und muss auch unterschiedlich auf Unwetter reagieren. Im Küstenbereich können bei Orkantiefs Sturmfluten drohen. In den westlichen Mittelgebirgen Baden Württembergs zum Beispiel sind bestimmte Wetterlagen im Sommer kritisch, bei denen feuchtwarme Luft aus Frankreich einströmt. Dann können sich kleinräumige, äußerst heftige Gewitter entladen. Bei Kyrill drohte nun einigen Regionen massiver Niederschlag als Starkregen. In einer außerplanmäßigen Konferenz mit der Zentrale in Offenbach um 18:30 Uhr vereinbaren die Regionalzentralen (RZ) nun für ihre Regionen Informationen wie zum Beispiel diese: Amtliche Vorabinformation Unwetter zur Unwetterwarnung vor Orkanböen für den Bereich: Mecklenburg- Vorpommern Von Donnerstagmittag bis Freitagvormittag besteht die Gefahr von orkanartigen Böen bis 115 km/h (Bft 11) aus Südwest, später Nordwest, örtlich sind auch Orkanböen über 120 km/h (Bft 12) möglich. Dies ist ein erster Hinweis auf erwartete Unwetter. Er soll die rechtzeitige Vorbereitung von Schutzmaßnahmen ermöglichen. Die Prognose wird am Mittwoch bis 10 Uhr konkretisiert. Bitte verfolgen Sie die weiteren Wettervorhersagen mit besonderer Aufmerksamkeit. DWD / RZ Potsdam Das dreistufige Warn- management des DWD beginnt maximal fünf Tage vor dem Ereignis mit einer Frühinformation. Die präzisere Vorwarnung reicht zwölf bis 48 Stunden in die Zukunft. Frühestens zwölf Stunden im Voraus wird die zeitlich und räumlich noch genauere Unwetterwarnung ausgesprochen. Basis der Frühwarnung ist die numerische Wettervorhersage aus Globalmodellen, bei der Vorwarninformation kommen regionale Modelle hinzu. In die Wetter- und Unwetterwarnung fließen neben den Modellvorhersagen zunehmend aktuelle Wetterbeobachtungen ein. Vorhersage zeitraum Typ der Warnung Produkt Gebiet Basis 0-2h 2-12h (Un)wetterwarnung landkreisbezogene, aktuelle Warnungen Landkreise Beobachtungen, Verfahren, Numerische Wettervorhersage 12-48 h Vorwarninformation Warnlageberichte Vorabinfo Unwetter Deutschland, Bundesländer Numerische Wettervorhersage 48-120 h Frühwarninformation Wochenvorhersage Wettergefahren Deutschland Ensemblevorhersagen Deterministische Vorhersagen 13

Alle Vorhersagen und Beobachtungsdaten führt das meteorologische Visualisierungssystem Ninjo des DWD zusammen. So konnten die Meteorologen des DWD an ihrem Arbeitsplatz auf einen Blick die aktuelle Lage und die weitere Entwicklung des Orkantiefs Kyrill erfassen. Der Tag der Taufe Am Mittwoch, den 17. Januar, erhält Kyrill seinen Namen wie immer vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin. Diesmal ist Kyrill Genow aus Neuhagen an der Reihe. Eigentlich wollte ihm seine Familie zum 65. Geburtstag ein freundliches Hochdruckgebiet schenken, aber 2007 sind männliche Vornamen den Sturmtiefs vorbehalten. Nun laufen die letzten 24 Stunden (T-24 bis T-00). In der Frühkonferenz vereinbaren die Meteorologen, welche detaillierten Informationen sie schon als gesichert herausgeben können. Ab 21 Stunden vor dem Eintreffen von Kyrill (T-21) kommen erste Prognosen aus dem für Deutschland zuständigen Modell hinzu. 2007 war es der Vorläufer LMK. Das heute aktuelle COSMO-DE überzieht Deutschland, den Alpenraum und angrenzende Gebiete mit einem Netz, dessen Gitterpunkte nur noch 2,8 Kilometer auseinander liegen. COSMO-DE bietet damit erstmals ansatzweise die Chance, auch kleinräumige Gewitterzellen vorherzusagen. Solche Gewitter entstehen vor allem an Sommernachmittagen dort, wo feuchtwarme Luft über dem von der Sonne aufgeheizten Boden schnell aufsteigt und auf kalte Höhenluft trifft. Lokal können sie enorme Schäden durch Windböen, Blitzschlag, Hagel oder Überschwemmungen verursachen. Diese wenige Kilometer kleinen Gewitterzellen fielen aber bislang durch das Raster der numerischen Wettermodelle. Die Meteorologen konnten also erst warnen, wenn die Zellen schon im Wetterradar und im Blitzortungssystem zu sehen waren. Nicht nur Sturm und Starkregen, sondern viele andere Wetterelemente können erhebliche Schäden verursachen. Im Sommer kann zum Beispiel Hitze Menschenleben gefährden. Im Winter sind es Nebel oder Straßenglätte im Straßenverkehr. Deshalb hat der Deutsche Wetterdienst insgesamt 28 warnwürdige Wetterelemente definiert, die er in seinen Basiswarnungen aufführt. Bei Kyrill ist die Warnstrategie des Deutschen Wetterdiensts ein voller Erfolg. Seine Experten sind auf vielen Sendungen zu sehen: bei den Tagesthemen der ARD, in Brennpunktsendungen des NDR, bei Phoenix, in Alle Wetter beim HR und in privaten Sendern. Die Deutsche Welle sendet Interviews weltweit in Deutsch und Englisch. 14

Kyrill schlägt zu Der 18. Januar: Nachts um 1 Uhr mitteleuropäischer Zeit trifft Kyrill auf Irlands Westküste. Danach zieht er ungewöhnlich schnell in Richtung Ostsee weiter. Ab 9 Uhr nimmt an den Küsten, aber auch in den Mittelgebirgen, der Kölner Bucht, im Südosten Bayerns und den Alpen und in Ostdeutschland der Wind immer mehr zu. Für die Wetterfrösche in der Offenbacher Zentrale und in den Regionalzentralen wird es ein turbulenter Tag. Sie müssen hunderte von Anrufen bewältigen. Professionelle Katastrophenschützer, die konkrete Informationen benötigen, melden sich ebenso wie verängstigte Bürger. Am Vormittag sind die Wetterdienst-Experten im Nowcasting -Bereich, das heißt, dass das vorhergesagte Wetter nun da ist. Zu den Modellvorhersagen kommen die aktuellen Beobachtungen hinzu. Entscheidend sind nun auch die Bilder der 16 Wetterradarstationen, die flächendeckend in Deutschland den Niederschlag erfassen. Bei Kyrill entlädt sich an der Kaltfront und in den Staulagen der Mittelgebirge der 15

Foto: Susanne Stummvoll Foto: fotolia Foto: fotolia Starkniederschlag. Die Radarprodukte RADOLAN und KONRAD des Deutschen Wetterdiensts verfolgen den Weg des Niederschlags. Auf Basis der numerischen Wettervorhersage und aktueller Windmessungen können sie zudem anzeigen, wohin die Niederschlagsgebiete voraussichtlich ziehen werden. Das ist für Katas trophenschützer, etwa die Feuerwehren, bei der Einsatzplanung wichtig, vor allem aber auch für die Hochwasser-Vorhersage- Zentralen. Im Sommer können die Meteorologen damit kurzfristig vorhersagen, wie eine schon existierende Gewitterzelle sich voraussichtlich bewegen wird und für die betroffenen Landkreise warnen. Weil das Wetterradar die Atmosphäre ohne Lücken erfasst, ist es inzwischen für die Warnungen viel wichtiger als Bodenstationen. Es passiert immer wieder, dass eine kleine Gewitterzelle unbemerkt zwischen den Stationen hindurch zieht. Dem Radar dagegen entgeht sie nicht. Gerade an so hektischen Tagen wie am 18. Januar ist es wichtig, dass die Meteorologen vom Dienst nichts Kritisches in der Informationsflut übersehen. Künftig wird sie das automatische System AUTOWARN unterstützen. Es analysiert die Daten aus den Wettermodellen und aus den aktuellen Beobachtungen auf kritische Werte. Daraus kann es für jeden Ort in Deutschland automatisch Warnungen bis zu 72 Stunden im Voraus erstellen. Derzeit liefert es allerdings nur Ja-Nein-Aussagen. Später soll es für alle 28 bewarnten Wettergrößen sogar Wahrscheinlichkeiten angeben können, also zum Beispiel Starkregen mit 25 Litern pro Quadratmeter in einer Stunde zu 70 Prozent wahrscheinlich. 12.01.07 13.01.07 15.01.07 16.01.07, Vorabinformation Unwetter Anzeichen für ein Orkantief in den globalen Wettermodellen. Wochenvorhersage Wettergefahren Deutschland: Entwicklung einer schweren Sturmlage möglich früh morgens: die Anzeichen für Sturm verdichten sich in den Modellrechnungen 08:30 Uhr, Frühkonferenz: Sturmvorhersage wird sicherer Wochenvorhersage für Freitag, 19.01.07, warnt vor Sturm und Orkan Regionales Wettermodell liefert erste detaillierte Vorhersagen (T-78) 08:30 Uhr, Frühkonferenz: Sturm wird Deutschland treffen Deutschlandwetter aktuell : schwerer Sturm am Donnerstag wahrscheinlich 08:30 Uhr, Frühkonferenz zwischen Zentrale und Regionalzentren T-21: das numerische Wettermodell LMK liefert erste Prognosen für Deutschland 18:30 Uhr, Spätkonferenz: die Vorabinformation werden präziser und zu Warnungen 16

Mit 202 km/h fegte beim Orkan Kyrill die stärkste Böe über den Wendelstein. Die Karte des Visualisierungssystems Ninjo zeigt die Windgeschwindigkeiten am 18. Januar 2012 in ganz Deutschland. Auch die räumliche Auflösung der Warnsysteme wird feiner. In einigen Jahren wird der Deutsche Wetterdienst nicht mehr nur auf Landkreise bezogen warnen, sondern auch an das jeweilige Unwetter angepasst. Manche Landkreise sind sehr groß, was die Warnungen unnötig vergröbert. Trotz aller technischen Fortschritte werden am Schluss immer Menschen die Ergebnisse automatischer Warnsysteme kritisch prüfen müssen. Das ist wie bei den Autopiloten in Flugzeugen: Diese können es zwar die meiste Zeit steuern, trotzdem müssen menschliche Piloten im Cockpit immer eingreifen können. Kyrill hat Deutschland im Griff Kyrill hat Deutschland bis Mitternacht voll im Griff. Erst dann erreichen die Orkanböen wie vorhergesagt in Bayern ihre Spitzengeschwindigkeiten mit etwa 130 km/h im Flachland und dem Rekordwert von 202 km/h auf dem Wendelstein. Danach flaut Kyrill von der Nordsee her nach Süden ab. Um 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit ist das Zentrum des Orkans bereits über dem Baltikum. Für die Meteorologen des Deutschen Wetterdiensts in den diensthabenden Schichten enden damit ereignisreiche Stunden, die sie nicht vergessen werden. Insgesamt haben sie eine Rekordzahl von 550 Warnungen herausgegeben. Vor allem: Ihr Warnmanagement hat bestens funktioniert. Natürlich war nicht alles perfekt: So brach der Webserver zeitweilig unter dem Run auf die Website des Deutschen Wetterdiensts zusammen. Allein der 18. Januar 2007 verzeichnete 9,4 Millionen Zugriffe. Der interne Bericht am 22. Januar darf aber als Fazit ziehen: Nach allem was man derzeit sagen kann, haben die frühzeitigen Hinweise und Warnungen des Deutschen Wetterdienstes und die Multiplikatorwirkung der Medien geholfen, die Schäden durch Orkan KYRILL einigermaßen zu begrenzen und sicherlich auch Menschenleben zu retten. 17.01.07, Tag der Taufe 18.01.07, Kyrill schlägt zu 19.01.07 Nachts: Kyrill entsteht vor Neufundland Nächste 24 Stunden: Strahlströme (Jetstreams) treiben das Orkantief schnell über den Atlantik 07:00 Uhr, Kyrill zieht über Nordirland Vormittag: Kyrill erreicht die südliche Nordsee Mittag: erste Orkanböen an Küsten und in Mittelgebirgen 12:00 Uhr, Leipzig meldet Temperatursprung auf 13 C. Talbrücke auf A7 Reichenbach wird gesperrt. Lauf des Nachmittags: die Kaltfront überquert den Norden und Westen. Gewitter und Starkregen im Bereich der Kaltfront. Werratalbrücke auf A7 Hedemünden wird gesperrt. 18:00 Uhr, zwischen Nord- und Süddeutschland beträgt der Luftdruckunterschied extreme 51 Hektopascal.Kyrill ist damit stärkster Orkan seit 20 Jahren. 21:00 Uhr, die Deutsche Bahn stellt ihren Fernverkehr komplett ein Mitternacht: mit 202 km/h höchste Windgeschwindigkeit, Wendelstein Kyrill flaut langsam über Deutschland ab 06:00 Uhr, die Deutsche Bahn geht wieder in Notbetrieb 07:00 Uhr, Kyrills Zentrum erreicht das Baltikum 17

Das Feuerwehr-Warnsystem FeWIS Feuerwehren, Landesinnenministerien und Länderpolizeien, Technisches Hilfswerk und Deutsches Rotes Kreuz legen nicht nur Wert auf amtliche Wetterwarnungen. In Kooperationsverträgen mit dem Deutschen Wetterdienst ist der Zugang zu einem Wetterwarnsystem, das auf die Katastrophenschützer zugeschnitten ist, geregelt. Überschwemmungen haben oft katastrophale Folgen. Präzise Unwetterwarnungen können Leben retten und Schäden minimieren. Foto: fotolia Zu diesem Zweck hat der Deutsche Wetterdienst gemeinsam mit der Feuerwehr das online verfügbare Warnsystem FeWIS entwickelt. Kyrill war die erfolgreiche Feuertaufe. Ab 24 Stunden vor dem Ereignis bietet FeWIS einen auf die Katastrophenschützer zugeschnittenen Warnlagebericht an. Bis 12 Stunden vorher liefert es Vorwarninformation, danach detaillierte Warnungen. Zentrales Element ist eine Warnübersicht, die für die betreffende Region alle wichtigen Informationen klar und übersichtlich anzeigt. Die Nutzer können aktuelle Bilder des Wetterradars aufrufen. Das Radarprodukt WebKONRAD zeigt ihnen auch, wohin ein Gewitter voraussichtlich weiterziehen wird. FeWIS bietet zudem spezielle Informationen an, zum Beispiel einen Waldbrandgefahrenindex. Foto: BBK Das gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophen hilfe (BBK) sorgt für zentrales Krisenmanagement. Ein anderes Produkt heißt HEARTS: Sollten bei einem Unglück gefährliche Luftschadstoffe frei werden, kann es vorhersagen, wohin und wie weit sich diese Wolke wahrscheinlich ausbreiten wird. Das ist für den 18

Katastrophenschutz zum Beispiel bei einem Chemieunfall entscheidend für Sperren und Evakuierungsmaßnahmen. Technisches Hilfswerk, Deutsches Rotes Kreuz und andere Hilfsorganisationen versorgt der Deutsche Wetterdienst auch weltweit mit amtlichen Wetterdaten und Warnungen. Schließlich schicken diese Kooperationspartner ihre Helfer in viele Katastrophengebiete der Welt. Als das Technische Hilfswerk nach der japanischen Tsunami-Katastrophe Helfer in die Gegend von Fukushima brachte, unterstützte sie der Deutsche Wetterdienst mit Daten über die örtliche Ausbreitung radioaktiver Stoffe durch Wind und Regen. Hochwasser Den 13. Januar 2011 werden die Einwohner von Backnang so schnell nicht vergessen. Eine Warmfront hatte in den Mittelgebirgen enorme Schneemassen schlagartig schmelzen lassen. Die Flüsschen Murr und Rems verwandeln sich in reißende Fluten, die schnell über die Ufer treten und komplette Autos verschwinden lassen. Eine solche Situation ist ein Alptraum für den Hochwasserschutz. Immerhin erlaubte die Großwetterlage schon am späten Nachmittag des Vortags Vorabinformation zu Unwettern. In Baden-Württemberg waren rund 2 000 Helfer im Einsatz. Mit mobilen Wasserschutzwänden konnten sie viele Orte recht effizient schützen, in Backnang hatten sie allerdings keine Chance. Entscheidend sind bei solchen Ereignissen die stündlichen Warnungen der Hochwasser-Vorhersage-Zentralen in den Bundesländern. In Baden-Württemberg hat sie ihren Sitz in Karlsruhe. Die Hydrologen arbeiten dabei eng mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen. Die Niederschlagsvorhersage liefert COSMO- DE, mit Näherrücken des erwarteten Hochwassers werden vor allem die Niederschlagsmessungen des Wetterradars zunehmend wichtig. Voneinander lernen: Der DWD bietet seinen Partner im Katastrophenschutz regelmäßig Schulungen zum Umgang mit Wetter- und Unwetterwarnungen an. Enge Kooperation mit Hochwasserschutz Jeden Tag empfängt allein die Hochwasser-Vorhersage-Zentrale in Karlsruhe 120 Millionen Daten aus den Modellen des Deutschen Wetterdiensts, die in das eigene Vorhersagemodell einfließen. Staatliche Hydrologen und Meteorologen arbeiten im Warndienst also Hand in Hand. Rund 80 Prozent aller Großschadenereignisse in Deutschland werden vom Wetter verursacht. Im Ernstfall versorgt der Deutsche Wetterdienst das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit amtlichen Wetterwarnungen. Die Wetterdaten fließen in das deutsche Notfallvorsorge- Informationssystem denis, von dem es zwei Versionen gibt: denis I ist offen auf dem Internet für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich, auf www.denis.bund.de sieht man auch die Warnkarte des Deutschen Wetterdiensts. Das geschlossene System denis II plus ist dagegen nur für die staatlichen Katas trophenschützer zugänglich. Gemeinsames Lagezentrum von Bund und Ländern Nach dem Elbehochwasser im Jahr 2002 gründeten Bund und Länder das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum GMLZ, für dessen Betrieb das BBK verantwortlich ist. Es übernimmt heute bei Katastrophen, etwa bei extremem Hochwasser, das zentrale Krisenmanagement. So schützt die enge Kooperation zwischen BBK und Deutschem Wetterdienst alle Bürger so gut, wie dies im Fall einer Naturkatastrophe möglich ist. Warndienst des DWD Ein typisches Jahr: 365 Wochenvorhersagen Wettergefahren rund 25.000 Warnlage berichte durchschnittlich 28.000 Basiswarnungen davon rund 1.500 Unwetterwarnungen 19

Impressum Text: Roland Wengenmayr, www.roland-wengenmayr.de Redaktion: Uwe Kirsche Gestaltung: monista Mediendesign, www.monista.de Abbildungen: DWD (wenn nicht anders gekennzeichnet) Papier: Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen. Melden Sie uns Ihr Unwetter! Deutscher Wetterdienst (DWD) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Frankfurter Straße 135 63067 Offenbach Tel: +49 (0) 69 / 8062-0 E-Mail: info@dwd.de Über www.dwd.de gelangen Sie auch zu unseren Auftritten in: DWD 1. Auflage 15.000 / 12.12