Ulrich Deinet Sozialräumliche Jugendarbeit
Reihe: Foeus Soziale Arbeit Herausgegeben von Nando Belardi Materialien - Band 4
Ulrich Deinet Sozialräumliche Jugendarbeit Eine praxisbezogene Anleitung zur Konzeptentwicklung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Leske + Budrich, Opladen 1999
Gedruckt auf säurefreiem und altersbeständigem Papier. ISBN 978-3-8100-1956-1 ISBN 978-3-322-95109-0 (ebook) DOI 10.1007/978-3-322-95109-0 1999 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich
Inhaltsverzeichnis Vorwort (Nando Belardi)... 9 Einführung: Bedingungen und Schritte sozial räumlicher Konzeptenwicklung... 11 "Wir suchen neue Konzepte für unsere Jugendarbeit!"... 11 Die klassischen Rahmenbedingungen für die Konzeptentwicklung..... 13 Sozialräumliche Differenzierung in der Konzeptenwicklung... 14 Die sozialräumliche Orientierung von Kindern und Jugendlichen... 15 Prämissen einer sozialräumlichen Jugendarbeit... 17 Die These von der konzeptionellen Differenzierung... 19 Schritte sozialräumlicher Konzeptenwicklung... 21 I. Erster Schritt: Lebensweltanalyse... 25 J. Aneignung und Raum - zentrale Begriffe des sozialräumlichen Konzeptes...... 26 Aneignung als Eigentätigkeit von Kinder und Jugendlichen... 28 Das Aneignungskonzept - die Subjekttheorie sozialräumlicher Jugendarbeit... 29 Aneignung findet in Räumen statt......... 30 Spielraum, Streifraum, Umnutzung - Martha Muchows Lebensweltanalyse... 32 "Raumwärter" und der Verlust der Straßenöffentlichkeit... 34 Zonenmodell: individuelle Entwicklung und Erweiterung des Handlungsraumes... 35 Zentrale Aneigungsformen... 38 2. Dimensionen der Aneignung... 43 Strukturbezogene Dimensionen... 44
Subjektbezogene Dimensionen der Aneignung... 51 Dimension Alter... 52 Dimension Geschlecht... 64 Weitere subjektorientierte Dimensionen und die Überlagerung von Dimensionen...... 66 3. Übungen und Methoden... 68 Schritte eines Seminars zum Einstieg in die Lebensweltanalyse... 68 Ziele für die Lebensweltanalyse... 72 Methodenauswahl und Bewertung...... 72 Vorstellung einzelner Methoden (z.b. Stadtteilerkundung, Nadelmethode, Jugendkuiturenkataster, Leitfaden-Interview, Cliquenportrait, Fremdbilderkundung)... 74 Zusammenfassung... 85 11. Zweiter Schritt: Das Jugendhaus als Aneignungsraum aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen... 87 Aneignungsdimensionen für die Jugendarbeit... 88 Aneignung als Erweiterung des Handlungsraumes... 90 Aneignung als Erweiterung motorischer Fähigkeiten... 94 Kinder und Jugendliche verändern Situationen... 96 Jugend-"Räume" in der Region: Eindrücke und Interpretationen... 101 Zusammenfassung...... 105 111. Dritter Schritt: Entwicklung von konzeptionellen Differenzierungen... 107 1. Das Jugendhaus als Aneignungsraum gestalten... 110 "Aneignungsqualitäten" im offenen Bereich und in Projekten fördern......... 110 Das Jugendhaus als Aneignungsraum aus architektonischer Sicht (Christian Kühn)... 114 2. Stadtteilorientierung und Mobilität... 120 Mobile kontra "stationäre" Arbeit?... 122 "Herausreichende" Konzeption eines Jugendzentrums (Richard Kriseh)... 127 3. Organisationsentwicklung unter sozialräumlichen Aspekten... 135 "Team Kinder- und Jugendförderung"... 136 Halbkommerzielles Jugendcafe (Benedikt Sturzenhecker)... 143 6
4. Die sozialräumliche Verbindung zwischen Jugendarbeit und Schule... 152 Strukturelle Differenzen zwischen Schule und Lebenswelt... 152 Kooperation zwischen Jugendarbeit und Schule auf einer sozialräumlichen Grundlage........ 155 Kooperationsthema: Mädchenförderung... 156 Gemeinsame Fortbildungen auf sozialräumlicher Grundlage... 157 Kooperationsthema: Ganztagsangebote......... 162 "Schnittmengen" für die Kooperation bestimmen... 164 5. Konzepte für Kleinstadt und Land................. 165 Der "Jugendtreff Hansaviertel" - Aufbau eines Jugendtreffs in einer Kleinstadt............ 165 Der Werkbus in Erndtebrück (Manfred Heiler)... 175 Das Projekt "Offene Kiste" (Dorothea BeckerlReinhard Winter)... 182 6. Das Jugendhaus als Motor sozialräumlicher Vernetzung... 187 Wozu Kooperation und Vernetzung? - das sozialräumliche Mandat der Jugendarbeit... 187 Jugendarbeit und eine Politik für Kinder und Jugendliche... 188 "Wi( e )deraneignung" als jugendpolitisches Konzept......... 189 Stadtteil orientierung und Mobilität führen zu Kooperation und Vernetzung............... 190 Strukturen und Methoden für Kooperation und Vernetzung... 192 BewertunglEvaluation von Kooperation und Vernetzung... 197 IV. Vierter Schritt: Konzeptevaluation und Qualitätssicherung... 199 Konzeptevaluation als Schritt sozialräumlicher Konzeptentwicklung... 199 Qualität in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit... 200 Qualitätskriterien für konzeptionelle Differenzierungen entwickeln... 206 Dienstleistungskonzept und "Neue Steuerung"... 208 Schlußbemerkung: Vom "Raumwärter" zum Pädagogen!... 219 Literatur.................... 221 Autoren.............................. 229 7
Vorwort Praxis und Fachliteratur zur offenen Jugendarbeit haben in den letzten drei Jahrzehnten eine Vielzahl von Schwerpunkten, Ausprägungen und Veränderungen erlebt. Gleichzeitig hat das Wissen über die immer stärker sich verändernden Lebenswelten der Jugendlichen erheblich zugenommen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten weiß man heute, daß weder große Theorien noch Patentrezepte weiterhelfen, um die Heranwachsenden erfolgreich anzusprechen und in die Jugendarbeit einzubinden. Denn ebensowenig wie es "die" Jugend gibt, kann man von "dem" richtigen Angebot für die Jugendlichen in "dieser" Gemeinde oder in "diesem" Stadtteil sprechen. Jugendlicher ist nicht gleich Jugendlicher. Clique ist nicht Clique. Was in Münster gut läuft kann in Fulda, Halle oder im Bayrischen Wald scheitern. Abgesehen von diesen Unabwägbarkeiten befindet sich die Jugendarbeit heute in einem Dilemma. Kaum jemand kann noch sagen, wann Jugend eigentlich altersmäßig beginnt und wann sie aufhört. Die Grenzen zur Kindheit und zum Erwachsenenalter sind unklarer denn je. Trotzdem oder deswegen ist Jugend längst zu einer eigenständigen Lebensphase geworden, die sich eher durch immer in Veränderung begriffene Stilbildung, neue Konsum- und Medienwirklichkeiten definiert als durch traditionelle Altersgrenzen. Das macht es auch den neben- und hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Jugendarbeit schwer; sind sie doch selber nicht mehr Jugendliche und teilweise unter anderen lebensweltlichen und sozialräumlichen Bedingungen aufgewachsen als die Besucher ihrer Einrichtungen. Alles das ist nicht neu; neu ist jedoch das Tempo und die verwirrende Vielfalt der Enwicklungen. Wenn die Lebenswelten von Jugendlichen sich immer stärker unterscheiden, so muß das auch in der Konzeptentwicklung für die Jugendarbeit ihren Niederschlag finden. Genau an diesem Punkt setzt Ulrich Deinet an. In Fortsetzung seiner früheren richtungsweisenden Schriften entwickelt er in diesem Buche sozialräumliche Jugendarbeit als einen spezifischen Weg einer nutzerorientierten Konzeptentwicklung. Ausgangspunkt sind die Lebenswelten, also die Orte und Räume, in welchen Jugendliche sich aufhalten. Diese werden verglichen mit den Raumangeboten des Jugendhauses. Aus dieser Bezugnahme ergeben sich differenzierte Entwürfe für offene Jugendarbeit. Der hohe Gebrauchswert dieses Buches erklärt sich auch dadurch, daß Ulrich Deinet es verstanden hat, noch 9
sieben andere Autorinnen und Autoren, allesamt Praktiker wie er, einzubinden. Sie alle bereichern das Buch mit einer Fülle von Übungen, Methoden und situativ unterschiedlichen Beispielen für die Jugendarbeit. Dadurch erhält diese Publikation auch den Charakter eines Handbuches, in welchem man schnell einmal, ohne den gesamten Text lesen zu müssen, etwas für einen bestimmten Zweck sucht, um dann konkrete Hinweise und Handlungsvorschläge zu finden. Noch etwas ist sehr interessant: beim Thema Jugendarbeit sieht sich der Leser durchgängig mit verschiedene Perspektiven konfrontiert. In erster Linie sprechen die Autorinnen und Autoren den Leser als Praktiker und Wissenschaftler an. Es wird aber auch die Wahrnehmungs- und Handlungswelt der Jugendlichen dargestellt. Wie erleben diese das Jugendhaus und seine Umgebung, was ist veränderbar? Dabei werden gerade die Jugendlichen sehr wohl differenziert betrachtet. Handelt es sich um Mädchen oder Jungen, sind es noch eher Kinder oder schon junge Erwachsene? Ist es ein Unterschied für die Jugendarbeit, wenn man es mit Mitgliedern einer Clique oder mit Einzelgängern zu tun hat? Halten sich die Jugendlichen schon im Jugendhaus auf oder können sie beispielsweise durch mobile Jugendarbeit eingebunden werden? Leben sie in einer westfälischen Kleinstadt, auf dem Lande in Baden-Württemberg oder in der österreichischen Metropole Wien? Weiterhin werden im nachfolgenden Text auch Themen behandelt, die für manche Leser kontrovers zum traditionellen Selbstverständnis von Jugendarbeit liegen: die zunehmende Ablehnung von Jugendlichen gegenüber einer pädagogischen Bevormundung. Das gesteigerte Interesse an kommerzieller Freizeitgetaltung. Können in einer derartigen Situation halbkommerzielle Jugendcafes eine sinnvolle Ergänzung herkömmlicher Angebote darstellen oder leisten sie nur einer ohnehin schon zunehmenden Privatisierung, Entfachlichung und Kommerzialisierung von Jugendarbeit Vorschub? Ebenfalls neu am Ansatz der sozialräumlichen Jugendarbeit ist auch, daß die aktuelle Diskussion um eine kundenorientierte "Neue Steuerung", Qualitätssicherung sowie die Forderungen nach Konzeptevaluation miteinbezogen wird. In der Vielfalt seiner sowohl theoretischen wie auch praxisrelevanten Gesichtspunkte ist das Buch, vor allem für die Ausbildung zur Jugendarbeit wie auch für den im täglichen Kontakt mit dem Jugendlichen berufstätige Pädagogen, unentbehrlich. Nando Belardi 10