Zirkuläres Denken und Handeln



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Transkript:

Zirkuläres Denken und Handeln Dr. Martin Kaufmann Ing. Dipl.-Kfm. Roland Mangold Dornbirn, 16. Juli 2009 Gesellschaft zur Förderung Steinebach 16 Tel +43 5572 52333 Fax +43 5572 52335 von professioneller Evaluation (proeval) 6850 Dornbirn, Austria info@proeval.com www.proeval.com

Zirkuläres Denken und Handeln Historische Entwicklung... 2 Worin liegt die Innovation der Zirkularität begründet?... 3 Anwendung und Nutzen in der Praxis... 4 Literatur... 6 Historische Entwicklung Ursprünglich hatte der Begriff der Zirkularität eine eher negative Tönung, indem er mit Prozessen assoziiert wurde, in welchen... (a) sich der Zustand eines Systems durch gegenseitige Wechselwirkungen verschlechtert (=Teufelskreis), (b) sich Personen aufgrund unzureichender Fähigkeiten im Kreis bewegen, oder (c) ein Begriff bzw. Beweis aus Argumenten abgeleitet wird, die ihrerseits mit den selben Begriffen bzw. Beweisen begründet werden (= Zirkelschluss). Dies änderte sich jedoch fundamental. Heute bringt der Begriff Zirkularität eine der wichtigsten Innovationen des 20. Jahrhunderts auf den Punkt. Die Kraft der Zirkularität im Denken und Handeln wurde ab etwa 1945 von der Wissenschaft entdeckt. Ausschlaggebend hierfür war, dass sich in einigen Köpfen zunehmend die Erkenntnis durchsetzte, dass praktisch alle biologischen, sozialen, physiologischen aber auch viele technische Probleme mit Hilfe des vorherrschenden linearen kausalanalytischen Denkschemas nicht angemessen erklärt werden konnten. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Beobachtung, dass es Organismen und Systeme gibt zu denen auch der Mensch zählt die sich selbst organisieren und selbst Ziele erreichen können, auch dann, wenn es sich um bewegte Ziele handelt, wenn unvorhersehbare Störungen auftreten (selbst dann, wenn die Ursache nicht bekannt ist) und wenn spontan völlig neue in der Vergangenheit noch nie praktizierte Problemlösestrategien entwickelt werden. All diese Beobachtungen konnten von den vorherrschenden linear-kausalen Modellen nicht erklärt werden. Die Beschäftigung mit diesen Herausforderungen führte zur Entdeckung eines der fundamentalsten Gestaltungsprinzipien der Natur der Zirkularität. Das Vakuum, das Zirkularität im Denken und Handeln zu füllen begann, war so groß, dass aus der Zirkularität inspiriert selbst neue Wissenschaftsdisziplinen entstanden, wie Kybernetik und Systemwissenschaften, die ihrerseits für viele Innovationen der letzten 60 Jahre verantwortlich waren. Herausragende Erkenntnistheoretiker, wie von Förster (2006, 106), betonen zu Recht: Das fundamentale Prinzip des kybernetischen Denkens ist [...] die Idee der Zirkularität. Da beginnt alles, von dort aus muss man weiterdenken, das ist die Basis. Das Prinzip der Zirkularität zeigt enorme Folgen, wenn man es zu Ende und in die Tiefe denkt [...]. proeval Seite 2 Nutzungs- & -Rechte 090714

Worin liegt die Innovation der Zirkularität begründet? Wir wollen diese Frage aus kybernetischer Perspektive betrachten, da die Kybernetik als erste wissenschaftliche Disziplin die herausragende Bedeutung der Zirkularität erkannte. 1 Die Kybernetik erkannte, dass ein Verhalten einer systemischen Einheit (Bsp. Mensch) am wirkungsvollsten verarbeitet wird, indem die unmittelbaren Auswirkungen von Handlungen (lebende Systeme) oder Systemveränderungen (künstliche Systeme) direkt auf das System rückzirkuliert werden. Hierbei erhält der Handelnde bzw. das System über eine zirkuläre geschlossene Schleife Informationen über seine eigene Handlung und die aktuelle Situation. Abb. Zirkularität in einem komplexen System, welches in Wechselwirkung mit der Umwelt steht (aus Kaufmann, 2007, 11; mod. n. Heylighen & Joslyn, 2001). Diese Zirkularität wird ermöglicht durch: Einen Ist-Wert (das Wahrgenommene), der mit dem Zielwert (Soll) in Beziehung gesetzt wird (Soll- Ist-Vergleich im System). Aufgrund dessen wird ein Regulationswert erhalten, welcher sich in einer Handlung manifestiert. Die Handlung hat einen Einfluss auf die Umwelt = beeinflusste Variablen. Z.B. ein Tiefschneefahrer wirbelt Schnee auf. Die beeinflussten Variablen sind jedoch nicht gleichbedeutend mit den beobachteten Variablen. Nur ein Teil dessen, was die Handlung bewirkt, können wir aufgrund unserer eingeschränkten und verzerrten Aufnahmefähigkeit wahrnehmen. Durch die ständigen Veränderungen (Dynamik) in der Umwelt mit unvorhersehbaren Störungen (Perturbationen) wird die Wahrnehmung zusätzlich verzerrt bzw. eingeschränkt. Z.B. Fahrtwind, Schneegestöber, Schwerkraft, Blickrichtung oder Anstrengung. 1 Der ursprüngliche Titel, der für die Entwicklung der Kybernetik bahnbrechenden Macy-Konferenz (1946 1953), beinhaltet Zirkularität als erstes Schlagwort: Circular Causal and Feedback Mechanisms in Biological and Social Systems (Zirkulär-Kausaleund Rückkoppelungsmechanismen in biologischen und sozialen Systemen). Später wurden die Macy-Konferenzen einfach auf Cybernetics umbenannt. proeval Seite 3 Nutzungs- & -Rechte 090714

Die beobachteten Variablen können jedoch vom System wahrgenommen werden und geben ihm Auskunft über die durch die Handlung bewirkte Veränderung. Z.B. Fahrgefühl, hinterlassene Spur. Aufgrund der oftmaligen Wiederholung dieser zirkulären Bewegung wird eine immer bessere Annäherung an den Zielwert ermöglicht. Z.B. Man wird zu einem exzellenten Tiefschneefahrer. Der Zielwert orientiert sich oft insbesondere bei komplexen Systemen an der Erhaltung des internen Milieus. Fachausdrücke in diesem Zusammenhang sind Homöostase oder dynamic stability (eher in Sozialwissenschaften), die das System ungeachtet von äußeren Einflüssen (Perturbationen) im Gleichgewicht (Äquilibrium) halten sollen. Für den Tiefschneefahrer gilt es, dieses innere Gleichgewicht in jedem Schwung zwischen seiner Körperhaltung und Umweltbedingungen wie Schwerkraft und Schneebeschaffenheit zu finden. Wichtig: Eine Veränderung der einen Komponente bewirkt eine unmittelbare Veränderung der nächst Folgenden. Zirkularität ist somit kein statisches Konstrukt, sondern ein höchst dynamisches, indem laufend und mit Rücksicht auf eine veränderliche Welt ständig neue Problemlösestrategien entworfen werden können. Darin liegt die große Innovation der Zirkularität begründet. Denn andere, bis um 1945 beschriebene Modelle konnten die Dynamik lebender Systeme nicht berücksichtigen. Zusammenfassung: Während bis 1945 vorherrschende linear-kausale Modelle auf die Dynamik lebendig sich im Prozess verändernder Systeme nur unzureichend Rücksicht nehmen können, können dies zirkuläre Modelle schon. Erst Zirkularität ermöglichte eine systematische Beschäftigung mit Konzepten wie Selbstorganisation oder Problemlösekompetenz. Einmal erkannt, forschte die Kybernetik nach jenen Bedingungen, in denen sich Zirkularität optimal manifestieren kann. Anwendung und Nutzen in der Praxis Bei der Anwendung zirkulärer Grundlagen wurden in Technik und Naturwissenschaften mit enormer Geschwindigkeit Fortschritte erzielt (Computer, Neurobiologie,...). Im psychologisch-sozialen Kontext war es schwieriger. Es wurde schnell klar, dass das lineare Denken und Handeln vorherrschend ist und der Ausbreitung des Zirkulären diametral entgegen steht, da es sich um zwei gegensätzliche Sicht- und Lernweisen handelt. Um dies zu erklären, ein kurzer Exkurs in die Entwicklungspsychologie: Kindheit unbewusstes zirkuläres Lernen mit fortschreitenden linearen Kausalitätserfahrungen. Kinder und auch andere biologische Systeme lernen grundsätzlich zirkulär. Sie lernen durch Versuch und Irrtum, mit großer Offenheit für die Wirkung in einer dynamisch belebten Welt. Das was getan wird, wird über zirkuläre Rückmeldungen in seinen Auswirkungen wahrgenommen, was zu neuen Erkenntnissen über den Lerngegenstand führt. Dies ist der schnellste und nachhaltigste Weg um zu Lernen. Dadurch werden lebenswichtige Kompetenzen wie Kommunikation, Bewegung oder Empathie erworben. Die Kindheit ist in der Folge proeval Seite 4 Nutzungs- & -Rechte 090714

eine Zeit, in der lebenswichtige Kompetenzen über zirkuläres Lernen erworben werden. Kompetenzen zeichnen sich durch enorme Nachhaltigkeit aus. Einmal erlernt (Bsp. Sprechen, Gehen), steht es dem Organismus fortwährend zur Verfügung. Die Kinder haben jedoch noch nicht die Fähigkeit das zirkuläre Lernen bewusst einzusetzen. Es passiert unbewusst, vorgegeben durch die innere Biologik. Auf der anderen Seite werden lineare Ursache- und Wirkungszuschreibungen ebenso ab der frühen Kindheit erworben und auf andere Situationen relativ unreflektiert übertragen (vgl. Piaget, 1996). Diese linear-kausalen Ursachenzuschreibungen werden zunehmend internalisiert und zu Gewohnheits-, Denk- und Handlungsmustern. Dies hilft, nicht alles wieder neu lernen zu müssen, aber behindert gleichzeitig zirkuläre Lernerfahrungen, die zunehmend weniger werden. Nicht lebenspraktische, langfristige Kompetenzen, sondern kurzfristig linear abrufbares intellektuelles Wissen erfährt mit fortschreitender Entwicklung mehr Förderung. Erwachsenenalter obwohl bewusstes, zirkuläres Lernen möglich und nützlich wäre, dominiert das lineare Lernen. Im beginnenden Erwachsenenalter sind die linearen Gewohnheitsmuster (etwas passiert und ich denke/ handle nach einem bestimmten Muster) schon so ausgeprägt, dass sich Zirkularität nur schwer manifestieren kann. Denn jedes denk- und handlungsbestimmende Muster verringert die Tendenz zum zirkulären Lernen, da es durch den verengten Blickwinkel nicht mehr die dafür notwendige Offenheit aufbringen kann. Der Lernprozess sofern man hier noch von Lernen sprechen kann verläuft zunehmend linear. Es findet keine Zirkulierung der Wirkung statt. Selbst die interne Informationsverarbeitung wird durch einschränkende Gewohnheitsmuster auf ein Minimum reduziert. Dabei könnte das zirkuläre Denken und Handeln lebenspraktisch mit der Fähigkeit des bewussten Reflektierens im Erwachsenenalter wirkungsvoll eingesetzt werden (vgl. Lutterer, 2005). Die Potenziale der Zirkularität systematisch nutzen. Umfassende Arbeiten bei der Gesellschaft zur Förderungen von professioneller Evaluation (proeval) haben gezeigt, dass das Wissen zum Sachverhalt linear vs. zirkulär bei Erwachsenen oft nicht ausreicht, um die Potenziale der Zirkularität nutzen und sich von den vorherrschenden linearen Gewohnheitsmustern befreien zu können. In Anlehnung an die Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung entstand daher eine professionelle Systematik/ Methodik (lernhelix), die Menschen und Organisationen nutzen können, um diese Barrieren zu überwinden. Die praktischen Einsätze im Bereich des (Qualitäts-) Managements und der wirkungsorientierten Projekt- und Programmarbeit zeigten, dass es Menschen und Organisationen mit der lernhelix tatsächlich gelingt, die spezifischen Vorteile der Zirkularität zu nutzen. Während innovative Organisationen damit beschäftigt sind, ihre Mitarbeiter/innen über das zirkuläre Denken und Handeln zu informieren und erste Anwendungen in der Praxis zu etablieren, liegt der Fokus der Forscher/innen bereits auf der Frage, wie ausgehend von einem komplexen Sachverhalt erkannt werden kann, mit wieviel Linearität und Zirkularität das angestrebte Ergebnis optimal erreicht werden kann. Nicht mehr das Entweder-oder, sondern das situativ richtige Sowohl-alsauch steht im Zentrum der aktuellen Evaluation und Forschung. proeval Seite 5 Nutzungs- & -Rechte 090714

Zusammenfassung: Anwendung und Nutzen in der Praxis Erwerben von lebensnotwendigen Kompetenzen in der Kindheit über zirkuläres Lernen. Diese Kompetenzen sind sehr nachhaltig und stehen langfristig zur Verfügung. Aufgrund von industriellem Druck zur Effizienzsteigerung zunehmend lineares Lernen. Dieses Lernen ist kurzfristig und in seinem Potenzial einschränkend. Im Erwachsenenalter ist der bewusste Einsatz des zirkulären Lernens aufgrund der Dominanz des linearen Lernens schwierig. Menschen und Organisationen können sich jedoch mit professioneller Systematik helfen. Die positive Wirkung ist belegt. Die Potenziale der Zirkularität werden in innovativen Organisationen systematisch genutzt. Professionelles Wissen und praktikable Methoden sind verfügbar. Literatur Förster, Heinz von (2006). Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Carl Auer Verlag, Heidelberg. Heylighen, Francis & Joslyn, Cliff (2001). Cybernetics and Second-Order Cybernetics. In: R.A. Mayers (ed.), Encyclopaedia of Physical Science and Technology (3rd ed.). New York, Academic Press, S. 150-170. Kaufmann, Martin (2007). Der Baum der Kybernetik. Die Entwicklungslinien der Kybernetik von den historischen Grundlagen bis zu ihren aktuellen Ausformungen. proeval, Dornbirn. Lutterer, Wolfram (2005). Starre Selbstbilder als Barrieren im Umgang mit komplexen Situationen. In: Lernende Organisationen. Heft 2/2005. S. 20-26. Piaget, Jean & Inhelder, Bärbel (1996). Die Psychologie des Kindes. Deutscher Taschenbuch Verlag. München. proeval Seite 6 Nutzungs- & -Rechte 090714