Fraktionszwang oder Gewissensfreiheit am Beispiel Sterbehilfe Berlin/DPA - Der Bundestag sollte die geplante gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe nach Auffassung von Justizminister Heiko Maas fraktionsübergreifend erarbeiten. Der Fraktionszwang sollte aufgehoben werden, und wir sollten interfraktionelle Anträge in den Bundestag einbringen, sagte der SPD-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das Thema Sterbehilfe sei ethisch und moralisch derart komplex, dass es sich um eine klassische Gewissensentscheidung für die Abgeordneten handele. Bei dem geplanten Gesetz geht es darum, ob organisierte Sterbehilfe verboten werden soll. Vor allem aus den Reihen der Union wird dies gefordert. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Foto: Angelo Esslinger - fotolia.com. hatte gesagt: Ich wünsche mir, dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen. Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar. Verboten ist jedoch die Mitwirkung eines Arztes bei der Selbsttötung eines Patienten. (Nordwest-Zeitung vom 13.01.2014) Das Thema Sterbehilfe wird seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland parteiübergreifend und auch innerhalb der Parteien sehr kontrovers und emotional diskutiert. Das Grundgesetz lässt den Abgeordneten in Ihrer Meinung grundsätzlich freie Wahl. Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Auch die öffentliche Meinung ist bei diesem Thema sehr gespalten. Die Volksvertreter befinden sich also in einer Zwangslage, ob sie mit ihrer Partei stimmen sollen oder ihrem Gewissen folgen sollen. 1. Was versteht man unter einem interfraktionellen Antrag? (Buch, S. 234) 2. Nennen Sie Unterschiede zwischen freiem und imperativem Mandat. (Buch, S. 248) _
3. Wenn der Justizminister Heiko Maas (SPD) eine Aufhebung des Fraktionszwangs fordert, signalisiert das, dass dieser besteht. Ist Fraktionszwang mit dem Grundgesetz vereinbar? Erläutern Sie Ihre Meinung. 4. Überlegen Sie, welche Gründe für einen Fraktionszwang sprechen können. 5. Beschreiben Sie anhand des Themas, in welchem Konflikt sich der Politiker bei einer Abstimmung im Bundestag befindet. 6. Informieren Sie sich im Internet über die derzeitig geltenden Gesetze zur Sterbehilfe. 7. Recherchieren Sie, in welchen europäischen Ländern die Sterbehilfe bereits legal ist. 8. Formulieren Sie eine Bildunterschrift zum Foto.
Lösungshinweise 1. Das ist ein Antrag der Fraktionen von verschiedenen Parteien mit einer gemeinsam formulierten Forderung. 2. Ein gewählter Abgeordneter übt sein Mandat im Parlament frei aus und ist dabei an keine Wähleraufträge oder Parteiforderungen gebunden. Er ist niemandem gegenüber verantwortlich. Das imperative Mandat verpflichtet einen Abgeordneten sich an Vorgaben zu halten, die die Vertretenen ihm machen. Das können auch die eigenen Parteimitglieder sein. Folgt er dem Wählerwillen z.b. nicht, kann er sogar abgesetzt werden. 3. Es können verschiedene Ergebnisse erbracht werden. Hier kommt es auf die Gewichtung und Argumentationen der Schüler an. 4. Kein Politiker kann auf allen Gebieten eine umfassende Sachkenntnis haben, er muss sich an der Meinung seiner Parteikollegen orientieren. Jede Partei muss sich bei der Durchsetzung ihrer Interessen auf die Parteimitglieder verlassen können. Ohne Fraktionszwang wäre die Beschlussfähigkeit im Parlament sehr eingeschränkt und die Gesetzgebung könnte blockiert werden. 5. Aus Gewissensgründen ist dem Politiker die Erhaltung des Lebens ein schützenswertes Gut. Wenn seine Partei aber einen Antrag zur Erlaubnis der aktiven Sterbehilfe im Parlament durchsetzen will, gerät er in einen Gewissenskonflikt. 6. Es gilt ein Fremdtötungsverbot nach 216 StGB. Aktive Sterbehilfe, d.h. Tötung auf Verlangen, ist verboten. Straffreiheit gilt bei Suizid, auch eine Beihilfe zur Selbsttötung ist nicht strafbar, allerdings muss der Schwerstkranke selber in der Lage sein, sich eine tödliche Spritze zu setzen oder eine Pille einzunehmen. 7. In den Niederlanden und Belgien ist aktive Sterbehilfe gesetzlich erlaubt. Die Schweiz lässt die Sterbehilfe zu, ohne ein Gesetz dafür verabschiedet zu haben. In Frankreich dürfen die Ärzte Patienten sterben lassen, ohne dabei helfend einzugreifen. 8. individuell Hinweis: Das Thema "Sterbehilfe" kann mit dem nachfolgenden Text und den Fragen noch vertieft behandelt werden.
Hamburg - Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind nach einer aktuellen Umfrage für Sterbehilfe. Bei einer schweren Erkrankung möchten 70 Prozent der Befragten die Möglichkeit haben, etwa auf ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung zurückzugreifen, wie die Krankenkasse DAK-Gesundheit in Hamburg mitteilte. 22 Foto: D. Claus Prozent der Befragten lehnen dies für sich ab. Ostdeutsche (82 Prozent) wünschen sich häufiger die Möglichkeit der Sterbehilfe als Westdeutsche (67). Die Kasse hat die repräsentative Forsa-Studie mit 1 005 Befragten in Auftrag gegeben. Auch CDU- Generalsekretär Peter Tauber möchte "aktiver Sterbehilfe einen Riegel vorschieben". Dem Nachrichtenportal "Spiegel Online" sagte Tauber: "Der Spruch "Mein Tod gehört mir" mag zunächst plausibel klingen. Wie will man aber eine Grenze ziehen, damit der Tod nicht plötzlich in den Händen von Angehörigen, Ärzten oder Krankenkassen liegt?" Stattdessen solle man viel stärker über Alternativen wie Palliativmedizin oder die Hospizbewegung sprechen. In der Umfrage wurde nach aktiver Sterbehilfe gefragt. Dass der Bundestag - wie geplant - das Thema gesetzlich neu regelt, stößt nach den Ergebnissen der Umfrage auf breite Zustimmung. 79 Prozent der Befragten finden es gut, wenn sich der Bundestag mit dem Thema Sterbehilfe beschäftigt. Vor allem die 14- bis 29-Jährigen (86 Prozent) unterstützen den Plan. "Die Ergebnisse zeigen, dass die Politik ein Thema diskutiert, das die Menschen sehr bewegt", erklärte DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher. "Es wird aber auch deutlich, dass es noch weiteren Aufklärungsbedarf gibt." Denn laut Umfrage fühlt sich die Mehrheit der Befragten "weniger gut" (41 Prozent) oder "überhaupt nicht gut" (16 Prozent) über die derzeit geltenden Regelungen bei der Sterbehilfe informiert. "Sehr gut" im Bilde sehen sich nur acht Prozent, 35 Prozent "gut". Ein Viertel der Befragten (26 Prozent) nutzt die bereits bestehende gesetzliche Regelung der Patientenverfügung. Darin geht es um den Willen des Patienten, ob und wie Ärzte bei schweren Krankheiten lebenserhaltende Maßnahmen einsetzen. Weitere 48 Prozent der Befragten planen, eine Patientenverfügung zu verfassen. 23 Prozent wollen keine. Stern,16.01.2014 1. Wie steht die Bevölkerung der Bundesrepublik zur Sterbehilfe? Fassen Sie den Inhalt kurz zusammen und erläutern Sie an einem konkreten Beispiel die Wirksamkeit einer Patientenverfügung. 2. Sammeln Sie im Internet Meinungen zum Thema Sterbehilfe von Parteien, Politikern, Institutionen und Kirchen. 3. Führen Sie eine Abstimmung über Sterbehilfe durch. Bilden Sie in Ihrer Klasse zwei Gruppen. Eine befürwortet die Sterbehilfe, die andere ist dagegen. Führen Sie eine offene Diskussion (auch mit Hilfe der in Frage 2 gewonnenen Erkenntnisse). Stimmen Sie erneut ab. Hat sich das Ergebnis verändert? 4. Formulieren Sie eine Bildunterschrift zum Foto.
Lösungshinweise 1. Nach einem Bericht des STERN (16.1.2014) sprechen sich im Schnitt mehr als Zweidrittel der Bevölkerung für die Sterbehilfe aus. Verschiedene Ergebnisse möglich. 2. Durch die Internetrecherche bildet sich ein breites Spektrum verschiedener Ansichten, Meinungen und Forderungen, die zunächst unkommentiert bleiben können. 3. Bezug auf Frage 2. Die Schüler können hier diskutieren, wie sie das Problem beurteilen. Eine Abstimmung soll zeigen, ob durch die Internetrecherche Mehrheiten verändert worden sind. 4. individuell