Vorbemerkung 1. Es gibt keine anspruchsvolle schwimmerische Bewegungstechnik, die ein Anfänger unmittelbar perfekt erlernen kann. 2. Zwischen dem Anfä

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Bewegungsausbildung: Schwimmtechnische Fertigkeiten & Fähigkeiten 1

Vorbemerkung 1. Es gibt keine anspruchsvolle schwimmerische Bewegungstechnik, die ein Anfänger unmittelbar perfekt erlernen kann. 2. Zwischen dem Anfänger-Lernergebnis und der qualifizierten Wettkampftechnik liegt ein längerer Lernprozess. 3. Dieser Teil des motorischen Lernprozesses dauert wenigstens 2 Jahre (auf hohem Niveau: laufbahn-lang). 4. Er bedarf des Lernens der schwimmtechnischen Fertigkeiten und hängt von der Koordinationsfähigkeit (koordinative Fähigkeiten) des Sportlers ab. 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 2

Motorische Fertigkeit 1. Eine MOTRISCHE FERTIGKEIT ist eine weitgehend automatisch ausgeführte Komponente einer menschlichen Bewegungshandlung. Beispiel: Rollwende nach 2 Jahren 2. Sie bildet sich durch Üben heraus. Beispiel: Ganz-Teil-Ganz-Methode mit Aufmerksamkeitsschwerpunkt 3. Sie ist nicht bewusstseinpflichtig, wohl aber bewusstseinsfähig. Beispiel: spätere Erinnerungsmöglichkeit 4. Ihre Qualität, variable Verwendbarkeit und Anpassbarkeit wird gesteigert durch KOORDINATIVE FÄHIGKEITEN Beispiel: Rolle vorwärts + Orientierungsfähigkeit des Turners > Rollwende 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 3

Elektromyogramm 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 4

Schwimmtechnische Fertigkeit MERKMAL: ZIEL: METHODE: Komponenten und Gesamtheit einer bestimmten Schwimm-, Wende- oder Starttechnik Einüben zwecks Perfektion = Ökonomie, Konstanz, Stabilität Ausführen des noch nicht perfekten Bewegungsablaufs im Ganzen und in Teilen (Ganz Teil Ganz) INHALT: eine Technik je Übungseinheit (maximal 2) BEDINGUNG: ANZAHL: bekannte & gewohnte Anforderungen viele Wiederholungen je Übungseinheit (Minimum 3-fache Menge der Fähigkeitsübungen) 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 5

Frequenzmessung im Schwimmen 1. mit Frequenzuhr Schwimmen (Basis: 2 oder 3 Zyklen) 2. mit Schlagzahluhr Rudern (Basis: 4 Zyklen) 3. mit Stoppuhr und Berechnung (Basis: 4 Zyklen): Frequenz (f) = 4 Zyklen x 60 s Zeit für 4 Zyklen (s) = 4 x 60 s X s = 240 X Beispiel: Zeit für 4 Zyklen: 4.8 Sekunden f = 240 = 50 4.8 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 6

Frequenzmessung 4 Bewegungszyklen pro Schwimmart und Zykluslänge 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 7

Stereotypierisiko Hat ein Kind die Technik des Kraulschwimmens beispielsweise mit ganz bestimmten räumlichen und zeitlichen Bewegungsmustern der Arme und Beine gelernt, so treffen die gleichen Muster mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu, wenn sich die Länge der Gliedmaßen, die damit verbundenen Hebelverhältnisse, die Gewichts- und Kraftverhältnisse erheblich geändert haben. 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 8

Koordinative Fähigkeiten Eine KOORDINATIVE FÄHIGKEIT ist das verallgemeinerte Steuerungs- und Regelungskönnen für mehrere/viele menschlichen Bewegungshandlungen. Beispiel: Die Rhythmisierungsfähigkeit im Laufen, Trommeln, Tanzen, Schwimmen, Kajakfahren. Sie benötigt dazu stets verschiedene motorische Fähigkeiten. Beispiel: Kopplungsfähigkeit im Schwimmen: Schmetterling + Kraul > Schmetterkraul Sie bildet sich aus in der Erfüllung neuer und dem Variieren bekannter Aufgaben. Beispiel: Delphinschwimmen mit 3 Beinschlägen Ihre Leistungsfähigkeit nimmt mit der Vielzahl und Qualität der verwendeten motorischen Fertigkeiten zu. Beispiel: häufiges Brustschwimmen > kurviger Kraularmzug 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 9

Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten Verbesserung der KOORDINATIVEN FÄHIGKEITEN im Schwimmen wegen der Anpassungsnotwendigkeit der Schwimmtechniken an entwicklungsbedingte Veränderungen des menschlichen Körpers trainingsbedingte Veränderungen der Kondition: Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer zunehmende Schwimmgeschwindigkeit bzw. Vermeidung von Geschwindigkeitsbarrieren Bewegungskorrekturen/bewusste Bewegungsmodifikationen Änderungen der Wettkampfregeln 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 10

Abhängigkeiten 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 11

Schema Koordination (nach Hirtz 1994) 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 12

Koordinative Fähigkeit MERKMAL: ZIEL: METHODE: INHALT: BEDINGUNG: ANZAHL: generalisierte, übertragbare Ablaufqualität der Bewegungssteuerung und -regelung Verhindern von motorischen Stereotypen und Voraussetzung für koordinative Modifikation (Bewegungsplastizität) beherrschte Fertigkeiten variieren oder Teile davon kombinieren vier Techniken je Übungseinheit (Minimum 3 Techniken/Kombinationen) neuartige, ungewohnte (wenigstens teilweise neue) Anforderungen wenige Wiederholungen je Übungseinheit (Maximum 1/3 der Fertigkeitsübungen) 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 13

Koordinative Fähigkeiten im Sportschwimmen (nach Harre/Schramm u.a.) SCHWIMMARTEN: Kopplungsfähigkeit Rhythmisierungsfähigkeit Differenzierungsfähigkeit STARTS: Reaktionsfähigkeit Kopplungsfähigkeit WENDEN: Orientierungsfähigkeit Kopplungsfähigkeit LAGENSCHWIMMEN: Umstellungsfähigkeit 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 14

Kopplungsfähigkeit:grundsätzlich/Schwimmen KOPPLUNGSFÄHIGKEIT = verschiedene Gliedmaßen- und Köperteilbewegungen zeitlich und räumlich miteinander verbinden zu können; Verbindungen auflösen und die Teilbewegungen neu organisieren zu können. Kraulschwimmen mit Zweierzug-Atmung, Dreierzug, Fünferzug (=Körperbewegung+Atmung) Kraulschwimmen mit Sechser-Beinschlag, Zweier-Beinschlag (=Armbewegung+Beinbewegung) Kontraktion aller Antriebsmuskeln (Agonisten) bei Entspannung und aller gegenläufigen Muskeln (Antagonisten) (=intermuskuläre Koordination) Startsprung mit Armschwung (=Übertragung eines Körperteilimpulses auf den Rumpf) Delphinbeinschlag (=verzögerte Impulsübertragung von Oberschenkel > Unterschenkel > Fuß). 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 15

Verbesserung der schwimmerischen Kopplungsfähigkeiten (I von II) 1. Kombiniere Armbewegungen und Beinbewegungen verschiedener Schwimmarten miteinander (=Kombinationsübungen). 2. Kombiniere Schwimmtechniken mit früheren Wettkampfschwimmarten, z.b. Altdeutsch-Rückenschwimmen. 3. Wechsle Variationen einer Schwimmtechnik ab, z.b. Kraul mit Zweier-Beinschlag, mit Sechser-Beinschlag. 4. Koordiniere eine Technik mit verschiedenen Atemrhythmen. 5. Wechsle eine Schwimmtechnik mit einer Kombinationsübung im Verhältnis 3:3 ab. 6. Führe je Bahn ein anderes Verhältnis der o.g. Bewegungen durch, z.b. 1:2, 2:1, 3:1, 4:2, 1:4 usw. 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 16

Verbesserung der schwimmerischen Kopplungsfähigkeiten (II von II) 7. Ändere das Verhältnis der o.g. Bewegungen in direkter Folge, z.b. 1:2, 2:1 usw. 8. Schwimm eine Schwimmart und kopple ein Arm oder ein Bein dabei ab (völlige Ruhestellung). 9. Wechsle eine Ausführung unter Abkopplung einer Gliedmaße mit einer Normalausführung ab. 10. Wechsle Normalausführungen und verschiedene Abkopplungen ab, z.b. normal, ohne rechten Arm, normal ohne linkes Bein, normal, ohne linken Arm usw. 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 17

Rhythmisierungsfähigkeit RHYTHMISIERUNGSFÄHIGKEIT = die zeitliche Folge und Gliederung von (eigenen und fremden) Bewegungsabläufen aufnehmen, speichern und ausführen (wiedergeben) zu können. Schwimmerische Beispiele: Rollwende Zug-Zug-Kopf-über-Abstoß Anpassen der Schwimmfrequenz an Taktänderung (Unterwasserlautsprecher) Beibehalten der Schwimmfrequenz gegen Taktänderung. 18. September 2010 Prof. Kurt Wilke 18