Soziale und finanzielle Hilfen für krebskranke Menschen 4.Fortbildungstag Pflege in der Onkologie im Universitätsklinikum Münster- 05.10.10
Referent Ulrich Kurlemann Diplom Sozialarbeiter Leiter Stabsstelle Sozialdienst/Case Management am Universitätsklinikum Münster Vorstandsvorsitzender der Deutschen Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen (DVSG) e.v. Berlin 2.Vorsitzender/Schatzmeister Förderverein Krebsberatung Münsterland e.v. 2 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Abteilung im UKM Universitätsklinikum Münster Stabsstelle Sozialdienst / Case Management Domagkstraße 13 48149 Münster T: +49 (0)2 51 83-5 81 17 F: +49 (0)2 51 83-5 58 59 M: sozialdienst@ukmuenster.de http:/www.klinikum.uni-muenster.de 3 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Agenda Armut und Gesundheit Belastungsbereiche einer Krebserkrankung Finanzielle Belastungen einer Krebserkrankung Wirtschaftliche Folgen Rechtliche Folgen Fragen und Beratungsbedarf Soziale Beratung Individuelle finanzielle Hilfen 4 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Zusammenhang zwischen Gesundheit und aktuelle Lebenslagen Krankheit erhöht das Verarmungsrisiko 22% der von Armut bedrohten Menschen gehen wegen der finanziellen Belastungen durch die Praxisgebühr und zu hoher Zuzahlungen nicht zum Arzt. Armut führt zu einem deutlich höheren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, Krankheit erhöht das Verarmungsrisiko. Bei Erwachsenen führt Krankheit in verstärktem Maße zu Armut, bei Kindern führt Armut in ihrem späteren Leben gehäuft zu Krankheit. Die Angst vor einem sozialen Abstieg betrifft mittlerweile nicht nur Menschen der unteren Einkommensschichten, sie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. >> wirtschaftliche Problemen bei Erkrankung Vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2005; Robert-Koch-Institut Berlin 2005, Walther Heidelberg 2009 5 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Belastungsbereiche einer Krebserkrankung Befragung durch den Bund niedergelassener Hämatologen und Onkologen Präsentation auf dem Krebskongress 2008 in Berlin (F. Breuer) Dokumentationszeitraum 1996 2007 (Hornheider Fragebogen) 13.000 Patienten (ambulante Chemo-therapien) in 59 Hämato.- und Onkologischen Schwerpunktpraxen Angst vor: Fortschreiten der Erkrankung Beruflicher und finanzieller Belastung Körperlicher Belastung Tumorangst Anspannung, Unruhe Mangelnde sozialer Unterstützung Selbstunsicherheit // Psychische Belastung Mangelnde ärztlicher Unterstützung 6 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Finanzielle Belastung bei einer Krebserkrankung > 75% der Patienten erleben finanzielle Einbußen seit Erkrankungsbeginn > 64,7% befürchten eine weitere finanzielle Verschlechterung > Einkommenseinbußen und krankheitsbedingte Mehrausgaben: 100-200 36,5% 200-500 29,5% 500-800 12,2% 800-1200 6,4% über 1200 12,2% (durchschnittlich/ Monat) > in den Einkommensarten: Lohn / Gehalt: 10,9 % Krankengeld: 19,9 % Erwerbsminderungsrente: 5,8 % Altersrente : 55,1 % ALG I: 1,3 % Grundsicherung: 1,9 % K.Bikowski: Auswirkungen einer Krebserkrankung NCT- Heidelberg 2009 Studie:156 Teilnehmer/ 3 Monate 7 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Finanzielle Belastungen bei einer Krebserkrankung- konkret Konsequenzen der Gesundheitsreformen 2004 und 2007 Erhöhung der Eigenbeteiligung der Patienten an Gesundheitsleistungen, z.b. Einführung der Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal Zuzahlung bei Arznei- Heil- und Hilfsmitteln (mind. 5.-, -höchstens 10.- ) Verlängerung der Zuzahlungsdauer bei Krankenhausaufenthalten von 14 auf 28 Tage ( tgl. 10,- ) Streichung der Kostenübernahme nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel Streichung der Übernahme ambulanter Fahrkosten Streichung der Sozialklausel, d.h. der generellen Zuzahlungsbefreiung bei Unterschreiten einer bestimmten Einkommensgrenze Generelle Einführung von Belastungsobergrenzen (frühere Härtefallklausel) von 2 %, bzw. 1 % für chronisch Kranke des jährlichen Bruttoeinkommens. Abgesenkte Belastungsobergrenze erst ab dem 2. Krankheitsjahr Pflegeversicherung: Leistungen aus dem Bereich Körper-u Grundpflege: Hilfebedürftigkeit muss erheblich sein; Kosten Haushaltsführung werden nicht gedeckt. 8 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Wirtschaftliche Folgen der Krebserkrankung- konkret Entgeltfortzahlung (6 Wochen) Krankengeld durch gesetzliche KK (Pflichtversicherte) 72 Wochen Effektive Einkommenseinbußen von ca. 25 % gegenüber dem letzten Nettoeinkommen Rente wegen Erwerbsminderung (Sicherung des Lebensunterhaltes) >>> EMI 726 (666) Männer; Frauen 619 (676) finanzielle Einbußen/ Grundsicherungsleitungen über das Sozialamt? Arbeitslosengeld (ALG)I, >> Regelbezug: 1 Jahr; ca. 60 und 67 % des letzten Nettolohns Arbeitslosengeld (ALG) II (Hartz 4): Regelsatz für Alleinstehende: 347 /Monat zzgl. Miete und Zuschläge für Familienangehörige (2008) 9 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Rechtliche Folgen SGB V 51 Wegfall des Krankengeldes, Antrag auf Leistungen zur Teilhabe (1) Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichen Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, kann die Krankenkasse eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben (3) Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist Rechtsfolgen für den Patienten 1.) Wegfall des Krankengeldes bei unterlassener Antragstellung innerhalb der Zehnwochenfrist. 2.) In Verbindung mit dem 116 des SGB VI kann der Rehabilitationsantrag in einen Erwerbsminderungsrentenantrag umgedeutet werden. (Rentenantragsfiktion) 3.) Dieser Rentenantrag kann vom betroffenen Patienten nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse zurück genommen werden. Der Patient verliert damit sein Dispositionsrecht über den Rentenantrag. Die Rücknahme des Antrags ohne Zustimmung der Krankenkasse führt zur Einstellung des Krankengeldes. 10 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Fragen und Beratungsbedarf Besondere Verantwortung der Ärzte: werden hier nicht alle Aspekte und die weiteren Perspektiven der Erkrankung mit dem Patienten abgestimmt, kann das zu erheblichen finanziellen Nachteilen für den Patienten führen! Diagnose Krebs >>> Psychische und physische Belastungen durch Erkrankung und Therapie Krankheit ist kein Schutz vor Kündigung Rehabilitation, Berufliche Wiedereingliederung, konkrete Sozialleistungen Wirtschaftliche Sicherung Entgeltfortzahlung / Lohnersatzleistungen Leistungen nach der Sozialhilfe / Grundsicherungsgesetz Rentenleistungen Leistungen nach dem SGB XI (Pflegeversicherung) Leistungen nach dem SGB IX (Schwerbehindertenrecht) Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung Hilfsmittelfinanzierung/ individuelle finanzielle Hilfen 11 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Soziale Beratung- Versorgungsmanagement Beratung und Begleitung von Patienten und Angehörigen, deren Lebenssituation sich aufgrund der Erkrankung und/oder Klinikaufenthalt in psychischer, physischer, beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht verändert hat. Entwicklung adäquater Hilfen und Perspektiven aufgrund der individuellen Krankheitssituation des Patienten nach der Entlassung aus dem Klinikum in Kooperation mit Medizin und Pflege Unterstützung bei der Verarbeitung der Erkrankung Ganzheitliche Sichtweise auf den Patienten im Behandlungsprozess Orientierung an der Würde und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten 12 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Soziale Beratung- Versorgungsmanagement Auszug aus den Fallzahlen UKM- Sozialdienst 2008 5.964 Patienten (Erwachsene) 13.113 Einzel-/Angehörigengespräche Beratungen zu Medizinischer und Beruflicher Rehabilitation: 9.634 Wirtschaftliche Sicherung: 4.301 Soziale Sicherung: 815 Ambulante Nachsorge: 2.919 Stationäre Nachsorge: 712 Psychosoziale Intervention: 3.535 13 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Individuelle finanzielle Hilfen Zuwendungen aus Fonds, Stiftungen z.b. Deutsche Krebshilfe Stiftung des Bundespräsidenten Hans Rosenthal-Stiftung Regionale Stiftungen Fördervereine Herzenswünsche e.v. Sozialfonds UKM 14 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst
Soziale Arbeit- Blickwinkel Ganzheitlicher Ansatz der Sozialarbeit/ Sozialen Arbeit: Sozialarbeit unterscheidet sich von anderen Hilfen für den Menschen dadurch, dass sie nicht einen Teilbereich menschlicher Existenzbedingungen in den Mittelpunkt stellt, sondern die Problematik von Einzelnen, Gruppen und Gemeinwesen in ihrem lebenstypischen und gesellschaftlichen Zusammenhang sieht und angeht. Marianne Künzel-Schön; 1995 15 Universitätsklinikum Münster Ulrich Kurlemann, Leiter Stabsstelle Sozialdienst