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Art. 10 EMRK - Vergleich von Abtreibungen mit. Verbindung der beiden Beschwerden

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Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen).

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Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 1.000,- für immateriellen Schaden, 3.500, für Kosten und Auslagen (einstimmig).

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Bsw 52067/10 Bsw 41072/11

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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer, Beschwerdesache Aksu gg. die Türkei, Urteil vom , Bsw. 4149/04 und Bsw /04.

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Bsw 77144/01 Bsw 35493/05

Bsw 40660/08 Bsw 60641/08

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Entschädigung nach Art. 41 EMRK: , für immateriellen Schaden an den ZweitBf., 500, für Kosten und Auslagen an beide Bf. (6:1 Stimmen).

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Berufungsentscheidung

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Bsw 37520/07. Sachverhalt:

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Oberlandesgericht Dresden 20 WF 794/ ZPO, 1565, 1566 BGB. Leitsatz:

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NL 2003, S. 196 (NL 03/4/03) SAHIN gegen Deutschland & SOMMERFELD gegen Deutschland

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Nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE

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Zulässigkeit der Beschwerden (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8

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Leseprobe Text. Die Erbfolge nach Ordnungen

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS. vom. 3. Dezember in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Transkript:

Bsw 948/12 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer II, Beschwerdesache Berisha gg. die Schweiz, Urteil vom 30.7.2013, Bsw. 948/12. Art. 8 EMRK - Kein Familiennachzug für Kinder in die Schweiz. Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 8 EMRK (einstimmig). Unzulässigkeit der Beschwerde im Übrigen (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (4:3 Stimmen). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Der ErstBf. und seine Ehefrau, die ZweitBf., sind Staatsangehörige des Kosovo. Ihre Kinder R., L. und B. wurden 1994, 1996 und 2003 im Kosovo, das vierte Kind E. 2010 in der Schweiz geboren. Die Familie lebt in Lausanne, Kanton Waadt. Dem ErstBf., der im Juni 1997 in die Schweiz kam, wurde am 21.5.1999 eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt. Er heiratete am 28.2.2000 eine Schweizerin und erhielt am 2.3.2005 eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung. Die Ehe wurde am 26.8.2006 geschieden. Am 10.1.2007 heiratete der ErstBf. die ZweitBf., welche am 6.4.2007 mit einem Visum in die Schweiz kam, und beantragte für sie am 7.6.2007 zum Zweck des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung. In dem auszufüllenden Antragsformular machte die ZweitBf. zu

2 Bsw 948/12 weiteren Familienmitgliedern keine Angaben. Ihr wurde am 6.9.2007 eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt. Am 4.12.2007 beantragte sie bei der Schweizer Botschaft in Pristina Aufenthaltsbewilligungen für R., L. und B. zum Zweck des Familiennachzugs. Dem Antrag waren die Geburtsurkunden der Kinder beigefügt, die den ErstBf. als Vater bezeichneten. Daraufhin entschied die Einwanderungsbehörde des Kantons Waadt, die familiäre Situation zu überprüfen. Die ZweitBf. bat die Behörde in einem Schreiben vom 18.12.2008 um eine möglichst rasche Entscheidung, da ihre älteste Tochter L. an rheumatischem Fieber leide, in einem Krankenhaus in Pristina in Behandlung und einzige Angehörige im Kosovo die Großmutter von L. sei. Am 28.4.2009 wurde der Antrag auf Familiennachzug abgelehnt, da keiner der Bf. die Existenz der Kinder bei der Einreise in die Schweiz angegeben hatte. Dies stelle ein inkorrektes Verhalten dar und schließe einen Anspruch auf Familiennachzug aus. Da die Bf. keine Rechtsmittel einlegten, wurde diese Entscheidung rechtskräftig. Am 15.8.2009 reisten die drei Kinder R., L. und B. illegal in die Schweiz ein. Dies gab der ErstBf. den Behörden am 31.5.2010 bekannt und beantragte am 1.6.2010 erneut Aufenthaltsbewilligungen. Als Begründung nannte er die Erkrankung der L. sowie sonstige familiäre Gründe. Am 23.8.2010 wies die Einwanderungsbehörde den Antrag unter anderem deshalb zurück, weil die Bf. ihre Kinder trotz der negativen behördlichen Entscheidung illegal in die Schweiz gebracht hätten und die Vaterschaft des ErstBf. nicht erwiesen sei. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Familiennachzug für Kinder über zwölf Jahren gemäß Art. 47

3 Bsw 948/12 Abs. 1 ivm. Abs. 3 lit. b Ausländergesetz innerhalb von zwölf Monaten nach der Gewährung der Aufenthaltsbewilligung des Elternteils geltend zu machen. Demzufolge sei der Antrag im Bezug auf den 15-jährigen R. und die 14-jährige L. verfristet. Der grundsätzlich fristgerechte Antrag für den siebenjährigen B. sei deshalb abzulehnen, da es Zweck eines Familiennachzuges sei, das gemeinsame Zusammenleben der Familie in einem Land zu ermöglichen, R. und L. die Voraussetzungen für Aufenthaltsbewilligungen jedoch nicht erfüllen würden. Die Entscheidung beinhaltete auch die Anordnung, dass die Kinder die Schweiz innerhalb eines Monats zu verlassen hätten. Die Bf. legten dagegen Berufung beim Kantonsgericht Waadt ein. Ein vom Gericht angeordneter DNA-Test ergab die Elternschaft der Bf. bezüglich der drei Kinder. Am 23.3.2011 wies das Gericht die Berufung ab, da unter anderem keine wichtigen familiären Gründe isd. Art. 47 Abs. 4 Ausländergesetz für einen Nachzug von R. und L. vorlägen und die Anträge darüber hinaus verfristet seien. Für B. hätten die Bf. kein überwiegendes privates Interesse isd. Art. 96 Abs. 1 Ausländergesetz vorgebracht. Das Schweizerische Bundesgericht bestätigte diese Entscheidung am 18.11.2011. Am 17.7.2012 erhielt die ZweitBf. eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung. Die Kinder halten sich weiterhin in der Schweiz auf. Rechtsausführungen: Die Bf. rügen eine Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) durch die Verweigerung von Aufenthaltsbewilligungen für ihre drei Kinder sowie deren Ausweisung. Darüber hinaus behaupten sie eine Verletzung von Art. 3 EMRK (hier: Verbot der

4 Bsw 948/12 unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung) im Falle der Abschiebung der Kinder in den Kosovo. Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK Da die Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet und auch aus keinem anderen Grund unzulässig ist, muss sie für zulässig erklärt werden (einstimmig). Zum Vorliegen von Familienleben isd. Art. 8 EMRK Die Parteien stimmen darin überein, dass zwischen den Bf. und ihren Töchtern L. und B. ein»familienleben«isd. Art. 8 EMRK vorlag. Dagegen bestreitet die Regierung, dass ein solches auch zwischen den Bf. und ihrem älteren Sohn R. bestand, da er im Laufe des Verfahrens volljährig geworden sei und somit außer den gewöhnlichen emotionalen Verbindungen keine Faktoren der Abhängigkeit isd. Art. 8 EMRK mehr gegeben wären. Die Bf. bringen vor, dass R. von ihnen insofern abhängig sei, als er aufgrund seines illegalen Aufenthaltes in der Schweiz vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei und ihre finanzielle Hilfe benötige. Der GH stellt fest, dass bei der Beurteilung des Vorliegens von»familienleben«zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen sind und die Frage, ob das Verhältnis zwischen den Bf. und R. noch in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fällt, im Hinblick auf die folgenden Ausführungen offen bleiben kann. Umfang der Verpflichtung isd. Art. 8 EMRK Der vorliegende Fall betrifft die Frage, ob die Behörden verpflichtet sind, den Kindern R., L. und B. den legalen Aufenthalt in der Schweiz gemeinsam mit ihren Eltern und dem jüngeren Bruder zu erlauben, sie daher nicht in ihr

5 Bsw 948/12 Heimatland auszuweisen und ihnen ein Familienleben in der Schweiz zu ermöglichen. Der GH nimmt zunächst zur Kenntnis, dass die Bf. gegen die erste Entscheidung der Einwanderungsbehörde keine Berufung einlegten und sie rechtskräftig wurde. Im Hinblick auf diese Entscheidung haben die Bf. den innerstaatlichen Instanzenzug nicht ausgeschöpft. Der GH ist daher für die Beurteilung des vorliegenden Falles an die Fakten der Beschwerde gebunden, die sich aus dem zweiten Antrag der Bf. auf Familiennachzug vom 1.6.2010 ergeben. Die Regierung bestreitet nicht, dass die Bf. Schritte unternommen haben, um Aufenthaltsbewilligungen für ihre drei Kinder zu erhalten. Sie hätten jedoch eine beträchtliche Zeit gewartet, bis sie einen zweiten Antrag stellten, der nach nationalem Recht verfristet war. Es sei daher zu bezweifeln, dass die Bf. tatsächlich das Ziel verfolgten, gemeinsam mit ihren Kindern in der Schweiz zu leben. Der GH hat bereits festgestellt, dass die Tatsache, dass auswandernde Eltern ihre Kinder zurücklassen, nicht als ein unwiderruflicher Entschluss anzusehen ist, diese Kinder für immer in ihrem Heimatland zu belassen und den Gedanken eines zukünftigen Familienlebens aufgegeben zu haben. Im Gegensatz zur Regierung ist der GH der Überzeugung, dass es stets die Intention der Bf. war, dass ihre Kinder ihnen in die Schweiz nachfolgen, sobald die ZweitBf. eine Aufenthaltsbewilligung erhalten hat. Die ZweitBf. stellte den Antrag auf Familiennachzug drei Monate nach dem Erhalt ihrer Aufenthaltsbewilligung. Die Frage, warum die Bf. keine Berufung gegen die erste negative Entscheidung einlegten, kann offen bleiben und führt nicht zu der Annahme, dass die Bf. einen Familiennachzug nicht ernsthaft anstrebten. Um

6 Bsw 948/12 trotz alledem mit ihren Kindern zusammenleben zu können, brachten sie diese illegal in die Schweiz und beantragten erneut Aufenthaltsgenehmigungen. Der GH hat bereits Fälle, in denen es um abgelehnte Anträge auf Familiennachzug und Beschwerden nach Art. 8 EMRK ging, zurückgewiesen, da die Kinder zum fraglichen Zeitpunkt ein Alter erreicht hatten, in dem sie vermeintlich nicht mehr derselben Fürsorge wie jüngere Kinder bedurften und für sich selbst sorgen konnten. In derartigen Fällen hat der GH geprüft, ob die Kinder kulturell und sprachlich in ihrem Heimatland verwurzelt sind, ob sie weitere Angehörige dort haben und ob zu erwarten ist, dass die Eltern in das Land zurückkehren. Im Fall Sen/NL, wo die bf. Eltern ihre Tochter bei Angehörigen in ihrem Heimatland Türkei zurückließen, um in die Niederlande auszuwandern, erkannte der GH, dass diese großen Schwierigkeiten gegenüber standen, um in ihr Heimatland zurückzukehren, da sie sich viele Jahre illegal in den Niederlanden aufgehalten hatten; ihre beiden jüngsten Kinder waren dort geboren und aufgewachsen und gingen dort zur Schule. Im Hinblick auf die Tatsache, dass diese Kinder eine sehr geringe Verbindung zu ihrem Heimatland hatten, sowie auf das Alter der jüngeren, in der Türkei zurückgelassenen Tochter (diese war zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bei den nationalen Behörden neun Jahre alt) sah es der GH als geeigneter an, der Tochter die Einreise in die Niederlande zum Zwecke des Familiennachzugs zu gewähren. Die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung hätte daher eine Verletzung von Art. 8 EMRK dargestellt. Darüber hinaus stellte der GH im Fall Tuquabo- Tekle u.a./nl eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest, da der zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung 15-jährigen Tochter

7 Bsw 948/12 der Bf. eine Aufenthaltsbewilligung verweigert wurde. Der GH kam zu dem Ergebnis, dass die Eltern mit großen Schwierigkeiten konfrontiert waren, um in ihr Heimatland Eritrea zurückzukehren, und dass die besonderen Umstände des Falles einen Familiennachzug in die Niederlande erlauben würden. Die Großmutter, die sich um das Mädchen kümmerte, hatte es aus der Schule genommen; zudem hatte es ein Alter erreicht, in dem es verheiratet werden konnte. Der GH hielt in diesem Fall fest, dass das Alter allein keinen Grund für eine andere Beurteilung als im Fall Sen/NL darstellt, in dem die Tochter einige Jahre jünger war. Bezüglich der vorliegenden Beschwerde hält der GH fest, dass die Bf. wie im Fall Sen/NL aufgrund ihrer bewussten Entscheidung in der Schweiz, und nicht in ihrem Heimatland, lebten. Nach ihrer Heirat im Jahre 2007 zog die ZweitBf. dem ErstBf., der bereits seit zehn Jahren mit einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz lebte, nach, um ein Familienleben aufzubauen. In der Folge wurde das vierte Kind geboren und die ZweitBf. erhielt ebenfalls eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung. Die Bf. waren dadurch jedoch nicht daran gehindert, ihr Familienleben in der Art weiterzuführen, wie sie es vor 2007 über viele Jahre getan hatten. Nachdem der ErstBf. 1997 in die Schweiz gekommen war, besuchte er die ZweitBf. und ihre Kinder regelmäßig. 2003 wurde das dritte gemeinsame Kind geboren. Auch leistete er finanzielle Unterstützung. Im Hinblick auf die Situation der drei Kinder ist der GH entgegen der Vorbringen der Bf. der Ansicht, dass diese solide soziale und sprachliche Verbindungen zu ihrem Heimatland haben, in dem sie aufwuchsen und viele Jahre zur Schule gingen. Auch wenn sie sich in der Schweiz gut integriert haben, ist ihr Aufenthalt nicht als lang genug zu

8 Bsw 948/12 betrachten, um ihre Verbindungen zum Heimatland vollständig zu lösen. Die Tatsache, dass sich die Großmutter über zwei Jahre um sie kümmerte und noch dort lebt, ist als Vorliegen starker familiärer Wurzeln im Kosovo zu betrachten. Weiters haben die Bf. nicht bestritten, dass sich die Gesundheit der L. so verbessert hat, dass ihr eine Rückkehr in ihr Heimatland möglich ist. Im Hinblick auf die finanzielle Abhängigkeit des R. kann der GH keinen Grund erkennen, warum dieser, wie auch seine Schwester, nicht vom Ausland aus unterstützt werden kann, insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des R. von 19 bzw. der L. von 17 Jahren. Im Bezug auf das jüngste Kind, B., erkennt der GH, dass die Eltern nicht daran gehindert sind, in den Kosovo zu reisen oder dort zu bleiben, um eine ausreichende Versorgung und Erziehung sicherzustellen, und damit dem Wohl des Kindes bestmöglich nachzukommen. Im Ergebnis, auch mit Rücksicht auf das nicht einwandfreie Verhalten der Bf. vor den nationalen Behörden, kann nicht festgestellt werden, dass der verantwortliche Staat keinen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Bf. auf Familiennachzug einerseits und dem des Staates auf Kontrolle der Immigration andererseits geschaffen hat. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Bf. es bevorzugen, mit ihren drei Kindern in der Schweiz zu leben, garantiert Art. 8 EMRK kein Recht, den angenehmsten Ort für ein familiäres Zusammenleben wählen zu können. Der verantwortliche Staat hat somit den ihm unter Art. 8 EMRK zustehenden Ermessensspielraum nicht überschritten. Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (4:3 Stimmen; gemeinsames Sondervotum der Richterinnen Jociene und Karakas, teilweise gefolgt von Richter Sajó). Zur behaupteten Verletzung von Art. 3 EMRK

9 Bsw 948/12 Die Bf. bringen vor, dass die Abschiebung der Kinder Art. 3 EMRK verletze, da sie dadurch von ihrer Familie getrennt würden und sich in ihr Heimatland begeben müssten, wo sich niemand um sie kümmere. Sie würden möglicherwiese einem Waisenhaus übergeben werden und von der Sozialversorgung des Kosovo abhängig sein. Ihre Abschiebung setze sie daher dem Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung isd. Art. 3 EMRK aus. Der GH nimmt zur Kenntnis, dass die Bf., abgesehen von der Trennung der Kinder von deren Eltern und jüngerem Bruder, keine weiteren Gründe für ihre Behauptung vorbrachten. Die Argumente entsprechen somit denen zu Art. 8 EMRK. Der GH erkennt keinen Hinweis für eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Dieser Beschwerdepunkt ist folglich offensichtlich unbegründet und als unzulässig zurückzuweisen (einstimmig). Vom GH zitierte Judikatur: Sen/NL v. 21.12.2001 = NL 2002, 11 Tuquabo-Tekle u.a./nl v. 1.12.2005 = NL 2005, 296 Neulinger und Shuruk/CH v. 6.7.2010 (GK) = NL 2010, 211 Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 30.7.2013, Bsw. 948/12 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2013, 288) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

10 Bsw 948/12 Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf- Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/13_4/berisha.pdf Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.