0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Einnahme kombinierter orale Kontrazeptiva (Jahre)



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60 Malignomrisiko Endometriumkarzinome Endometriumkarzinome Die Einnahme oraler Kontrazeptiva senkt die Wahrscheinlichkeit von Endometriumkarzinomen um 51% bei Einnahme über 4 Jahre, um 64% bei Einnahme über 8 Jahre bzw. 70% bei Einnahme über 12 Jahre (Abbildung 25). 307 Bei Einnahme kombinierter Kontrazeptiva über mehr als 5 Jahre hält dieser Effekt für mehr als 15 Jahre nach Absetzen an. 10 relatives Risiko 1 0,1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Einnahme kombinierter orale Kontrazeptiva (Jahre) Abbildung 25 Absenkung des Endometriumkarzinomrisikos durch kombinierte orale Kontrazeptiva. Nach einem Jahr Anwendung kombinierter oraler Kontrazeptiva sinkt das Risiko um 23%, nach 2 Jahren um 38%. Nach 4, 8 und 12 Jahren beträgt die Absenkung 51%, 64% und 70%. Nach: 307 Mammakarzinome Die Daten zum Risiko eines Mammakarzinoms sind in der Literatur kontrovers. Bis heute lässt sich keine eindeutige Aussage treffen. Einerseits haben Studien mit hoch dosierten kombinierten oralen Kontrazeptiva auch bei längerfristiger Einnahme kein erhöhtes Risiko gezeigt. 143 Andererseits existieren Daten aus dem Jahr 1996 aus einer großen Studie, die 54 Arbeiten zu der Frage zusammengefasst und gemeinsam ausgewertet hat. 73 In diese Arbeit gingen 53.297 Frauen mit Mammakarzinom und 100.239 Frauen als Kontrollen ein. Die Autoren beschrieben ein relatives Risiko von 1,24 (95% KI 1,15 1,33) für die Diagnose eines Mammakarzinoms unter oraler Kontrazeption. Nach Absetzen fand sich bereits 4 Jahre später eine Reduktion des relativen Risikos auf 1,16 (95% KI 1,08 1,23), 5 bis 9 Jahre später eine Reduktion auf 1,07 (95% KI 1,02 1,13). 10 Jahre oder später bestand kein signifikant erhöhtes Risiko mehr (relatives Risiko 1,01; 95% KI 0,96 1,05).

Malignomrisiko Mammakarzinome 61 Andere Parameter, wie die Dauer der Einnahme, Alter bei der ersten Einnahme sowie Dosis und Präparat, hatten wenig Einfluss auf das Mammakarzinomrisiko. Jedoch hatten Frauen, die bereits vor dem 20. Lebensjahr mit der Einnahme begonnen hatten, ein höheres Mammakarzinomrisiko während der Einnahme sowie bis zu fünf Jahre nach Stopp der Einnahme. Die Autoren errechneten, dass aufgrund der relativen Risiken bei 10.000 Frauen 0,5 (95% KI 0,3 0,7) zusätzliche Karzinome in der Altersgruppe 16 19 Jahre 1,5 (95% KI 0,7 2,3) zusätzliche Karzinome in der Altersgruppe 20 24 Jahre und 4,7 (95% KI 2,7 6,7) zusätzliche Karzinome in der Altersgruppe 25 29 Jahre bis 10 Jahre nach Absetzen diagnostiziert werden, wenn in diesem Alterszeitraum ein orales Kontrazeptivum ein ge nommen wird. Die Women s Contraceptive and Reproductive Experiences Studie (Women s CARE) konnte diese Beobachtung nicht nachvollziehen. 4.575 Frauen im Alter von 35 bis 64 Jahren mit einem Mammakarzinom wurden eingeschlossen und verglichen mit 4.682 Frauen ohne Mammakarzinom. Das relative Risiko für ein Mammakarzinom bei aktueller Einnahme betrug 1,0 (95%, KI: 0,8 1,0) und das relative Risiko bei ehemaliger Einnahme 0,9 (95%, KI: 0,8 1,0). 217 Weder die Dauer der Einnahme, noch die Dosis der Östrogenkomponente, Beginn der Einnahme vor dem 20. Lebensjahr und die positive Familienanamnese bezüglich eines Mammakarzinoms beeinflussten dieses Ergebnis signifikant (Tabelle 32, s. S. 62). Schließlich sei die Studie des National Cancer Institute in den USA erwähnt. Ziel der Arbeit war es, Risikofaktoren für ein Mammakarzinom bei Frauen im Alter von 20 44 Jahren (n = 1.640) zu erheben. Diese Frauen wurden verglichen mit 1.492 Kontrollen. Es wurde bezüglich der Einnahme oraler Kontrazeptiva gefragt, ob diese für mehr als 6 Monate vor der Diagnosestellung eingenommen worden waren, und wenn ja, ob die Einnahme in den davorliegenden 5 Jahren, im Abstand von 5 bis 10 Jahren oder vor länger als 10 Jahren stattgefunden hatte. 9 Tatsächlich war das Risiko eines Mammakarzinoms am höchsten bei Einnahme oraler Kontrazeptiva innerhalb der letzten 5 Jahre vor Diagnosestellung. Das Risiko war am höchsten bei der jüngeren Altersgruppe (< 35 Jahre) und Einnahme von Kontrazeptiva mit hoher Ethinylöstradiol- bzw. Mestranoldosis (Tabelle 33). < 35 Jahre 35 44 Jahre gesamt keine Einnahme 1,0 1,0 1,0 35 µg Ethinylöstradiol 1,91 1,1 3,2 1,02 0,7 1,5 1,27 0,9 1,7 > 35 µg Ethinylöstradiol 3,62 1,7 7,9 1,52 0,8 2,8 1,99 1,2 3,2 50 µg Mestranol 1,17 0,5 2,8 1,52 0,8 2,9 1,38 0,8 2,3 > 50 µg Mestranol 2,40 0,5 11,8 1,25 0,5 3,1 1,52 0,7 3,3 Tabelle 33 Daten zum Risiko eines Mammakarzinoms unter Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva. Verglichen wurden Frauen mit einer Erstdiagnose im Alter < 35 Jahren sowie solche im Alter von 35 44 Jahren. Angegeben sind das relative Risiko und das 95% Konfidenzintervall. In der jüngeren Altersgruppe findet sich eine signifikante Risikoerhöhung bei hoher Ethinylöstradioldosis. Nach: 9

62 Malignomrisiko Mammakarzinome Einnahme oraler Kontrazeptiva bzw. Inhaltsstoffe odds ratio 95 % Konfidenzintervall keine Einnahme (Bezugsgruppe) 1,0 Einnahme irgendwann 0,9 0,8 1,0 aktuelle Einnahme 1,0 0,8 1,3 ehemalige Einnahme 0,9 0,8 1,0 Dauer der Einnahme < 1 Jahr 0,9 0,8 1,1 1 bis < 5 Jahre 0,9 0,8 1,0 5 bis < 10 Jahre 0,9 0,8 1,0 10 bis < 15 Jahre 0,8 0,7 1,0 15 Jahre 1,0 0,8 1,3 Alter bei erster Einnahme < 15 Jahre 0,9 0,6 1,2 15 19 Jahre 1,0 0,8 1,1 20 24 Jahre 0,9 0,8 1,0 25 29 Jahre 0,9 0,8 1,1 30 34 Jahre 0,8 0,6 1,0 35 39 Jahre 1,2 0,8 1,6 40 Jahre 1,0 0,6 1,6 Zeit seit letzter Einnahme aktuelle Einnahme (= bis zu 6 Monate vorher) 1,0 0,8 1,3 7 Monate bis < 5 Jahre 0,7 0,5 0,9 5 bis < 10 Jahre 0,9 0,8 1,2 10 bis < 15 Jahre 0,9 0,8 1,1 15 bis < 20 Jahre 0,9 0,7 1,0 20 Jahre 0,9 0,8 1,0 hohe Östrogendosis ( 50 µg Ethinylöstradiol oder 75 µg Mestranol) alle 0,8 0,7 0,9 aktuelle Einnahme 0,7 0,2 1,8 ehemalige Einnahme 0,8 0,7 0,9 niedrige Östrogendosis (< 50 µg Ethinylöstradiol oder < 75 µg Mestranol) alle 0,9 0,8 1,0 aktuelle Einnahme 1,0 0,8 1,3 ehemalige Einnahme 0,9 0,8 1,0 Tabelle 32 Daten zum Risiko eines Mammakarzinoms in der Women s CARE Studie. Eingeschlossen wurden 4.575 Frauen mit Mammakarzinom und 4.862 Kontrollen. Die Risiken wurden im Vergleich zu Frauen berechnet, die nie zuvor orale Kontrazeptiva eingenommen hatten (Bezugsgruppe mit odds ratio von 1). Nach: 217

Malignomrisiko Mammakarzinome 63 Vor kurzem wurden Daten der WECARE Studie (Women s Environment, Cancer, and Radiation Epidemiology) publiziert, einer Fall-Kontroll-Studie mit 708 Frauen mit zweizeitigem beidseitigem Mammakarzinom und 1.395 Kontrollen. 109 Die Autoren fanden kein erhöhtes Risiko für ein kontralaterales Mammakarzinom bei Einnahme oraler Kontrazeptiva vor der Erstdiagnose (relatives Risiko 0,88; 95% KI 0,67 1,16) und auch kein erhöhtes Risiko bei Einnahme nach der Erstdiagnose (relatives Risiko 1,56; 95% KI 0,71 3,45). Bei Frauen mit einer BRCA1/2-Mutation scheint ein erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom bei Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva zu bestehen. Die Daten in der Literatur sind allerdings nicht eindeutig. Aufgrund der Darstellung für die Allgemeinbevölkerung (s.o.) ist diese Beobachtung nicht überraschend und plausibel. 39 Da andererseits der protektive Effekt bezüglich eines Ovarialkarzinoms zumindest in der Allgemeinbevölkerung belegt ist und bei BRCA1/2-Mutations-Trägerinnen die Protektion in einigen Studien bestätigt wurde, ist der Vorteil des Einsatzes kombinierter oraler Kontrazeptiva bei dieser Patientinnengruppe schwer zu evaluieren. Eine klare Empfehlung für BRCA1/2-Mutations-Trägerinnen kann nicht abgegeben werden. Die Verschreibung hormoneller Kontrazeptiva wird bis zum Vorliegen weiterer Studien klinisches Ermessen bleiben. Eine absolute Kontraindikation ist bei der Abwägung Mammakarzinom- vs. Ovarialkarzinomrisiko zumindest fraglich und diskussionswürdig. Für die Allgemeinbevölkerung ist festzuhalten, dass grundsätzlich ein erhöhtes Mammakarzinomrisiko bei Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva bis heute nicht ausgeschlossen werden kann. Wenn allerdings ein Risiko vorliegt, wird es absolut gesehen eher gering sein und wahrscheinlich keinen relevanten Einfluss auf die Gesamtgesundheit der anwendenden Frauen haben. Offenbar hängt das Mammakarzinomrisiko neben anderen Faktoren auch von der Östrogendosierung in den oralen Kontrazeptiva ab, so dass die heutige Verschreibungsstrategie mit bewusster Konzentration auf niedrig dosierte Kontrazeptiva diesem Risiko entgegenwirken wird. Für eine liegende Mirena (intrauterin Levonorgestrel) fand sich in einer finnischen Kohortenstudie kein erhöhtes Risiko bei Altersstratifizierung bezüglich eines neu diagnostizierten Mammakarzinoms (Abbildung 26, s. S. 64). 27 In einer anderen Arbeit zur Mirena wurde kein erhöhtes Rezidivrisiko für ein Mammakarzinom gefunden, wenn ein solches IUD nach der Diagnose gelegt wurde (HR 1,48; 95% KI 0,62 3,49). Allerdings war das Rezidivrisiko erhöht, wenn die Mirena bei Diagnosestellung lag und danach in situ verblieb (HR 3,39; 95% KI 1,01 11,35). 342 Diese Arbeit wurde wegen einiger methodischer Mängel stark kritisiert. 242 Das Risiko für ein Mammakarzinom wird durch die Mirena nicht erhöht. Die Einlage einer Mirena nach Diagnose eines Mammakarzinoms bleibt eine individuelle Entscheidung. Vorteilhaft wäre eine solche Maßnahme bei Blutungsstörungen v.a. unter laufender endokriner Therapie (Tamoxifen). Die Einlage muss unter heutigen Bedingungen off label erfolgen, da in der Fachinformation eine eindeutige Kontraindikation bei Anamnese eines Mammakarzinoms ausgesprochen wird.

64 Malignomrisiko Mammakarzinome Fälle pro 100.000 Frauenjahre 400 350 300 250 200 150 100 50 0 27,2 Mirena-Anwenderinnen (n = 17.360) Allgemeinbevölkerung (Finnland) 74,0 25,5 49,2 203,6 120,3 122,4 258,5 232,5 272,6 Alter (Jahre) p = 0.84 p = 0.056 p > 0.99 p > 0.41 p = 0.85 30 34 35 39 40 44 45 49 50 54 Abbildung 26 Risiko eines Mammakarzinoms bei Trägerinnen einer Mirena im Vergleich mit der finnischen Bevölkerung. Es fand sich kein signifikant erhöhtes Risiko. Nach: 27 Die kanadische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie die kanadische Gesellschaft für Onkologie (Society of Obstetricians and Gynaecologists of Canada und Society of Gynecologic Oncologists of Canada) haben kürzlich eine Stellungnahme zur hormonellen Kontrazeption mit reinen Gestagenpräparaten und levonorgestrelhaltigen intrauterinen Systemen publiziert. In dieser Stellungnahme waren kombinierte orale Kontrazeptiva explizit von der Begutachtung ausgeschlossen worden, so dass dazu auch keine Empfehlung vorliegt. 227 Stellungnahmen: 1. Progesteron und die Gruppe der Gestagene können proliferative, antiproliferative oder keine Effekte am Brustgewebe haben. Dies hängt ab vom Typ des Gestagens, seiner Dosierung und dem Zeitfaktor. 2. Depot-MPA erhöht das Risiko eines Mammakarzinoms in der Allgemeinbevölkerung nicht. 3. Reine orale Gestagenpräparate (Minipillen) scheinen das Risiko eines Mammakarzinoms in der Allgemeinbevölkerung nicht zu erhöhen. Diese Daten sind jedoch nicht so verlässlich wie diejenigen zu kombinierten oralen Kontrazeptiva. 4. Hormonimplantate zur Kontrazeption können bezüglich des Risikos in der Allgemeinbevölkerung bzw. des Rezidivrisikos bei Einlage nach Diagnose eines Mammakarzinoms nicht bewertet werden. 5. Die zur Verfügung stehenden Daten zum levonorgestrelhaltigen intrauterinen System scheinen kein erhöhtes Risiko zu zeigen. 6. Sterilisation und Kupferspiralen sind die verlässlichsten nichthormonellen kontrazeptiven Methoden. 7. Andere Methoden könnten ebenfalls eingesetzt werden, wenn man die altersbedingt und chemotherapiebedingt abnehmende Fertilität berücksichtigt. 8. Weitere Studien für die reinen Gestagenpräparate (Minipillen) zum Einsatz bei Frauen nach Mammakarzinom werden benötigt.

Malignomrisiko Zervixkarzinome 65 Empfehlungen: 1. Depot-MPA kann bei Frauen nach Mammakarzinom eingesetzt werden, wenn die kontrazeptiven oder nicht-kontrazeptiven Vorteile gegenüber dem möglichen Rezidivrisiko überwiegen. 2. Reine Gestagenpräparate (Minipillen) können bei Frauen nach Mammakarzinom eingesetzt werden, wenn die bekannten Vorteile gegenüber dem möglichen Rezidivrisiko überwiegen. 3. Das levonorgestrelhaltige Intrauterinsystem kann bei Frauen nach Mammakarzinom eingesetzt werden, wenn die eindeutigen kontrazeptiven oder nicht-kontrazeptiven Vorteile gegenüber dem möglichen Rezidivrisiko überwiegen. 4. Nichthormonelle Methoden zur Kontrazeption sollten als erste Option bei Frauen nach Mammakarzinom eingesetzt werden. Zervixkarzinome Lange Zeit wurde diskutiert, dass das seit vielen Jahren bekannte erhöhte Risiko von Zervixkarzinomen bei Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen, zusammenhängt mit der höheren Zahl an Sexualpartnern dieser Frauen. Es wurde geschlussfolgert, dass es sich eher um eine Korrelation als um einen Kausalzusammenhang handelt. In einer Studie aus dem Jahr 2007 konnte als Bestätigung anderer Daten gezeigt werden, dass unabhängig von der Zahl der Sexualpartner die kumulative Inzidenz eines Zervixkarzinoms abhängig war von der Einnahme oraler Kontrazeptiva. Analysiert wurden die Daten von 16.573 Frauen mit Zervixkarzinom und 35.509 Kontrollen. Das Risiko betrug bis zum Alter von 50 Jahren gerechnet auf 1.000 Frauen bei einem Basisrisiko von 3,8 Fällen eine Erhöhung auf 4,0 Fälle (Einnahmedauer 5 bis 9 Jahre) und 4,5 Fälle (Einnahmedauer 10 bis 20 Jahre) (Abbildung 27). 17 6 kumulative Inzidenz 5 4 3 2 1 0 niemals (3,8/1.000) 5 Jahre ab 20 Jahre (4,0/1.000) 10 Jahre ab 20 Jahre (4,5/1.000) 20 25 30 35 40 45 50 Alter (Jahre) Abbildung 27 Kumulative Inzidenz von Zervixkarzinomen bis zum Alter von 50 Jahren pro 1.000 Frauen in Abhängigkeit von der Dauer der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums. Angegeben sind die Kurven für Nichtanwenderinnen sowie für Frauen, die ab dem Alter von 20 Jahren für 5 Jahre oder 10 Jahre orale Kontrazeptiva eingesetzt haben. Nach: 17