Erster Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg. Ergebnisse und Perspektiven



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Transkript:

Erster Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg Ergebnisse und Perspektiven Erich Stutzer Fachtag arm, ärmer, alleinerziehend Netzwerk Alleinerziehenden-Arbeit Baden-Württemberg Stuttgart 15.06.2016 STATISTISCHES LANDESAMT

FamilienForschung Baden-Württemberg FaFo - Familienwissenschaftliche Forschungsstelle seit 1982 im Statistischen Landesamt Wissenschaftlicher Bereich, u.a. Report Familien in Baden-Württemberg, Armuts- und Reichtumsberichterstattung, Hohenheimer Tage der Familienpolitik, Familienpolitische Gespräche im Hospitalhof. Kompetenzzentrum Familienfreundliche Kommune: seit 2004 unter dem Dach der FaFo Information, Beratung und Vernetzung für Kommunen Kommunalentwicklung für und mit Familien Kompetenzzentrum Arbeit Diversität BW seit 2008 unter dem Dach der FaFo Information, Beratung und Vernetzung für Arbeitgeber Organisationsentwicklung für und mit betrieblichen Zielgruppen Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 2

Armuts- und Reichtumsberichterstattung Baden-Württemberg Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 3

Armuts- und Reichtumsberichterstattung Baden-Württemberg Anwendungsorientiert und unter Einbeziehung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen 4

Landesbeirat für Armutsbekämpfung und Prävention Liga der freien Wohlfahrtspflege Landesfamilienrat Deutscher Kinderschutzbund e.v., Landesverband Landesseniorenrat Landesfrauenrat Landesarmutskonferenz Städte-, Landkreis- und Gemeindetag KVJS Deutscher Gewerkschaftsbund Arbeitgeber Baden-Württemberg sozialpolitische Sprecher der Landtagsfraktionen und berührte Ministerien 5

Aufbau des Berichts Teil A: Wissenschaftliche Analyse I. Sozialberichterstattung in Baden-Württemberg II. Rahmenbedingungen III. Einkommen, Armut, Reichtum und Ungleichheit IV. Schwerpunkt: Kinderarmut V. Lebenslagen und soziale Exklusion VI. Bundesweite und europäische Dimension VII. Expertisen, Zusammenfassung der Forschungsberichte der Unteraufträge Anhang Teil B: Teil C: Beiträge der Mitglieder des Landesbeirats für Armutsbekämpfung und Prävention Maßnahmen und Handlungsempfehlungen der Landesregierung 6

Was ist Armut bzw. Armutsgefährdung? Konzept der relativen Einkommensarmut Einkommensverhältnisse des Einzelnen im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Bevölkerung Personen gelten als arm, die über so geringe (materielle, kulturelle, soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar sind (Armutsverständnis der EU) 7

Ergebnisse 1. Armutsgefährdung Alleinerziehender 2. Kinder und Jugendliche 3. Armutsdynamiken 4. Ausgabeverhalten 8

Entwicklung 9

Bevölkerungsgruppen mit überdurchschnittlichem Armutsrisiko 2012 Durchschnitt der Bevölkerung: 14,7% Frauen: 15,8% Männer: 13,6% Migrantinnen und Migranten: 24,1% Personen ohne Migrationshintergrund: 11,2% Erwerbslose: 54,1% Alleinerziehende und ihre Kinder: 45,8% Kinderreiche Paarfamilien: 26,2% Einpersonenhaushalte: 25,5% Junge Erwachsene: 22,6% Kinder und Jugendliche: 17,9% Rentner, Pensionäre: 17,5% 10

Familien Alleinerziehende Deutlich unterdurchschnittliche Wohlstandspositionen bei Alleinerziehenden und kinderreichen Familien. Erster Armuts- und Reichumsbericht Baden-Württemberg, Stuttgart 2015 11

Alleinerziehende und Paare mit Kindern 12

Subjektive Einschätzung Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 13

Erwerbsbeteiligung alleinerziehender Mütter Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 14

Überwiegender Lebensunterhalt Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 15

Kinder und Jugendliche Armutsgefährdung Überdurchschnittliche Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen mit leicht steigender Tendenz. Armutsrisiko von Kindern Alleinerziehender am höchsten. 16

Armutsgefährdung unter 18-Jähriger Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 17

Armutsgefährdung nach Haushaltstypen 18

Regionen Kinderarmut Große regionale Unterschiede bei Armutsgefährdungsquoten sowie bei der Quote von unter 18-Jährigen in SGB II- Bedarfsgemeinschaften 19

Kinder und Jugendliche Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 20

SGB II -Bezug 21

Hilfequoten Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 22

Hilfequoten Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 23

Regionale Analysen 24

Dauer der Armutsgefährdung Armutsprofile Armutsgefährdung häufiger von Dauer. Risiken anhaltender Armutsepisoden haben sich erhöht. 25

Armutsprofile Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Bevölkerung insgesamt Anteile in % Datenquelle: SOEP 2008 2012; eigene Auswertung FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt. 26

Armutsprofile Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 27

Armutsprofile 28

Verfestigung Einkommensdynamik Stabilität der Einkommensverhältnisse an den Rändern der Einkommensentwicklung besonders ausgeprägt. Verfestigung an den Rändern der Einkommensverteilung hat bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in höherem Maße stattgefunden. 29

Einkommensdynamik Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 30

Einkommensdynamik Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 31

Einkommensdynamik 7 % 10 % 32

Ausgaben Ausgabeverhalten Armutsgefährdete Familien sparen vor allem bei Ausgaben für Gesundheit und Mobilität. Einkommen der Bildungsausgaben am gesamten Einkommen in allen Einkommensklassen etwa gleich. 33

Soziale und kulturelle Teilhabe Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 34

Ausgabeverhalten von Familien im unteren Einkommensbereich Konsumquote liegt bei etwas über 100 %, das heißt, armutsgefährdete Familien verwenden etwas mehr als ihr gesamtes Einkommen für die laufenden Ausgaben ihrer Haushalte. Grundlegende Bedürfnisse wie Wohnen (38,1%) und Nahrungsmittel (19,2%) verschlingen mehr als die Hälfte des gesamten Einkommens. Im Bereich der Bildung, Ausbildung und Kinderbetreuung weisen armutsgefährdete Familien etwa gleich hohe Konsumanteile auf wie die Durchschnittshaushalte, trotz der deutlich höheren relativen Belastung durch Wohnkosten und Ernährung. Gespart wird vor allem bei Ausgaben für Gesundheit und Mobilität, kaum Gaststättenbesuche, Urlaub, Hotelaufenthalte. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015 35

Schlussfolgerungen Besonders betroffen sind Alleinerziehende und kinderreiche Familien. Die Ergebnisse zur Entwicklung der Armutsgefährdung zeigen einen leichten Anstieg des Armutsrisikos von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg und eine Verfestigung an den Rändern der Einkommensverteilung. Bildung und Erwerbsbeteiligung sind wichtige Schlüssel zur Armutsbekämpfung und - prävention. Wichtiger Ansatzpunkt zur Armutsbekämpfung: Auflösen des immer noch engen Zusammenhangs von Bildungserfolg und sozialer Herkunft. Kinderarmut geht mit Einschränkungen in verschiedenen Lebenslagebereichen einher. Gesundes Aufwachsen sollte für alle Kinder eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist wichtig, die Teilhabechancen armer Kinder und ihrer Familien und damit gerade auch bei Alleinerziehenden zu stärken. Ansätze und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und -prävention sollten besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen und regionale Unterschiede in den Blick nehmen. Frühe Investitionen in Kinder können individuelle Lebenschancen verbessern und um ein Vielfaches höhere gesellschaftliche Folgekosten vermeiden. 36

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.fafo-bw.de STATISTISCHES LANDESAMT