IV. Abfallrecht 1. Relevante Bestimmungen und Sonderbereiche 2. Instrumente des Abfallrechts 3. Anwendungsbereich des KrW-/AbfG, insb. Abfallbegriff 4. Abfallrechtliche Grundpflichten 5. Rechtmäßigkeit einer abfallrechtlichen Anordnung gem. 21 Abs. 1 KrW-/AbfG (Fall 6)
Bestimmungen des Abfallrechts EG-RECHT Abfall-Rahmenrichtlinie Zahlreiche Richtlinien zu bestimmten Abfällen und bestimmten Behandlungsarten BUNDESRECHT Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) als Leitgesetz Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) Zahlreiche Rechtsverordnungen; z. B. VerpackungVO, BatterieVO, AltautoVO Verwaltungsvorschriften: TA Abfall; TA Siedlungsabfall LANDESRECHT LandesabfallG NRW Landesgesetze sind recht unterschiedlich ausgestaltet praktisch deutlich relevanter als LImSchG KOMMUNALES SATZUNGSRECHT Einzelheiten der Entsorgung vor Ort Satzungen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Abfallentsorgung und Benutzungsgebühren, 9 abs. 1-2 a LAbfG NRW: Abfallwirtschaftssatzungen; Abfallgebührensatzungen GRENZÜBERSCHREITENDE ABFALLVERBRINGUNG Sonderbereich für Transport über Grenzen EG-Abfallverbringungsverordnung Basler Übereinkommen von 1989 AbfallverbringungsG Regelungsbereich gem. Art. 1 Abs. 1 EG-AbfverbrVO: Verbringung in der, in die und aus der Gemeinschaft Verkehr zwischen Mitgliedstaaten Einfuhr in die Gemeinschaft Ausfuhr aus der Gemeinschaft Durchfuhr durch die Gemeinschaft INSTRUMENTE Anordnungen und Überwachung, allgem. Ermächtigungsgrundlage in 21 Abs. 1 KrW-/AbfG Genehmigungen Zulassung von Deponien gem. 31 Abs. 2 KrW-/AbfG im Planfeststellungsverfahren Zulassung (anderer) ortsfester Abfallbeseitigungsanlagen gem. 31 Abs. 1 KrW-/AbfG im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (Details, auch für Verwertungsanlagen, s. Nr. 8 der 4. BImSchV) Transportgenehmigung ( 49 KrW-/AbfG) Vermittlungsgeschäfte ( 50 KrW-/AbfG) Abfallwirtschaftspläne, 29 KrW-/AbfG
Probleme bei der Bestimmung des Abfallbesitzers am Beispiel des Straßenbaulastträgers Legaldefinition in 3 Abs. 6 KrW-/AbfG Abfallbesitzer ist jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Problem: wilder Müll am Straßenrand Hat jemand tatsächliche Sachherrschaft? in Betracht kommt der Straßenbaulastträger als Inhaber der fraglichen (öffentlichen) Fläche. Rechtsprechung: Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sind von der Definition des 3 Abs. 6 KrW-/AbfG erfasst. Die tatsächliche Sachherrschaft ergibt sich aus der Stellung als Träger der Straßenbaulast. Diese vermittelt dem Baulastträger eine dem Eigentümer sonstiger Grundstücke vergleichbare Zugriffsmöglichkeit auf den im Straßenbereich befindlichen Müll. Der Abfallbesitz setzt keinen Besitzbegründungswillen voraus. Daher ist es unerheblich, dass der Müll von Dritten weggeworfen und der Baulastträger ohne oder gegen seinen Willen Besitzer geworden ist. Neu: str.; bei frei zugänglichen Flächen fehlt ein Mindestmaß an Sachherrschaft
Rechtmäßigkeit einer abfallrechtlichen Anordnung gem. 21 Abs. 1 KrW-/AbfG I. EGL 21 Abs. 1 KrW-/AbfG i.v.m. der Bestimmung, aus der sich Pflicht, die durchgesetzt werden soll, ergibt z. B. Überlassung von Abfällen, 13 KrW-/AbfG II. III. Formelle Voraussetzungen Materielle Voraussetzungen»im Einzelfall erforderliche Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen«1. Abfall, 3 Abs. 1 4 KrW-/AbfG a) Bewegliche Sache b) in Anhang I aufgeführt c) Entledigungstatbestand 2. Voraussetzungen der jeweiligen Bestimmung, die durchgesetzt werden soll IV: Rechtsfolge: Ermessen
Fall 16 V betreibt einen Reifenhandel, in dem er auch Altreifen lagert und runderneuert. Bei der Runderneuerung benutzt er Vulkanisierungsmittel, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung das spätere Recycling des Reifengummis verhindern. Andere Mittel wären verfügbar und technisch auch einsetzbar. Als die zuständige Behörde davon erfährt, erlässt sie eine Verfügung, in der V aufgegeben wird, (1.) die Altreifen, die nicht zur Runderneuerung vorgesehen sind, der Abfallentsorgungsanlage der Stadt S als dem zuständigen Entsorgungsträger zu überlassen; (2.) zur Vermeidung künftiger Abfälle die Runderneuerungen kreislaufgerecht, das heißt mit bei späterer Entsorgung schadlosen und umweltgerechten Mitteln vorzunehmen. V will ein Rechtsmittel einlegen. Er meint, er werde wirtschaftlich erdrosselt. Wie er die Runderneuerung vornehme, sei seine Sache. Die nicht der Runderneuerung zugeführte, aber noch tauglichen Reifen, plane er als Gebrauchtreifen nach Georgien zu verkaufen. Nach einem Sachverständigengutachten sind allerdings viele der für Georgien vorgesehenen Reifen erheblich beschädigt und unverkäuflich. Abwandlung: Wäre die Behörde befugt, die Überlassung der zur Runderneuerung vorgesehenen Reifen anzuordnen?
Lösung zu Fall 16 A. Pflicht zur Überlassung der nicht zur Runderneuerung vorgesehenen Reifen I. Ermächtigungsgrundlage 21 Abs. 1 KrW-/AbfG ivm 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG II. III. Formelle Voraussetzungen Materielle Voraussetzungen 1. Abfall isd KrW-/AbfG Definition in 3 Abs. 1 KrW-/AbfG a) Bewegliche Sache Abgrenzung zum BBodSchG: Im Boden versickerte Stoffe sind kein Abfall, sondern Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen; folglich: Reifen sind bewegliche Sachen b) in Anhang I genannt Wg. der Auffanggruppe Q 16 wird alles erfasst (Klarstellungsfunktion) c) Entledigungstatbestand gem. 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG aa) ENTLEDIGEN gem. 3 Abs. 2 KrW-/AbfG Entsorgungsverfahren (Verwertung oder Beseitigung) (-) Aufgabe der Sachherrschaft ( Dereliktion ) (-) bb) ENTLEDIGEN WOLLEN gem. 3 Abs. 3 KrW-/AbfG Nr. 1: Unbeabsichtigtes Nebenprodukt (-) Nr. 2 : Zweckfortfall (+) aber neuer Zweck? Soweit als Gebrauchtreifen zu verkaufen = neuer Verwendungszweck (+)
Der verkäufliche Teil ist daher kein Abfall isd 3 Abs. 3 KrW-/AbfG Der unverkäufliche Teil ist Abfall isd 3 Abs. 3 KrW-/AbfG cc) ENTLEDIGEN MÜSSEN gem. 3 Abs. 4 KrW-/AbfG 1. Fortfall des Verwendungszwecks für alle Altreifen (+) 2. Gefahr - muss von der konkreten Sache ausgehen, i.ü. keine hohen Anforderungen, zumal auch die künftige Gefährdung ausreicht und der Tatbestand nur eine Eignung verlangt - Der Wegfall der Zweckbestimmung rechtfertigt in der Regel die Besorgnis, es werde mangels Gebrauchsinteresses mit dem Gegenstand unsachgemäß, insb. umweltgefährdend umgegangen. - Es kann auch die neue Verwendung relevant werden. - für verkäufliche Altreifen: Gefahr +/- - für unverkäufliche Altreifen: Gefahr + 3. Entsorgungsnotwendigkeit - Gefahr kann nur durch Verwertung oder Beseitigung, also durch Maßnahmen auf der Grundlage des Abfallrechts beseitigt werden. - Kriterien: Reichen andere Normen? Abwägung zwischen Weiterverwendungsinteresse und Umweltschutzbelangen. für unverkäufl.reifen: Entsorgungsnotwendigkeit + für verkäufl. Altreifen: Entsorgungsnotwendigkeit Die unverkäuflichen Reifen sind Abfall gem. 3 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG
2. Überlassungspflicht, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG a) Allgemeines aa) Für private Haushalte gilt 13 Abs. 1 Satz 1 KrW/-AbfG * Generelle Überlassungspflicht für Abfälle, die sie nicht verwerten können oder wollen (z. B. (-) bei Eigenkompostierung) * und für alle Abfälle zur Beseitigung => Abweichung von 5 Abs. 2 KrW-/AbfG und 11 Abs. 1 KrW-/AbfG (= Eigenverantwortlichkeit) bb) Andere Herkunftsbereiche (Industrie und Gewerbe), 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG Hier gelten grds. 5 Abs. 2 und 11 Abs. 1KrW-/AbfG (=Eigenverantwortung) Also: Grds. keine Überlassungspflicht Überlassungspflicht nur bei Abfällen zur Beseitigung und nur, * wenn nicht in eigenen Anlagen zu beseitigen * oder wenn überwiegende öffentliche Interessen an der Überlassung bestehen => Bei der Eigenverantwortung muss der Abfall nicht auch tatsächlich selbst verwertet werden, dies kann Dritten überlassen werden, vgl. 16 Abs. 1 KrW-/AbfG. Dies können auch öffentliche Entsorger sein, d. h. es darf auch öffentlichen Entsorgern im Rahmen der Eigenverantwortung überlassen werden. Es bleibt jedoch die rechtliche Verantwortung (inkl. Kostenpflicht) für die ordnungsgemäße Verwertung der sog. technischen Erfüllungsgehilfen ; Entsorgungsverbände können demgegenüber auch ihre rechtliche Verantwortung übertragen, vgl. 16 Abs. 2 KrW-/AbfG.
b) Zum Fall * Da nicht verwertbar (vorgegeben im Sachverhalt, andernfalls müsste 5 Abs. 4 KrW-/AbfG geprüft werden) und kein Haushaltsabfall: Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen = 13 Abs. 1 S. 2 KrW/AbfG + *Überlassungspflicht danach nur, - wenn Abfälle nicht in eigenen Anlagen beseitigt werden, hier + - wenn überwiegende öff. Interessen die Beseitigung erfordern, hier +/- (keine ausreichenden Angaben im Sachverhalt) *Überlassungspflicht entfällt, wenn - Entsorgungspflichten nach 16 18 KrW-/AbfG einem Dritten oder privaten Entsorgungsträgern übertragen worden sind, 13 Abs. 2 KrW-/AbfG - bei Rücknahme- und Rückgabepflichten und Sammlungen, 13 Abs. 3 KrW-/AbfG => Überlassungspflicht + 3. Adressat der Pflicht A ist als Erzeuger und Besitzer richtiger Adressat, 3 Abs. 5 + 6 KrW-/AbfG 4. Ermessen (keine Angabe im Sachverhalt) Ergebnis: Die nicht zur Runderneuerung vorgesehenen und nicht verkäuflichen Altreifen sind dem zuständigen Entsorgungsträger kostenpflichtig zu überlassen.
B. Verpflichtung zur Abfallvermeidung Ermächtigungsgrundlage 21 Abs. 1 KrW-/AbfG ivm 4 Abs. 1 KrW-/AbfG ivm 5 Abs. 1 KrW-/AbfG: - Daraus ergeben sich keine (unmittelbaren) Rechtspflichten, sondern Verweis auf BImSchG in 9 KrW-/AbfG bzw. auf Erlass von Rechtsverordnungen in 23, 24 KrW-/AbfG. - => Erst über diese Vorschriften durchsetzbare Rechtspflichten. 22 Abs. 1 KrW-/AbfG (Produktverantwortung) - Daraus ergeben sich keine (unmittelbaren) Rechtspflichten zur Abfallvermeidung, weil gem. 22 Abs. 4 KrW-/AbfG die konkrete Verpflichtung erst durch Rechtsverordnung festgelegt werden muss. - 22 Abs. 1 KrW-/AbfG hat insoweit lediglich Appellfunktion ; ohne Rechtsverordnung kann aber seine Pflicht (noch) nicht erzwungen werden - Inhalt der möglichen Rechtsverordnungen: z. B. Produktverbote, Beschränkungen, Kennzeichnungspflichten, Rücknahmepflichten - z. B. Altauto-VO Ergebnis: Verfügung insoweit rechtswidrig
Abwandlung Wäre die Behörde befugt, die Überlassung der zur Runderneuerung vorgesehenen Reifen anzuordnen? 1. Abfall isd KrW-/AbfG Definition in 3 Abs. 1 KrW-/AbfG a) Bewegliche Sachen, s. o. b) in Anhang I genannt, s. o. c) Entledigungstatbestand gem. 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG - Runderneuern von Reifen = Verwertungsverfahren gem. Anh. II B(R 2 und R 5) Danach Abfall gem. 3 Abs. 2 1. Alt. (+) 2. Überlassungspflicht, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG - Reifen zum Runderneuern zwar Abfall, und zwar Abfall zur Verwertung - Aber: Da Gewerbe, gilt 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/Abfg: Keine Überlassungspflicht (Hinweis: Werden Abfälle zu Verwertung und zur Beseitigung vermischt, so gilt die Überlassungspflicht gem. 13 Abs. 1 KrW-/AbfG für das gesamte Gemisch)