volume 8 Innovationsfähigkeit und neue Wege des Wissenstransfers sabina jeschke, frank hees, anja richert



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Transkript:

Innovationsfähigkeit und neue Wege des Wissenstransfers Expertisen aus dem IMO-Aktionsfeld Transfer Institutscluster IMA/ZLW & IFu Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau Zentrum für Lern- und Wissens- MAnagement An-Institut für Unternehmenskybernetik RWTH AACHEN UNIVERSITY GErmanY volume 8 sabina jeschke, frank hees, anja richert Innovationsfähigkeit und neue Wege des Wissenstransfers

Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorhaben International Monitoring wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Alk00200) sowie mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Studies for Innovation in a Modern Working Environment Department of Information Management in Mech. Engineering Center for Learning and Knowledge Development Ass. Institute for Management Cybernetics e.v. IMA/ZLW & IfU RWth Aachen University Editors Prof. Dr. rer. nat. Sabina Jeschke Dr. Frank Hees Prof. Dr. Anja Richert Copyright 2013 by IMA/ZLW & IfU All rights reserved Isbn: 978-3-935989-22-0 1. Edition, Berlin/Aachen Volume 8, Germany

InnoVAtionsfähigkeit und neue Wege des Wissenstransfers Expertisen aus dem IMO-Aktionsfeld Transfer Herausgeber: Sabina Jeschke, Frank Hees, AnJA Richert Danksagung Im Namen des IMO-Projektes möchten wir uns sehr herzlich bei allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Aktionsfeldes Transfer für die überaus engagierte Zusammenarbeit bedanken. Durch die mittlerweile etablierte internationale Community des IMO-Projekts erhoffen wir uns auch in Zukunft transdisziplinäre Dialoge und wichtige Erkenntnisse zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. Besonderer Dank geht an die Autoren, die durch die Bereitstellung und Verschriftlichung ihres Wissens an dieser Broschüre maßgeblich beteiligt sind.

InnoVAtionsfähigkeit und neue Wege des Wissenstransfers. Expertisen aus dem IMO-Aktionsfeld Transfer Inhalt Einführung 6 Max Haarich, Sigrid Busch, Sven Trantow Milena Jostmeier 11 Transdisziplinäre Forschung als Kooperation heterogener Akteure Divergierende Handlungslogiken und Integrationsansätze Hans-Georg Schnauffer 45 Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis: Mehr Wirkungsgrad durch Orientierung an Innovations- und Vertriebsprozessen Johannes Sauer 77 Innovation und Lernkultur: Innovationstransfer, transferförderliches Weiterlernen und Lernkultur Matthias Trier 95 Akteurskonstellationen in Transferprozessen

Dieter Kirchhöfer 115 Transferbedingungen und Akteure im sozialen Umfeld Günther M. Szogs 139 Das finnische AcsI und der Kulturcampus Frankfurt - International vergleichende Mediale Exploration zur Co-Creation von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik Peter Kalvelage 155 Das AcsI Camp als finnisches Modell für neue Wege gesellschaftlicher Innovation Eine Darstellung und Bewertung

6 InnoVAtionsfähigkeit und neue Wege des Wissenstransfers Expertisen aus dem IMO-Aktionsfeld Transfer EINFührung Innovationsfähigkeit und Transferfähigkeit sind eng miteinander verknüpft. Das Generieren und Adaptieren von Lösungen über interaktive Wissensgenerierung, Informationsselektion und Erfahrungsaustausch ist eine wichtige Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. 1 Mindestens in zweierlei Hinsicht besteht zwischen Innovationsfähigkeit und Wissenstransfer ein signifikanter Zusammenhang: Zum einen entsteht Innovationsfähigkeit häufig gerade dann, wenn Wissen über Abteilungs-, Organisations- und sogar Gesellschaftsgrenzen hinweg transferiert wird. Zum anderen avanciert das Wissen über die Innovationsfähigkeit selbst zu einem wertvollen Gut, dass es zu transferieren gilt. Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms Arbeiten Lernen Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt (A-L-K) ist das IMA/ZLW & IfU 2 der RWth Aachen University mit dem programmbegleitenden Internationalen Monitoring (IMO) beauftragt. Gesamtziel des IMO-Projekts ist es, ein kontinuierliches internationales Monitoring und damit verknüpfte Aktionsbereiche zum Themenfeld Innovationsfähigkeit aufzubauen, um die inhaltliche Weiterentwicklung des Förderprogramms zu unterstützen sowie Beiträge zur Steigerung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Europa im globalen Kontext zu liefern. Das IMO-Projekt betrachtet seit Beginn seines Wirkens den Transfer der Projekterkenntnisse und -erfahrungen in Forschung, Politik und Praxis als originären Bestandteil der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und hat dafür entsprechende Austauschforen und -plattformen geschaffen. In der Folge der internationalen Konferenz des IMO-Projektes im Oktober 2010, die das Thema Transfer als besonders relevantes Querschnittsthema identifizierte, wurde im Frühjahr 2011 eine nationale Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, Erfahrungen und Wissen über die aktuelle Praxis des Transfers von Forschungsergebnissen auszutauschen und neue Ansätze des Wissenstransfers zu identifizieren. Mitglieder der Arbeitsgruppe haben die in dieser Broschüre gebündelten Artikel verfasst, die spezifische 1 Busch, S., Lammert, C., Sparschuh, S., & Hees, F. (2011). Innovationsfähigkeit im Gespräch. Forschungsbedarfe und Handlungsempfehlungen. Aachen. 2 lehrstuhl Informationsmanagement im Maschinenbau/Zentrum für Lern- und Wissensmanagement und An-Institut für Unternehmenskybernetik e. V.

7 Aspekte des Transfers von Forschungsergebnissen im Themenfeld Innovationsfähigkeit detailliert beleuchten. Dabei spiegeln die Expertisen die unterschiedlichen Perspektiven auf die Transferproblematik wider. An sehr unterschiedlichen Beispielen zeigen sie das breite Spektrum dessen auf, was zu einem gelungenen Transfer von Lösungen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit beitragen kann. Jenseits der Vielfalt und Heterogenität der Ansätze lässt sich als ein gemeinsames, übergreifendes Moment das Prinzip der Transdisziplinarität erkennen, der kooperativen und disziplinenübergreifenden Erarbeitung gemeinsamer Lösungen. Der punktuelle, unidirektionale Transfer von Wissen löst sich auf in einem kontinuierlichen Diskurs, der den Wissensaustausch auf Augenhöhe und zum Nutzen aller Beteiligten ermöglicht. Um die Idee des transdisziplinären Transferdesign glaubwürdig vorbringen zu können, wurden die Autoren nicht aus einem gesellschaftlichen Subsystem ausgewählt, sondern entstammen der Wirtschaft, verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen sowie der Politik. Die Expertisen der Broschüre zeigen transdisziplinäre Forschungsfelder und Handlungsräume auf, in denen Transfer, Innovationen und deren Zusammenspiel zielführend konzeptualisiert und gemeinschaftlich implementiert werden können. Sie geben unterschiedliche Einblicke in die aktuelle Theorie und Praxis von Transfer- und Innovationsprozessen im A-L-K-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die von den Experten dargestellten Transferansätze zeigen in ihrer Gesamtheit die Vielfalt der Erfahrungen und praktischen Umsetzung von Wissenstransfer und geben eine Fülle von Anregungen und Beispiele für interaktive Transferdesigns im Arbeits-, Forschungsund Gesellschaftsalltag. Sie entsprechen damit dem Wunsch der Innovationsforscher und dem Bedarf der Unternehmen, dem Wissenstransfer in Innovationsprozessen in seiner Ganzheitlichkeit mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

8 Zum Inhalt der Broschüre Milena Jostmeier, Wissenschaftlerin an der Sozialforschungsstelle Dortmund, beleuchtet ein grundlegendes Dilemma angewandter Innovationsforschung: die Steigerung der Innovationsfähigkeit erfordert den kooperativen Transfer zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Gleichzeitig folgen diese gesellschaftlichen Subsysteme teilweise unvereinbaren Zieldimensionen und Handlungslogiken. Aus systemorientierter Perspektive visualisiert sie dieses Wechselspiel konfligierender Ordnungsmomente, in dem sich die Subsysteme über die Abgrenzung ihrer Handlungslogiken konstituieren. Indem sie die Funktionsweise der Akteursrollen und -konstellationen offenlegt, zeigt sie Wege auf, um in Prozessen systemübergreifender Wissensgenerierung gleichzeitig alle relevanten Zieldimensionen zu bedienen und einen gemeinschaftlichen Mehrwert trotz handlungslogischer Differenzen zu generieren. Hans-Georg Schnauffer, langjähriger Abteilungsleiter für Wissens- und Innovationsmanagement am Fraunhofer IFF und heute bei der ThyssenKrupp AG in Essen, schlägt zur Stärkung des Transfer-Wirkungsgrades von Forschungsergebnissen die Orientierung an betrieblichen Innovations- und Vertriebsprozessen vor. Er zeigt anhand konkreter Ansatzpunkte, wie dadurch die wechselseitige Wissens-Co-Kreation zwischen Forschung und Praxis gestärkt werden kann, indem Transferklienten frühzeitig und maßgeblich in den Prozess eingebunden werden. Darauf aufbauend wird ein Modell vorgeschlagen, das perspektivisch Prognosen und Evaluierungen von Transferbreite und -tiefe ermöglichen könnte. Zahlreiche Beispiele möglicher Transferkanäle und -formate können als Basis für die weitere Ausarbeitung eines Transfer- Frameworks genutzt werden. Johannes Sauer, Diplom-Volkswirt mit vierzigjähriger Erfahrung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Forschung und Administration, zuletzt Referatsleiter zur beruflichen Kompetenzentwicklung im BMBF, beschreibt den Zusammenhang zwischen Lernkultur, Weiterlernen, Innovationsbereitschaft und -fähigkeit. Er unterbreitet konkrete Vorschläge für den Transfer von Lernkulturen, die von dem Prinzip der Selbstorganisation und Kompetenzorientierung ausgehen. Mittels solcher Lernkulturen können die bestehenden Notwendigkeiten zum Weiterlernen in einer innovierenden Gesellschaft ausreichend abgebildet werden. Der umfassende Transfer von Lernkulturen ist aufgrund bildungspolitischer Rahmenbedingungen bisher lediglich in Teilbereichen gelungen, zeigt sich jedoch als wichtiger Schritt zur weiteren Stärkung der Innovationsfähigkeit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Matthias Trier, Pädagoge mit langjähriger Tätigkeit auf dem Gebiet der beruflichen Erwachsenenbildung sowie der Hochschulbildung, richtet den Blick auf die individuellen Anforderungen, die der Transferprozess an die beteiligten Akteure stellt. An das Subjekt

9 gebundenes Wissen und Können sind zentrale Transferinhalte und deren Subjektgebundenheit eine unverzichtbare Konstituente des Transferprozesses. Aus dieser Perspektive erscheint das wechselseitige Lernen in der Arbeitstätigkeit als der wichtigste Prozess, über den ein Wissensund Könnenstransfer erfolgreich realisiert werden kann. Am Beispiel der neuen Bundesländer verdeutlicht er, dass dieses Transferverständnis nicht nur als Lernprozess zwischen unterschiedlichen industriellen Arbeitsszenarien abgebildet werden kann, sondern dieses auch auf gesamtgesellschaftliche Wandelprozesse anwendbar ist. Eine Grundvoraussetzung bleibt die individuelle Transferkompetenz, die sich in selbständiger und eigenverantwortlicher Arbeit herausbildet. Gleichzeitig leitet er die Notwendigkeit der Verankerung des Transfers als Managementaufgabe sowohl bei Unternehmen als auch Non-Profit-Organisationen ab. Dieter Kirchhöfer, Leiter des Arbeitskreises Bildungsfragen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.v. Bildungsexperte, Erkenntnistheoretiker und Publizist betont die Bedeutung von Innovationstransfers aus dem sozialen in das betriebliche Umfeld. Als soziales Umfeld versteht er alle sozialen Verhältnisse außerhalb der Erwerbsarbeit, die in der öffentlichen Diskussion als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet werden. Die Arbeitsgesellschaft ist dringend auf Innovationen und deren Transfer in und aus dem Sozialraum angewiesen. Der Sozialraum erscheint dabei nicht nur als eine Begleiterscheinung des Unternehmenshandelns bzw. existiert nicht unabhängig neben dem Wirtschaftsraum, sondern offenbart vielfältige Wechselwirkungen und Transferbeziehungen. Aus diesem Transfer von Innovationen entstehen Individualkompetenzen und Akteursbeziehungen, die wiederum Grundlage weiterer Innovationen werden können. Anhand von Beispielen regionaler Sozial- und Wirtschaftsräume zeigt er auf, auf welchen Wegen dort Innovationen im Sozialraum entwickelt, für die Wirtschaft fruchtbar gemacht und dabei Lernkulturen erzeugt werden. Günther Szogs, Erziehungswissenschaftler und Systemanalytiker Experte in ganzheitlichem Wissens- und Skillmanagement präsentiert auf bildhafte Weise internationale Beispiele sozialer Wandelprojekte wie den Aalto-Camp for Societal Innovation (AcsI), die sich im Verlauf der Erzählung als Prototypen eines neuen transdisziplinären Transferhandelns entpuppen. In Ihnen erkennt er die Umkehrung des bisherigen Prinzips der angewandten Forschung hin zur forschenden Anwendung als neues Transferdesign, das sich weniger durch theoretische Planung als vielmehr durch praktische Zu-Taten realisiert. Er motiviert dazu, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene das Prinzip einer reflektierenden Rastlosigkeit zu verbreiten, um kontinuierlichen Transfer kollektiv zu leben. Dieses Prinzip verbietet das sture Kopieren von Good-Practice-Beispielen und zwingt zum Rapid-Prototyping, dem ständigen Ausbrechen aus den eigenen Rollen und Mustern und deren Auflösung und Neukomposition in der tatsächlichen Durchführung gemeinschaftlicher Wandelprozesse.

10 Peter Kalvelage, Kulturwissenschaftler und Filmemacher, reflektiert den von Günther Szogs skizzierten AcsI-Ansatz gesellschaftlicher Innovationsprozesse aus seiner Perspektive als Filmproduzent. Anschaulich schildert er seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse zweier AcsI-Projekte im finnischen Espoo und Kotka, an denen er sowohl filmerisch begleitend als auch filmerisch intervenierend teilnahm. Im Einklang mit Szogs hebt er das besondere Moment der selbstorganisierten Verschmelzung von Innovationsplanung und Innovationshandeln im transdisziplinären Diskurs hervor. Hierin sieht er zum einen die Empfehlungen der Europäischen Kommission zum Aufbau von Foresight Wissensplattformen umgesetzt, erkennt zum anderen aber auch Charakteristika von Hochleistungsteams wieder, aus denen der AcsI-Ansatz seine Innovationskraft schöpft.

11 Transdisziplinäre Forschung als Kooperation heterogener Akteure Divergierende Handlungslogiken und Integrationsansätze Expertise im Rahmen des Aktionsfeldes Transfer des International Monitoring (IMO) zum Programm Arbeiten Lernen Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Autorin: Milena Jostmeier Jostmeier@sfs-dortmund.de Diese Expertise wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen Alk00200 sowie mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.

12 InhALTSVerZEIchnIS seite AbstrACT 13 1 2 3 EInleItung: Scientia est potentia Zum gesellschaftlichen InnoVAtionspotenZIAl transdisziplinärer Forschung divergierende Handlungslogiken von WissenschAFt und WirtschAFt Wissens-Ko-Produktion als Gegenseitiger Lernprozess 13 18 22 3.1 3.2 3.3 theorethische Überlegungen: Zur Möglichkeit ko-evolutionärer Wissensproduktion Integration im transdisziplinären Forschungsprozess IntegratIV wirkende Foschungsansätze und -methoden der Arbeitsforschung 22 25 28 4 5 ZusAMMeNschau und Ausblick: WissenschAFt in der InnoVAtionsgesellschAFt literaturverzeichnis 33 36

13 AbstrACT Transdisziplinäre Forschung als Kooperation unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft kann aus der Perspektive der Innovationsforschung als Phänomen eines Innovationsparadigmas betrachtet werden, das auf nicht-lineare Organisationsstrukturen und auf die Ko-Kreation von Neuem mit Organisationsexternen setzt. Forschung in Kooperation aus wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Akteuren soll nicht nur als Motor für wirtschaftliche und technologische Innovationen wirken, sondern kann selbst auch als soziale Innovation verstanden werden, von der wiederum gesellschaftliche Innovationsimpulse ausgehen. Die Kooperation der Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, aus der heraus Wissenssynergien entstehen sollen, stellt aber gleichzeitig auch eine Hürde dar, die sich aus divergierenden Referenz- und Handlungslogiken der Beteiligten ergibt. Zentrale Herausforderung für Organisation und Management eines transdisziplinären Verbundes und mithin erfolgskritisch ist es, diesen unterschiedlichen Handlungsrationalitäten der verschiedenen Verbundpartner Rechnung zu tragen.in diesem Beitrag werden ausgehend von der Analyse der potenziell divergierenden Handlungslogiken heterogener Akteure Strategien und Ansätze einer integrativen Kooperation aufgezeigt, die Voraussetzung sind, um sowohl wissenschaftliche Erträge als auch direkt wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse zu erzielen. 1 einleitung: Scientia est potentia 1 ZuM gesellschaftlichen InnoVAtionspotenZIAl transdisziplinärer Forschung Die Kooperation heterogener Akteure birgt Innovationspotenzial: Auf der Ebene der Organisation steht die Öffnung des Innovationsprozesses nach innen und zur Gesellschaft hin im Zentrum neuer Innovationsstrategien. Die sowohl in wissenschaftlichen Debatten als auch in Unternehmen aktuell thematisierten neuen Innovationsstrategien beschreiben v.a. mit dem Open Innovation-Ansatz (vgl. Chesbrough 2003, McAfee 2006), der Crowdsourcing- Idee und der Nutzung Kollektiver Intelligenz (vgl. Surowiecki 2004, Howe/Robinson 2006) die Einbindung organisationsexterner Akteure in den Innovationsprozess und dessen Öffnung 1 Nico Stehr (2003, 31) interpretiert diesen häufig irreführend mit Wissen ist Macht übersetzten Ausspruch Francis Bacons als Möglichkeit, mit wissenschaftlichem Wissen etwas in Gang zu setzen. Stehr definiert Wissen hier als Fähigkeit zum sozialen Handeln (Handlungsvermögen).

14 über Forschungs- und Entwicklungsabteilungen hinweg. Die Projekte im Förderschwerpunkt Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zeigen auf, von welchem Nutzen diese Öffnung für Organisationen sein kann, wenn Unternehmensbereiche etwa nicht-linear, d.h. quer zu Hierarchie- und Funktionsebenen Informationen und Wissen austauschen - systematisch organisiert oder eigenmotiviert durch einzelne Beschäftigte. Daneben gewinnt die Öffnung zur Gesellschaft hin, d.h. die Vernetzung über Organisationsgrenzen hinweg, wenn z. B. das Wissen von Kunden oder Zulieferern für den Innovationsprozess aufgeschlossen wird, innovationsstrategisch rapide an Bedeutung (vgl. Jacobsen/Schallock 2010, Schallock/Jacobsen 2011, Jacobsen/Jostmeier 2010). Das Innovationspotenzial, das sich aus der Vernetzung heterogener Partner ergibt, steht zunehmend auch im Fokus staatlicher Innovationspolitik. Mit der Hightech-Strategie hat die Bundesregierung im Jahr 2006 erstmals ein forschungs- und innovationspolitisches ressortübergreifendes Gesamtkonzept vorgelegt, das das Ziel der wissenschaftlichtechnologischen Entwicklung vor den Hintergrund globaler gesellschaftspolitischer Herausforderungen stellt. Die Förderung von Schlüsseltechnologien wie Informations- und Kommunikationstechnologien, optische Technologien, Produktions-, Werkstoff-, Bio- und Nanotechnologien, Mikrosystemtechnik und innovative Dienstleistungen soll dazu dienen, andere Technologien und Innovationen aufzuschließen. Neben ökonomischem Wachstum und positiven Beschäftigungseffekten will man sich der Beantwortung drängender sozialer, ökologischer und ökonomischer Herausforderungen wie dem Klimawandel, der demographischen Entwicklung, der Verbreitung von Volkskrankheiten, der Sicherstellung der Welternährung und der Endlichkeit fossiler Rohstoff- und Energiequellen stellen (BMBF 2010, 3). Dabei setzt die Bundesregierung in der Fortführung der Hightech-Strategie 2020 für Deutschland im Jahr 2010 verstärkt auf die systematische Zusammenarbeit sowohl zwischen den Disziplinen als auch zwischen Wissenschaft und Unternehmen. Förderinstrumente wie die Initiative Forschungscampus Öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen, der Spitzencluster-Wettbewerb oder die Innovationsallianzen adressieren in jeweils unterschiedlichen Formen und Ausrichtungen inter- und transdiszplinäre Kooperationen. Die Generierung neuen Wissens steht am Anfang aller Innovationen. Diese können nur gelingen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse schnell und effizient wirtschaftlich verwertet werden. Daher wird die Bundesregierung Wissenschaft und Wirtschaft noch enger miteinander verzahnen. Sie wird den Austausch zwischen Hochschulen, außeruniversitärer Forschung und Unternehmen weiter fördern und den Wissens- und Technologietransfer verstärken.

15 Forschungsergebnisse können so schneller in Innovationen am Markt und in die Gesellschaft überführt und für Endanwenderinnen und Endanwender nutzbar gemacht werden. (ebd., 10) Transdisziplinäre Forschung als Kooperation unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft kann aus der Perspektive der Innovationsforschung als Phänomen eines Innovationsparadigmas betrachtet werden, das auf nicht-lineare Organisationsstrukturen und auf die Ko-Kreation von Neuem mit Organisationsexternen setzt. Studien haben gezeigt, dass etwa heterogen zusammengesetzte Teams, dass Diversität das Innovationspotenzial erhöht, wenn die Teammitglieder befähigt werden, die Differenzen konstruktiv zu nutzen (vgl. Hansen et al. 2009, Kutzner 2011). Forschung in Kooperation aus wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Akteuren soll nicht nur als Motor für wirtschaftliche und technologische Innovationen wirken, sondern kann selbst auch als soziale Innovation verstanden werden, von der wiederum gesellschaftliche Innovationsimpulse ausgehen können (vgl. Howaldt/Schwarz 2010, Beck/ Kropp 2012, Raehlmann 2007). Als weitgehender definitorischer common sense kann das Spezifische dieser Art von Forschung in der Zusammenführung unterschiedlicher, Disziplinen übergreifender Wissensquellen zur Lösung eines gesellschaftlich festgestellten Problems beschrieben werden (vgl. Bergmann/Schramm 2008, Mittelstrass 2005). Thomas Jahn (2008, 35ff.) definiert transdisziplinäre Forschungsprozesse wie folgt: In transdisziplinären Forschungsprozessen werden gesellschaftliche Sachverhalte als lebensweltliche Problemlagen aufgegriffen und wissenschaftlich bearbeitet. In die Beschreibung dieser Problemlagen werden die problemadäquaten Fächer bzw. Disziplinen sowie das notwendige Praxiswissen einbezogen. Sie wirken auch bei der Überführung der gesellschaftlichen in eine wissenschaftliche Problemstellung und bei der Beschreibung der daraus resultierenden Forschungsfragen zusammen. Bei der Problembearbeitung überschreitet die transdisziplinäre Forschung die Disziplin- und Fachgrenzen sowie die Grenzen zwischen wissenschaftlichem Wissen und Praxiswissen, das für die angemessene Behandlung der Fragestellung notwendig ist. (Jahn 2008, 35ff.) Die Bedeutung und Verbreitung so organisierter Forschung ist strittig. Die WissenschaftsforscherInnen um Michael Gibbons und Helga Nowotny hatten 1994 einen grundlegenden Wandel in der Produktionsform wissenschaftlichen Wissens diagnostiziert,

16 den sie als Mode 2 beschrieben 2. Gegenstand dieser Diagnose war die Annahme, dass wissenschaftliches Wissen weniger klassisch akademisch in Universitäten und mehr im Anwendungskontext unter Einbezug außeruniversitärer und nicht-wissenschaftlicher Einrichtungen erarbeitet wird. Wissenschaft orientiere sich nicht mehr nur an ihren Disziplinen, sondern müsse sich verstärkt gesellschaftlich legitimieren und nützliches, sozial robustes Wissen produzieren. Weingart (1997) kritisiert, dass es sich bei diesen Beschreibungen aufgrund mangelnder empirischer Überprüfung, nicht berücksichtigter disziplinärer und nationaler Unterschiede mehr um ein normatives Gestaltungsmuster als um eine empirische Diagnose handele. Sowohl die Frage der Tragweite eines hier konstatierten radikalen institutionellen Umbruchs des Wissenschaftssystems als auch deren Folgewirkungen auf die wissenschaftliche Praxis und deren Autonomie bedürfen weiterer differenzierter empirischer Analysen (s. dazu auch Kap. 3.1). Relativ unstrittig ist aber, dass auch die öffentliche Forschungsförderung in Deutschland wie auf europäischer Ebene verstärkt auf Formen der interund transdisziplinären projektförmigen Zusammenarbeit setzt (vgl. Besio 2009, 15ff.). So bildete das spezifische Programm Zusammenarbeit, das die Organisationsgrenzen überschreitende Zusammenarbeit von Beteiligten aus Universitäten, Industrie, Forschungszentren und Behörden innerhalb Europas bzw. deren internationale Kooperation mit Drittstaaten fördert, mit einem Budget von 32.413 Milliarden Euro (64,2% des Gesamtbudgets, ohne Euratom) das Kernstück des 7. Forschungsrahmenprogramms (Laufzeit: 2007-2013) der Europäischen Union (vgl. BMBF 2007c). Auch das neue Forschungsförderprogramm Horizon 2020 - The Framework Programme for Research and Innovation (Laufzeit: 2014-2020) setzt mit der erstmaligen strategischen Zusammenführung von Forschungs- und Innovationsförderung verstärkt auf die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Gesellschaft. Ziel ist es auch hier, die Innovationslücke zwischen Forschung, Entwicklung und Vermarktung in drängenden gesellschaftlichen Bedarfsfeldern wie Gesundheit, Energie oder Klima zu schließen und damit gleichzeitig ökonomisches Wachstum zu befördern. Horizon 2020 will tackle societal challenges by helping to bridge the gap between research and the market by, for example, helping innovative enterprise to develop their technological breakthroughs into viable products with real commercial potential. This market-driven approach will include creating partnerships with the private sector and Member States to bring together the resources needed. (Europäische Kommission 2011, Darstellung im Internet) 2 die dort gezeichneten Entwicklungstendenzen stimmen in erheblichem Umfang mit anderen Konzepten wie beispielsweise dem Triple Helix-Ansatz (Etzkowitz/Leydesdorff 1997) oder dem Konzept der Post-Normal Science (Funtowicz/Ravetz 1993) überein (s. dazu im Überblick Hessels/van Lente 2008).

17 Das Besondere der Forschung wie sie im hier 3 betrachteten Programm Arbeiten Lernen Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als Teil der Hightech-Strategie gefördert wird, ist, dass Arbeit und Organisation nicht nur empirisch beforscht werden. Die sogenannten Verbundprojekte sehen vielmehr das Zusammenwirken von mehreren unabhängigen Partnern aus der Wissenschaft und der Wirtschaft zur Lösung von gemeinsamen [Hervorh. d. V.] Forschungsaufgaben (BMBF 2007b, 2253) vor. Bereits der Prozess der Wissensproduktion soll also nicht nur im Anwendungskontext angesiedelt sein, sondern diverse nicht-wissenschaftliche Akteure wie etwa Unternehmen, Organisationsberatungen, Verbände oder Intermediäre beteiligen sich aktiv an diesem Prozess und werden potenziell zu Ko-Produzenten wissenschaftlichen Wissens. Neben wissenschaftlichen Partnern unterschiedlicher Fachrichtungen und Disziplinen aus Universitäten, Fachhochschulen oder außeruniversitären Forschungsinstituten werden in vielen Verbundvorhaben zusätzliche interventionsmethodische Kompetenzen über Organisationsberatungen oder beratende Institute hinzugezogen, die in und mit den Unternehmen Gestaltungsmodelle entwickeln und erproben. In vielen Projekten beteiligen sich die Sozialpartner, um eine Verbreitung dieser Modelle, Ansätze und Konzepte arbeitsorientierter Innovationsförderung in die Anwendung von Unternehmen zu unterstützen. Die Idee der Verbundprojekte ist also, dass sich die unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzen beteiligter wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Akteure gegenseitig ergänzen und befruchten sollen. Förderpolitisches Ziel dieser Ko-Produktion ist Wissen, das von (un)mittelbarem gesellschaftlichem Anwendungsnutzen ist. Die Kooperation der Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, aus der heraus Wissenssynergien entstehen sollen, stellt aber gleichzeitig eine Hürde dar, die sich aus divergierenden Referenz- und Handlungslogiken der Beteiligten ergibt. Zentrale Herausforderung für Organisation und Management eines transdisziplinären Verbundes und mithin erfolgskritisch ist es, diesen unterschiedlichen Handlungsrationalitäten der verschiedenen Verbundpartner Rechnung zu tragen, wenn wissenschaftlicher Erkenntnisund lebensweltlicher Problemlösungsprozess ineinander greifen sollen (vgl. Bergmann et al. 2005). 3 der vorliegende Aufsatz ist im Rahmen eines vom BMBF geförderten und von der RWth Aachen durchgeführten Internationalen Monitorings (IMO) zum Förderprogramm Arbeiten Lernen Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt entstanden.

18 In diesem Beitrag möchte ich ausgehend von der Analyse der potenziell divergierenden Handlungslogiken heterogener Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft (Kap. 2) Ansätze und Methoden einer integrativen Kooperation aufzeigen (Kap. 3), die es ermöglichen, sowohl wissenschaftliche Erträge als auch direkt wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse zu erzielen. Abschließend möchte ich davon ausgehend zukünftigen Forschungsbedarf ableiten und Überlegungen hinsichtlich durchlässig werdender Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft (Kap. 4) zur Diskussion stellen. 2 divergierende Handlungslogiken von Wissenschaft und Wirtschaft Das Förder-Programm Arbeiten Lernen Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt des BMBF nennt auf der Programmebene drei Ziele der Förderung: 1) Erkenntnislücken schließen, 2) Veränderungsprozesse ermöglichen, 3) politische Entscheidungen sachgerecht vorbereiten (BMBF 2007a, 8ff.). Für das Ziel der Ermöglichung von Veränderungsprozessen wird bereits im Programm auf divergierende Interessenslagen der beteiligten Zielgruppen hingewiesen: Die verschiedenen Zielgruppen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Interessenlagen und Zeithorizonte. Eine langfristig angelegte Innovationsförderung setzt auf Stärkung der Innovationsfähigkeit, auf Nachhaltigkeit und ist gerade deshalb auf eine mittlere und längerfristige Wirkungsperspektive ausgerichtet. Um Veränderungsprozesse zu initiieren, muss die Förderung aber auch Instrumente bereithalten, die kurzfristige Interessen integrieren. Wissenschaftlich fundierte praxistaugliche Instrumente, Methoden und Verfahren hierzu müssen teilweise noch erforscht und entwickelt werden. (BMBF 2007a, 8) Diese strukturellen Divergenzen zwischen den verschiedenen Stakeholdern des Programms finden sich auf der Ebene der einzelnen Projekte wieder: Die im Fall des Förderschwerpunkts Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements im o.g. Programm geförderten Verbundprojekte sollen 1.) anwendungsorientierte Gestaltungsmodelle entwickeln. Hierzu heißt es in der Förderbekanntmachung des BMBF: Im Zusammenwirken von mehreren unabhängigen Partnern aus der Wirtschaft und der Wissenschaft sollen die Forschungsund Entwicklungsarbeiten [ ], nachgewiesen an Demonstrations- und Pilotlösungen, die Entwicklung und Realisierung von Konzepten zur Gestaltung von Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements unterstützen (BMBF 2007b, 2253ff.). Sie sollen 2.) deren

19 Anwendung in Unternehmen und Verbänden durch (fach-)öffentliche Verbreitung fördern: Der Kooperation mit kompetenten Umsetzungsträgern wird dabei große Bedeutung beigemessen. Eine signifikante Breitenwirkung für KMU wird erwartet. (ebd.). Sie sollen 3.) und dies eher mittelbar über die grundsätzliche Einbindung wissenschaftlicher Akteure oder die zur Förderung notwendige Darstellung der wissenschaftlichen Neuheit und Originalität gewährleistet zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt beitragen. Diese förderpolitischen Zielkategorien lassen sich als Ziel-Dreieck skizzieren (s. Abb. 1). Die drei Zielkategorien rekurrieren letztlich auf die unterschiedlichen Referenzsysteme der verschiedenen Programm-Stakeholder. Abb. 1: Ziel-Dreieck anwendungsorientierter Arbeits- und Organisations forschung (Quelle: eigene Darstellung) Die Ziele sind hier schematisch vor den Hintergrund der jeweils primären Handlungslogiken der unterschiedlichen Akteure gestellt. Konkret heißt das, dass Unternehmen und Verbände als Wirtschaftsorganisationen vorrangig an der Entwicklung von Gestaltungsmodellen bzw. an der Umsetzung dieser Ansätze in ihrer Praxis interessiert sein dürften. Daran kann auch die Wissenschaft interessiert sein, v.a. wenn die theoretische Abbildung und die praktische Gestaltung des wissenschaftlich interessierenden Gegenstandes miteinander konvergieren und wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt untrennbar mit Gestaltung verbunden ist, wie es etwa für das Experiment als wissenschaftliche Methode der Fall ist (vgl. Hacking 1996, Nordmann 2006, Jostmeier 2011). Primäres Handlungsziel wird für die Wissenschaft der

20 disziplinäre Erkenntnisfortschritt sein. Das Ziel der Verbreitung der erarbeiteten Lösungen wird vor allem die Politik verfolgen. In ihrem primären Interesse liegt es aus volkswirtschaftlicher Sicht, die für nützlich erachteten Ergebnisse und Gestaltungsmodelle in diesem Fall zur Förderung ökonomischer Innovationsfähigkeit eben auch möglichst breit nutzen zu lassen, etwa in Unternehmen. Wenn wir die Handlungslogiken von Wissenschaft und Wirtschaftsorganisationen als Haupt- Akteure der Verbundprojekte dieses Förderprogramms gegenüberstellen, lassen sie sich mindestens auf vier Ebenen unterscheiden: Erstens unterscheiden sich die Ausgangslangen und damit zusammenhängend idealtypisch die Motivation zur Teilnahme an transdisziplinären Forschungsprojekten: Wissenschaft rekurriert auf Theorien und Konzepte, die sie weiter- Abb. 2: divergierende Handlungslogiken heterogener Akteure (Quelle: eigene Darstellung) entwickeln will; Unternehmen oder Wirtschaftsorganisationen sind daran interessiert, ihre betriebswirtschaftliche Performance zu optimieren. Zweitens unterscheiden sich die Ansprüche, die an Auswahl und Einsatz bestimmter Methoden gestellt werden. Damit zusammen hängt auch die zeitliche Dimension: Unternehmen müssen schnell agieren; Wissenschaft braucht Zeit: zur Beobachtung, zur Vorbereitung der Beobachtung, zur Auswertung, um Lernschleifen einzubauen, um Ansätze und Konzepte weiterzuentwickeln etc.