Das Projekt Gesundheitsregion der Zukunft Nordbrandenburg (Fontane) Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Land Brandenburg und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung geförderte Forschungs- und Entwicklungsprojekt "Gesundheitsregion der Zukunft Nordbrandenburg (Fontane)" beinhaltet die Entwicklung und klinische Erprobung eines telemedizinischen Systems der vierten Generation. Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Betreuungsqualität im strukturschwachen ländlichen Raum. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Produkt- und Prozessinnovationen entwickelt, wie z. B. die Risikostratifizierung der Telemedizinpatienten mittels eines neuen Prognose-Biomarkers für Herzinsuffizienz (MR-proADM). Diese Produktinnovationen wurden in ein telemedizinisches System integriert und werden nun bei der Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz eingesetzt und erprobt. Das System mit seinen Produkt- und Prozessinnovationen ist so konzipiert, dass eine Übertragung auf andere Erkrankungen möglich ist. Weiterhin soll das System auch als generisches Versorgungsmodell für andere strukturschwache Regionen dienen. Demographische Herausforderung Chronische Herzinsuffizienz Die chronische Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen und stark vom Alter abhängig. Je höher das Lebensalter einer Population, desto häufiger erkranken Personen in dieser Gruppe an einer chronischen Herzinsuffizienz. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes war die Herzinsuffizienz im Jahre 2011 die zweithäufigste Todesursache bei Frauen und die vierthäufigste Todesursache bei Männern. Die Herzinsuffizienz ist seit mehreren Jahren der häufigste Krankheitsgrund für eine stationäre Behandlung und etwa zwei Prozent der gesamten deutschen Gesundheitsausgaben werden allein für die Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz aufgewandt. Aufgrund der großen medizinischen Bedeutung als Volkskrankheit und der damit verbundenen gesundheitsökonomischen Relevanz verlangt die Versorgung der Herzinsuffizienz nach innovativen Betreuungsansätzen insbesondere zur Verhinderung vermeidbarer Krankenhauseinweisungen bzw. im Entlassungsmangement nach einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. In diesem Kontext gelten telemedizinische Verfahren als Schlüsselverfahren. Von den Herausforderungen in der Betreuung von herzinsuffizienten Patientinnen und Patienten sind insbesondere strukturschwache ländliche Räume (z. B. Nordbrandenburg) betroffen, in dem mehrheitlich Hausärzte das komplexe kardiologische Krankheitsbild betreuen müssen. Telemedizin bei Chronischer Herzinsuffizienz Im Unterschied zur Präsenzmedizin besteht in der Telemedizin eine räumliche Distanz zwischen Patienten und medizinischen Personal, die mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien überwunden werden kann. Die Grundidee der telemedizinischen Mitbetreuung besteht einerseits in der Annahme, durch ein kontinuierliches Monitoring der Vitaldaten beim Patienten Zustandsverschlechterungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln (siehe Abbildung 1). Die Vitaldaten des Patienten werden dabei entweder durch Messgeräte (z. B. Blutdruck, Gewicht) oder auch aus intelligenten Implantaten
(z. B. Herzschrittmacher, Defibrillator) gewonnen. Andererseits soll durch die Vernetzung der Akteure (Hausarzt, Kardiologe, Nephrologe, Diabetologe etc.) eine Informationsbasis geschaffen werden, die ein interdisziplinäres, gut abgestimmtes und klar strukturiertes Therapiekonzept für den Patienten entwickelt und umsetzt. Zusätzlich ermöglicht eine interaktive telemedizinische Mitbetreuung, dem Patienten in Schulungsmodulen krankheitsrelevantes Wissen zu vermitteln, ihn im Selbstmanagement anzuleiten sowie Probleme bei der Therapieumsetzung zu erkennen. Abbildung 1: Grundidee telemedizinischer Mitbetreuung Es tritt eine objektive Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten ein, ehe dieser es subjektiv merkt. Diese objektive Verschlechterung ist messbar durch Vitalparameter Bei der telemedizinischen Mitbetreuung werden täglich zuhause verschiedene Gesundheitswerte vom Patienten gemessen, etwa der Blutdruck oder ein EKG, und automatisch per Mobilfunk an ein Telemedizinzentrum übertragen. Diese Daten werden rund um die Uhr durch Fachärzte und Fachpfleger beurteilt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Eine telemedizinische Mitbetreuung erlaubt es, diese gemessenen Werte täglich zu kontrollieren, ohne dass der Patient dafür in die Praxis oder Klinik kommen muss. So können Abweichungen frühzeitig erkannt und rechtzeitig entsprechende Behandlungen eingeleitet werden, um Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Diese Ergänzung der bestehenden ambulanten Betreuung hilft besonders chronisch Kranken, die regelmäßig ambulant untersucht werden müssen und bei denen akute Phasen der Erkrankung auftreten. Telemedizin bietet diesen Patienten mehr Lebensqualität und individuelle Bewegungsfreiheit und kann zugleich die Qualität der ambulanten Betreuung verbessern. Nach den Ergebnissen der Studie Telemedical Interventional Monitoring in Heart Failure (TIM- HF), die zwischen 2008 und 2010 an der Charité und am Robert-Bosch Krankenhaus Stuttgart durchgeführt wurde, profitieren insbesondere Patientinnen und Patienten nach einer stationären Aufnahme und mit einer besonders geschwächten Herzfunktion (linksventrikuläre Ejektionsfraktion 40%) von dieser Art der Mitbetreuung. Das Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin an der Charité Ein Telemedizinzentrum an das die gemessenen Vitaldaten des Patienten (EKG, Gewicht, Blutdruck und Selbsteinschätzung des Wohlbefindens) übertragen werden, befindet sich an der
Charité (Abbildung 2). Fachpfleger und Fachärzte befunden die Werre in einer elektronischen Patientenakte täglich rund um die Uhr. Bei auffälligen Befunden leitet das medizinische Fachpersonal sofort entsprechende Maßnahmen ein. Diese reichen von der Kontaktierung des Patienten über Änderungen bei der Medikation in Absprache mit dem behandelnden Arzt bis zur Alarmierung des Notarztes. Im Fontane-Projekt kommt ein Telemedizin-System der vierten Generation zum Einsatz, dass sich durch die Aufnahme weiterer Parameter z.b. Daten von implantierten Defibrillatoren und Biomarkern auszeichnet und eine ständige ärztliche Verfügbarkeit voraussetzt. Abbildung 2: Das Mitbetreuungskonzept bei Fontane Charité Universitätsmedizin Berlin Die Klinische Studie TIM-HF II Seit Herbst 2013 wird das telemedizinische Mitbetreuungskonzept des Projektes in der klinischen Studie Telemedical Interventional Management in Heart Failure II (TIM-HF II) evaluiert. Das Studiendesign ist multizentrisch, randomisiert, prospektiv, offen, parallel und kontrolliert und entspricht damit höchsten internationalen Standards. Die TIM-HF II Studie hat zum Ziel, den Nachweis der Überlegenheit eines telemedizinischen Therapiemanagementansatzes bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nach einer Herzinsuffizienzhospitalisierung hinsichtlich Morbidität, Mortalität, Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur Standardtherapie zu erbringen.
Ein weiterer Schwerpunkt der klinischen Prüfung liegt auf der Eignung einer telemedizinischen Mitbetreuung zur Verbesserung der Versorgung herzinsuffizienter Patienten im strukturschwachen ländlichen Raum. Die Klinische Studie TIM-HF II Seit Herbst 2013 wird das telemedizinische Mitbetreuungskonzept des Projektes in der klinischen Studie Telemedical Interventional Management in Heart Failure II (TIM-HF II) evaluiert. Das Studiendesign ist multizentrisch, randomisiert, prospektiv, offen, parallel und kontrolliert und entspricht damit höchsten internationalen Standards. Die TIM-HF II Studie hat zum Ziel, den Nachweis der Überlegenheit eines telemedizinischen Therapiemanagementansatzes bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nach einer Herzinsuffizienzhospitalisierung hinsichtlich Morbidität, Mortalität, Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur Standardtherapie zu erbringen. Ein weiterer Schwerpunkt der klinischen Prüfung liegt auf der Eignung einer telemedizinischen Mitbetreuung zur Verbesserung der Versorgung herzinsuffizienter Patienten im strukturschwachen ländlichen Raum. An der klinischen Studie werden 1.500 Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz bis 2015 teilnehmen. Alle Patientinnen und Patienten werden während der Studie wie bisher durch ihren niedergelassenen Arzt Hausarzt und kardiologischer Facharzt betreut und notwendigen stationären Aufnahme werden weiterhin wohnortnah erfolgen. Die Hälfte dieser Studienpopulation, die durch das Zufallsprinzip ausgewählt wird, erhält für einen Zeitraum von zwölf Monaten die vier medizinische Geräte zur täglichen Messung der Vitalparameter: eine Waage, ein EKG-Gerät, ein Blutdruckmessgerät sowie das PhysioGate ein mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnetes Gerät zur Dokumentation der Selbsteinschätzung und Datenübertragung. Die Messwerte werden automatisch über Mobilfunk in eine im Projekt entwickelte elektronische Patientenakte im Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin an der Charité übertragen. Dort überwachen Fachärzte und Fachpfleger die eingehenden Daten rund um die Uhr. Die telemedizinische Intervention umfasst dabei vier Säulen der Betreuung: das Telemonitoring von Vitaldaten, die biomarkerbasierte Risikostratifizierung, die Patientenschulung sowie das Management von Komorbiditäten. Bei auffälligen Vitaldaten ist ein abgestuftes Vorgehen verabredet, das von der telefonischen Kontaktaufnahme mit den Patienten über die Dosisänderung der Medikation in Absprache mit dem behandelnden Arzt bis hin zur Alarmierung des Notarztes reicht. Die Studie zählt mit 1.500 Patienten zu den größten Telemedizin-Studien weltweit. Ihre Ergebnisse sollen entscheidend dazu beitragen, dass telemedizinische Mitbetreuung von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz sowohl in den medizinischen Leitlinien als auch in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ( Telemedizin auf Rezept ) aufgenommen wird.
Hierzu ist neben dem Nachweis der medizinischen Evidenz auch eine gesundheitsökonomische Analyse zur Finanzierbarkeit und zum Einsparpotenzial des Konzeptes notwendig. Durch die enge Zusammenarbeit mit den ambulanten medizinischen Leistungserbringern auf der einen Seite und mit den gesetzlichen Krankenkassen AOK Nordost und BARMER GEK auf der anderen Seite wird eine realitätsnahe Versorgungssituation abgebildet, um auch die Nachhaltigkeit der Studienergebnisse zu gewährleisten.
Harald Möhlmann, Geschäftsführer Versorgungsmanagement der AOK Nordost: Die chronische Herzinsuffizienz ist eine Krankheit, die das Leben und die Lebensqualität bedroht. Sie ist aber auch eine Krankheit, bei der die Versorgung der Patienten verbessert werden kann. Und da uns die Wissenschaft hierzu interessante, ergebnisorientierte Ideen liefert, setzt sich die AOK als Marktführer und größte Versorgerkasse im Nordosten dafür ein, den Weg für innovative Versorgungsprogramme frei zu machen. Dazu gehört auch, die Entwicklung dieser Programme und ihre spätere Umsetzung immer wieder an tatsächlich gemessenen positiven Effekten in der Betreuung und Versorgung unserer Versicherten auszurichten: dabei soll uns Professor Köhlers Arbeit helfen. Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK: FONTANE als Filter für den Einsatz von Telemonitoring Ärztemangel, Polypharmazie, doppelte Facharztschiene bei vielen großen Herausforderungen in der medizinischen Versorgung erscheint der Einsatz moderner Kommunikationsmittel plausibel. Gerade das Telemonitoring verspricht mehr Tempo und Transparenz. Nach vielen Diskussionen müssen wir allerdings nüchtern feststellen, dass weiterhin unklar ist, wie groß der medizinische Fortschritt durch Telemonitoring tatsächlich ausfällt. Man ist längst nicht soweit gekommen wie noch vor zehn, fünfzehn Jahren prognostiziert. Das hat in diesem Bereich weniger mit mentalen Blockaden (Ärzte) oder rechtlichen Hürden (Fernbehandlungsverbot) zu tun. Vielmehr ist es schlichtweg so, dass die Studienlage zum Telemonitoring noch nicht wirklich überzeugen kann. Die gesetzliche Krankenversicherung braucht Gewissheit darüber, welche Patienten vom Telemonitoring profitieren. Erst wenn dazu valide, evidenzbasierte Daten vorliegen, lässt sich ernsthaft darüber nachdenken, inwiefern Telemonitoring Bestandteil der Regelversorgung bzw. des Honorierungssystems werden kann. Deshalb setzen wir auf die Filterfunktion von ambitionierten Studien der evidenzbasierten Medizin und der Versorgungsforschung. Diese mögen etwas länger dauern und am Ende den Geltungsbereich neuer Technologien und Arzneimittel bisweilen einschränken. Damit werden aus unserer Sicht aber echte Innovationen ermöglicht, die den Patienten und dem Gesundheitswesen nützen. Telemonitoring-Projekte gibt es viele. Aber es gibt derzeit nur eines in Deutschland, das die von uns gewünschte methodische Güte aufweist. Prof. Köhler und sein Team bringen die entsprechende Expertise mit und sie zeigen den erforderlichen langen Atem, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Die BARMER GEK hat von Anfang an auf dieses Projekt der Charité gesetzt und schon die Vorläuferstudie Partnership for the heart unterstützt. Damals deuteten sich therapeutische Effekte für einen kleinen Teil der Studienpopulation an. Vom Referenzprojekt Fontane erwarten wir nun vertiefende Erkenntnisse über die medizinischen und gesundheitsökonomischen Potentiale.
Tatsächlich kann Fontane eine Filterfunktion für das Telemonitoring im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung übernehmen. Zunächst erfolgt eine sinnvolle Indikationsauswahl. Anders als im Umgang mit ihrer Krankheit geschulte Diabetiker können Herzschwäche-Patienten Daten zwar erheben und übermitteln, aber nicht interpretieren. Auch die Intervention müssen sie medizinischen Fachleuten überlassen. Ein weiterer Pluspunkt, neben der breiteren Datenbasis, ist der Fokus auf Einsatzmöglichkeiten in strukturschwachen Gebieten. Gerade im ländlichen Raum müssen wir die medizinische Versorgung flexibler gestalten und von der arztzentrierten Präsenzmedizin wegkommen. Das entlastet die Ärzteschaft und fördert die sektorübergreifende Vernetzung. Eine Schlüsselrolle spielt dabei sicherlich der verstärkte Einsatz medizinischer Fachkräfte Stichwort Delegation ärztlicher Leistungen. Ob auch die gezielte Anwendung von Telemonitoring dabei behilflich ist, Versorgungslücken zu schließen, wird hoffentlich diese Studie klären.
AOK Nordost Die AOK Nordost ist mit rund 1,8 Millionen Versicherten die größte regionale Krankenkasse in den drei Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. In über 100 wohnortnahen AOK-Servicecentern können sich die Versicherten persönlich beraten lassen. Telefonisch rund um die Uhr erreichbar ist die AOK Nordost über das kostenfreie Service-Telefon 0800 2650800. Weitere Informationen unter www.aok.de/nordost BARMER GEK Mit 8,7 Millionen Versicherten ist die BARMER GEK Deutschlands größte gesetzliche Krankenkasse. Sie ist 2010 aus dem Zusammenschluss der beiden Traditionsunternehmen BARMER und Gmünder ErsatzKasse GEK hervorgegangen. Mit bundesweit rund 15.000 Mitarbeitern in 800 Geschäftsstellen bildet sie ein engmaschiges persönliches Beratungsnetz zu Gesundheitsfragen. Charité Universitätsmedizin Berlin Die Charité ist eines der ältesten und traditionsreichsten Krankenhäuser Deutschlands und zählt zu den größten Universitätsklinken Europas. Weltweit wird sie als ausgezeichnete Ausbildungsstätte geschätzt. Der Campus verteilt sich auf vier Standorte, zu denen über 100 Kliniken und Institute gehören. In ihrer über dreihundertjährigen Geschichte und mit ihren acht Nobelpreisträgern hat sich die Charité einen einzigartigen Ruf erworben. Mehr als 13.000 Mitarbeiter folgen jeden Tag dem Motto Forschen, Lehren, Heilen, Helfen. Sowohl in der präklinischen Forschung als auch in der klinischen Entwicklung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Innovationen im Gesundheitswesen erzielt die Charité exzellente Leistungen. Sie verbindet Fürsorglichkeit, Wissenschaftlichkeit, Verantwortung, Respekt und Unternehmertum in der Universitätsmedizin im Interesse eines selbstbestimmten Lebens.