Telematik und Telemedizin sind kein Selbstzweck
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- Gretel Bäcker
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1 TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, Oktober 2014
2 Ausgangslage Das Gesundheitswesen in Nordrhein-Westfalen widmet sich seit vielen Jahren mehr als in anderen Bundesländern der Telemedizin und der Telematik. Zahlreiche hoffnungsvolle, innovative Ansätze dazu entstammen der wissenschaftlichen und medizinisch-technischen Forschungslandschaft in NRW. Allerdings gelingt es noch zu selten, neue und fortschrittliche Methoden der Telematik im Medizinbetrieb zu etablieren. Misstrauen und ökonomisches Kalkül, aber auch rechtliche Hürden und berufspolitische Interessen, erschweren den Zugang der Telemedizin und der Telematik in das Gesundheitswesen. Digitalisierung im Gesundheitswesen Ohne den Einsatz von Computertechnologien ist ein leistungsfähiges Gesundheitswesen nicht mehr vorstellbar. Ob im Operationssaal oder bei der Laboranalyse, von der Dokumentation bis hin zur Leistungsabrechnung, ohne vielfältige digitale Prozesse kann heute kein Bereich der modernen Medizin mehr einen optimalen Beitrag zur Behandlung der Patienten beisteuern. Dennoch fehlt es fast immer an der vernetzten Kommunikation und der Zusammenarbeit. Kaum eine Arztpraxis arbeitet heute digital mit einer anderen Arztpraxis oder einem Krankenhaus zusammen, oft schon allein nur deshalb, weil die jeweiligen Computerprogramme technisch nicht die gleiche Sprache sprechen. Während bereits längst digitalisierte Befunde weltweit von ärztlichen Expertenteams diskutiert werden können, erhalten Patienten noch immer Papierrezepte, um sich damit ihre Medikamente zu beschaffen. Neben digitaler Spitzentechnologie finden sich im deutschen Gesundheitswesen viele technische Insellösungen und auch immer noch analoge Prozesse, die längst veraltet sind. Dieses technische Nebeneinander kostet unnötige Ressourcen und erschwert letztlich den Zugang der Patienten zum medizinischen Fortschritt. Telematik und Telemedizin sind kein Selbstzweck In der Vergangenheit wurde oft kritiklos die Euphorie über die schier unendlichen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters auf den Medizinbetrieb übertragen. Allerdings kann der Einsatz von digitaler Technik in der Medizin kein Selbstzweck sein. Grundsätzlich muss eine neue Methode auch den Beweis erbringen, den bisherigen Verfahren überlegen zu sein. Deshalb sind telemedizinische Verfahren zunächst daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich einen medizinischen oder gesundheitsökonomischen Nutzen stiften. Telemedizin, Telematik, E-Health in NRW - TK-Landesvertretung NRW, Oktober
3 Auch muss den Bedürfnissen der Patienten nach persönlicher Hilfe und menschlicher Zuwendung als wichtige Bestandteile des Heilungsprozesses Rechnung getragen werden. Sollte sich allerdings herausstellen, dass Mängel in der medizinischen Versorgung am besten durch telemedizinische Ansätze behoben werden können, muss es kürzere Wege für diese Methoden in das Gesundheitswesen geben als bisher. Lösungsorientierte Betrachtungen Bereits heute kann die telematische Zusammenarbeit von medizinischen Professionen dazu genutzt werden, Expertenwissen am Point of Care zeitnah zur Verfügung zu stellen. Ob im Notfall, bei Komplikationen oder seltenen Krankheitsverläufen: Schon heute können Experten vor Ort per Telematik zu Rate gezogen werden, um aus der Distanz zu helfen. Spitzenmedizin und interdisziplinäre Zusammenarbeit können so wesentliche Beiträge zum Behandlungserfolg leisten, ohne dass Patienten diesem spezialisierten Know-how hinterher reisen oder gar per Hubschrauber dorthin verlegt werden müssen. Insbesondere in ländlichen oder strukturschwachen Räumen kann Telemedizin dazu beitragen, eine hochwertige medizinische Versorgung sicherzustellen. Die TK in NRW setzt sich dafür ein, dass diese Ansätze etabliert werden. Echte Hilfe auch online Ein weiterer sinnvoller Ansatz der Telematik richtet sich direkt an Patienten selbst. Durch internetbasierte Schulungs- oder Monitoring-Programme können Krankheitsverläufe besser überwacht oder Patienten in ihrer gewohnten Umgebung daheim unterstützt werden. Eine Internettherapie als eine strukturierte, online-basierte Intervention unter ebenfalls vollständig online-basierter Betreuung durch einen persönlichen Therapeuten erweist sich zum Beispiel bei psychischen Erkrankungen in verschiedenen Studien immer wieder als hochwirksam. Diese Ansätze wie auch umfangreiche internetbasierte Coaching-Angebote werden ebenfalls von der TK gefördert und zur Verfügung gestellt. Zusammenarbeit und Transparenz verbessern Wesentliche Beiträge können Telematik und Telemedizin allein schon durch eine verbesserte, online-basierte Dokumentation leisten. So ist eine standardisierte, sektorübergreifende Telemedizin, Telematik, E-Health in NRW - TK-Landesvertretung NRW, Oktober
4 Arzneimitteldokumentation die Voraussetzung, um unerwünschte Wechselwirkungen von Arzneimitteln auszuschließen. Gleiches gilt für digitale Patientenakten oder auch nur elektronische Entlassbriefe, die die Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Professionen und Versorgungssektoren erleichtern können. Diese Systeme verschaffen den Versicherten potenziell einen erleichterten und vollständigen Zugang zu ihren medizinischen Daten, der heute oft kaum möglich erscheint. Sicherheit geht vor Bei der Übertragung von medizinischen Daten müssen sich die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit an den höchsten Maßstäben messen lassen. Deshalb können dazu nicht ohne weiteres schon bestehende Netzwerke, die zum Beispiel Abrechnungszwecken bei den KVen dienen, benutzt werden. Bundesweit einheitliche Sicherheitsstandards und Zertifizierungsverfahren müssen bei der Übertragung sensibler Daten verbindlich gelten. Neben der Verhinderung von Missbrauch medizinischer Daten durch unberechtigten Zugriff sind auch verbindliche Konzepte zum Datenerhalt erforderlich. Telemedizin braucht Rahmenbedingungen Viele erfolgversprechende Ansätze der Telemedizin haben es oft schwer, in die Wirklichkeit der medizinischen Versorgung vorzudringen. Häufig sind technische oder rechtliche Hürden im Weg. Die sektorale Zergliederung unseres Gesundheitssystems spiegelt sich auch technisch, insbesondere in der Software, wider. Schnittstellenprobleme durch unterschiedliche Normen und Standards sind die Folge und verhindern so oft einen sinnvollen Datenaustausch der Akteure. Hier fehlen bis heute technische Vorgaben, die allgemein verpflichtend sind und einen stärker kreativen Wettbewerb der IT-Anbieter befördern würden. Da telemedizinische Ansätze typischerweise über Versorgungsgrenzen, zum Beispiel zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor, hinausgehen, sind sie gut geeignet, zunächst in einem selektiven Versorgungsvertrag erprobt zu werden, um sie im Erfolgsfall in die Regelversorgung zu überführen. Die derzeitigen Regularien zur integrierten Versorgung erschweren das allerdings in vielen Fällen. Bei der Etablierung neuer telematischer Verfahren im Rahmen der integrierten Versorgung besteht die Schwierigkeit, dass es sich dabei um Leistungen handelt, die über den Umfang der Regelversorgung der GKV hinausgehen. Telemedizin, Telematik, E-Health in NRW - TK-Landesvertretung NRW, Oktober
5 Ebenso verhindern die nachzuweisenden Wirtschaftlichkeitseffekte telemedizinische Versorgungsangebote, deren Nutzen in der Verbesserung der Patientenversorgung liegt oder deren Einsparziele erst nach einigen Jahren erreicht werden. Fazit Auch Dank der landespolitischen Förderung können in der Technik- und Wissenschaftslandschaft Nordrhein-Westfalens viele telemedizinische Projekte auf hoffnungsvolle Ergebnisse verweisen. Insbesondere Ansätze, die den Know-how-Transfer und die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen fördern und den Patienten den Zugang zu einer hochwertigen medizinischen Versorgung erleichtern, sind überzeugend. Nötig sind aber noch bundesweit verpflichtende Normen und Standards, die die Schnittstellenprobleme beim Datenaustausch zwischen den Akteuren beseitigen könnten. Der Abbau von Hemmnissen bei der Umsetzung von Selektivverträgen und eine gemeinsame Implementationsstrategie aller Beteiligten könnten die erfolgreiche Etablierung der Telemedizin befördern. TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen Bismarckstraße Düsseldorf Tel Fax Verantwortlich: Günter van Aalst Telemedizin, Telematik, E-Health in NRW - TK-Landesvertretung NRW, Oktober
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