Ressourcenorientierte Behandlung von Traumafolgestörungen



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Transkript:

Ressourcenorientierte Behandlung von Traumafolgestörungen Prof. Dr. med. Martin Sack Klinik für Psychosomatische Medizin Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

Unmittelbare Ziele einer konfrontativen Behandlung der Traumafolgesymptomatik Aufheben der durch die peritraumatische Dissoziation verursachten Erinnerungsfragmentierung Reduktion traumatischer Ängste durch Habituation Modifikation der traumatischen Erinnerung durch Verknüpfen mit funktionaler Information Korrektur dysfunktionaler Kognitionen und emotionaler Bewertungen (z.b. Scham, Schuld, Ekel) Ermöglichen von Erfahrungen von Kontrolle und Bewältigung

Veränderung von Erinnerungen durch Traumatherapie Traumatisches Ereignis Bewältigungserfahrungen Trigger Konsolidierte Traumaerinnerung Reaktivierte Traumaerinnerung Rekonsolidierung der Erinnerung Sicherheit, Ressourcen Funktionale Information Labiler Zustand Stressreaktion PTSD Symptome Modizifiert nach: Pitman RK, Biol. Psychiatry 59 (2006), 155

Indikation zur konfrontativen Behandlung Es liegt eine Traumafolgesymptomatik vor Ein Behandlungsplan wurde erstellt Die Traumafolgesymtomatik ist vordringlich zu behandeln Es bestehen geeignete Rahmenbedingungen (Arbeitsbündnis, ausreichend Zeit, Möglichkeiten zu Krisengesprächen) Die Patientin wurde über Risiken und Nebenwirkung einer konfrontative Behandlung aufgeklärt Es wurde besprochen, welche Hilfsangebote bei Krisen in Anspruch genommen werden können Ein Behandlungsauftrag wurde durch die Pat. erteilt

Risiken einer einseitig stabilisierenden Behandlung Übermäßiges Stabilisieren fördert Vermeidungsverhalten Die Selbstwahrnehmung als Opfer, das besonderen Schutz braucht, wird verstärkt Konfrontative Behandlung wird zu einem angstbesetzten Ziel, das (wenn überhaupt) erst nach langer Vorbereitung erreichbar wird Psychisches Leiden wird verlängert

Risiken einer konfrontativen Behandlung der Traumafolgesymptomatik Die Behandlung wird so aversiv erlebt, dass weitere Konfrontation abgelehnt wird Es kommt zur Destabilisierung durch Aktualisierung traumatischer Erinnerungen (verstärkte intrusive Symptomatik) In Folge der Konfrontation mit der Traumaerinnerung treten kompensatorische Symptome verstärkt auf (z.b. Dissoziative Symptome, Selbstverletzen, Suizidalität) Es tauchen (unvorhergesehen) weitere traumatische Erinnerungen auf

Stabilisieren oder Konfrontieren: keine Alternative! Das klassische Phasenmodell der Psychotraumatherapie bestehend aus: Stabilisieren, Stabilisieren, Stabilisieren Konfrontativer Bearbeitung der Traumafolgesymptomatik Wiederanknüpfungsphase ist inzwischen überholt Neues Modell: Stabilisierung durch Konfrontation Konfrontation durch Stabilisierung

Empfehlungen für eine schonende Traumafokussierung Von der Alltagssymptomatik aus arbeiten Einsatz von Techniken zur Distanzierung Ressourcenaktivierung Veränderung des traumatischen Narrativs Zuwendung zur inneren Not Förderung von Bewältigungserfahrungen

Behandlungselemente schonender Traumatherapie Ein Modell Modifizieren der traumatischen Stressreduktion und Erinnerung Ressourcenaktivierung Therapeutische Beziehung (Aktivierung des Bindungssystems) Therapeutisches Setting (Aktivierung eines Sicherheitsgefühls) Dosieren der Belastung während der Bearbeitung der Traumafolgesymptomatik (Distanzierungstechniken, Ressourcenaktivierung) Schutz und Nachversorgung für traumatisierte Ich-Anteile (sog. Innere-Kind Arbeit) Zuwendung zur inneren Not (Wahrnehmen und Anerkennen von Schmerz, Trauer, Wut etc.) Exploration des Traumagedächtnisses (fragmentierte Erinnerungsanteile ergänzen) Assoziieren positiver Informationen (z.b. Perspektive von heute: 'ich habe überlebt') Dysfunktionale Kognitionen modifizieren (Arbeit an Scham, Schuldgefühlen etc.) Verändern des Narrativs (Förderung von Bewältigungserfahrungen)

Innere Not / Therapiebedürfnisse bei Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen Sicherheit und Kontrolle gewinnen Zuwendung und Beachtung erfahren Unterstützung erleben Selbstfürsorge ausüben Eigene Bedürfnisse formulieren Grenzen setzen lernen Sich als Handlungsfähig erleben Selbstakzeptanz fördern Umgang mit Wut und Ärger lernen Trauer und Schmerz verarbeiten

Warum werden konfrontative Behandlungen zu selten angewendet? Patienten äußern Angst vor Konfrontation, Angst steckt an Sorge vor Schädigung und Destabilisierung (Defensive Behandlungsstrategie) Therapeuten haben Angst vor der Heftigkeit des seelischen Schmerzes ihrer Patienten Es braucht Ausbildung, Selbsterfahrung und Supervision mit dem Ziel der Stabilisierung von Therapeuten Leiden ist conditio humana, eine menschliche Lebensbedingung, kein Symptom das man um jeden Preis wegbehandeln muss

Besonderheiten der konfrontativen Behandlung bei Patienten mit komplexen dissoziativen Störungen Hier besteht eine Gefahr zur Destabilisierung durch Konfrontation, da Erinnerungsbarrieren durchbrochen werden können Vermeidungsverhalten bezüglich innerer Wahrnehmungen führt dazu, das belastende Emotionen nicht wahrgenommen werden Die Gegenübertragung bietet keine verlässlichen Informationen für die Steuerung der Therapie Dissoziation während der Konfrontation behindert nachweislich Lernvorgänge und muss beachtet werden Die Fähigkeit zur Selbstfürsorge ist entscheidend für die Möglichkeit zur konfrontativen Arbeit Es sollte in besonderem Maße darauf geachtet werden, dass in jeder Therapiesitzung Erfahrungen von Bewältigung erreicht werden können (soweit möglich)

Einteilung spezifischer Traumafolgestörungen nach Komplexitätsgraden und Behandlungsbedürfnisse Bei PTBS ohne Komorbidität (selten) Konfrontative Behandlung entsprechend empirischer Evidenz Bei PTBS mit komorbider Symptomatik (z.b. Suchterkrankung, Angststörung) Spez. Therapieplanung bei Komorbidität (Spezielle Bedingungen der Indikationsstellung konfrontativer Verfahren, Hierarchisierung von Therapiezielen) Störungsspezifische Ansätze bezogen auf die komorbide Problematik Bei PTBS mit komorbider persönlichkeitsprägender Symptomatik Förderung der Beziehungsfähigkeit und der Fähigkeit zu interpersonellen Kompetenz Aufbau selbstfürsorglicher Verhaltensweisen/ Förderung von Alltagsressourcen Vermittlung von Strategien zum Umgang mit Krisensituationen Bearbeitung traumaassoziierter Emotionen und dysfunktionaler Kognitionen Bei PTBS mit komorbider Dissoziativer Störung zusätzlich: Förderung der Gegenwartsorientierung (Einsatz antidissoziativer Skills) Förderung von Wahrnehmung, Kontrolle und Steuerungsfähigkeit zuvor dissoziierter Bereiche des Erlebens