Pädagogische Hochschule Freiburg Institut für Erziehungswissenschaft Seminar: Schultheoretische Aspekte der Ganztagspädagogik Dozent: Prof. Dr. Alfred Holzbrecher Wintersemester 2007/2008 Hausaufgaben in der Ganztagesgrundschule Martin Bernauer Sport / Mathematik / Biologie Grund- und Hauptschullehramt Schwerpunkt: Grundschule Freiburg, den 15.April 2008
1. Hausaufgaben in der Ganztagesgrundschule 1.1. Hausaufgaben in der Halbtagesgrundschule 1.1.1. Ziel von Hausaufgaben Laut Bildungsrat sollten die Hausaufgaben in der Halbtagesgrundschule besonders zur Förderung und Herausbildung einer selbstständigen Lern- und Arbeitshaltung angesehen werden. Die Hausaufgaben sollten zu Hause zur Vorbereitung des Unterrichts gemacht werden, und den Schüler/innen in gewissem Maße Spaß bereiten. Übungstätigkeiten zu den verschiedenen Unterrichtssegmenten sollten dann im Unterricht mit den Lehrkräften bearbeitet werden. 1.1.2. Realität Allerdings sieht dies in der Realität ganz anders aus. Da die Selbstständigkeit der Schüler/innen nicht im Vorfeld ausreichend in der Schule ausgebildet wurde, können die Schüler/innen oftmals die Hausaufgaben nicht eigenständig zu Hause bearbeiten, was zur Folge hat, dass die Eltern nach Rat gefragt werden. Somit werden einzelne Unterrichtsfunktionen an das Elternhaus weitergegeben, das heißt, fachliche und inhaltliche Betreuungsaufgaben werden an die Eltern abgeschoben. Als Resultat kommt es zu einer Verschulung der Eltern- Kind-Beziehung. 1.2. Hausaufgaben in der Ganztagesgrundschule 1.2.1. Bildungsrat fordert Ganztagesschulen Das oben beschriebene Problem der Hausaufgaben in der Halbtagesschule wird als einer der Gründe für die Notwendigkeit einer Ganztagesschule vom Bildungsrat genannt. Deswegen fordert dieser, dass die Hausaufgaben in die Schule, beziehungsweise in den Unterricht integriert werden sollen. Allerdings dürfe dieser Schulkontext nicht einfach eine ausgeweitete Halbtagesschule sein, sondern müsse sich pädagogisch ausweisen, und zwar durch eine Reihe von Maßnahmen, wie differenzierter Unterricht, alternative und flexiblere Arbeits- und Organisationsformen, Gestaltung eines neuen Lehrer-Schüler- Verhältnisses, höher entwickelte Formen der Kooperation zwischen Elternhaus und Seite 2 von 5
Schule, mehr Mitbestimmung der Schüler/innen und der Einbezug neuer Erfahrungsbereiche in Schule. 1 1.2.2. Problem der Integration von Hausaufgaben in den Unterricht Betrachtet man das Ziel, in der Schule mehr Chancengleichheit zu erreichen, werden im Zusammenhang mit der Integration von Hausaufgaben in den Unterricht die individuelle Förderung und die Differenzierung als Probleme genannt. Eine schnelle, aber nicht mit dem Ziel der Ganztagesschule verfolgende Lösung dieser Probleme wäre, die Hausaufgaben nachmittags an den normalen Unterricht anzuhängen. Somit hätte man allerdings keine Ganztagesschule, sondern eine ausgeweitete Halbtagesschule. 1.2.3. Lösungsformen zur Integration von Hausaufgaben in den Unterricht Mit der Integration von Hausaufgaben in den Unterricht wird im Gegensatz zur Halbtagesschule in der Ganztagesschule die Aufgabe der Schule Persönlichkeitsentwicklung in und durch Schule zu organisieren angenommen. Allerdings gibt es wie oben beschrieben auch hier noch einige Probleme zu bewältigen. Um die Integration von Hausaufgaben in den Unterricht zu konkretisieren, gibt es zwei Grundformen, die unterschieden werden: die additive und die integrative Lösungsform 2. A d d i t i v e L ö s u n g s f o r m: Die additive Lösungsform ist laut Bildungsrat keine wirkliche Lösungsform, da sie der Integration von Hausaufgaben in den Schulalltag entspricht. Das heißt, es gibt feste Zeiten, zu denen die Hausaufgaben bearbeitet werden, zusätzlich gibt es Übungsaufgaben. Die Hausaufgaben werden also einfach zu 1 Nilshon, Ilse: Schule ohne Hausaufgaben? Eine empirische Studie zu den Auswirkungen der Integration von Hausaufgabenfunktionen in den Unterricht einer Ganztagsgrundschule. [u.a.] : Waxmann, 1995 (= Internationale Hochschulschriften ; 164). Seite 24. 2 Vgl. Nilshon, Ilse: Schule ohne Hausaufgaben? Seite 3 von 5
Schulaufgaben umfunktioniert, die Grundstruktur Unterricht mit Hausaufgaben bleibt aber behalten. I n t e g r a t i v e L ö s u n g s f o r m: Im Gegensatz zur additiven Lösungsform entspricht diese der Integration der Hausaufgaben in den Unterricht. Laut Schwemmer (Analyse der Hausaufgabenverordnung von 1980) gibt es folgende wichtige didaktisch-methodische Funktionen der Hausaufgaben: die unterrichtsvorbereitende, die unterrichtsunterstützende, die übende ( ), die anwendende ( ), die motivierende und die informierende Funktion. 3 Das Ziel der integrativen Lösungsform ist es, diese Funktionen der Hausaufgaben in den Unterricht zu integrieren. Ebenso versucht die integrative Lösungsform der erzieherischen Funktion, nämlich die Erziehung zur Selbstständigkeit, nachzukommen. Mit der integrativen Lösungsform ergibt sich für den Lehrenden und den Lernenden eine Vielzahl an Vorteilen. Für den Lehrenden besteht die Möglichkeit, einen wesentlich systematischeren Verlauf des Unterrichts vorzubereiten und ein Wechselspiel zwischen Wahrnehmen, Verstehen, Üben und Anwenden des zu lernenden Gegenstandes für den Lernenden darzubieten. Ebenso können übungsintensivere Phasen im Unterricht durch Einbeziehung verschiedener Organisationsformen, wie Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit hergestellt werden. Durch diese Rhythmisierung des Unterrichts entstehen auch neue didaktische Möglichkeiten, da zum Beispiel eine zeitliche Veränderung im Unterricht ermöglicht wird. So könnten für übungsintensivere Fächer zwei 60-Minuten-Blöcke am Tag eingeführt werden. Die Umsetzung der oben genannten Hausaufgabenfunktionen wird so den Lehrer/innen und Schüler/innen vereinfacht. Selbstverständlich ist Voraussetzung für einen Lernerfolg mit der Integration aller Arbeitsphasen in den Unterricht, dass die Lehrperson sich ihren Aufgaben bewusst ist, und mit diesen verantwortungsvoll zu arbeiten weiß. 3 Nilshon, Ilse: Schule ohne Hausaufgaben? Seite 39/40. Seite 4 von 5
1.3. Fazit Eine Schule ohne Hausaufgaben ist für die Schüler/innen sicherlich von Vorteil. Durch Hausaufgaben und der daraus resultierenden Verlagerung einiger Unterrichtsfunktionen in das Elternhaus, wird vor allem die Eltern-Kind Beziehung geschädigt. Die Eltern übernehmen Aufgaben, die eigentlich der Institution Schule angehören, was zur Folge hat, dass die Schule, bzw. die Leistungen in der Schule (Schulnoten) mehr und mehr zum Thema innerhalb der Familie werden und dies zu größeren Konflikten führen kann. Darüber hinaus wird die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler/innen durch die Abgabe dieser Funktionen vernachlässigt. In der heutigen Gesellschaft ist es sehr wichtig, früh zu lernen, wie man mit Problemen und Konflikten eigenständig, aber auch in Zusammenarbeit mit Anderen, umgeht. Durch die Integration der Hausaufgaben in den Unterricht werden diese Fähigkeiten deutlich besser gefördert und gelernt. Abschließend möchte ich noch von meinen eigenen Erfahrungen zum Thema Hausaufgaben in der Ganztagesschule, die ich in einem Praktikum an einer Ganztagesschule 4 gemacht habe, berichten. Die Schüler/innen bekamen wöchentlich einen sogenannten Wochenplan, welcher zu verschiedenen Fächern verschiedene Aufgaben beinhaltete. Im Stundenplan waren 5x45 Minuten zur Bearbeitung dieser Aufgaben vorgesehen. Jeder Schüler konnte während dieser Zeit selbst bestimmen, welche Aufgaben er bearbeiten möchte. Am Ende der Woche wurden die Aufgaben an die Lehrkraft abgegeben. Ich konnte beobachten, dass die Schüler/innen selbstständig diese Aufgaben bearbeiteten und jeder Einzelne eine hohe Kompetenz an eigenständigem und selbstverantwortlichem Handeln mit sich brachte. In der Gruppe war immer wieder die hervorragende Teamfähigkeit zu beobachten. Als Beispiel habe ich einen Wochenplan der 2.Klasse dieser Schule als Anlage beigefügt (Seite 12). 4 Ludwig-Uhland-Schule in 75217 Birkenfeld Seite 5 von 5