Willensfreiheit. Seminar: Bewußtsein Dozent: Prof. Dr. J. Funke Referenten: Florian Bähner, Carsten Dünckel, Marc Jekel

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Transkript:

Willensfreiheit Seminar: Bewußtsein 23.6.2003 Dozent: Prof. Dr. J. Funke Referenten: Florian Bähner, Carsten Dünckel, Marc Jekel

INHALT Gibt es einen freien Willen? Das 3-Komponenten-Modell Determinismus und Willensfreiheit Positionen zur Willensfreiheit Argumente zur Willensfreiheit Neurophilosophie Libet- Experiment: Voraussetzungen Ausgangsfrage Begriffsdefinitionen Operationalisierung Aufbau des Experiments Ergebnisse Gütekriterien Interpretation Kritik

INHALT Gibt es einen freien Willen? Das 3-Komponenten-Modell Determinismus und Willensfreiheit Positionen zur Willensfreiheit Argumente zur Willensfreiheit Neurophilosophie Libet- Experiment: Voraussetzungen Ausgangsfrage Begriffsdefinitionen Operationalisierung Aufbau des Experiments Ergebnisse Gütekriterien Interpretation Kritik

Gibt es einen freien Willen? (1) Das Problem der Willensfreiheit (WF) gehört zu den ewigen Problemen der Philosophie. Problematisch ist, dass es keine einheitliche Definition der Willensfreiheit gibt. Definition der WF anhand eines 3-Komponenten-Modells: Eine Person hat dann einen freien Willen, wenn in einer kritischen Anzahl ihrer Handlungen und Entscheidungen drei zentrale Bedingungen zugleich erfüllt sind. Die Person: a) könnte auch anders handeln (Alternativismus) b) handelt aus verständlichen Gründen/ nicht willkürlich (Intelligibilität) c) und ist Urheberin ihrer Handlungen (Urheberschaft).

Gibt es einen freien Willen? (2) Eine Willensfreiheit, die alle drei Komponenten in ihrer stärksten Interpretation erfüllt, kann nicht existieren. Philosophische Theorien der Willensfreiheit versuchen nun entweder zu zeigen, wie eine Welt beschaffen sein müsste, die eine starke Form der WF erlauben würde, oder wie weit die Interpretationen abgeschwächt werden müssten, um eine plausible Charakterisierung von WF zu erhalten.

INHALT Gibt es einen freien Willen? Das 3-Komponenten-Modell Determinismus und Willensfreiheit Positionen zur Willensfreiheit Argumente zur Willensfreiheit Neurophilosophie Libet- Experiment: Voraussetzungen Ausgangsfrage Begriffsdefinitionen Operationalisierung Aufbau des Experiments Ergebnisse Gütekriterien Interpretation Kritik

Das 3-Komponenten-Modell (1) Anderskönnen/ Prinzip der alternativen Möglichkeiten: Hätten wir uns in einer bestimmtem Situation (vollkommen identischen Bedingungen) anders entscheiden können, als wir es tatsächlich getan haben? Wenn das zutrifft besitzen wir noch keine WF, da Anderskönnen eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen freien Willen ist. Wir würden nämlich nur einer Person WF zusprechen, die in einer Entscheidungssituation ihre Wahlmöglichkeiten und deren Folgen zumindest teilweise reflektiert, um vor dem Hintergrund dieses Wissens aus prinzipiell einsehbaren Gründen eine der Alternativen verwirklicht (intelligibles Handeln).

Das 3-Komponenten-Modell (2) Urheberschaft bezeichnet die Vorstellung, dass unsere Handlungen und Entscheidungen bei uns liegen. Nach Kant ist WF daher charakterisiert, dass eine Person eine Kausalkette von selbst anfangen kann (Erstauslösung). Anderskönnen und Urheberschaft sind logisch voneinander unabhängige Begriffe.

INHALT Gibt es einen freien Willen? Das 3-Komponenten-Modell Determinismus und Willensfreiheit Positionen zur Willensfreiheit Argumente zur Willensfreiheit Neurophilosophie Libet- Experiment: Voraussetzungen Ausgangsfrage Begriffsdefinitionen Operationalisierung Aufbau des Experiments Ergebnisse Gütekriterien Interpretation Kritik

Determinismus und Willensfreiheit (1) Der Determinismus besagt, dass es für alles, was geschieht, Bedingungen derart gibt, die bewirken, dass alles so und nicht anders geschieht. Die Ereignisse der Welt unterliegen also Gesetzen, so dass einem Zustand des Systems Welt nur ein einziger Zustand (und nur genau der) folgen kann. Die vor Urzeiten festgelegten Anfangsbedingungen bestimmen unsere Zukunft vollständig. Voraussagbarkeit setzt Determinismus voraus aber nicht umgekehrt. Indeterminismus bedeutet nicht, dass alle, sondern einige Ereignisse indeterminiert sind.

Determinismus und Willensfreiheit (2) Es ist bis jetzt unbekannt, ob unsere Welt deterministisch oder indeterministisch ist! Der Determinismus ist für alle drei Komponenten direkt oder indirekt relevant. Wenn der Determinismus wahr ist (durch vorherige Bedingungen gibt es nur eine Möglichkeit), dann haben wir gar keine echten Alternativen. In seiner starken Form ist das Konzept der alternativen Möglichkeiten nur mit dem Indeterminismus vereinbar!

Determinismus und Willensfreiheit (3) Die Vorstellung, dass Handlungen durch Gründe determiniert sind, widerspricht einer indeterministischen Interpretation des Anderskönnens. Wenn man also Gründe als kausale Ursachen von Handlungen annimmt, dann kann eine indeterministische Wahl nicht intelligibel sein, sondern irrational und zufällig. Die Urheberschaft hat für die Frage der moralischen Verantwortung eine sehr große Bedeutung. Sollen setzt können voraus. Kann man einem Straftäter eine Schuld zuweisen, wenn der Determinismus wahr ist? Unsere Handlungen wären dann überspitzt gesagt nur Konsequenzen aus der Zeit vor unserer Geburt, für die wir nun wirklich nichts können.

Determinismus und Willensfreiheit (4) Determinismus und Indeterminismus sind komplemetäre Begriffe. Komplemetäre Begriffe erschöpfen zusammen den Bereich der überhaupt möglichen Gegenstände (Bsp.: Mensch-Nichtmensch). Da unsere Definition von WF weder mit dem Determinismus (Anderskönnen) noch mit dem Indeterminismus (Intelligibilität) vereinbar ist, kann es schon rein theoretisch keinen freien Willen mit einer starken Interpretation aller drei Komponenten geben (nofree-will-either-way-theory). Mindestens eine der drei Komponenten muss also abgeschwächt werden.

INHALT Gibt es einen freien Willen? Das 3-Komponenten-Modell Determinismus und Willensfreiheit Positionen zur Willensfreiheit Argumente zur Willensfreiheit Neurophilosophie Libet- Experiment: Voraussetzungen Ausgangsfrage Begriffsdefinitionen Operationalisierung Aufbau des Experiments Ergebnisse Gütekriterien Interpretation Kritik

Positionen zur Willensfreiheit Die Arbeit eines Philosophen besteht also darin zu untersuchen, welche Interpretation erfüllt ist, und ob das, was noch bleibt, den Namen Willensfreiheit noch verdient hat. Libertarismus: Die These, dass es WF gibt: Zumindest einige Menschen handeln manchmal frei in dem Sinne, dass die drei Komponenten in einer starken Interpretation zugleich erfüllt sind. Antilibertarismus: Die These, dass der Libertarismus nicht zutrifft. Kompatibilismus: Die These, dass es eine hinreichend starke Version der Willensfreiheit gibt, die mit dem Determinismus vereinbar ist. Inkompatibilismus: Die These, dass jede hinreichend starke Version der Willensfreiheit nicht mit dem Determinismus vereinbar ist. Libertarier sind Inkompatibilisten.

INHALT Gibt es einen freien Willen? Das 3-Komponenten-Modell Determinismus und Willensfreiheit Positionen zur Willensfreiheit Argumente zur Willensfreiheit Neurophilosophie Libet- Experiment: Voraussetzungen Ausgangsfrage Begriffsdefinitionen Operationalisierung Aufbau des Experiments Ergebnisse Gütekriterien Interpretation Kritik

Argumente zur Willensfreiheit (1) 1. Pseudoargumente: a) Intuitionsargument: Wir haben die starke Intuition der Willensfreiheit. Eine so starke Intuition kann uns nicht täuschen. Also verfügen wir über Willensfreiheit. b) Trotzargument: Wir können immer das Gegenteil von dem tun, wozu wir angeblich determiniert sind, und sei es lediglich, um zu beweisen, dass wir einen freien Willen besitzen.

Argumente zur Willensfreiheit (2) 2. Dualistisches Argument: Wir wissen, dass wir frei handeln können. Die physikalische Welt ist kausal determiniert. Physikalische Kausalität schließt einen freien Willen aus. Deswegen gehören wir noch zu einer anderen, nicht kausal determinierten Welt des Geistes. Probleme: a) Auch die andere Welt könnte deterministisch sein. b) Wie wirken beide Welten aufeinander? Jede Wechselwirkung würde den Energieerhaltungssatz verletzen. c) Je mehr wir reduktionistisch erklären können, desto weniger muss dualistisch erklärt werden (Rasiermesserargument).

Argumente zur Willensfreiheit (3) 3. Inkompatibilistische Argument/ Selbstwiderlegungsargument: Mein Vertrauen in die Richtigkeit einer bestimmten Behauptung beruht darauf, dass es mir freisteht, mir mögliche Belege für oder gegen die Behauptung einfallen zu lassen. Wenn der Determinismus zutrifft, bin ich gar nicht in der Lage, wirkliche Untersuchungen oder Nachforschungen anzustellen. Daher kann ich kein Vertrauen in die Wahrheit des Determinismus haben.

Argumente zur Willensfreiheit (4) 4. Kompatibilistische Argumente (Determinismus und WF gleichzeitig): a) Intelligibilitätsargument: Eine echte, intelliginle Wahl erfolgt aus Gründen. Eine indeterministische Wahl ist nicht durch Gründe determiniert, sondern beliebig, zufällig. Intelligibilität ist deshalb nicht mit dem Indeterminismus vereinbar. b) Sorites Argument: Aus der Tatsache, dass wir keine Wahl über die Ursprünge unserer Handlungen hatten, folgt nicht, dass wir jetzt keine Wahl haben.denn damit ein System eine Eigenschaft hat, ist es nicht notwendig, dass diese Eigenschaft seinen Bestandteilen oder Frühformen zukommt. c) Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit: Frei handeln bedeutet, unter dem Wissen der determinierenden Faktoren zu handeln.

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Neurophilosophie (1) Das Ziel der Neurophilosophie besteht darin herauszufinden, inwieweit das traditionelle libertarische Konzept der Willensfreiheit verändert werden muss, damit es mit unserem Wissen über das Gehirn verträglich ist. Eine philosophische Theorie ist nur dann gut, wenn sie mit den empirischen Theorien über die Hirnfunktion vereinbar ist. Unsere intuitive Auffassung von WF hat unter anderem mit der tagtäglichen Erfahrung zu tun, dass wir unsere Handlungen bewusst steuern und beeinflussen können. Folglich liegt es nahe, das willkürliche Armheben oder eine andere einfache Körperbewegung als elementares Beispiel einer freien Handlung anzusehen und zu untersuchen, wie diese neurobiologisch realisiert ist.

Neurophilosophie (2) Tatsächlich gibt es solche Untersuchungen von einem kalifornischen Neurophysiologen namens Benjamin Libet. Seine Experimente legen die Vermutung nahe, dass das Bewusstsein unseren Wahrnehmungen und Handlungen bis zu einer halben Sekunde hinterherhinkt.

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Libet-Experiment

Libet: Voraussetzungen 1. Die Erfahrung eines (sensorischen) Reizes findet mit einer substantiellen Verspätung statt: 200-500ms vergehen, bis der Reiz neuronale Adäquatheit erreicht hat, d.h. bewußt wird. 2. Trotz dieser substantiellen Verspätung ist eine richtige zeitliche Einordnung eines äußeren Reizes möglich 3. Bereitschaftspotentiale (BP) sind valide Indikatoren für eine kortikale Programmierung (Initiation) motorischer Handlungen. Sie sind von der Introspektion unabhängig.

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Benjamin Libet Ausgangsfrage Ein Mysterium der Geist-Gehirn- Beziehung : In welcher Beziehung steht das Auftreten einer freiwilligen Handlung zu den Hirn-Prozessen, die es vermitteln?

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Libet: Begriffsdefinitionen Freiwillige Handlung : Endogen verursacht Keine externen Einflüsse Gefühl von Freiheit Wille : Synonym zu Drang, Intention, Wollen, Entscheidung, Wanting to Move

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Libet: Operationalisierung Freiwillige Handlung Exp. Situation: Endogen verursacht Keine externen Einflüsse Gefühl von Freiheit Zeitpunkt frei wählbar Experimentelle Sit. erlaubt max. Freiheit Bericht eines Gefühls von bewußter Kontrolle Technische Grenzen: Handlung festgelegt auf Fingerkrümmen

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Libet: Aufbau des Experiments (1) Subjekt: führt freiwillige Handlung aus (s.o.) beobachtet sich introspektiv verfolgt Uhr (Kathodenstrahloszilloskop) berichtet Zeitpunkt von Drang den Finger zu bewegen Hautreiz Gefühl, sich tatsächlich zu bewegen

Libet: Aufbau des Experiments (2) Unabhängige Variablen: Berichteter Bewußtseinszustand: Wanting to Move (W) Wahrgenommener Hautreiz (S) Gefühl sich tatsächlich zu bewegen (M) Modus der Zeitmessung: absolut vs relativ

Libet: Aufbau des Experiments (3) Abhängige Variablen: Zeitpunkt Wanting to Move Hautreiz Gefühl tats. Bewegung Muskelaktivierung (EMG) Beginn des Bereitschaftspotentials (als Mittel von 40 Durchgängen)

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Libet: Ergebnisse Durschschnittliche berichtete / gemessene Zeiten (relativ zum Zeitpunkt der Muskelaktivierung): Beginn BP: - 535 ms W: - 192 ms M: - 70 ms EMG: 0 ms

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Libet: Gütekriterien Bereitschaftspotentiale Zeitmessung Reliabilität des Unterschieds zw. BP-Beginn und W-Zeit Validität des Berichts Aufmerksamkeit auf gleichzeitige Ergeignisse Zeitl. Bestimmung mentaler Ereignisse

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Libet: Interpretation (1) Jeder bewußten, freiwilligen Handlung geht ein unbewußter Prozess voraus, der ca. 500ms vor der Handlung beginnt. Die Erfahrung einer bewußten Intention folgt als ein Nebeneffekt dieses Prozesses ca. 300ms nach dessen Beginn Funktion des Bewußtseins: Kontrolle über Ausführung dieser Vorbereitung

Libet: Interpretation (2) Zu betonen, dass vorliegende Ergebnisse philosophisch reale individuelle Verantwortung und freien Willen nicht ausschließen. Die Veto-Idee steht im Einklang mit vielen ethischen Systemen, die Selbst- Kontrolle fordern. Die von manchen Systemen gleichfalls geforderte Kontrolle unserer Intentionen scheint aufgrund ihrer unbewußten Herkunft aber unmöglich.

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Kritik: Philosophie Freier Wille? Keine großen Handlungsalternativen, um freien Willen zu testen: entweder stereotype Handlung ausführen oder nicht ausführen Demand Effekte: VPn nicht wirklich frei zur Handlung Problem 3. Kriterium freier Wille: Gefühl von Freiheit Wie reliabel ist dieses Gefühl?

Kritik: Prinzipien der Allgemeinen Psychologie Unterschied Unbewußtsein und Automatisierung stereotyper, gut gelernter und automatisierter Bewegungsablauf im Experiment Nimmt der Grad des Unbewußten mit mehr Übung zu? Prozedurales Wissen Signalentdeckungstheorie Berichten von Intentionalität abhängig von dem Entscheidungkriterium

Kritik: Validität (1) Problem der visuellen Intentionsmessung Problem W zu erfassen Fehlermessung S fragwürdig Modalitätsproblem

Kritik: Validität (2) Generalisierbarkeit Künstliche Versuchssituation attend to awareness of intent Von Handlung im Millisekundenbereich auf freien Willen geschlossen Überprüfung der Reliabilität subjektiver Wahrnehmung eigener Intention nicht erhoben

Kritik: Antwort Libet (1) Problem Messung W: Kein vom Subjekt getrenntes objektives Maß vorhanden Signalentdeckungstheorie: Die Annahme eines hohen Beta Wertes unrealstisch Überhaupt auf diese Situation anwendbar? (forced choice) Meßfehler sind nicht groß genug, um signifikant auf die RP-W-EMG Ablauf einzuwirken

Kritik: Antwort Libet (2) Validität Messung (RP, W) nur bei diesen einfachen Willenshandlungen möglich RP auch in Hinblick von komplexeren Handlungen (Schreiben, Zielen, Sprechen) als Onset der Handlung beobachtet Freier Wille VPn entscheiden frei, wann sie Handlung ausführen Sein Experiment als erster empirischer Versuch freien Willen zu erfassen

Kritik: Abschluß In Hinblick auf unser Seminar: Fraglich, ob freier Wille untersucht wurde Jedoch ein erstes empirisches Anzeichen für unbewußte Prozesse