Forum A. Das Wunsch- und Wahlrecht ( 9 SGB IX) in der medizinischen Rehabilitation Ergebnisse von Experteninterviews



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Transkript:

Forum A Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe Diskussionsbeitrag Nr. 7/2011 05.05.2011 Das Wunsch- und Wahlrecht ( 9 SGB IX) in der medizinischen Rehabilitation Ergebnisse von Experteninterviews Von Diana Ramm, B. Sc., Susan Bendig M. A. und Prof. Dr. Felix Welti Unsere Thesen: 1. Die Träger der medizinischen Rehabilitation berücksichtigen das Wunschund Wahlrecht nach 9 I SGB IX in ihren Beratungen, wenn Versicherte es einfordern, weisen jedoch nicht aktiv auf das Recht hin oder ermutigen dazu. 2. Die Berücksichtigung von Wünschen hängt in hohem Maße von der Eigeninitiative der Leistungsberechtigten ab. 3. Der wirtschaftliche Aspekt steht bei der Entscheidung über Wünsche im Vordergrund. Das Projekt Die Bedeutung des Wunschund Wahlrechts 9 SGB IX für die medizinische Rehabilitation eine empirische Analyse wurde in Kooperation mit dem Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck (Prof. Dr. Thorsten Meyer, Dipl.-Psych. Nadine Pohontsch, Prof. Dr. Dr. Heiner Raspe) und der Hochschule Neubrandenburg, gefördert durch den Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig- Holstein e. V. (vffr), bearbeitet. In dem Projekt wurden Fragen zur Umsetzung des Rehabilitationsrechts und ihren Auswirkungen auf die Rehabilitation mit qualitativen und quantitativen Methoden bearbeitet. Die Arbeitsgruppe der Hochschule Neubrandenburg widmete sich der Fragestellung, welche Informationen Versicherte in Bezug auf ihr Wunsch- und Wahlrecht durch die beratenden Institutionen bekommen und wie dort das Wunsch- und Wahlrecht umgesetzt wird. Dazu wurden leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt. Im Rahmen der Experteninterviews wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rehabilitationsrelevanter Stellen der Deutschen Rentenversicherung Nord und gesetzlicher Krankenkassen (zumeist Stellen der Rehabilitationsberatung) unter Berücksichtigung der Gemeinsamen Servicestellen, sowie niedergelassene Ärzte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialverbänden und der freien Wohlfahrtsverbände, die in direktem Kontakt mit den Versicherten stehen, und ergänzend auch Personen der Leitungsebene befragt. Die Beratung von Leistungsberechtigten ist als originäre Aufgabe der Leistungsträger in 1

den 14 und 15 SGB I normiert. Für Rehabilitationsträger konkretisiert 22 SGB IX die Beratungspflicht. Sie sind verpflichtet, über die Rechte und Pflichten nach SGB IX und über alle Leistungen zur Teilhabe aller Rehabilitationsträger umfassend zu beraten, nicht nur in den gemeinsamen Servicestellen 1. Versicherte nehmen Beratungsgespräche zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowohl vor, während, als auch nach Antragstellung durch den entsprechenden Leistungsträger oder durch unabhängige Berater und Beratungsstellen wahr. Beratungen vor Antragstellung werden vor allem von Personen in Anspruch genommen, die von ihrem behandelnden Arzt den Hinweis bekommen haben, eine rehabilitative Leistung zu beantragen bzw. von Versicherten, die eine Aufforderung der Krankenkassen erhalten haben, eine Rehabilitationsleistung zu beantragen 2. Die Beratungen nach einer Antragstellung beziehen sich auf die positiv bzw. negativ beschiedenen Anträge. Bei positiven Bescheiden bezieht sich der Beratungsbedarf bei den Leistungsträgern auf ergänzende und weitergehende Fragen, wie z. B. der weiteren Organisation der Rehabilitationsleistung. Hauptanliegen von Versicherten, die eine trägereigene oder trägerunabhängige Beratungsstelle erst nach negativem Bescheid aufsuchen, ist die Beratung zu Widersprüchen und deren Ausgestaltung. Widersprüche bezogen auf das Wunsch- und Wahlrecht sind eher selten. Sofern solche Widersprüche eingelegt werden, beziehen sie sich zumeist auf gewünschte, aber nicht gewährte Einrichtungen. 1 Vgl. 22 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. 2 Vgl. 51 I SGB V. 2 Im Rahmen von Anschlussheilbehandlungen werden selten Beratungen durch den Leistungsträger von Versicherten in Anspruch genommen. Diese Leistungen werden vorrangig durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der krankenhausinternen Sozialarbeit angeboten und von den Versicherten wahrgenommen. Im Bereich der Sucht- bzw. Psychotherapie werden Antragsteller primär durch unabhängige Beratungsstellen oder initiierende Ärzte beraten und wenden sich kaum an Berater ihres Leistungsträgers. Der Ablauf von Beratungsgesprächen der Leistungsträger ist zumeist einzelfallbezogen und orientiert sich an Leitfäden oder ist reaktiv. Die Beratung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinsamen Servicestellen ist nach deren Aussagen eher durch eine allgemeine Unterhaltung gekennzeichnet, wobei der Servicestellenmitarbeiter Informationen bereitstellt. Im Einzelfall werden die Formalitäten gemeinsam erörtert und erledigt. Bei den leistungsträgerunabhängigen Institutionen findet die Beratung im persönlichen Gespräch statt, wobei die Fragen der Antragsteller maßgeblich für den Inhalt sind. Oft werden Aspekte, wie die Klärung der Zuständigkeit, der geeigneten Rehabilitationsklinik oder der Ablauf von Rehabilitationsleistungen thematisiert. Erfolgt die Beratung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Sozialverbandes, wird vorwiegend nach einem ablehnenden Bescheid über das weitere Vorgehen mit Widerspruch und Klage beraten. Die Berater der leistungsträgereigenen und leistungsträgerunabhängigen Institutionen weisen die Versicherten in der Regel nicht darauf hin, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auch als persönliches Budget 3 erbracht werden können. Beratungen hierüber werden nur durchgeführt, wenn Versicherte mit der Bitte 3 Vgl. 17 II SGB IX.

um Beratung zum Persönlichen Budget erscheinen. Es scheint, als ob Berater aller Institutionen selbst nur geringe Kenntnis zu dieser Form der Leistungserbringung haben. Leistungsträger müssen Präferenzen bzw. Wünsche von Versicherten, von denen sie Kenntnis haben, berücksichtigen. Kenntnisse zu Präferenzen und Wünschen können die Leistungsträger aus persönlichen Beratungsgesprächen oder aus den Rehabilitationsanträgen erhalten. Wünsche sind im Rahmen der Amtsermittlung durch die Leistungsträger zu ermitteln und zu beachten. Äußern Versicherte aus eigener Initiative Wünsche, finden diese auch Eingang in das Verfahren. Dies bedeutet aber nicht, dass diesen Wünschen grundsätzlich gefolgt würde. Wünsche werden berücksichtigt, sofern sie vom Leistungsträger als berechtigt angesehen werden. Nach Angaben von Interviewten werden Präferenzen der Versicherten wahrgenommen, auch wenn diese nicht direkt als Wünsche geäußert werden. Von Seiten der Leistungsträger wird während einer Beratung zumeist nicht explizit auf das Wunsch- und Wahlrecht hingewiesen und der Großteil der Versicherten, die eine Beratung aufsuchen, haben keine Vorinformationen zum Wunsch- und Wahlrecht nach 9 I SGB IX. Vereinzelt machen Versicherte deutlich, dass sie Kenntnis entsprechender Normen haben dies stellt bislang noch die Ausnahme dar. Konträr hierzu wird nach Aussage der leistungsträgerunabhängigen Beratungsstellen von diesen immer ein Hinweis auf das Wunsch- und Wahlrecht gegeben. Homogen aus Sicht der Leistungsträger und unabhängigen Beratungsstellen ist die Einschätzung, dass das Wunsch- und Wahlrecht für Versicherte nicht von primärer Bedeutung ist. Im Vordergrund steht immer die Bewilligung der beantragten Leistung. Grundsätzlich nehmen die beratenden Institutionen Wünsche, die der Versicherte konkret und aktiv äußert, in Anträge mit auf. Die Berater der Leistungsträger fragen aber meist nicht explizit nach Wünschen. Die Wünsche der Versicherten sind unabhängig von der Beraterseite identisch und beziehen sich vorrangig auf bestimmte Orte/Regionen bzw. auf bestimmte Einrichtungen. Weitere Wünsche beziehen sich auf die Anwendung bestimmter Therapiekonzepte und die Begleitung der Rehabilitanden durch Angehörige. Für die Leistungsträger sind Wünsche berechtigt, sofern diese mit der medizinischen Indikation begründet werden können. Weiterhin sind Wünsche zu berücksichtigen, die mit der religiösen Anschauung bzw. der Lebensweise der Rehabilitanden in Verbindung stehen. Wünsche die auf eigenen (negativen/positiven) Vorerfahrungen basieren, sind ebenfalls aus Sicht der Leistungsträger berechtigt. Auch für einige leistungsträgerunabhängige Berater ist es notwendige Voraussetzung, dass der berechtigte Wunsch in Verbindung mit der Indikation steht. Des Weiteren gab es aber auch Aussagen leistungsträgerunabhängiger Berater, dass jeder Wunsch berechtigt sei, der den Rehabilitationserfolg sichert. Als unberechtigt gelten für Leistungsträger Wünsche, die nicht aus der medizinischen Indikation heraus begründet werden können. Weiter werden Wünsche als unberechtigt angesehen, wenn die regionale Lage der Klinik und der zeitliche Rahmen einen Urlaubsanreiz vermuten lassen. Diese Aussagen korrespondieren mit den Ergebnissen der leistungsträgerunabhängigen Berater. Die Wünsche der Rehabilitanden werden aus Sicht beider Beratergruppen vor allem durch den Familien- und Bekanntenkreis beeinflusst, besonders wenn es um 3

die Auswahl der Einrichtung geht. Dabei finden positive oder negative Erfahrungen besondere Berücksichtigung und gehen in den Entscheidungsprozess ein. Immer wichtiger werdende Informationsquelle ist das Internet. Wenn auch zumeist erst im Nachgang einer Bewilligung, informieren sich die Versicherten über Einrichtungen und Therapien über das Internet. Einfluss auf die Wünsche kann ebenso der behandelnde Arzt nehmen. Empfehlungen des Arztes finden sich fast immer in den Wünschen der Antragsteller wieder. Die Frage nach Begründungen für die Ablehnung von Wünschen wurde nicht von allen Befragten beantwortet. Der wirtschaftliche Aspekt scheint bei der Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation primär. Eine entscheidende Rolle spielen für die Krankenkassen ein fehlender Versorgungsvertrag nach 111 SGB V und das Wirtschaftlichkeitsgebot nach 12 SGB V. Von den Krankenkassen werden daher vor allem eigene und Vertragseinrichtungen favorisiert. Alle befragten Leistungsträger haben Belegungsverträge mit Rehabilitationseinrichtungen nach 21 SGB IX geschlossen. Vorrangig wird zuerst der eigene Klinikpool belegt. Rehabilitanden werden gezielt in eigene Einrichtungen bzw. Vertragseinrichtungen gesteuert. Die Kosten der Maßnahme werden der Zweckmäßigkeit gegenübergestellt und die kostengünstigste Alternative wird von dem Leistungsträger favorisiert. Ist die Wunscheinrichtung nicht Vertragspartner des Leistungsträgers kann dies zur Ablehnung führen. Zum wirtschaftlichen Handeln zählen ebenso Nebenkosten, wie bspw. die Fahrtkosten. Bei allen Interviewpartnern der leistungsträgerunabhängigen Beratungsstellen wurde der Kostenfaktor als Begründung für eine Zurückweisung von Wünschen benannt. Die Auswahl der Rehabilitationsform und der Rehabilitationseinrichtung wird in den meisten Fällen durch den Leistungsträger allein gestaltet. Äußert der Versicherte keinen Wunsch, weist der Leistungsträger nach seinen Kriterien die Rehabilitationseinrichtung zu. Unter Umständen werden dem Versicherten verschiedene Kliniken zur Auswahl gestellt und der Versicherte hat sozusagen ein Auswahlrecht. Informationen zur Rehabilitationseinrichtung werden den Versicherten erst nach einem positiven Bescheid zur Verfügung gestellt. Es ist durchaus möglich, dass in einem Beratungsgespräch oder auf Sachbearbeiterebene gemeinsam mit dem zukünftigen Rehabilitanden eine geeignete Klinik ausgesucht wird dies stellt aber die Ausnahme dar. Bringt sich der Rehabilitand aktiv in den Antragsprozess mit ein, ist die Chance höher, dass Wünsche bzw. Wunscheinrichtungen gewährt werden. Bei Auswahl der Rehabilitationsform wird der Versicherte auch dazu beraten, dass es die Möglichkeit der ambulanten Rehabilitation gibt. Dies setzt aber voraus, dass der Therapieerfolg durch eine ambulante Rehabilitation gesichert werden kann. Dies ist nicht für alle Erkrankungsformen möglich, und gerade im ländlichen Raum werden nicht immer ambulante Einrichtungen vorgehalten oder sind in einer angemessenen Zeitspanne zu erreichen, und würden eher einen Belastungsfaktor darstellen. Nach Aussage der Interviewten wird die Form der stationären Rehabilitation favorisiert. Augenscheinlichster Unterschied zwischen der Beratungspraxis der Leistungsträger und den leistungsträgerunabhängigen Beratern und Beratungsstellen ist der Umgang mit dem Hinweis auf das Wunsch- und Wahlrecht. Personen, die eine unabhängige Beratungsstelle aufsuchen, werden auch proaktiv Informationen zum Wunsch- und Wahlrecht zur Verfügung 4

gestellt, wobei die Norm 9 SGB IX selten benannt wird. Beratungsstellen der Leistungsträger berücksichtigen diesen Aspekt in ihren Beratungen kaum. Die leistungsträgerunabhängigen Berater greifen jeden Wunsch, den die beratungswillige Person äußert, auf und bemühen sich die Anliegen der Rehabilitanden insofern zu unterstützen, indem die Wünsche im Antrag konkretisiert werden. Die Leistungsträger fragen nicht aktiv nach speziellen Wünschen der Versicherten. Werden Wünsche geäußert, findet schon hier eine gewisse Selektion nach Wünschen, die erfolgreich sein können (i. S. v. berechtigt ) statt. Die Berater wirken unberechtigten Wünschen im Allgemeinen schon während der Beratungsphase entgegen. Diese gezielte Steuerung steht dem Wunschund Wahlrecht tendenziell entgegen. Da unterstützende Beratung zur Ausübung des Wunschrechts vor allem auf Seiten der Leistungsträger fehlt, spielen eigene und fremde Vorerfahrungen sowie das Internet eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Wünschen. Die Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen, dass es Ansatzpunkte zur besseren Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts der Versicherten gibt. Ihre Meinung zu diesem Diskussionsbeitrag ist von großem Interesse für uns. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag. 5