Bedarf, Nutzen und Kosteneffizienz als Grundlage zur Steuerung von Innovationstransfers in Schweden

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Bedarf, Nutzen und Kosteneffizienz als Grundlage zur Steuerung von Innovationstransfers in Schweden Thorsten Meyer Institut für Sozialmedizin Direktor: Heiner Raspe Universität zu Lübeck / Universitätsklinikum Schleswig-Holstein aus dem Teilprojekt B4 der DFG-Forschergruppe FOR655 Priorisierung in der Medizin

Übersicht Priorisierungsleitlinien als ein Instruments des Innovationstransfers Kriterien und Techniken der Priorisierung als gedanklicher Hintergrund von Innovationstransfers Rolle der ärztlichen Profession bei Priorisierungsentscheidungen

Organisation des Gesundheitssystem in Schweden

Entwicklung von Priorisierungskriterien Parlamentskommission von 1992-95 Antezedenzen Lønning-Komitee 1985-87 Ökonomische Restriktionen, insb. im Gesundheitswesen Notwendigkeit, schwierige Entscheidungen für die Bevölkerung zu begründen Diskussion über Grenzen der Medizin (Frühgeborene) Mangelnde Ressourcen, insb. in der (Palliativ-) Versorgung von Krebskranken Parlamentskommission hat hohes Ansehen (Gesetzesvorlagen)

Entwicklung von Priorisierungskriterien 1. Menschenwürde Alle Menschen haben eine gleiche Würde, unabhängig von persönlichen Merkmalen und Aufgaben in der Gesellschaft 2. Bedarf und Solidarität Ressourcen sollten den Personen oder Aktivitäten mit dem größten Bedarf zukommen 3. Kosteneffizienz Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Aktivitätsbereichen oder Maßnahmen soll ein angemessenes Verhältnis von Kosten und Wirkung, gemessen an gebesserter Gesundheit und Lebensqualität, angestrebt werden Swedish Parliamentary Priorities Commission 1995: S. 103; Übersetzung aus Meyer & Raspe (i. Druck)

Bedarf (need) aus Sicht der Parlamentskommission 1. Interpretation: Schwere der Erkrankung the more severe one s illness or injury, or the poorer one s quality of life, the greater one s need will be. (p.99) Schwere drückt sich aus im Leiden des Patienten, der medizinischen Prognose, funktionellen Einschränkungen und existenziellen Belastungen 2. Interpretation: ability-to-benefit The benefit aspect is built into the concept of need. one only needs what is beneficial or, conversely, one does not need what is not beneficial. (p.101)

Kosteneffizienz aus Sicht der Parlamentskommission Nur Vergleiche innerhalb einer Krankheit fair comparison of the effects [between different diseases] is impossible. the cost-efficiency principle should only be applied to compariosons of methods for treating the same illness. (p.107-8) Ist anderen beiden Prinzipien untergeordnet the principle of need and solidarity overrides the principle of cost-efficiency, severe illnesses and essential impairements of quality of life must take precendes over milder ones, even if care of the severe conditions involves appreciably greater expense. (p.108)

Versorgungsleitlinien des Socialstyrelsen riktlinjer för hjärtsjukvård 2004 als erste Versorgungsleitlinie erschienen beinhaltet präventive, diagnostische, therapeutische und rehabilitative Maßnahmen Priorisierung von 118 Problem-Leistungs- Kopplungen mit Ratings von 1-10 vertikale vs. horizontale Priorisierung

Leitlinie für die Versorgung von Herzerkankungen: Beispiele Medical condition Intervention Severity of the disease and need for intervention Effect of intervention Evid. for effect Cost per life-year gained / QALY Health economic evid. Rank Smoking without previously known cardiovascular disease Brief counseling incl. nicotine replacement Increased risk of premature death and/or permanent long term injury Risk reduction Evid. grade 3 Low Good 1 Atherosclerotic vascular disease Statins (lipid-lowering drings) Low to moderat risk of premature death and permanent injury Varying impact on risk of premature death and permanent injury Impact on quality of life varies Evid. grade 1 Low to moderat Good 3 Asymptomatic impaired left ventricular systolic function (NYHA I) ACE inhibitors Moderately increased risk of premature death Low risk of premature injury No need for symptomatic relief Little to no Impact on qol Moderate reduction in risk of premature death Small decreases in risk of permanent injury No symptomatic relief Impact on qol varies Good scient. support * Low Assessed 5 Primary prevention (low risk of cvd) Statins (lipid-lowering) Low risk of premature death and permanent injury Little impact on risk for premature death and permanent injury Good scient. support Moderate to very high Some 10 cvd cardiovascular disease; qol quality of life; evid. evidence; * for reduction in risk of premature death

Leitlinie für die Versorgung von Herzerkankungen: Beispiele Medical condition Intervention Severity of the disease and need for intervention Effect of intervention Evid. for effect Cost per life-year gained / QALY Health economic evid. Rank Acute ST-elevation MI (in otherwise physically healthy patient) CCU bed with specialist care ASA + reperfusion Thrombolysis (clot dissolving therapy) or acute PCI (balloon dilatation) High risk of premature death and/or permanent injury Great need for symptomatic relief Large impact on quality of life Large reduction in in risk of premature death and permanent injury Very good sympt. relief Large improvement in quality of life Evid. grade 1 Modest Good 1 Acute ST-elevation MI in otherwise physically healthy patient (>60 min. delay before initiating treatment) Prehospital thrombolysis High risk of premature death and/or permanent injury Great need for symptomatic relief Large impact on quality of life Moderate impact and reduction in risk of premature death and permanent injury Very good sympt. relief Large improvement in quality of life Evid. grade 2 Low Assessed 2 cvd cardiovascular disease; qol quality of life; evid. evidence 2004: 118 medical condition intervention Paare 2008: 340 medical condition intervention Paare (inkl. do-notdo und research & development Kategorie)

Gesundheitsziel: Vermeidung der Ungleichbehandlung! PCI-Behandlung bei Herzinfart mit ST-Streckenhebung Kalix Sollefteå Östersund Hudiksvall Kiruna Sundsvall Lycksele Örnsköldsvik Visby Bollnäs Mora Lidköping Skövde Nyköping Skellefteå Katrineholm Norrtälje Uddevalla Ludvika Avesta Karlshamn Torsby Eksjö Hässleholm Arvika Skene Enköping Eskilstuna Värnamo Kristianstad Norrköping Ystad Falun Ängelholm Gävle Trelleborg Varberg Alingsås Köping Trollhättan Karolinska Huddinge Karlskoga Örebro Östra Västerås Danderyd Kungälv Södertälje Helsingborg Malmö Jönköping Oskarshamn Kalmar Karlskrona Västervik Södersjukhuset Halmstad Karlstad Mölndal S:t Göran HIA Lindesberg Växjö Ljungby S:t Göran BSE Motala Karolinska Solna Umeå Uppsala Lund Sahlgrenska HIA Borås Linköping 64% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Figur 2h. PCI som reperfusionsbehandling av målgruppen STEMI/LBBB bland hjärtinfarktspatienter <80 år, per sjukhus med minst 10 patienter i målgruppen 2006. 2004 2006

Organisation des Gesundheitssystem in Schweden

Västragötalands Modell für Priorisierungen Need and resource allocation Geographical areas Local political boards Vertical medical prioritisation 22 medical expert groups Horizontal prioritisation Resource allocation between medical areas Political regional health council

22 medical expert groups führende medizinische Experten repräsentieren alle Krankenhäuser sowie Primärärzte repräsentieren alle wichtigen medizinischen Fachbereiche Integration von Repräsentanten nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe Aufgabe: medizinische Beratung des Gesundheitsmanagements und von Politikern über 3 Jahre systematische Priorisierungsarbeit in allen Fachbereichen

Beispiele von der vertikalen Priorisierungsliste Indication Treatment Prio I - IV Prio 1-10 Acceptable waiting time Amulatory Weeks Level of care Acceptable waiting time Operation Weeks Effectiveness/ benefit Evidence Gallbladder cancer Operation 1 2 2 L, R 2 A, B Gallstone with symptoms Lap/open operation III 5 12 L, R 12 B without symptom Expectancy IV 8 26 L Obesitas BMI>40 Operation I 5 26 L, R 26 C BMI>35 Soft tissues overflow disabling Operation III 5 26 L,R 52 D cosmetic Operation IV 9 D Menopausal dysfunction severe Medical treatment III 3 2 P B Good medium Medical treatment III 6 6 P B Good light Medical treatment IV 8 12 P D Good Expectancy 12 P D

Resümee Priorisierungskriterien und Ansätze der Evidenzbasierten Medizin stellen das Hintergrundwissen von Ärzte zur Bearbeitung zentraler Fragen des medizischen Versorgung dar, u.a. in der Entwicklung von nationaler und lokaler Versorgungsleitlinien zur Definition medizinischer Indikationen zum Abbau von Wartezeiten durch die Schwedische Ärztegesellschaft beim Läkemedelsförmånsnämnden bei der Erarbeitung von Vorschlägen zur Einführung neuer medizinsicher Leistungen (Västra Götaland)