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2.4. Aromaten 2.4.1. Benzol Benzol: Herstellung und Eigenschaften Der einfachste aromatische Kohlenwasserstoff ist das Benzol C 6 H 6. Es bildet sich bei der Verkokung von Steinkohle und wird aus den dabei entstehenden Rohgasen und teerigen Produkten gewonnen. Große Mengen erhält man auch aus dem Erdöl. Benzol ist eine farblose, leicht bewegliche und stark lichtbrechende Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch (Sp 80,1 C; Fp 5,5 C; ρ = 0,8789 g/cm 3 bei 20 C). In Wasser ist es nur sehr wenig, in Ethanol und Benzin in jedem Verhältnis löslich. Benzol bzw. seine Dämpfe sind sehr giftig und nachgewiesenermaßen krebserregend! Es wird in der Leber über Phenol (s.u.) zu Chinonen O=C 6 H 4 =O oxidiert, welche als starke Elektrophile mit DNA, RNA und Proteinen reagieren und u.a. durch Störung der Reifung der Knochenmarkszellen myelitische Leukämie auslösen. Benzol besitzt als Ausgangsstoff für Farbstoffe, Kunststoffe, synthetische Waschmittel, pharmazeutische Präparate und Insektizide für die chemische Industrie große Bedeutung. Daneben dient es als Zusatz für Motorenkraftstoffe zur Verringerung der Klopfneigung (daher die Saugrüssel an der Tankstelle) und als gutes Lösungsmittel für Fette und Wachse u.a. in chemischen Reinigungen (!). 2.4.2. Der aromatische Zustand Aufgrund der Summenformel C 6 H 6 müsste Benzol wie ein stark ungesättigter Kohlenwasserstoff reagieren. Es lassen sich jedoch weder mit Brom noch mit Kaliumpermanganat reaktionsfähige Doppelbindungen nachweisen. Der Grund für dieses überraschende Reaktionsverhalten liegt in der Mesomeriestabilisierung der Doppelbindungen. Das Benzolmolekül bildet ein ebenes Sechseck, dessen Bindungsabstände alle gleich groß sind und zwischen den Bindungslängen für Einfach- und Doppelbindungen liegen. Es lassen sich zwei völlig gleichberechtigte mesomere Grenzformen angeben, die übereinander gelegt die tatsächliche Elektronenverteilung beschreiben. Die π-elektronen sind demnach gleichmäßig über alle C-Atome verteilt (delokalisiert) und können nicht mehr einer einzelnen Bindung zugeordnet werden! Verteilung der π-elektronen mesomere Grenzformen Kurzschreibweise Die gleichmäßige Verteilung der π-elektronen über das ganze Molekül durch Mesomerie mit mindestens zwei völlig gleichberechtigten Grenzstrukturen ist der Grund für die chemische Stabilität der Aromaten und das Kennzeichen des aromatischen Zustandes. Er tritt immer dann auf, wenn sich in ebenen Ringsystemen Einfach- und Doppelbindungen abwechseln, so dass jede Einfachbindung durch Mesomerie in eine Doppelbindung umgewandelt werden kann. Die Moleküle vieler Natur- und Farbstoffe weisen solche miteinander verbundene Benzolringe auf. In den Molekülen von Heteroaromaten sind neben C-Atomen noch andere Atome im Ring vorhanden. In den Molekülen des Thiophens, Furans und Pyrrols ist ein freies Elektronenpaar des Heteroatoms am delokalisierten π-elektronensystem beteiligt. In Cyclooctatetraen dagegen ist die Mesomerie durch die Faltung des Moleküls in Wannenform behindert Naphthalin Anthracen Phenanthren Benzpyren Cyclooactatetraen (nicht aromatisch) N S O Pyridin Thiophen Furan Übungen: Aufgaben zu Aromaten Aufgabe 1 N H Pyrrol 1

2.4.3. Entstehung und Verwendung von Kohle Kohle entsteht durch Zersetzung pflanzlicher Stoffe unter Luftabschluss und hohem Druck der darüber liegenden Sedimente im Laufe von vielen Millionen Jahren. Dabei entweichen nach und nach alle flüchtigen Anteile der Pflanzen. Die Kohlenwasserstoffketten- und -Ringe lagern sich aneinander an, so dass unter Abgabe von Wasserstoff über die Zwischenstufen Benzol, Naphtalin, Anthracen, Benzpyren, usw. schließlich Graphit entsteht. Mit zunehmendem Alter der Kohle nehmen Dichte, Kohlenstoffgehalt und Brennwert und leider auch die Tiefe der Lagerstätten zu. Der Kohlungsprozess lässt sich durch künstliche Erhöhung des Druckes und der Temperatur unter Luftausschluss beschleunigen. Z.B. gewinnt der Köhler auf diese Weise Holzkohle durch Schwelbrand im Kohlenmeiler. Koks entsteht durch Erhitzen von Steinkohlestaub auf 1000 C unter Luftabschluss. Im Vergleich zu Erdöl hat Kohle wegen der fehlenden H-Atome ( exotherme Bildung von Wasser) einen geringeren Brennwert und lässt sich schwieriger handhaben (In der Industrie wird fast nur Kohlestaub verwendet). Da die Kohlevorräte aber weitaus ergiebiger sind als die Erdölvorräte, versucht man Kohle durch Kohleverflüssigung (Reaktion mit Wasserstoff bei 500 C und 300 bar zu Kohlenwasserstoffen) oder Kohlevergasung (Reaktion mit Wasserdampf bei 1000 C zu Synthesegas CO + H 2 ) zu veredeln. Diese Technologien sind schon früh in der früheren DDR und Südafrika entwickelt worden, um die politische und wirtschaftliche Abhängigkeit von den Erdöl produzierenden Staaten zu verringern. Übungen: Aufgaben zu Aromaten Nr. 2 2.4.4. Elektrophile Substitution S E an Aromaten Je 10 ml Hexan, Hexen und Benzol in 100 ml Erlenmeyerkolben geben und jeweils 1 Tropfen Brom (Abzug!) aus der Pipette direkt in die Flüssigkeit einfließen lassen. Beobachtung? Anschließend Hexan auf OHP stellen und Benzol mit frisch reduzierten Eisenspänen oder Eisenwolle (nicht Pulver!) versehen. Alle drei Ansätze mit feuchtem Indikatorpapier direkt über der Flüssigkeitsoberfläche untersuchen. Tropft man Brom zu Cyclohexen, so erfolgt eine schnelle Reaktion, dagegen erhält man bei Zugabe von Brom zu Benzol nur eine rotbraune Lösung. Obwohl das Benzolmolekül mit dem π-elektronensystem eine hohe negative Ladungsdichte aufweist, die einen elektrophilen Angriff erleichtern sollte, erfolgt zunächst keine Reaktion. Erst bei Zugabe von Aluminium oder Eisen entfärbt sich die Lösung von Brom in Benzol, wobei Bromwasserstoff und Brombenzol entstehen. Es läuft also eine Substitution und keine Addition ab. Mechanismus der elektrophilen Substitution Halogenierung am Beispiel Brom und Benzol 1. Schritt: elektrophiler Angriff auf das π-system Wie bei der elektrophilen Addition bildet auch das Benzolmolekül zunächst einen π-komplex mit dem Brommolekül. Die heterolytische Spaltung des Brommoleküls in Br + und Br gelingt hier aber erst bei Zugabe eines elektrophilen Katalysators, der die Polarisierung des Br 2 -Moleküls unterstützt. Er besteht aus FeBr 3 bzw. AlBr 3, welches sich in der Lösung aus dem zugegebenem Fe bzw. Al mit Brom bildet und in Benzol teilweise molekular (!!) gelöst vorliegt. Das Br + kann sich nun elektrophil an ein C- Atom addieren. Da dieses C-Atom sp 3 -hybridisiert ist und nun vier σ- Bindungen besitzt, heißt das gebildete Carbenium-Ion σ-komplex. Der σ- Komplex ist infolge der Delokalisierung der positiven Ladungen mesomeriestabilisiert. Das übrige Br bildet mit dem gelösten AlBr 3 einen AlBr 4 -Komplex. (Tetrabromoaluminat) Brennstoff Alter in Jahren C-Gehalt Holz 0 50 % Torf 1000 60 % Braunkohle 5 Mio 70 % Steinkohle 300 Mio 80 % Anthrazit 350 Mio 95 % 2

2. Schritt: nukleophiler Angriff auf den σ-komplex Der positiv geladene σ-komplex reagiert unter Abgabe eines Protons mit dem AlBr 4. Es entstehen Brombenzol, Bromwasserstoff und Aluminiumbromid Reaktivität der Halogene Die Reaktivität steigt von Iod zu Fluor stark an: Iod reagiert nur teilweise (Gleichgewichtsreaktion), Fluor hingegen explosionsartig. Der Grund liegt wie bei der radikalischen Substitution in der wachsenden Stabilität der C-Halogen-Bindung. Elektrophile Addition als Konkurrenzreaktion Der σ-komplex könnte auch wie bei der elektrophilen Addition an Alkene ein Bromidion addieren. Bei dieser Reaktion entstünde dann ein Dibromcyclohexadien, bei dem sich das π-elektronensystem nur über vier Kohlenstoffatome erstrecken würde. Dadurch würde der besonders energiearme aromatische Zustand nicht mehr erreicht, so dass diese Reaktion keine nennenswerte Konkurrenz zur Substitution darstellt. Die charakteristische Reaktion des Benzols und anderer Aromaten ist die elektrophile Substitution. Damit ist die elektrophile Substitution auch ein weiteres Kriterium für den aromatischen Zustand. Nitrierung Das sehr giftige, nach Bittermandeln riechende Nitrobenzol wird aus Benzol und einem Gemisch aus konzentrierter Salpetersäure und Schwefelsäure gewonnen. Das elektrophile Teilchen ist bei dieser Reaktion das Nitrylkation NO 2 +, das sich durch Abspaltung eines Wassermoleküls aus einem protonierten Salpetersäuremolekül bilden kann: 1. Schritt: Bildung des Nitrlykations 2. Schritt: elektrophile Substitution Nitrobenzol dient als Ausgangsstoff für die Synthese von Aminobenzol (Anilin) Sulfonierung Mit rauchender Schwefelsäure reagiert Benzol zur Benzolsulfonsäure. Als elektrophile Teilchen wirkt hier das Schwefeltrioxidmolekül SO 3, das in rauchender Schwefelsäure enthalten ist. Das Schwefelatom des Schwefeltrioxidmoleküls weist eine stark positive Teilladung auf. Die Benzolsulfonsäure ist aufgrund der SO 3 H- Gruppe eine wasserlösliche, starke Säure, die als Zwischenprodukt zur Herstellung von Farbstoffen und Arzneimitteln dient. Benzolsulfonate, bei denen jeweils ein Wasserstoffatom des Benzolrings durch einen langen Alkylrest ersetzt ist, sind wichtige anionische Tenside. Alkylierung Mit Chloralkanen reagiert Benzol unter Zusatz des elektrophilen Katalysators AlCl 3 zu Phenylalkanen. Der Katalysator bewirkt eine noch stärkere Polarisierung der polaren C-Cl-Bindung, so dass das positivierte C-Atom als elektrophiles Teilchen wirken kann. Die wichtigsten Phenylalkane sind Methylbenzol (Toluol Benzoesäure), Phenylethan (Ethylbenzol Styrol) und Cumol (2-Phenylpropan Phenol), die in großen Mengen als Zwischenprodukte für technische Synthesen eingesetzt werden: Übungen: Aufgaben zu Aromaten Nr. 3 und 4 3

2.4.5. Einige wichtige Aromaten Phenylethen (Styrol) Vorkommen: Steinkohleteer Herstellung Technisch durch Anlagerung von Benzol an Ethen in Gegenwart von AlCl 3 zu Phenylethan, das bei 600 C am ZnO-Kontakt zu Phenylethen dehydriert wird. Eigenschaften: Flüssigkeit mit Sp 146 C, die bei Rt unter Lichteinfluss allmählich durch radikalische Polymerisation zu Polstyrol erstarrt. Die Radikale sind mesomeriestabilisiert: Verwendung: Herstellung von Polystyrol Übungen: Aufgaben zu Aromaten Nr. 5 Aminobenzol (Anilin) Vorkommen: Steinkohleteer Herstellung: Reduktion von Nitrobenzol (s.o.) mit Eisen oder Zink in verdünnter Salzsäure: C 6 H 5 N +III O 2 + 2 Fe ±0 + H 2 O C 6 H 5 N III H 2 + Fe +III 2O 3 Eigenschaften: giftiges (MAK 19 mg/m 3 ), farbloses, unangenehm riechendes Öl mit Sp 184 C, das sich an der Luft infolge Autoxidation schnell braun färbt und in Wasser kaum löslich ist. Das einsame Elektronenpaar des N-Atoms beteiligt sich an der Mesomerie und bewirkt in o- und p- Stellung eine erhöhte Elektronendichte: Daher werden bei elektrophilen Zweitsubstitutionen (nach vorheriger Maskierung der Aminogruppe durch Kondensation mit Ethansäure) zu Aminobenzolsulfonsäuren und Nitroanilinen auch vor allem o- und p-isomere gebildet. Aus dem gleichen Grund ist die Basizität der aromatische Amine nur sehr schwach ausgeprägt (pk B 9,42). Verwendung: Herstellung von Farbstoffen, z.b. Indigo nach der 1. Heumannschen Synthese (BASF 1890): Nach der Kondensation mit Chloressigsäure erfolgt der Ringschluß durch Kondensation in alkalischer Schmelze mit Natriumamid und dann Oxidation durch Stehenlassen an der Luft: Übungen: Aufgaben zu Aromaten Nr 6 Hydroxybenzol (Phenol) Vorkommen: Steinkohleteer Herstellung (Hock-Synthese): Durch Addition von Propen an Benzol erhält man zunächst 2-Phenylpropan (Cumol). Dieses wird durch Luftsauerstoff zu Cumolhydroperoxid oxidiert, welches mit verdünnten Säuren isomerisiert und schließlich zu Phenol und Aceton gespalten wird. Die Synthese verläuft im Gegensatz zu älteren (vom Mechanismus her einfacheren) Synthesen unter einfachen Bedingungen und ohne Nebenprodukte: + O 2 + H + + H 2 O - H + - H 2 O HO C O OH O C OH H C H 3 CH H C 3 3 CH 3 H 3 C CH 3 H 3 C CH 3 Cumol Cumolhydroperoxid Carbenium-Ion Halbacetal C + + O OH C H 3 C CH 3 Aceton + Phenol 4

Eigenschaften: Phenol ist giftig (MAK 19 mg/m 3 ) und wird auch durch die Haut aufgenommen! Es bildet farblose Nadeln, Fp 41 C, ist sublimierbar, in Wasser mäßig und in Alkohol gut löslich. Die einsamen Elektronenpaar des O-Atoms beteiligen sich wie beim Anilin an der Mesomerie und führen zu ähnlichen Eigenschaften: p- und o- Orientierung bei der Zweitsubstitution und saurer Charakter (pk s = 10). Die Phenolate sind sehr viel besser in Wasser löslich. Verwendung: Herstellung von Farb- und Kunststoffen (z.b. ε-caprolactam Nylon) Übungen: Aufgaben zu Aromaten Nr. 7 Phenylmethansäure (Benzoesäure) Vorkommen: In Pflanzen (Preiselbeeren) und Tieren (Milch) als Konservierungsmittel. Herstellung: Oxidation von Toluol mit KMnO 4, CrO 3 oder Luftsauerstoff über die Zwischenstufen Benzylalkohol und Benzaldehyd Eigenschaften: Fp 122 C, sublimierbar, löslich in heißem Wasser und Alkohol, der pk s = 4,21 liegt zwischen dem der Ameisensäure (pk s = 3,77) und dem der Hexansäure (pk 2 = 4,86). Der Phenylring hat einerseits einen m-, andererseits einen +I-Effekt! Benzoesäure hemmt das Wachstum von Pilzen (z.b. Hefe und Schimmel) stark, ist Bakterien aber weniger giftig und für Pflanzen und Tiere in kleinen Mengen ungiftig (LD 50 1-2 g/kg). In der Niere wird es mit Glycin zu Hippursäure C 6 H 6 CO NH CH 3 COOH kondensiert und ausgeschieden. Den Softdrinks werden zunächst der besseren Löslichkeit wegen die Salze zugesetzt, die in den sauren Softdrinks sofort protoniert werden. Die Salze selber zeigen aber kaum fungizide Wirkung! Verwendung: Jahresproduktion 600 000 t vor allem als Konservierungsmittel E 210 bzw. in Form der Salze E 211-213 in Softdrinks (Cola, Fanta). Übungen: Aufgaben zu Aromaten Nr. 8 2.4.6. Elektrophile Zweitsubstitution Die Reaktionsgeschwindigkeit und der Ort, an dem eine elektrophile Zweitsubstitution am Benzol erfolgt, sind von dem bereits vorhandenen Erstsubstituenten abhängig: Erstsubstituent ortho-proukt meta-produkt para-produkt NO 2 NO 2 + HNO 3 = CH 3 58 % 5 % 37 % = NO 2 6 % 91 % 1 % Reaktivität und induktiver Effekt Erstsubstituenten beeinflussen die Reaktivität durch ihren induktiven Effekt. Substituenten mit +I-Effekt erhöhen die Elektronendichte im aromatischen Kern und erleichtern dadurch einen elektrophilen Angriff. Substituenten mit I-Effekt vermindern die Elektronendichte und erschweren die Reaktion. Toluol wird daher schneller bromiert als Benzol, während Chlorbenzol langsamer reagiert. Reaktivität und mesomerer Effekt Obwohl die Hydroxylgruppe einen I-Effekt hat, lässt sich Phenol ohne Katalysator bromieren. Der Grund für diese überraschende Reaktivität des Phenols ist die Beteiligung eines freien Elektronenpaars des Sauerstoffatoms am delokalisierten 7- Elektronensystem, man spricht auch von einem mesomeren Effekt. Die mesomeren Grenzformeln des Phenols zeigen, daß die Elektronendichte im aromatischen Kern erhöht wird. Die OH- Mesomere Grenzformeln des Phenols Gruppe hat also einen positiven mesomeren Effekt. Dieser +M- Effekt der OH-Gruppe ist stärker als ihr I-Effekt, Phenol wird daher rasch substituiert. Substituenten wie die Nitrogruppe, bei denen das dem Kern benachbarte Atom durch eine Mehrfachbindung mit einem elektronegativeren Atom verbunden ist, vermindern durch einen M-Effekt die Elektronendichte im Kern und erschweren damit eine Zweitsubstitution. NO 2 5

Orientierung und mesomerer Effekt Bei der Bromierung von Phenol entstehen überwiegend o- Bromphenol und p-bromphenol. Vereinfacht lässt sich der ortho/para-dirigierende Einfluß der OH-Gruppe mit Hilfe der mesomeren Grenzformeln des Phenols erklären. In diesen treten in ortho- und para-stellung zur OH-Gruppe negative Formalladungen auf. Ein elektrophiler Angriff erfolgt daher bevorzugt dort. Eine genauere Begründung geht von der Stabilität der σ Komplexe aus. Bei einer ortho- oder para-substitution lassen sich für die σ-komplexe je vier mesomere Grenzformeln angeben, bei einer meta-substitution nur drei. Wegen der größeren Stabilität der σ-komplexe erfolgt eine Zweitsubstitution überwiegend in orthound para-stellung zur OH-Gruppe. Substituenten mit M-Effekt dirigieren die Zweitsubstitution in meta-stellung. So entsteht bei der Bromierung von Nitrobenzol überwiegend m-bromnitrobenzol. Dies lässt sich mit Hilfe der positiven Formalladungen erklären, die bei den mesomeren Grenzformeln des Nitrobenzols in ortho- und para-stellung Mesomere Grenzformeln für den s- Komplex des Phenols bei Zweitsubstitution durch Brom in o-, m- und p-stellung auftreten. Der Angriff eines Elektrophils ist dort mehr erschwert als in meta-stellung. Der Vergleich der 3 möglichen σ-komplexe zeigt, dass in diesem Fall der σ-komplex bei einer meta-substitution am stabilsten ist, so dass diese bevorzugt erfolgt. Erstsubstituent I- und M-Effekte Reaktivität im Vergleich zu Benzol dirigiert nach OH, OR, NH 2 I < +M viel größer ortho und para R +I größer Cl, Br I > + M geringer NO 2, CHO, SO 3 H, COOH I, M viel geringer meta 6