Pertussis Michael Weiß Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Kliniken der Stadt Köln ggmbh Amsterdamer Straße 59 D-51058 Köln WeissM@Kliniken-Koeln.de
Pertussis - Historie Erstbeschreibung 1578 in Paris durch Guillaume de Baillou (1536 1616) Epidemieartiger Ausbruch einer schweren Hustenerkrankung Typische Beschreibung der Erkrankung und ihrer Komplikationen Hinweis auf hohe Gefährdung von Säuglingen G. de Baillou: Epidemiorum et ephemeridum libri (duo), Quesnel, Paris, 1640, p. 237 T.E. Cone Jr.: Whooping cough is first described as a disease sui generis by Baillou in 1640. Pediatrics 46:522, 1970
Pertussis (Whooping Cough, Keuchhusten) Mittelalter: The Kink (schottisch, paroxysmaler Anfall) Kindhoest (teutonisch, für Kinderhusten) Bezeichnung Pertussis erstmals 1670 Isolation des Erregers B. pertussis durch Bordet und Gengou, 1906 (Ann. Inst. Pasteur 23:415-419, 1909) 30 Jahre später Beschreibung von B. parapertussis durch Eldering und Kendrick (J. Bacteriol. 35:561-572, 1938)
Pertussis Infektionskrankheit des Respirationstraktes In ungeimpften Populationen meist zwischen 2 und 6 J. Bei hoher Durchimpfungsrate Verschiebung von Pertussis-Erkrankungen ins frühe Säuglingsalter und ins Adoleszenten-/Erwachsenenalter Typischer Verlauf in 3 Stadien, Gesamtdauer 6-12 Wo. Inkubationszeit 7-10 Tage Stadium catarrhale 1-2 Wochen Stadium convulsivum 4-6 Wochen (Stakkatohusten und inspiratorisches Ziehen) Stadium decrementi
Komplikationen der Pertussis Sekundärinfektionen (Pneumonie, Otitis media) Apnoen (bei Säuglingen < 6 Monaten) Krampfanfälle Enzephalopathien (ESPED-Studie 1997-1998) Letalität < 0,1% Bei jungen Säuglingen bis zu 1,8% Einzelfälle von SIDS mit Nachweis von B. pertussis
Erreger Bordetella pertussis Unbewegliches, bekapseltes aerobes, gramnegatives Bakterium mit zahlreichen Virulenzfaktoren Toxine: Pertussistoxin Trachea-Zytotoxin Hitzelabiles Toxin Adenylatzyklase-Toxin Adhäsine: Filamentöses Hämagglutinin Pertactin Oberfläche mit Membranproteinen und Agglutinogenen Zellwand mit Lipopolysacchariden
J. Liese. Monatsschr. Kinderheilkd. 153:845-853, 2005 Differentialdiagnose bei Erwachsenen Erkältung Rhinoviren Common cold Coronaviren Unkomplizierte Hustenerkrankung Parainfluenza RSV, Influenza Adenoviren Akute infektiöse Bronchitis Influenza A u. B Komplizierte Hustenerkrankung Adenoviren (Husten wird zum Hauptsymptom) B. pertussis P. parapertussis C. pneumoniae M. pneumoniae
Klinische Diagnose Erkennbar im Stadium convulsivum Typische Hustenanfälle bei Kindern Bei Säuglingen primär Apnoen Atypische Verläufe bei Jugendlichen und Erwachsenen Pertussis-Infektion nach Studien bei 5-20% der über 2 Wochen hustenden Erwachsenen
Labor-Diagnostik Erregeranzüchtung (St. catarrhale, St. convulsivum) Polymerase-Kettenreaktion PCR schneller und sensitiver Serologie für Frühdiagnostik ungeeignet Antikörper erst ab Übergang ins St. convulsivum ELISA: IgA-, IgG-AK gegen PT und FHA Leukozytose mit Lymphozytose selten im St. catarrhale
Definitionen der Pertussiserkrankung WHO (1991): Paroxysmaler Husten > 21 Tage und Positive Bordetella pertussis-kultur Signifikanter Titeranstieg im ELISA-IgA/IgG-FHA/PT CDC, USA: Husten > 14 Tage und ein zusätzliches Kriterium: Hustenanfälle Inspiratorisches Einziehen Erbrechen nach Hustenanfällen Bestätigter Fall: Kultur oder PCR oder Serologie positiv
M. Riffelmann, M. Littmann, W. Hellenbrand, C. Hülße, C.H. Wirsing von König: Pertussis nicht nur eine Kinderkrankheit. Deutsches Ärzteblatt 105(37):623-628, 2008
Therapie bei Pertussis Säuglinge < 6 Monate: stationäre Überwachung Generell frühe antibiotische Therapie (möglichst im Stadium catarrhale) Therapieeinleitung bis 3 Wochen nach Hustenbeginn Makrolide Mittel der Wahl: Erythromycin-Estolat 30 mg/kg KG/Tag in 2 ED Erythromycin-Äthylsuccinat 50 mg/kg KG/Tag in 3 ED Dauer 14 Tage Alternativ: Clarithromycin, Roxithromycin, Azithromycin Kein Nutzen von Antitussiva, Sedativa, Mukolytika und Neuroleptika
Keuchhusten bei Erwachsenen Mildere Hustenanfälle, aber auch anfalls- und krampfartiger Husten, mit Würgereiz An der Ausbreitung des Keuchhustens hat der erkrankte Erwachsene einen wesentlich größeren Anteil, als ihm bisher zugeschrieben wurde. (H. Hennes, Med. Klin. 20:591-593, 1921) Steigende Durchimpfungsrate bei Säuglingen und Kleinkindern führt zur Verschiebung der Pertussis ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter
Epidemiologie Mensch als einziges Reservoir für B. pertussis B. parapertussis bei Menschen und Schafen B. bronchiseptica vorwiegend bei Tieren Tröpfcheninfektion Höchste Inzidenz im Spätsommer und Winter Endemisches Vorkommen trotz hoher Durchimpfungsraten Keine lebenslängliche Immunität Erneute Erkrankung 3-20 Jahre nach Erstinfektion möglich Infektiosität bis zum Stadium convulsivum Ohne Behandlung bis zu 3 Wochen ansteckend
Epidemiologie (2) Hoher Kontagiositätsindex, bei ungeimpften Kindern bis zu 90% In neuen Bundesländern über 50% der Erkrankungen bei Jugendlichen und Erwachsenen Anstieg von 9,7 Erkrankten /100.000 Einwohner (2002) auf 34,7/100.000 (2007) Durch Verschiebung zu älteren Personengruppen erhöhte Gefahr für ungeimpfte Säuglinge
Pertussis Keuchhustenimpfung mit Ganzkeimvakzine wurde ab 1975 nicht mehr allgemein empfohlen Abnahme der Impfrate von 40-50% auf nur noch 14% im Jahr 1990! Deshalb hohe Keuchhusten-Morbidität in alten Bundesländern um 1990: 160 erkrankte Kinder/100.000 Einwohner Erfolgreiche Einführung der azellulären Pertussisimpfstoffe (mit 2 5 Einzelkomponenten) in den 1990er Jahren STIKO-Empfehlung für Impfung aller gesunden Säuglinge und Kinder seit 1991
Pertussis in East and West Germany W. Hellenbrand et al.:
Impfprävention gegen Pertussis 3 x ap-impfung im 1. Lebensjahr, 1x ap ab 11. Monat Durchimpfungsrate von 90% in Deutschland ap-schutzdauer nach Studien 7-8 Jahre vor Infektion und Erkrankung (M. Knuf et al.) Seit 2000 wird von der STIKO eine ap-impfung im Alter von 9-17 Jahren empfohlen Seit 2006 zusätzliche ap-auffrischimpfung zusammen mit Td im Alter von 5-6 Jahren Azelluläre Pertussisimpfstoffe für die Auffrischimpfung enthalten reduzierte Menge Pertussisantigene (z.b. Boostrix, Boostrix-Polio, Covaxis, Repevax) Monovalenter Impfstoff (Pac M.) nicht mehr erhältlich
Pertussisimpfung aller Erwachsenen Regelmäßige Auffrischung mit TdaP in Abständen von 10 Jahren? Werden ausreichende Impfraten bei Erwachsenen erreicht (nur 30%)? Bewußtsein für Pertussis als Erkrankung von Kindern und Erwachsenen! Pertussis - A Disease and Vaccine for All Ages Editorial NEJM, S.A. Halperin. 353:1615-1617, 2005
Pertussis - A Disease and Vaccine for All Ages S.A. Halperin. NEJM 353:1615-1617, 2005 Immunität nach Pertussis besteht nicht lebenslang! Kombinationsimpfstoffe mit Td + ap sind in den USA für die Impfung Erwachsener zugelassen Keine vermehrten Nebenwirkungen gegenüber Td- Auffrischimpfstoffen Immunogen nach einer Injektion Effektiv nach APERT-Studie von Ward et al.
J.I. Ward et al., for the APERT Study Group, NEJM 353:1555-1563, 2005 Efficacy of an Acellular Pertussis Vaccine among Adolescents and Adults Randomisierte doppelblinde Multicenter-Studie Vergleich von Impfungen gegen TdaP (n = 1391) und Hepatitis A (n = 1390) bei 2781 Probanden zwischen 15 und 65 Jahren Beobachtung über 2,5 Jahre Erfassung aller Hustenerkrankungen > 5 Tage: 2672 Erkrankungen Inzidenz 0,63 Episoden pro Person und Jahr 10x Keuchhustennachweis, 9x in Kontrollgruppe!
J.I. Ward et al., for the APERT Study Group, NEJM 353:1555-1563, 2005 Efficacy of an Acellular Pertussis Vaccine among Adolescents and Adults (2) Azelluläre Pertussis-Vakzine sicher und immunogen Protektionsrate durch Impfung 92% 1284 Hustenerkrankungen bei Kontrollen, davon 9 x nachgewiesene Pertussis (0,7%) Keuchhusteninzidenz bei Nichtimmunisierten 370-450 Erkrankungen pro 100.000 Erwachsene und Jahr! Hochrechnung: ca. 1 Million Pertussisfälle pro Jahr in den USA bei Personen > 15 Jahre Darüber hinaus sind viele asymptomatische Fälle mit Serokonversion anzunehmen
Epidemiol. Bulletin Nr. 30, 2010 Aktuelle Impfempfehlungen gegen Pertussis Bei allen Erwachsenen Td-Impfung einmalig als TdaP mit Kombinationsimpfstoff durchführen (ggf. TdaP-IPV), wenn letzte Pertussis-Impfung > 10 Jahre zurückliegt Bei Pertussis-Häufungen zusätzliche Impfungen von Kontaktpersonen, wenn letzte Impfung vor > 5 Jahren Vor Geburt eines Kindes bzw. für Frauen im gebärfähigen Alter Überprüfung, ob Pertussis-Immunschutz bei Haushaltskontaktpersonen und Betreuern des Neugeborenen vorliegt Falls keine Impfung der Mutter vor Konzeption erfolgte, soll die Impfung in ersten Tagen nach Geburt erfolgen
Aktuelle Pertussis-Epidemie in Kalifornien (offizielle Erklärung 18. Juni 2010) www.medscape.com 6. Oktober 2010: Paul Offit from the Division of Infectious Diseases and the Vaccine Education Center at the Children's Hospital of Philadelphia, Pennsylvania, USA: The Pertussis Outbreak in California and the Need for Vaccination. A pertussis outbreak is currently raging through the state of California. This outbreak has already caused about 4200 people to suffer from the disease, and in addition has caused 9 babies to die from the disease. All of those babies were less than 3 months of age. All of those babies were too young to be vaccinated; they depended on those around them to be protected. Unfortunately, immunization rates in those around them were woefully low. TdaP-Impfrate für 13 17 Jahre alte Jugendliche in USA: 41% TdaP-Impfrate bei Erwachsenen in USA: bisher nur 6% Nachdrückliche Empfehlung, ungeschützte Mütter nach der Geburt zu impfen Gefahr von Todesfällen bei jungen Säuglingen!
Zusammenfassung: Pertussis Keuchhusten ist keine Kinderkrankheit mehr Cave: Unspezifische Symptomatik bei Erwachsenen Verschiebung des Altersgipfels ins Erwachsenenalter Indirekt erhöht Gefährdung ungeimpfter Säuglinge Azelluläre Pertussis-Vakzine gut verträglich, wird mit Kombinationsimpstoffen gegeben Begrenzter Impfschutz erfordert Auffrischungen: Bei Kindern Bei Jugendlichen Bei Erwachsenen (neu nach STIKO 2010!)