DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: 11375 letzte Aktualisierung: 29.10.2004 BGB 1018, 1020, 1021 Unterhaltspflicht für ein Geh- und Fahrtrecht (Grunddienstbarkeit) bei Mitbenutzungsrecht des Eigentümers des belasteten Grundstücks I. Sachverhalt Beim Verkauf einer Grundstücksteilfläche wurde dem jeweiligen Eigentümer des Restgrundstücks ein unentgeltliches Geh- und Fahrtrecht eingeräumt. Vereinbarungen über ein allfälliges Mitbenutzungsrecht des Eigentümers des belasteten Grundstücks wurden nicht getroffen. Ebenso wurde im Rahmen der Bestellung der Grunddienstbarkeit nicht geregelt, wer die Unterhaltspflicht für die Wegefläche trägt. Zwischenzeitlich ist die Wegefläche durch Verwitterung beschädigt. Der Eigentümer des berechtigten Grundstücks verlangt vom Eigentümer des belasteten Grundstücks, dass dieser auf eigene Kosten den Weg instand setzt. Er verweist hierzu auf die Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers. Er selbst ist nicht bereit, sich an den Kosten der Instandsetzung zu beteiligen. Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich, dass es sich bei dem Geh- und Fahrtrecht um ein Mitbenutzungsrecht handelt, weil der Eigentümer des belasteten Grundstücks diesen Weg aus brandschutzrechtlichen Gründen zur Sicherung einer Feuerwehrzufahrt bereithalten muss. II. Fragen 1. Kann der Dienstbarkeitsberechtigte vom Eigentümer des belasteten Grundstücks die Instandsetzung des Weges verlangen? 2. Wenn ja, muss er sich dann an den Instandsetzungskosten im Verhältnis der Nutzung beteiligen oder nicht? 3. Wenn der Grundstückseigentümer den Weg nicht instand setzt, muss dieser dann dem Dienstbarkeitsberechtigten gegenüber bei Eintreten eines Schadens aufgrund der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haften? III. Zur Rechtslage 1. Mitbenutzungsrecht bei einem Geh- und Fahrtrecht Vorliegend wurde dem Berechtigten ein Nutzungsrecht als Geh- und Fahrtrecht eingeräumt, ohne ausdrücklich zu regeln, ob dies ein ausschließliches Nutzungsrecht sein Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de internet: http://www.dnoti.de mr pool Gutachten/11375.doc
Seite 2 sollte oder ob dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ebenfalls ein Nutzungsrecht zustehen sollte. a) Literatur Soweit sich die Literatur zu dieser Frage äußert, geht sie davon aus, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks grundsätzlich zur Mitbenutzung der von der Dienstbarkeitsausübung betroffenen Fläche berechtigt ist, soweit nicht dadurch die Rechte des Eigentümers des herrschenden Grundstücks beeinträchtigt werden bzw. soweit nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist (Grziwotz, Praxis-Handbuch Grundbuch- und Grundstücksrecht, 1999, Rn. 433; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004, Rn. 1130a; Staudinger/J. Mayer, BGB (2002), 1018 Rn. 74 ebenso die Vorauflage: Staudinger/Ring, 1018 BGB Rn. 26). In den anderen Kommentaren zu 1018 ff. BGB bzw. in den einschlägigen Handbüchern zum Grundbuchrecht konnten wir hierzu keinerlei Äußerungen finden. Nach der Literatur ist der Eigentümer des dienenden Grundstücks, soweit nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist, berechtigt, das Grundstück auch bezüglich des Ausübungsbereichs der Dienstbarkeit mitzubenutzen. Ein ausschließliches Nutzungsrecht begründet die Nutzungsdienstbarkeit nicht. Der Eigentümer bleibt daher zu jeder die Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtigende Mitbenutzung des Grundstücks berechtigt, insbesondere auch zur gleichen Nutzung des Ausübungsbereichs und auch einer Anlage. Wird demgegenüber vom Dienstbarkeitsberechtigten ein ausschließliches Nutzungsrecht behauptet, so muss der Dienstbarkeitsberechtigte die Ausschließlichkeit seiner eigenen Nutzung nachweisen (Staudinger/Jörg Mayer, a. a. O.). b) Rechtsprechung Schöner/Stöber (Rn. 1130a) begründen ihre Ansicht allein mit dem Wortlaut des 1018 BGB. Jörg Mayer (Staudinger/Jörg Mayer, 1018 Rn. 74) verweist zur Begründung auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts (RGZ 1909, 471 und RGZ 1906, 272). Beide Fundstellen tragen diese Auffassung jedoch nicht ohne weiteres, ging es doch in beiden Fällen um ein gemeinschaftliches Benützungsrecht bzw. um ein Mitbenutzungsrecht. Umgekehrt können aus diesen beiden Entscheidungen nach unserer Auffassung aber auch keine Anhaltspunkte hergeleitet dafür werden, wonach die Einräumung eines bloßen Nutzungsrechts mittels einer Dienstbarkeit stets ein ausschließliches Nutzungsrecht für den Berechtigten begründet. In der Rechtsprechung ist uns zu diesem Problem als einzige Entscheidung die des OLG Köln vom 11.12.1974 (OLGZ 1975, 221) aufgefallen. In dieser Entscheidung ging es um den Umfang einer Grunddienstbarkeit, die zur Benutzung eines vorhandenen Friedhofsweges berechtigte. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks benutzte den Friedhofsweg als Zufahrtsweg zu seinem Grundstück. Nach dem Inhalt der Eintragungsbewilligung berechtigte die Dienstbarkeit über die dienende Parzelle zu gehen und zu fahren, soweit es die landwirtschaftlichen Bedürfnisse der herrschenden Parzelle und das Bedürfnis von Wohnungen auf derselben verlangt. Das OLG Köln entschied, dass der Dienstbarkeitsberechtigte in diesem Fall kein ausschließliches Wegerecht des Inhalts habe, dass niemand außer ihm den Friedhofsweg benutzen dürfe. Wenn sich zwei Kraftfahrzeuge auf dem Friedhofsweg begegnen, brauche der Einbiegende nur wenige Sekunden zu warten, um den
Seite 3 hinausfahrenden Fahrer passieren zu lassen. Es sei nicht ersichtlich, warum dies als derart unzumutbare Belästigung angesehen werden könne, dass es einen Unterlassungsanspruch nach 1027, 1004 BGB rechtfertige. Eine andere Beurteilung sei dann möglich, wenn andere Personen den Friedhofsweg übermäßig benutzen würden (OLGZ 1975, 221, 223). In die gleiche Richtung geht unseres Erachtens eine Entscheidung des OLG Hamm vom 20.10.1980 über die Bestellung eines zweitrangigen Wegerechts an einem Grundstück (Rpfleger 1981, 105). Der aus der rangbesseren Grunddienstbarkeit Berechtigte verweigerte dem aus der zweitrangigen Grunddienstbarkeit Berechtigten den Zutritt auf dem betroffenen Wegegrundstück. Das OLG Hamm entschied, auch das zweitrangige Wegerecht sei als Grunddienstbarkeit wirksam bestellt worden. Der bessere grundbuchmäßige Rang der älteren Grunddienstbarkeit räume deren Inhaber jedoch keine bessere Stellung ein, soweit es um die tatsächliche Ausübung des Wegerechts gehe. Durch eine Grunddienstbarkeit könne immer nur die Befugnis eingeräumt werden, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen. c) Zwischenergebnis Auch im vorliegenden Sachverhalt ist deshalb davon auszugehen, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Mitbenutzungsrecht an der Wegefläche hat, an der das hier in Rede stehende Geh- und Fahrtrecht in Form einer Grunddienstbarkeit bestellt wurde. 2. Unterhaltspflicht bei einer Grunddienstbarkeit mit Mitbenutzungsrecht a) Grundsatz: Unterhaltungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück, regelt sich die Unterhaltspflicht bzgl. dieser Anlage nach den 1020 S. 2, 1021 BGB. Grundsätzlich hat danach der zur Ausübung der Dienstbarkeit Berechtigte die Anlage in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers dies erfordert, 1020 S. 2 BGB. Unterhaltspflichtig ist danach allein der Dienstbarkeitsberechtigte. 1021 BGB bestimmt sodann, dass die Beteiligten bzgl. der Unterhaltspflicht mit dinglicher Wirkung eine besondere Vereinbarung treffen können. b) Ausnahme bei Mitbenutzungsrecht des Eigentümers des belasteten Grundstücks bisher herrschende Meinung Haben die Beteiligten keine solche Vereinbarung getroffen und steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Mitbenutzungsrecht an der Anlage zu, soll nach bisher herrschender Literaturansicht die Bestimmung des 1020 S. 2 BGB allerdings keine Anwendung finden. Begründet wird dies im Wesentlichen mit einem Umkehrschluss aus 1021 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann bestimmt werden, dass der Dienstbarkeitsberechtigte die Anlage (allein) zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigentümers erforderlich ist und dem Eigentümer ein Recht auf Mitbenutzung der Anlage zusteht (DNotI- Report 2000, 117, 118; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004, Rn. 1153b; Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl. 2005, 1020 Rn. 3; Soergel/Stürner,
Seite 4 BGB, 13. Aufl. 2001, 1020 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Falckenberg, 4. Aufl. 2004, 1020 Rn. 9; Staudinger/Jörg Mayer, BGB (2002), 1020 Rn. 14). Diese Sichtweise wurde bisher weitgehend auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten. Als Grundsatzurteil kann hier die Entscheidung des 27. Senats des OLG Köln vom 5.7.1995 (OLG-Report 1995, 235 = MittRhNotK 1996, 220 = NJW-RR 1996, 16) genannt werden. Andere Obergerichte haben diese Entscheidung ausdrücklich bestätigt (OLG Koblenz VRS 102, 190 ff.; OLG Hamm MDR 2003, 737). Anderer Ansicht ist lediglich der 20. Zivilsenat des OLG Köln in einer älteren Entscheidung (MDR 1990, 1013) und ihm folgend das LG Zweibrücken (Urt. v. 21. November 1995, Az.: 3 S 118/95). In der Entscheidung des OLG Celle vom 13. April 1999 (MDR 2000, 81) heißt es zwar ebenso, dass der Eigentümer eines Wegegrundstücks nicht zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Wegefläche verpflichtet ist. Aus den veröffentlichten Entscheidungsgründen geht jedoch nicht hervor, ob der Eigentümer an dieser Wegefläche ein Mitbenutzungsrecht hatte oder nicht. c) Abweichende Ansicht In der neueren Literatur wurde diese herrschende Ansicht lediglich von Grziwotz abgelehnt (Erman/Grziwotz, BGB, 11. Aufl. 2004, 1020 Rn. 3). Unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung des 20. Senats des OLG Köln (MDR 1990, 1013) sowie unter Berufung auf ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 112, 368, 370) führt er aus, dass es für die Frage der Tragung der Unterhaltspflicht nach 1020 S. 2 BGB ohne Belang sei, ob die Anlage vom Verpflichteten nur mitbenutzt und nicht ausschließlich genutzt wird. An derselben Stelle führt er jedoch weiter aus, dass bei gemeinsamer Nutzung strittig sei, ob sich auch der Eigentümer ohne vertragliche Abrede an den Kosten der Unterhaltung und der Verkehrssicherung hinsichtlich der Anlage des Dienstbarkeitsberechtigten beteiligen müsse (bejahend OLG Köln MDR 1990, 1013; ablehnend RG HRR 1940, 1268 und OLG Celle MDR 2000, 81). Die zur Begründung seiner Auffassung von Grziwotz herangezogene Entscheidung RGZ 112, 368, 370 trägt seine Auffassung nicht unbedingt. In dem dortigen Fall ging es nämlich nicht um ein Mitbenutzungsrecht. Das Reichsgericht sah die Unterhaltspflicht nach 1020 S. 2 BGB zutreffend nicht schon als dadurch ausgeschlossen an, dass die Anlage neben ihrer Hauptbestimmung als Schiffsanlegestelle für den Berechtigten auch dem Interesse des Verpflichteten als Uferbefestigung diente (so ausdrücklich auch MünchKomm- BGB/Falckenberg, 1020 Rn. 9 Fn. 45). d) BGH, Urt. v. 12.11.2004 Der BGH hatte diese Frage erst kürzlich zu entscheiden (BGH, Urt. v. 12.11.2004, DNotI-Report 2005, 13). Im Ergebnis hat er sich gegen die ganz herrschende Literaturmeinung der Mindermeinung angeschlossen. Nach der Entscheidung des BGH kann der Dienstbarkeitsberechtigte eine Anlage auch dann im Sinn des 24 S. 2 BGB halten und daher zur Unterhaltung verpflichtet sein, wenn der Eigentümer die Anlage mit benutzen darf. Dann müsse der Dienstbarkeitsberechtigte die Anlage aber nicht allein, sondern nur anteilig unterhalten und zwar in entsprechender Anwendung der 748, 742 BGB im
Seite 5 Zweifel zur Hälfte, sofern sich nicht aus der Vereinbarung der Beteiligten etwas anderes ergebe. e) Ergebnis Nach der bisher herrschenden Ansicht, wonach 1020 S. 2 BGB dann keine Anwendung findet, wenn der Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Mitbenutzungsrecht an der Anlage hat, kann weder der Dienstbarkeitsberechtigte noch der Dienstbarkeitsverpflichtete von dem jeweils anderen die Unterhaltung der Anlage fordern. Vielmehr ist jeder in seinem eigenen Interesse gehalten, die Anlage so zu unterhalten, wie es für seine Belange erforderlich ist. Dem anderen gegenüber ist er dazu nicht verpflichtet (OLG Köln MittRhNotK 1996, 220; Staudinger/Ring, BGB (1994), 1020 Rn. 11; Staudinger/Jörg Mayer, 1020 Rn. 14; MünchKomm- BGB/Falckenberg, 1020 Rn. 9; Schöner/Stöber, Rn. 1153b; Soergel/Stürner, 1021 Rn. 3; RGRK-Rothe, BGB, 12. Aufl. 1996, 1021 Rn. 4; OLG Hamm MDR 2003, 737; OLG Koblenz VRS 102, 190). Auch nach Auffassung des OLG Celle trifft den Eigentümer des dienenden Grundstücks jedenfalls keinerlei Unterhaltspflicht (OLG Celle MDR 2000, 81). Nach der neuen BGH-Rechtsprechung und der bisherigen der Mindermeinung, trifft die Unterhaltspflicht sowohl den Dienstbarkeitsberechtigten als auch den Eigentümer des dienenden Grundstücks (OLG Köln MDR 1990, 1013; Erman/Grziwotz, 1021 Rn. 3).