Aktuell OLG Frankfurt, Beschl. v W 349/2013:
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut Fax - Abfrage Gutachten des Deutschen Notarinstituts Dokumentnummer: 11523# letzte Aktualisierung: 21. Juni 2007 Aktuell OLG Frankfurt, Beschl. v W 349/2013: Eine Vereinbarung, dass der Nießbrauchsberechtigte dem Eigentümer für die Erfüllung seiner Verpflichtung nur gem. 277 BGB einzustehen hat, kann nicht mit dinglicher Wirkung im Grundbuch eingetragen werden. BGB 1050, 1036 Abs. 2, 277 Abänderung des Haftungsmaßstabs beim Nießbrauch mit dinglicher Wirkung (diligentia quam in suis) I. Sachverhalt In einem Grundstücksübertragungsvertrag behielt sich der Veräußerer den Nießbrauch am übertragenen Grundbesitz vor. Für den Nießbrauch wurde mit dinglicher Wirkung vereinbart, dass der Nießbrauchsberechtigte bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt schuldet, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt ( 278 BGB). Der zuständige Rechtspfleger beim Grundbuchamt beanstandet dies als nicht mögliche Abänderung der Vorschrift des 1036 Abs. 2 BGB (insbes. Pflicht des Nießbrauchers zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung). Der Notar weist darauf hin, dass diese Formulierung wortgleich mit dem Formulierungsvorschlag von Pöppel (MittBayNot 2007, 85, 90) ist. II. Frage Kann für den Nießbrauch mit dinglicher Wirkung ein abweichender Sorgfaltsmaßstab vereinbart werden insbesondere die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten? III. Zur Rechtslage 1. Literatur und Rechtsprechung a) Ansicht Pöppels Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon (0931) Fax (0931) dnoti@dnoti.de internet: user/mr/pool/gutachten/11523.doc
2 Seite 2 Die gewählte Formulierung entspricht dem Formulierungsvorschlag von Pöppel (MittBayNot 2007, 85, 90). Diese führt jedoch im gleichen Aufsatz weiter aus: Nach 1050 BGB hat der Nießbraucher Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache, welche durch die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt werden, nicht zu vertreten. Im Übrigen gilt aber für den Nießbraucher der normale Sorgfaltsmaßstab des 276 BGB, nicht aber die eigenübliche Sorgfalt des 277 BGB. Ob ein derartiger Sorgfaltsmaßstab nicht nur schuldrechtlich, sondern auch mit dinglicher Wirkung bei Nießbrauchsbestellung vereinbart werden kann oder nicht, ist umstritten. (...) b) Herrschende Literaturmeinung Gegen die Möglichkeit der Vereinbarung mit dinglicher Wirkung spricht, dass 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1, 1041 S. 1 BGB nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar sind. Der pauschale Hinweis auf die Unabdingbarkeit der vorbezeichneten Vorschriften reicht aber nicht aus, um das Verbot der dinglichen Abänderung des Sorgfaltsmaßstabes zu rechtfertigen. Argument für die Unabdingbarkeit der vorbezeichneten Vorschriften ist, dass andernfalls in den Wesenskern des Nießbrauchs eingegriffen würde. Bei Vereinbarung des Haftungsmaßstabs nach 277 BGB bleiben die Verpflichtungen des Nießbrauchers jedoch gerade bestehen. Für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet der Nießbraucher weiterhin. Damit bleiben die wesensbestimmenden Verpflichtungen des Nießbrauchs aber unangetastet, die Verpflichtungen des Nießbrauchers bestehen weiterhin, so dass eine derartige Vereinbarung zulässig ist. Wie sich bereits hieraus ergibt, ist die Frage der Abänderbarkeit mit dinglicher Wirkung also in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während Pöppel die Ansicht vertritt, die dingliche Abänderbarkeit sei gegeben, vertritt die wohl noch herrschende Literatur die Ansicht, 1050 sei mit dinglicher Wirkung nicht abdingbar (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rn. 1375; MünchKomm/Pohlmann, BGB, 4. Aufl. 2004, 1051 Rn. 3; Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl. 2008, 1050 Rn. 1; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2001, 1050 Rn. 1). c) Rechtsprechung des BayObLG Diese Literaturansicht geht insbesondere auch auf eine Entscheidung des BayObLG v (DNotZ 1986, 151 = Rpfleger 1985, 285) zurück. Darin führt das BayObLG aus: Die Möglichkeit der Ausgestaltung des Schuldverhältnisses und Abweichung von der gesetzlichen Regelung besteht allerdings nicht schrankenlos. Die dogmatischen Grenzen zwischen Eigentum und Nießbrauch, also zwischen dem vollen Verfügungsrecht und dem Nutzungsrecht als Belastung desselben müssen gewahrt
3 Seite 3 bleiben. Nicht abdingbar sind mithin diejenigen Vorschriften, die das Wesen des Nießbrauchs prägen (...). Zu diesen Regelungen gehört, dass dem Eigentümer gegenüber dem Nießbraucher mit dinglicher Wirkung keine über die gesetzliche Regelung hinaus gehenden Leistungspflichten auferlegt werden können, weil eine solche Verpflichtung mit dem Wesen des Nießbrauchs als eine Dienstbarkeit unvereinbar wäre (...). Wesentlich für das Verhältnis von Eigentümer und Nießbraucher ist weiter, dass die Substanz der belasteten Sache erhalten bleiben muss (...), dass der Nießbraucher Besitzer der belasteten Sache ist (...) und das dem Nießbraucher grundsätzlich alle Nutzungen der belasteten Sache (mit der Möglichkeit des Ausschlusses einzelner Nutzungen, 1030 Abs. 2 BGB) zusteht (...). Der Senat weist schließlich für das weitere Verfahren in dieser Entscheidung auf die Nichteintragungsfähigkeit einer in der Urkunde getroffenen Regelung hin und führt aus, dass in dieser Regelung die Pflichten des Nießbrauchers gegenüber der gesetzlichen Regelung des 1050 BGB erweitert werden: Der sachliche Inhalt der Vereinbarung besteht im Wesentlichen darin, dass der Nießbraucher für eine etwaige Wertminderung der belasteten Liegenschaft Ersatz zu leisten hat. Denn wenn Veränderungen oder Verschlechterungen der mit dem Nießbrauch belasteten Sache, die durch deren ordnungsmäßigen Gebrauch eingetreten sind, im Rahmen der gewöhnlichen Unterhaltung eine Ausbesserung oder Erneuerung (etwa der Neuanstrich eines Hauses) erforderlich machen, ist der Nießbraucher dazu unabhängig von der Regelung des 1050 BGB schon nach 1041 S. 2 BGB verpflichtet (...). Es würde aber nach Ansicht des Senats die wesensmäßigen Grenzen zwischen dem Eigentum und dem beschränkten dinglichen Nutzungsrecht des Nießbrauchers aufheben, wenn der Nießbraucher auch für eine etwaige durch ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführte Wertminderung der belasteten Sache aufkommen und dem Eigentümer dafür nach Beendigung des Nießbrauchs Ersatz leisten müsste. 2. Unabdingbarkeit von 1050 BGB (keine Haftung bei ordnunsgemäßer Ausübung)? a) Keine Verantwortung des Nießbrauchers für ordnungemäßen Gebrauch Betrachtet man also die zitierte Entscheidung des BayObLG näher, trifft u. E. die Aussage von Pöppel zu, dass der pauschale Hinweis auf die Unabdingbarkeit gewisser Vorschriften nicht ausreiche, um das Verbot der dinglichen Abänderung des Sorgfaltsmaßstabs zu rechtfertigen (Pöppel, MittBayNot 2007, 85, 90). Vielmehr kommt in der von uns gesichteten Literatur wohl Stürner am treffendsten zu der einzigen Aussage, die man aus der Entscheidung des BayObLG ziehen kann: Er [der Nießbraucher] hat die zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehörenden Ausbesserungen und Erneuerungen gem vorzunehmen. Doch ist er für die Abnutzung bei ordnungsmäßigem Gebrauch (Maßstab: 1036 ff.) nicht verant-
4 Seite 4 wortlich, was mit dinglicher Wirkung nicht abbedungen werden kann (Soergel/Stürner, 1049 BGB Rn. 1). Nicht abdingbar ist u. E. also somit nur die Tatsache, dass der Nießbraucher für die Abnutzung bei ordnungsgemäßem Gebrauch nicht verantwortlich ist. Nur dies ist auch Wesenskern des Nießbrauchsrechts da, wie das BayObLG ausführt, es die wesensmäßigen Grenzen zwischen dem Eigentum und dem beschränkten dinglichen Nutzungsrecht des Nießbrauchs aufheben würde, wenn der Nießbraucher auch für eine Wertminderung durch ordnungsmäßige Nutzung nach Beendigung des Nießbrauchs Ersatz leisten müsste. b) Milderer Haftungsmaßstab zulässig Die Tatsache, dass hier lediglich der Sorgfaltsmaßstab geändert wird, kann u. E. nicht zu einer wesensmäßigen Änderung des Nießbrauchsrechts führen. Die Anwendung des 277 BGB kann aber hier nur zugunsten des Nießbrauchers wirken. Soweit nämlich der Handelnde in eigenen Angelegenheiten sorgfältiger handelt als 276 verlangt, haftet er auch bei Anwendung des 277 BGB nur für den Standard des 276 BGB (Palandt/Heinrichs, 277 BGB Rn. 3). Der subjektive Maßstab des 277 BGB soll die Haftung nicht verschärfen, sondern mildern (Palandt/Heinrichs, 277 BGB Rn. 3). Da die Anwendung des 277 BGB nicht etwa dazu führt, dass der Nießbraucher entgegen 1050 BGB Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache bei ordnungsmäßiger Ausübung zu vertreten hätte, sondern vielmehr dazu, dass für den Nießbraucher im Übrigen ein günstigerer Sorgfaltsmaßstab gilt, steht u. E. hier überhaupt keine Abänderung des 1050 BGB im Raum. Dieser sagt über den Sorgfaltsmaßstab, den der Nießbraucher hinsichtlich Veränderungen oder Verschlechterungen außerhalb der ordnungsgemäßen Ausübung trifft rein gar nichts aus. 3. Unabdingbarkeit von 1036 Abs. 2 BGB (ordnungsgemäße Bewirtschaftung)? Auch die vom Grundbuchamt getroffene Aussage, dass die Bestimmung eine Modifizierung des 1036 Abs. 2 BGB sei und diese jedoch nicht mit dinglicher Wirkung abgeändert werden könne, kann diesseits nicht geteilt werden. Während Bassenge (in: Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, 1036 Rn. 2) noch ausführt, dass die Vorschrift des 1036 Abs. 2 nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar sei (so auch BayObLGZ 77, 205), enthält die neueste Auflage des Palandt bereits die Aussage, dass 1036 Abs. 2 BGB nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar sei, 277 BGB aber mit dinglicher Wirkung vereinbar sei. (Palandt/Bassenge, BGB, 67. Auflage 2008, 1036 Rn. 2). Zwar wird auch auf die insoweit abweichende Ansicht des KG verwiesen (Beschl. v , DNotZ 2006, 470, darin entschied das Kammergericht pauschal, 1036 Abs. 2 BGB sei nicht abdingbar = RNotZ 2006, 544 = ZMR 2007, 36). Insoweit können wir jedoch nur der ablehnenden Anmerkung von Frank (DNotZ 2006, 472 ff.) folgen. Wie dieser ausführt, wird bei Vereinbarung des 277 BGB ja gerade die Erhaltungspflicht des Nießbrauchers nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern nur der Haftungsmaßstab in einer Weise modifiziert, die noch nicht in den Kern des Nießbrauchs eingreift (Frank, DNotZ 2006, 472, 474): Ausgangspunkt der Überlegung hierzu ist zunächst, dass ein gesetzliches Verbot fehlt, den Pflichtenkreis des Nießbrauchers dem Maßstab des 277 BGB zu unterstellen. Unzulässig ist nur Erlass
5 Seite 5 der Haftung für vorsätzliches Verhalten ( 276 Abs. 3 BGB). Im Rahmen des 277 BGB haftet der Schuldner aber immer bei grober Fahrlässigkeit. Für die Zulässigkeit der hier vorliegenden Vereinbarung spricht auch der Vergleich zu anderen zulässigen Modifikationen des Nießbrauchsinhalts und verschiedenen gesetzlichen Wertungen: Bei einem Nießbrauch ist anerkannt, dass dem Nießbraucher eine Reihe von Pflichten erlassen werden können, die an sich und nach objektivem Maßstäben zu den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft gehören, so z. B. die Pflicht zur Vornahme von Erneuerungen und zur Ausbesserung nach 1041 Abs. 2 BGB, die Pflicht zur Versicherung nach 1045, die Pflicht zur Lastentragung nach 1047 BGB. (...) Auch Schöner/Stöber (RN Fn. 39) äußern sich kritisch zur Entscheidung des Kammergerichts. 3. Ergebnis Zusammengefasst handelt es sich hier u. E. nicht um eine Abänderung des 1050 BGB. Hinsichtlich des 1036 Abs. 2 BGB muss u. E. klar differenziert werden. Mit Frank und Pöppel sind wir der Auffassung, dass die Vereinbarung des 277 BGB mit dinglicher Wirkung möglich sein müsste; sie greift nicht in den Wesensgehalt des Nießbrauchs ein. Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass insoweit die Ansichten in der Literatur nach oben Gesagten auseinander gehen und unseren Wissens ein solcher Fall bisher nur vom KG entschieden wurde. Dieser Rechtsprechung ist u. E. jedoch wie dargelegt nicht zu folgen.
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