Anhang II: Induktion

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Transkript:

Anhang II: Induktion Induktiv gültige Argumente Die Logik, so wie wir sie bisher kennen gelernt haben, behandelt die Frage, ob Schlüsse (Argumente) deduktiv gültig sind. Deduktiv gültige Schlüsse sind derart, dass die Wahrheit ihrer Prämissen die Wahrheit der Konklusion erzwingt. Es ist demnach nicht möglich, dass die Prämissen des Arguments wahr sind und die Konklusion falsch ist. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass man Gültigkeit im Allgemeinen nicht mit deduktiver Gültigkeit gleichsetzen muss. Ein gültiges Argument im weiten Sinne soll Folgendes leisten: Es soll die Akzeptanz der Konklusion rational machen für den Fall, dass die Prämissen wahr sind. Das könnte auch von nicht-deduktiven Argumenten erfüllt sein. Unter induktiv gültigen Argumenten wollen wir im Folgenden Argumente verstehen, die gültig sind (also für die gilt: wenn ihre Prämissen wahr sind, ist die Konklusion rational akzeptierbar), ohne deduktiv gültig zu sein (für die also nicht gilt: die Wahrheit ihrer Prämissen erzwingt die Wahrheit der Konklusion). Was kann es bedeuten, dass induktive Argumente die Akzeptanz der Konklusion, gegeben die Wahrheit der Prämissen, rational machen? Eine mögliche Erklärung (neben anderen, auf die ich hier nicht eingehen möchte) wäre die folgende: Solche Argumente machen die Wahrheit der Konklusion wahrscheinlich! Für Argumente dieser Form gilt, dass die Konklusionen sehr häufig wahr sind, wenn die Prämissen wahr sind. (Es gibt auch andere, subjektive Interpretationen der Wahrscheinlichkeit, auf die ich hier nicht eingehen möchte.) Halten wir also zunächst einige Merkmale gültiger induktiver Schlüsse fest: (1.) Gültige induktive Schlüsse machen, gegeben die Wahrheit der Prämissen, die Wahrheit der Konklusion nur wahrscheinlich. Sie erzwingen diese nicht, wie deduktiv gültige Schlüsse. Damit hängt eine (2.) Eigenschaft induktiver Schlüsse zusammen: Sie sind nicht-monoton. Was bedeutet das? Machen wir uns das im Kontrast zu monotonen (deduktiven) Schlüssen klar. Betrachten wir den folgenden deduktiv gültigen Schluss: (1) Alle Menschen sind sterblich. (2) Sokrates ist ein Mensch. Also: Sokrates ist sterblich. Dieser Schluss ist nicht nur faktisch gültig. Er bliebe es auch dann, wenn wir beliebige wahre Prämissen zu den Prämissen (1) und (2) hinzunehmen würden. Wenn (1) und (2) die Wahrheit der Konklusion unter allen möglichen Bedingungen erzwingen, dann kann die Wahrheit der 119

Konklusion nicht von externen Bedingungen abhängen. Die Gültigkeit der Schlusses bleibt von beliebigen wahren Hintergrundsmeinungen unbeeinflusst. Der Schluss verhält sich also monoton. Ganz anders sieht es im Fall von induktiven Wahrscheinlichkeitsschlüssen aus: (3) Schwan a ist weiß. (4) Schwan b ist weiß. (5)... Also: Alle Schwäne sind weiß. Nehmen wir an, wir haben eine repräsentative Anzahl von Schwänen beobachtet und alle diese Schwäne waren weiß, dann ist es rational, alle Schwäne für weiß zu halten. Unter den konkreten Umständen ist der Schluss induktiv gültig (solange wir nicht alle einzelnen Schwäne beobachtet haben). Doch ein solcher gültiger Schluss lässt sich durch die Veränderung der Prämissenmenge leicht in einen ungültigen Schluss verwandeln. Nehmen wir die folgende Prämisse hinzu: (n) Schwan n ist nicht weiß. Wenn wir (n) zur Menge der bisherigen Prämissen hinzufügen, dann wird der Schluss auf die Konklusion, dass alle Schwäne weiß sind, induktiv ungültig. Weil die Gültigkeit induktiver Schlüsse also sensitiv ist gegenüber zusätzlichen (wahren) Prämissen, nennt man solche Schlüsse auch nicht-monoton. Induktiv gültige Schlüsse Ein Schluss ist induktiv gültig genau dann, wenn die Wahrheit der Prämissen die Wahrheit seiner Konklusion hinreichend wahrscheinlich macht, damit sie rational akzeptierbar wird. Induktive Schlüsse erzwingen, gegeben die Wahrheit der Prämissen, die Wahrheit der Konklusion nicht. Die Gültigkeit induktiver Schlüsse ist sensitiv gegenüber der Erweiterung der Prämissenmenge. Deshalb sind solche Schlüsse nicht-monoton. Sehen wir uns jetzt verschiedene Formen induktiver Schlüsse an. Der einfachste Fall ist die sogenannte enumerative Induktion. Hier handelt es sich einfach um eine Verallgemeinerung von den Eigenschaften aller beobachteten Fälle auf die Eigenschaften aller Fälle. Dabei kann es sich um eine synchrone (oder zeitlose) Verallgemeinerung handeln oder eine Verallgemeinerung von allen bisherigen Fällen auf die zukünftigen Fälle. Beispiele: (1) Alle in der Schwäne der untersuchten Stichprobe sind weiß 120

Also: Alle Schwäne sind weiß Oder (Humes Beispiel): (2) Bislang war Brot nahrhaft. Also: Brot wird auch in der Zukunft nahrhaft sein. Es ist nun allerdings nicht nötig, dass alle beobachteten Fälle die Eigenschaft F haben, um eine enumerative Induktion durchzuführen. Es genügt, wenn ein bestimmter Prozentsatz der untersuchten Gegenstände diese Eigenschaft hat, um verallgemeinernd darauf zu schließen, dass genau dieser Prozentsatz aller Gegenstände diese Eigenschaft hat. Der Schluss hat dann die folgende Form: 121

Da induktive Schlüsse die Wahrheit nicht zwingend garantieren, sondern nur (mehr oder weniger) wahrscheinlich machen, sollten bestimmte Fehlerquellen vermieden werden: (A) Der Fehlschluss der unzureichenden Statistik Ein solcher Fehlschluss liegt vor, wenn die induktive Verallgemeinerung von einer unzureichenden Datenmenge ausgeht. Bsp. 1 Ein Meinungsforschungsinstitut prognostiziert den Ausgang der Bundestagswahl aufgrund einer Befragung von 10 Wählern. 2 Franz hält VWs für unzuverlässige Autos, weil einer seiner Bekannten ein Montagsauto von VW gekauft hat. 3 Rassistische Menschen neigen zu einer Pauschalisierung von Urteilen gegenüber der diskriminierten Gruppe aufgrund von beobachteten Einzelfällen ( Frauen sind..., Türken sind... ). Wie kann dieser Fehlschluss vermieden werden? Es muss eine Datenbasis (Stichprobe) gewählt werden, die ausreichend groß ist (was dabei als ausreichend gilt, variiert mit dem Kontext; wenn der Gegenstandsbereich extrem homogen ist, dann reichen für eine Verallgemeinerung oft schon wenige Fälle). (B) Der Fehlschluss der voreingenommenen Statistik Selbst wenn wir eine induktive Verallgemeinerung aufgrund einer großen Zahl von beobachteten Fällen vornehmen, können wir zu einem falschen Ergebnis gelangen, wenn die gewählten Fälle nicht repräsentativ sind. Regel: Überlege, ob die Stichprobe nicht verzerrt bzw. nicht-repräsentativ sein könnte! Bsp. 1 Wenn die Leute an der Zuverlässigkeit der Wetterberichte zweifeln, dann oft deshalb, weil die richtigen Prognosen schnell wieder vergessen werden, während die falschen Prognosen erinnert werden. 2 Zuerst wird einer Gruppe, gegen die Vorurteile bestehen (Arbeitslose, Ausländer...), eine unerwünschte Eigenschaft unterstellt, und dann werden nur noch die Mitglieder der Gruppe zur Kenntnis genommen, die diese Eigenschaft besitzen. 122

3 E-mail Befragungen über das Wahlverhalten können (ungewollt) stark verzerrend sein, weil die Besitzer von PC s nicht für alle Wähler repräsentativ sind. Mögliche Fehlerquellen Tatsachen, die gegen die eigene Überzeugung sprechen, werden einfach nicht zur Kenntnis genommen. Die Stichprobe ist unbeabsichtigt nicht-repräsentativ. Regeln: R1 Um eine Aussage der Art Z Prozent der F sind G induktiv zu begründen, untersuche möglichst verschiedenartige relevante Fälle (Fälle von Fs). R2 Die Stichprobe muss die Zusammensetzung der Gesamtmenge repräsentieren. Bsp.: Meinungsforschungsinstitute befragen Wähler aus ländlichen und städtischen Gegenden, aus verschiedenen sozialen Schichten, aus verschiedenen Regionen. Statistischer Syllogismus Beim statistischen Syllogismus muss man folgende Typen unterscheiden: (i) Z Prozent der F sind G (wobei Z ein Wert größer als 50 sein muss) X ist F X ist G (ii) Die meisten (beinahe alle) F sind G. X ist F X ist G Bem.: (1) Hier wird von einer häufigen Korrelation auf den nächsten Fall geschlossen. (2) Die Wahrscheinlichkeit des Schlusses steht nicht im Inhalt der Konklusion, sondern bezeichnet die Stärke, mit der die Prämissen die Konklusion stützen. Argument der Autorität Das Argument der Autorität wird oft folgendermaßen verstanden: (i) X behauptet, dass p p 123

So ist das Argument aber sicher ungültig, weil man sich nicht berechtigterweise auf unzuverlässige Quellen stützen darf. Fraglich ist, ob die Zuverlässigkeitsbedingung nur tatsächlich erfüllt sein muss, damit die Prämissen die Konklusion stützen. Dann würde ein Argument vom Typ (i) nur gültig sein, wenn es sich bei X faktisch um eine zuverlässige Autorität handelt. Oder die Zuverlässigkeitsbedingung wird als zusätzliche Prämisse hinzugenommen. Dann erhalten wir: (ii) X ist bezüglich von p eine zuverlässige (meistenteils wahrsprechende) Autorität X behauptet, dass p p Erkenntnistheoretische Externalisten (für die rechtfertigende Faktoren rein objektiv sein können) neigen mehr zu (i), Internalisten (für die die rechtfertigenden Faktoren dem Subjekt bekannt sein müssen) neigen zu (ii). Fehlerquellen (1) Die Autorität kann falsch zitiert oder missverstanden werden (2te Prämisse in (ii) ist falsch). (2) Die Autorität ist nicht zuverlässig oder kompetent (sondern nur prominent, populär): 1te Prämisse in (ii) ist falsch. (3) Experten urteilen über Dinge außerhalb ihres Kompetenzbereichs: 1te Prämisse in (ii) falsch. Bsp.: Einstein ist ein hervorragender Sachverständiger in bestimmten Bereichen der Physik, er ist aber kein Experte in der Sozialethik, selbst wenn er sich zu diesem Bereich geäußert hat. (4) Autoritätsurteile über Bereiche, in denen die empirische Basis fehlt. (5) Gleichermaßen kompetente Autoritäten können zu widersprechenden Urteilen kommen (in diesem Fall wird der epistemische Wert aufgehoben!) Spezialfall des Autoritätsargumentes: Argument aus dem Konsens. 124

Bsp.: Die Gemeinschaft der kompetenten Physiker bildet hinsichtlich der Möglichkeit eines Perpetuum mobile eine verlässliche Autorität. Die Gemeinschaft der kompetenten Physiker ist übereinstimmend der Meinung, dass ein Perpetuum mobile unmöglich ist. Ein Perpetuum mobile ist unmöglich. Problem: Die Mehrheit ist nicht unbedingt eine zuverlässige Autorität in der Sache. Der Analogieschluss Dinge der Art X besitzen die Eigenschaften G, H etc. Dinge der Art Y besitzen die Eigenschaften G, H. etc. Dinge der Art X besitzen die Eigenschaft F Dinge der Art Y besitzen die Eigenschaft F Beispiel: Ratten sind Menschen physiologisch gesehen sehr ähnlich Auf Ratten hat das Medikament M eine schädliche Wirkung Auf Menschen hat M eine schädliche Wirkung Frage: Sind die Dinge, die man vergleicht, auf relevante Weise ähnlich? Je mehr relevante Ähnlichkeiten bestehen, desto stärker ist das Analogieargument. Bsp.: (A) Der teleologische Gottesbeweis (1) In der Natur ist alles genauso zweckmäßig eingerichtet wie bei den Produkten menschlicher Tätigkeit. (2) Die Produkte menschlicher Tätigkeit sind durch einen Geist erschaffen. Also: Die Natur ist durch einen Geist erschaffen. 125

(B) Der Schluss auf Fremdpsychisches (1) Ich verhalte mich so, als ob ich denke, zweifle, mich freue, Schmerz empfinde, wenn ich denke, zweifle, mich freue oder Schmerz empfinde. (2) Andere Menschen verhalten sich so, als ob sie denken, zweifeln, sich freuen oder Schmerz empfinden. Also: Andere Menschen denken, zweifeln, freuen sich oder empfinden Schmerz. Kausale Argumente Hier sind in erster Linie die Schlüsse von der Wirkung auf die sie erklärende Ursache gemeint. (Der Schluss von der Ursache plus Gesetz auf die Wirkung ist rein deduktiv.) Bsp. Das Barometer fällt. Ein Sturm kommt. Bem.: Das Explanandum Das Barometer fällt kann deduktiv aus dem Explanans (Der Sturm kommt + ein Kausalgesetz: Immer wenn der Sturm kommt, fällt das Barometer) abgeleitet werden. Fehlerquellen (1) Post hoc ergo propter hoc Hier wird gefolgert, dass B durch A verursacht wurde, weil B auf A zeitlich folgte. Bsp. 1: Fieber folgt zeitlich auf das Frösteln, also ist die Erkältung (das Kaltwerden) die Ursache für das Fieber. Falsch! Tatsächlich sind beides Symptome der Erkrankung. Bsp. 2: Alle Heroinsüchtigen haben mit dem Konsum von Marihuana angefangen. Der Gebrauch von Marihuana war ursächlich für die Heroinsucht. Wie kann man diesen Fehlschluss vermeiden? Man kann Mills Methode der Differenz anwenden: 126

Tritt dieselbe Wirkung auch ohne Marihuanagebrauch ein? Methode der Übereinstimmung: Werden alle Marihuanaraucher heroinsüchtig? (2) Fehlschluss der Verwechslung von Ursache und Wirkung (3) Fehlschluss der gemeinsamen Ursache Bsp.1: Die Leute behaupten, dass das Fernsehen einen negativen Einfluss auf die Moral hat. Vielleicht gibt es aber durchdringende Kulturentwicklungen, die für die Verflachung des Fernsehens und den moralischen Verfall verantwortlich sind. Bsp.2: Andreas, ein Erstsemester, stottert fürchterlich und ist Frauen gegenüber sehr schüchtern. Sven, ein Mitbewohner in der WG, rät ihm, sich einer Sprachbehandlung zu unterziehen, damit er vom Stottern geheilt wird, und in der Folge nicht mehr so unbeholfen im Umgang mit Frauen ist. Sven glaubt, dass das Stottern die Ursache für Andreas Schüchternheit gegenüber Frauen ist. In Wahrheit sind sowohl das Stottern als auch die Schüchternheit Symptome eines zugrundeliegenden psychischen Problems. 127