Christuskirche Kassel, Reformationstag, 31.10.2011 Liebe Gemeinde! Allein der Glaube Es war die große Entdeckung von Paulus, dass der Mensch nicht durch die Erfüllung aller Gesetze, sondern allein aus Glauben gerecht wird. Es war die große Wiederentdeckung durch Martin Luther als er den Römerbrief des Paulus las, - fast 1500 Jahre später, welche Bedeutung diese Worte haben: allein aus Gnade, allein aus Glauben wird der Mensch selig. Diese Worte haben zur weltumfassenden Reformation geführt. Das kleine Wort Allein spielt eine große Rolle. 27-mal kommt das Wort allein in der Bibel vor. Dabei geht es an 23 Bibelstellen um die Einzigartigkeit Gottes. Es geht um sein Allein- Stellungsmerkmal. Es beginnt mit dem Urbekenntnis der Juden, das bis heute an jeder jüdischen Haustür in einem kleinen Kästchen als Bekenntnis und Erkennungszeichen angebracht ist: Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. 5.Mose 4+5 Welche Bedeutung dieses Wort allein im neuen Testament hat, habe ich während des Studiums verstanden und es war so ein Aha-Erlebnis, wo ich etwas vom Glauben, von der Theologie, von der Reformation und vom Evangelisch-sein verstanden habe. Es war in einer theologischen Übung, wo der Dozent fragte: Kennen Sie die Unterschiede von Evangelisch und Katholisch? Und wir überlegten: Der Papst, Marienverehrung, Zölibat, Ewiges Licht, Weihwasser, Tabernakel, usw. Er aber sagte: Ich zeige Ihnen, wie Sie die Grundlagen von Evangelischem Denken ganz schnell verstehen können. Die Reformation gründet auf dem vierfachen Allein : allein der Glaube, allein die Gnade, alleine Christus, allein die Schrift, sola fide, sola gratia, solus Christus, sola scriptura. Und jetzt müssen sie dem gegenüberstellen, was sich in der Katholischen Kirche anders entwickelt hatte und weshalb dieses Allein wieder entdeckt werden musste. Es war erst 100 Jahre nach Luther, in der so genannten Orthodoxie, hat man dieses 4-fache Allein systematisch geordnet. Aber mit der Erkenntnis Martin Luthers in der Reformationszeit begann es. Es wurden Taten eingefordert, gute Werke oder sogar Spenden gegen Sünden, Ablasshandel. Die Bußtaten, die Gott gnädig stimmen sollten, machten den Menschen schwer zu schaffen. Sie Seite 1 von 5
lasteten auf dem Gewissen und machten die Menschen unfrei. Da war es die Entdeckung Luthers im Römerbrief, als er las: Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist,...so halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. Römer 3, 23 + 24 + 28 Daraufhin sagte Luther: Das ist das Herzstück dieses Briefes und der ganzen heiligen Schrift. Schon Paulus hat dem Allein den Fehlglauben gegenüber gestellt. Immer wieder sind Menschen und Kirchen gefährdet durch falschen Glauben, durch Knoten im Hirn. Wir wollen an dem 4-fachen Allein den Fehlglauben erkennen. 1. Allein aus Glaube steht dem Fehlglauben gegenüber, der Mensch könnte irgendetwas tun, was Gottes Gunst erzwingen könnte. In dieser Gefahr stehen wir immer wieder, zu meinen, wenn wir nur viel Gutes tun, muss Gott uns doch gut sein. 2. Allein aus Gnade steht dem Fehlglauben gegenüber, durch die Erfüllung aller Gesetze müssen wir in den Himmel kommen. Wie hat Paulus unter der Gesetzlichkeit gelitten. Er war ursprünglich ein Pharisäer, der auf die Einhaltung aller Gesetze pochte. Bei ihm kam die Erkenntnis: wir sind allesamt Sünder und brauchen die Gnade. Wir leben aus der Gnade und werden allein selig aus Gnade. 3. Alleine Christus...wird dem Fehlverhalten gegenübergestellt, dass die Kirche meint, sie könnte das Heil verwalten, sie könnte bestimmen, wer in den Himmel kommt und wer nicht. Was zählt, ist allein der Glaube und das Bekenntnis zu Jesus Christus. Dazu zitiere ich noch eine Stelle aus dem Römerbrief: Wenn Du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Römer 10,9 4. Allein die Bibel, allein die Schrift,... steht der Fehlhaltung gegenüber, dass das, was Konzilien oder Synoden beschlossen haben oder Päpste sagen, wichtiger ist als das, was in der Bibel steht. Jede Kirche, jede Predigt, jeder Christ soll sich nach der Bibel ausrichten. D.h. Sie dürfen auch mich heute überprüfen, ob das, was hier verkündigt wird mit der Bibel übereinstimmt. Mit diesem 4fachen Allein haben Sie einen Schlüssel zur Reformation, zur Unterscheidung von Evangelisch und Katholisch. Das Wort allein - als Alleinstellungsmerkmal Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel. Zugleich lösen diese Gedanken des Alleins die Knoten in falschem Glauben und Denken auch bei uns. Deshalb habe ich ein Lied bekenntnishaft verfasst und zugleich selbstkritisch. Es richtet sich nicht gegen Katholiken oder gegen eine Kirche sondern Reformation bedeutet in erster Linie: ich hinterfrage selbstkritisch meinen eigenen Glauben. Stimmen mein Glaube und der Glaube meiner Kirche überein mit dem, was in der Bibel steht und was Jesus verkündigt hat? Die Bedeutung liegt auf dem, was Gott für uns tut. Der Herr ist unser Gott, der Herr allein: Allein der Glaube, allein die Gnade, alleine Christus, allein die Schrift. Deshalb kann man auch das Lied gut nur mit den Allein -Strophen singen. Seite 2 von 5
Oft aber kommen die Theologischen und seelsorglichen Fragen: und jetzt geh ich noch einmal von hinten vor: Was ist wichtiger: was in der Bibel steht oder was Papst, Synoden oder Bischöfe sagen und beschließen? Wo steht denn in der Bibel, dass ein Geschiedener nicht am Abendmahl teilnehmen darf? Braucht er nicht gerade den Zuspruch der Vergebung. Warum ist der Papst bei seinem Besuch in Deutschland auf die gut gestellten Fragen des Bundespräsidenten nicht eingegangen? Wo steht in der Bibel, dass man zu Maria beten kann? Wo steht in der Bibel, dass nur Männer Priester werden können und sie nicht heiraten dürfen? Da kann es sehr befreiend sein, sich wieder auf die Bibel zu besinnen. Das war sehr klar Luthers Ansinnen. Diskutieren, was wirklich in der Bibel steht. Das ist evangelisch. In der Bibel steht auch nichts von Taufpaten. Es kann trotzdem Sinn machen. Aber es ist kein Muss. So können Sie viele einzelne theologische und seelsorgliche Fragen durchgehen. Die Gefahr in jeder Kirche ist, dass sie selbstherrlich wird, und dass sie das Leben der Menschen bestimmen will. Ich kenne diese Gefahr auch in evangelischen Kirchen. Aber Gott hat uns zur Freiheit berufen. Jeder muss seinen Glauben verantworten. Das ist viel schwerer, als wenn ich nur nach plappere, was die Kirche mir vor sagt. Man könnte sagen: Evangelisch-sein ist schwerer als Katholisch, weil ich ganz anders Verantwortung trage für die Freiheit. Und zugleich ist es so leicht und befreiend: von Herzen glauben und mit dem Mund bekennen das ist alles. Sagen wir es positiv: Seit 500 Jahren funktioniert die Demokratie, das synodal verfasste Protestantische. Wie viele protestantische Kirchen gibt es? Ohne Papst, mit wenig Hierarchie aber es funktioniert und schenkt große Freiheit. Gebote und gute Taten gibt es ja bei den Protestanten auch. Aber sie sind nicht die Voraussetzung für das Heil, sondern die Folge des Glaubens. Weil Gott gnädig ist, deshalb wollen wir gute Werke tun. Weil über jedem Gebot steht: Ich bin der Herr, dein Gott!, deshalb wollen wir es gerne tun, deshalb wollen wir den Ruhetag heiligen, die Eltern ehren, nicht ehebrechen, nicht lügen oder stehlen. Aber wir können uns damit nicht die Seligkeit verdienen oder erzwingen. Es ist eine großartige Verantwortung, die Gott uns zutraut, obwohl wir Sünder sind, obwohl unsere Kräfte begrenzt sind, obwohl unser Glaube oft klein ist, dass wir mit bauen dürfen am Reich Gottes, dass wir für Gerechtigkeit in der Welt eintreten und ihn loben dürfen mit unseren Liedern. Gestern telefonierte ich mit meiner Tochter in Hamburg und erzählte ihr von den Gottesdienstvorbereitungen. Da sagte sie: Ja, wenn wir das Wort allein hören und es mit uns verbinden, wenn wir allein sind und uns allein fühlen, dann denken wir an: hilflos, verlassen, Einsamkeit. Wenn wir es aber mit Gott verbinden, dann steckt darin die Zusage: Du bist nicht allein. You never be alone - darüber hätte sie gerade eine Predigt gehört. -Auch das ist eine Bedeutung von Allein der Glaube!. Amen Seite 3 von 5 Pfarrer Martin Becker, Baunsbergstr. 10,34131 Kassel
Allein der Glaube 1. Allein der Glaube! Allein, dass ich nichts leisten muss, alleine durch Vertrauensschluss, allein die Liebe zählt! Ich kann mich fallen lassen. Das macht mich glücklich, macht mich selig, führt zu Gott. 2. Es sind nicht Taten! Es reicht nicht hilfsbereit zu sein Und immer nett, aktiv und fein. Es reicht nicht, dass ich alles gebe für die Armen, wenn mich nicht Gottes Liebe durch das Leben trägt. 3. Allein die Gnade! Allein, dass Jesus mich so liebt, allein, dass Gott mir Segen gibt, allein, dass Gottes Geist mich trägt und spürbar leitet, das lässt mich leben, macht mich dankbar, macht mich froh! 4. Nicht die Gesetze. Ich mach nicht allen alles recht. Ich mach auch Fehler und bin schlecht. Mich macht es klein und eng, wenn ich gesetzlich werde, wenn nicht die Gnade Gottes vor dem Recht ergeht. 5. Alleine Christus! Allein, dass Jesus für mich starb, allein, dass er mein Heil erwarb, allein, dass er uns Gott durch seine Liebe zeigte, macht ihn zum Heiland und zum Helfer in der Not. 6. Nicht mal die Kirche, ist sie auch noch so schön und groß, sitz ich auch tief in ihrem Schoß, es sind doch Menschen, die sie leiten und gestalten. Sie ist es nicht, die hier bestimmt, wer selig wird. 7. Allein die Bibel! Sie ist das wahre Gotteswort. Sie ist die Richtschnur und der Ort, in der uns Gottes Geist sich zeigt und auch entfaltet. Dort find ich alles, was ich wissen muss von Gott. 8. Nicht Menschenworte, nicht irgendeine Tradition, Seite 4 von 5
auch keine Organisation, kann mir mein Heil und meine Seligkeit verschaffen, wenn sie nicht gründen in den Zusagen von Gott. 9. Heute und Morgen und bis in alle Ewigkeit nimmt Gott sich für die Menschen Zeit. Er macht sie frei in ihrem Leben, Denken, Handeln allein durch Glaube, Gnade, Christus und sein Buch. Text und Melodie: Martin Becker, 2011 Seite 5 von 5