Schutz und Selbstbestimmung - Annäherung an einen Widerspruch

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Transkript:

Schutz und Selbstbestimmung - Annäherung an einen Widerspruch Veranstaltung im Rahmen der Heimrechtsänderung auf Länderebene WS am 08.04.2008-03-29 Uni Potsdam 11.00 11.15 Uhr Sterben erleben Heike Borchardt Im Rahmen des Vorbereitungskurses für ehrenamtliche Hospizmitarbeiter stellen wir immer eine Frage: Was würde ich mir wünschen, was wären meine Bedürfnisse am Ende meines Lebens? Sich diese Frage zu stellen, ist vielleicht eine Möglichkeit, sich den Bedürfnissen Sterbender zu nähern. Die Teilnehmer notieren ihre Gedanken zu dieser Frage auf einem großen Blatt Papier: zu Hause sterben eine vertraute Person um mich haben schmerzfrei, aber nicht betäubt sein keine offenen Konflikte mehr vorgelesen und vorgesungen bekommen respektvoller und würdiger Umgang ernst genommen werden gut gepflegt zu werden von meinem Bett aus in die Natur sehen können wenn ich wünsche allein gelassen zu werden, auch allein zu sein Worte ohne etwas zu sagen... Vielleicht haben Sie bei sich selbst gemerkt, ob Sie sich auf diese Frage einlassen könnten? Wenn wir uns Gedanken um menschenwürdiges Sterben machen, sollten wir auch zuerst bei uns selbst schauen. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dass jeder Mensch menschenwürdig leben und sterben kann. Die Hospizbewegung tritt dafür ein, ihren Beitrag zu einer dementsprechenden Kultur des Lebens und Sterbens zu leisten. Sterben ist ein Teil des Lebens, der weder künstlich verkürzt noch verlängert werden darf. Deshalb lehnt die Hospizbewegung aktive Sterbehilfe ab. Hospizarbeit und Palliativmedizin müssen integraler Bestandteil des gesamten Versorgungs- und Gesundheitssystems werden. Ich denke, Hospizarbeit und Palliativmedizin müssen in den Konzeptionen stationärer Einrichtungen der Behinderten- und Altenhilfe verankert sein. 1

Das Grundgesetz schützt das Recht eines jeden auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und Selbstbestimmung über seine leibliche und seelische Integrität. Vor jeder Behandlungsmaßnahme bedarf es der Aufklärung und Zustimmung des Patienten oder seines bevollmächtigten Vertreters. Das heißt, jeder Patient kann nach seinen Maßstäben frei wählen und entscheiden, ob und wieweit er ärztlich behandelt werden will. Das Recht auf Schutz des Lebens gilt auch in der Lebensphase des Sterbens. Kommt es im Rahmen einer sinnvollen therapeutischen Maßnahme, die in der Absicht erfolgt, Leiden zu lindern, zu einer nicht beabsichtigten Nebenwirkung, die möglicherweise den Todeseintritt beschleunigt, so wird dies als indirekte Sterbehilfe bezeichnet. Insofern kann das Prinzip Sterben in Würde und Schmerz- und Symptomfreiheit und der Gewinn an Lebensqualität und Schmerzlinderung die Inkaufnahme einer nicht beabsichtigten Lebensverkürzung rechtfertigen. Das Selbstbestimmungsrecht bezieht sich auch auf zukünftig eintretende Situationen. Es ist empfehlenswert seinen Willen nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich in einer Patientenverfügung niederzulegen und eine oder mehrere Vertrauenspersonen mit einer Vorsorgevollmacht zu ermächtigen, für diesen Willen einzutreten. Der Arzt ist verpflichtet, dem erklärten Willen zu entsprechen, der u.a. einen Verzicht auf bestimmte Behandlungen oder auch den Abbruch bereits eingeleiteter Maßnahmen beinhalten kann. Er ist außerdem gehalten, einen beginnenden Sterbebprozess nicht künstlich zu verlängern, sondern das Therapieziel der veränderten Situation anzupassen. Mit einer solchen Änderung des Therapiezieles hört die ärztliche Fürsorgepflicht nicht auf. Es bleibt ärztliche Aufgabe, das Sterben unter Einbeziehung einer optimalen palliativärztlichen Behandlung bis zum Tod zu begleiten. Die Vernachlässigung einer indizierten Schmerztherapie und Symptomkontrolle ist als Körperverletzung durch Unterlassen strafbar. Auch wenn ich hier nur von den Ärzten gesprochen habe, gilt diese Handlungsweise in übertragener Form auch für die Pflegenden. Pflegende müssen sich mit den möglichen allgemeinen, juristischen und ethischen Fragestellungen am Lebensende auseinandersetzen. Solche Fragestellungen sind zum Beispiel: Wann ist der Einsatz einer Magensonde sinnvoll und wann auch nicht? Wann ist ein Mensch sterbend? Wollen wir dass die Menschen dort sterben können, wo sie zuletzt gelebt haben? Dazu ist Fortbildung und Austausch im Team dringend erforderlich. Hospiz- oder Palliativfortbildungen für einzelne Mitarbeiter in Einrichtungen haben aber oft bereits nach wenigen Wochen ihre Wirkung verloren, wenn im Alltag keine institutionelle Unterstützung des dort Gelernten stattfindet. Erst wenn ein Träger sich auf den Weg macht und strukturelle Veränderungen angeht, sich als lernende Organisation hospizlich entwickelt, ist gewährleistet, dass es Sterbe- und 2

Abschiedskultur für alle geben kann, und sie nicht dem zufälligen Engagement Einzelner überlassen bleibt. Hospizarbeit und Palliativmedizin will die Lebenssituation von sterbenden Menschen und ihren Angehörigen verbessern. Der sterbende Mensch mit seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt. Dabei wird mit dem Begriff Hospiz (lat. Hospitium = Gastfreundschaft) eine Haltung der Gastlichkeit für Sterbende und ihre Angehörigen und Freunde zum Ausdruck gebracht. Hinter dem Begriff Palliativmedizin (lat. palliare = ummanteln) steht ein ganzheitliches Konzept, einen Mantel um den Sterbenden zu legen und Schmerzen und andere Begleiterscheinungen der Erkrankungen vorzubeugen und/oder zu behandeln. Schmerz wird nicht nur körperlich, sondern in seiner sozialen, psychischen und spirituellen Auswirkung verstanden und gelindert. Empfehlenswert wäre in jedem Pflegeheim die Pflegenden in der Sterbebegleitung und Palliativen Pflege fortzubilden. Die Pflegenden müssen sich mit der Frage, was Sterben, Tod und Trauer für das eigene Leben bedeuten, auseinandersetzen. Hinzu kommt eine innere Bereitschaft, das eigene Tun zu reflektieren. Wir brauchen in den Pflegeeinrichtungen eine veränderte Kultur im Umgang mit sterbenden und trauernden Menschen. Kooperation mit Ambulanten Hospizdiensten kann eine sinnvolle Ergänzung zu den eigenen Angeboten sein. Die ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter können zur Begleitung sterbender Menschen und ihrer Angehörigen im Pflegeheim dazugerufen werden. Sie stehen für Gespräche zur Verfügung und entlasten durch ihr Dasein, Angehörige und Freunde. Sie sind für die Sterbebegleitung in entsprechenden Vorbereitungskursen geschult worden. Sie ermöglichen den Patienten oder Angehörigen, Gefühle zu äußern, Alltägliches zur Sprache zu bringen. Sie hören zu, lesen auf Wunsch vor, sie halten Schweigen aus und vermitteln durch ihre Anwesenheit das Gefühl, nicht allein zu sein. Der erste Kontakt erfolgt immer über die Koordinatorin des AHD, die dann die Ehrenamtlichen aussucht und in die Begleitung einführt. Der Einsatz der Ehrenamtlichen ist für die stationären Pflegeeinrichtungen kostenlos. Nach 37 b Abs. 3 SGB V haben auch Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen seit April 2007 einen Rechtsanspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Sie soll durch Palliative-Care-Teams erbracht werden, die jedoch noch zu bilden sind. Alle in der Hospizarbeit und Palliativmedizin Tätigen setzen sich für hospizlichpalliative Netzwerke ein. Eine flächendeckende palliative Begleitung und Behandlung ist derzeit leider noch nicht gegeben. Hospizdienste können jedoch kompetente Ansprechpartner in der Nähe vermitteln. 3

Ich habe Ihnen den Flyer der LAG Hospiz Brandenburg e.v. mitgebracht, so dass sie sich einen Überblick über die Hospizlandschaft im Land Brandenburg verschaffen können. Über die Geschäftsstelle der LAG Hospiz in Lehnin bekommen Sie weitere Informationen und Kontakte. Wenn ich an stationäre Altenhilfeeinrichtungen denke, möchte ich noch auf folgende Problematik hinweisen. Auch demenzkranke alte Menschen in Heimen haben Schmerzen umfassender Art. Sie können sie selbst nur schwer beschreiben und können sich gegen unzureichende Behandlung nur schwer zur Wehr setzen. Bei Demenzkranken besteht die besondere Gefahr einer unzureichenden Schmerzbehandlung. Deshalb bedürfen sie besonders unserer Aufmerksamkeit. Die Würde des Menschen ist unantastbar - so ist es in unserer Verfassung verankert. Karin Wilkening schreibt in ihrem Buch: Sterben im Pflegeheim : Wer auch im Altenheim dafür sorgen will, dass dieser Grundsatz lebt, darf das würdige Sterben dort nicht ausklammern. Auch gehören das Trösten und die Sterbebegleitung nach der deutschen Pflegeversicherung zu den unverzichtbaren Aufgaben der Altenpflege, die in entsprechender Qualität angeboten werden müssen; sie sind also folglich keine Kür sondern eigentlich eine Kernpflicht im Heim....Auch wenn Demenzkranke selbst sich oft nicht als Sterbende, sondern als jung, gesund und unsterblich ansehen für ihre Begleiter ist das Sterben dennoch erkennbar, und so sind auch sie im hospizlichen Sinn in die Fürsorge mit einzubeziehen. Aufgaben für stationäre Einrichtungen können sein: die Weiterqualifikation von Pflegekräften in palliativer Pflege die Kooperation mit in der Palliativmedizin erfahrenen Ärzten die Integration ehrenamtlicher Helfer unter dem großen Ziel, einer Normalisierung und Enttabuisierung von Tod und Sterben, für die Weiterentwicklung einer hospizlichen Abschiedskultur. Zu einer Kultur gehören Rituale, die es uns ermöglichen, in Gemeinschaft unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Abschiedskultur ist mehr als Sterbekultur. Es geht hier nicht nur um den Umgang mit dem Sterben, sondern auch darum, was vorher und nachher geschieht. Deshalb beginnt Abschiedskultur am Tag des Einzugs in eine stationäre Einrichtung. Es geht um die Gestaltung des Heimalltags unter diesem Gesichtspunkt. Hier zeigt sich bereits, wie in dieser Einrichtung mit dem Sterben als Teil des Lebens umgegangen wird. Hier einige Anregungen für die Integration des Hospizgedankens: offene Gespräche über den Tod im Heimalltag mit Bewohnern und Angehörigen von Beginn an 4

Patientenverfügung als Bedingung die der Aufnahme in eine stationäre Einrichtung Wie erleben die Bewohner das Sterben der Anderen? Sie machen sich so möglicherweise ein Bild über ihr eigenes Sterben und ihre Verabschiedung Angehörige motivieren, ihre Sterbenden nicht allein zu lassen; Möglichkeiten der Übernachtung für Angehörige schaffen Themenabende für die interessierte Öffentlichkeit zu Sterben, Tod und Trauer anbieten Qualitätszirkel bilden, in dem Fragen zu Tod und Sterben angesprochen werden können Notfallplan für zeitaufwendigere Sterbebegleitungen (Einbeziehung der Ambulanten Hospizdienste vor- Ort) Gibt es Rituale am Sterbebett? Sind sie allen Mitarbeitern zugänglich? Verabschiedungsmöglichkeit für Angehörige, Pflegekräfte und Mitbewohner bieten, evtl. einen separaten Abschiedsraum einrichten... Gibt es regelmäßig Gedenkfeiern für die Verstorbenen der Einrichtung? usw... Auch hier können die Mitarbeiter der Ambulanten Hospizdienste bei der Entwicklung einer für die Einrichtung passenden Abschiedskultur hilfreich sein. Ich möchte abschließen, mit einem Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung. Das Sterben eines Menschen bleibt als wichtige Erinnerung zurück bei denen, die weiterleben. Aus Rücksicht auf den Sterbenden ist es unsere Aufgabe, einerseits zu wissen, was Schmerz und Leiden verursacht, andererseits zu wissen, wie wir diese Beschwerden effektiv behandeln können. Was immer in den letzten Stunden eines Menschen geschieht, kann viele bestehende Wunden heilen, es kann aber auch als unerträgliche Erinnerung verbleiben, die den Weg durch die Trauer verhindert. Cicely Saunders Heike Borchardt Koordinatorin Hospiz- und Palliativberatungsdienst Potsdam Quellen: Karin Wilkening und Roland Kunz Sterben im Pflegeheim - Perspektive und Praxis einer neuen Abschiedskultur Vandenhoeck & Ruprecht 2003 Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun Wie alte Menschen würdig sterben können Hrsg. Andreas Heller, Katharina Heimerl, Stein Husebo Lambertus 2007 5