WFS-MITTEILUNGEN Nr. 1/2013

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WFS-MITTEILUNGEN Nr. 1/2013 LANDWIRTSCHAFTLICHES ZENTRUM FÜR RINDERHALTUNG, GRÜNLANDWIRTSCHAFT, MILCHWIRTSCHAFT, WILD UND FISCHEREI BADEN-WÜRTTEMBERG (LAZBW) WILDFORSCHUNGSSTELLE AULENDORF 88326 Aulendorf, Telefon 07525/942-340 Schwarzwildproblematik im Umfeld von Schutzgebieten P. Linderoth, T. Bauch, A. Elliger, G. Dalüge, M. Handschuh, M. Pegel Problemstellung In Kernzonen von Schutzgebieten ist die Jagd häufig eingeschränkt (z.b. Biosphärengebiet Schwäbische Alb) oder ganz untersagt (z.b. NSG Wurzacher Ried). Eine möglichst unberührte Natur ohne menschliche Eingriffe ist naturschutzfachliches Ziel für solche Regelungen. Auch aus wildbiologischer Sicht können Jagdruhezonen sinnvoller Bestandteil eines jagdlichen Managements sein (z.b. LINDEROTH et al. 2010). Allerdings sind insbesondere beim Schwarzwild Einschränkungen der Jagd umstritten und können bereits bei der Planung von Schutzgebieten zu Konflikten führen. Denn die Wildschadensersatzpflicht bleibt in den Revieren, die an das Schutzgebiet angrenzen, bestehen. Die Jäger befürchten, dass sie Schäden nicht mehr unterbinden können, da sich die Wildschweine in die Schutzgebiete zurückziehen und damit einer effektiven Bestandsregulierung entziehen würden. Auch die Landwirtschaft befürchtet eine Zunahme der Wildschäden im Umfeld von Schutzgebieten und sieht Probleme, in Zukunft überhaupt noch Pächter für die betroffenen Jagdreviere zu finden. Sorgen bereitet die Wühlaktivität des Schwarzwilds zum Teil auch dem Naturschutz. Denn zunehmend brechen Wildschweine auch seltene Habitattypen wie Trockenrasen oder Feuchtwiesen um und schädigen oder zerstören dabei schützenswerte Pflanzengesellschaften (z.b. HUG 2008). Es gibt bislang beim Schwarzwild keine speziellen Untersuchungen zur Auswirkung von Jagdruhezonen auf die Raumnutzung und die Bejagbarkeit sowie in Folge auch auf die Wildschäden und mögliche Beeinträchtigungen oder Förderung von Flora und Fauna mit naturschutzfachlicher Relevanz. Hier besteht Forschungsbedarf, denn jagdliche Einschränkungen sind auch bei zukünftigen Schutzgebietsausweisungen zu erwarten. Projektstruktur Die Untersuchung ist ein Gemeinschaftsprojekt unter Leitung der Wildforschungsstelle in Aulendorf mit der Universität Freiburg (Professur für Wildtierökologie und Wildtiermanagement, Prof. Ilse Storch) und der Geschäftsstelle des Biosphärengebietes (BG) Schwäbische Alb in Münsingen in Kooperation mit Forst BW (FÄ Ravensburg und Tübingen) und dem Bundesforstamt Heuberg (ehemaliger Truppenübungsplatz Münsingen). Auftraggeber ist das Ministerium für Ländlicher Raum und Verbraucherschutz. Das Projekt (Laufzeit 1.1.2013 bis 31.12. 2016) wird zu 70 % aus Mitteln der Jagdabgabe und zu 30 % aus Naturschutzmitteln finanziert. Der WFS-Mitteilung 1/2013 1

wildbiologische Teil (Telemetriestudie) in allen drei Untersuchungsgebieten wird von der WFS und der Uni bearbeitet. Die Senderdaten bilden die Grundlage der Dissertation von M. Handschuh. Speziell für das Biosphärengebiet wurde als eigenständiger Untersuchungsteil das Tool Moderiertes Schwarzwildmanagement eingerichtet, das von N. Hahn (Wilcon Wildlife Consulting) im Rahmen eines Werkvertrags bearbeitet wird. Hier sollen mögliche Konflikte, die sich in der Raumschaft aufgrund der Jagdeinschränkungen in den Kernzonen des BG ergeben haben, analysiert werden. Auf der Basis von Befragungen und einem Wildschadensmonitoring sollen in einem ausgewählten Modellgebiet um das Kerngebiet Föhrenberg die Konfliktfelder dargestellt und bewertet werden und in einem moderierten Prozess gemeinsam mit der Raumschaft abgestimmte Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Fragestellungen Bei der Studie stehen folgende Fragestellungen im Fokus: Wirkt sich die jagdliche Ruhezone auf die Raumnutzung der Wildschweine aus? Unterscheiden sich die Streifgebiete in Gebieten mit und ohne Jagd? Hat die Jagdruhe Einfluss auf den Aktivitätsrhythmus, z.b. durch einen höheren Anteil von Tagaktivität? Wird die Jagdruhezone nur als Tagesruheplatz oder auch zur Nahrungsaufnahme genutzt? Wie verändern sich die Einstände im Jahresverlauf? Wie hoch sind die Wildschäden im Umfeld von Schutzgebieten? Welche Probleme bestehen in den Schutzgebieten selbst, potenziell und real? Welches jagdliche Management ist möglich und sinnvoll? Untersuchungsgebiete 1. NSG Wurzacher Ried. Für die Kernzone (ca. 700 ha) gilt: Betretungsverbot ohne jede Nutzung 2. Biosphärengebiet Schwäbische Alb, Kernzone Föhrenberg. Für die Kernzone (ca. 170 ha) gilt: Keine wirtschaftliche Nutzung, keine Kirrung und Einzeljagd erlaubt, Betreten nur auf ausgewiesenen Wegen 3. Altdorfer Wald (> 1.000 ha): Referenzfläche ohne jagdliche Einschränkung Methoden 1. Fang und Besenderung von Wildschweinen mit GPS-GSM Satellitenhalsbändern der Fa. Vectronic, Berlin mit automatischem Drop-Off und Aktivitätssensor 2. Detaillierte Raumnutzungs- und Aktivitätsanalyse in den drei Untersuchungsgebieten 3. Dokumentation der Tag- und Nachtaktivität in den verschiedenen Gebieten 4. Erfassung von Grünlandschäden im Umfeld der Fallenstandorte 5. Darstellung der Verbreitung und relativen Häufigkeit von Schwarzwild anhand der Jagdstrecken auf Revierebene 6. Moderiertes Schwarzwildmanagement zur Entwicklung einvernehmlicher Lösungswege unter Einbindung von Vertretern aller relevanten Interessensgruppen (nur BG Schwäbische Alb) WFS-Mitteilung 1/2013 2

GPS GSM Satellitentelemetrie Die eingesetzte Technik der Satellitentelemetrie unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der herkömmlichen terrestrischen Radiotelemetrie. Ihr großer Vorteil ist die Störungsfreiheit. Denn im Unterschied zur herkömmlichen terrestrischen Technik ist kein Untersucher im Freiland unterwegs, der nachts die Sendertiere (meist im Auto) aufspürt, um auf 100 m bis maximal 500 m Entfernung seine Kreuzpeilungen zu machen. Bei der Satellitentelemetrie erfolgen die Ortungen automatisch nach beliebig festgelegten Intervallen ohne jeglichen Einfluss des Untersuchers auf sein Untersuchungsobjekt. Ein weiterer Vorteil ist die größere Genauigkeit der durch mindestens drei Satelliten zu einem definierten Zeitpunkt vorgenommenen Ortung gegenüber der zeitversetzten Kreuzpeilung (mindestens zwei, besser drei Peilungen mit jeweiligem Ortswechsel, der Schnittpunkt ist der angenommene Aufenthaltsort). Schließlich ist die Reichweite der Satellitentelemetrie nicht eingeschränkt. Auch schnell abwandernde Tiere mit großem Aktionsradius, die bei Radiotelemetrie mangels Reichweite verloren werden, werden von den Satelliten zuverlässig und lückenlos erfasst. Die Satellitentelemetrie liefert eine bessere Datenqualität als die terrestrische Methode, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Peilungen pro Tier als auch im Hinblick auf die Vollständigkeit der Datensätze und die Genauigkeit der Ortungen. Die Nachteile der Satellitentelemetrie sind ihr hoher Preis und das relativ hohe Gewicht der Bänder. Abbildung 1: Funktion der GPS GSM Satellitentelemetrie In Abbildung 1 ist die Funktionsweise der GPS GSM Satellitenhalsbänder schematisch dargestellt. Das Band enthält ein GPS-Modul für die Ortungen und eine SIM-card zur Datenübermittlung an die Basisstation. Zu festgelegten Intervallen (z.b. tagsüber alle 60 Minuten, nachts alle 30 Minuten) werden Ortungen vorgenommen und auf dem Band gespeichert. Neben den Gauss-Krüger-Koordinaten werden weitere Informationen wie z.b. die Temperatur gespeichert. Nach jeweils sechs Ortungen werden diese Daten per SMS über das Handynetz an die Basisstation im Büro der WFS gesendet. Meistens liegen die Ortungsdaten der letzten Nacht am WFS-Mitteilung 1/2013 3

nächsten Morgen vor. Bei ungünstigen Bedingungen (Sau im Funkloch) kann es aber auch Tage dauern, bis die SMS mit den Ortungen übermittelt werden können. Die Ortungen gehen jedoch nicht verloren, sondern werden auf dem Band solange gespeichert, bis das Tier wieder senden kann und nach und nach alle SMS übermittelt werden. Die Kommunikation zwischen dem Senderhalsband und der Basisstation funktioniert auch in umgekehrter Richtung. Über die Basisstation kann man per SMS mit den Halsbändern Kontakt aufnehmen und Grundeinstellungen wie die Ortungsfrequenz ändern, z.b. vor einer geplanten Drückjagd. Um die Laufwege der Tiere exakt zu erfassen, kann man an einem solchen Jagdtag die Ortungsfrequenz von der Standardeinstellung eine Stunde bis auf drei Minuten absenken. Begrenzender Faktor ist die Batteriekapazität, die nach bisherigen Erfahrungen bei ca. 13.000 Ortungen liegt. Außerdem sind die Halsbänder mit einem Aktivitätssensor ausgestattet, die kontinuierlich die Aktivität des besenderten Tiers aufzeichnen und speichern. Diese Daten können nicht per SMS übermittelt werden, sondern müssen aus dem Halsband ausgelesen werden. Aus Tierschutzgründen ist jedes Band mit einem automatischen Drop-Off-Mechanismus ausgestattet. Dadurch ist gewährleistet, dass das Band nicht einwachsen kann, denn nach einer voreingestellten Zeit öffnet es sich automatisch und fällt ab. Fang und Besenderung Die Wildschweine werden mit Mais in einen ca. 15 m² großen Saufang gelockt. Die ca. 5 x 3 m große Fanganlage besteht aus zehn Drahtgitterelementen (je 2 x 2 m), dem Fallentor und dem Abfangkasten. Der Fang ist von innen mit Holz verkleidet, damit sich die Tiere nicht verletzen können, wenn sie dagegen springen. Zum Fang ist eine nachtsichtfähige Kamera oberhalb des Fangareals an einem Baum angebracht, die über ein 300 m langes Kabel eine Livebild auf das angeschlossene Laptop liefert (vgl. HUCKSCHLAG 2008). Gefangen wird vom Auto aus, sobald Schwarzwild regelmäßig die Falle betritt. Zur Vermeidung von Fehlfängen oder Verletzungen der Tiere durch das Fallentor wird die Falle nur direkt per Knopfdruck ausgelöst. Zur Besenderung werden die Tiere im Abfangkasten vereinzelt. Dann wird das Schwein in ein reusenartiges Netz gelenkt und auf dem Boden fixiert. Anschließend wird das Netz aufgeschnitten, das Halsband befestigt und das Tier mit einer Ohrmarke markiert. Danach wird das Netz vorsichtig ganz aufgeschnitten und das Sendertier wieder freigelassen. Die Besenderung dauert ca. 5 Minuten und die Tiere sind sofort nach der Freilassung wieder mobil. Ein Nachteil der verwendeten Satellitenhalsbänder ist ihr großes Gewicht (ca. 950 g). Zur Besenderung ist eine Mindestkörpermasse von 30 kg erforderlich, d.h. nur stärkere Frischlinge oder ältere Tiere sind zur Besenderung geeignet. Aktuell (Stand 23. Juli 2013) sind zwölf Wildschweine am Sender: sieben auf der Schwäbischen Alb, zwei im Wurzacher Ried und drei im Altdorfer Wald. Da die Untersuchung erst Anfang des Jahres begonnen hat, kann heute noch nicht über Ergebnisse berichtet werden. Eine 2012 im Vorfeld dieser Studie durchgeführte Besenderung von vier Überläufern im Altdorfer Wald brachte aber bereits erste Erkenntnisse zur Raumnutzung des Wildschweins in Oberschwaben, die bei der Schwarzwildtagung der WFS im Kloster Reute im Oktober 2012 vorgestellt wurden (Elliger 2013, Dalüge 2013). Der Tagungsband kann bei der Wildforschungsstelle gegen Zahlung der Portokosten angefordert werden oder im Internet heruntergeladen werden: www.lazbw.de (Wildforschungsstelle / Veröffentlichungen) WFS-Mitteilung 1/2013 4

Abbildung 2: Als ausgesprochen mobil erwies sich ein im April 2012 im Altdorfer Wald (Kreis Ravensburg) besenderter Frischlingskeiler, der innerhalb von 8 Monaten ca. 60 km (Luftlinie) weit nach Westen abwanderte, bis er im Dezember 2012 im Bäratal (Kreis Tuttlingen) erlegt wurde. Mitarbeit der Jäger Das Projekt wurde den Jägern in den drei Untersuchungsgebieten in verschiedenen Informationsveranstaltungen vorgestellt. Die engagierte Mitarbeit der Jägerschaft ist insbesondere für das von Niels Hahn moderierte Schwarzwildmanagement auf der Schwäbischen Alb erforderlich. Wir bitten alle Schwarzwildjäger im Managementgebiet im Umfeld des Föhrenbergs, ihre Kenntnisse und Erfahrungen hier einzubringen und sich aktiv daran zu beteiligen. Nur so ist gewährleistet, dass die jagdlichen Belange vor Ort auch tatsächlich in den moderierten Prozess einfließen können. Auch bei der Telemetriestudie braucht die WFS die Unterstützung der Jägerschaft. Bitte achten Sie auf besenderte Stücke bei der Jagd. Das hellgelbe, 5 cm breite Halsband ist i.d.r. auch nachts zu sehen, wenn das Stück breit steht (Abbildung 3). Da die Wildschweine z.t. große Strecken zurücklegen, können sie auch weit entfernt vom ursprünglichen Besenderungsort auftauchen. Deshalb muss in Oberschwaben nicht nur im Kreis Ravensburg im Bereich der Fallenstandorte Mochenwangen und Wurzacher Ried mit Sendertieren gerechnet werden, sondern auch in den angrenzenden Regionen der Kreise Biberach, Sigmaringen oder dem Bodenseekreis. Die Senderschweine liefern uns zwar genaue Daten ihrer Laufwege, aber wir haben kaum Informationen darüber, ob die Sendertiere zusammen mit nicht besenderten Sauen oder ob sie allein unterwegs sind. Nach ersten Daten scheint sich die Rottenzusammensetzung häufig zu ändern, insbesondere bei kleinen Gruppen. Bitte melden sie jede Beobachtung von Sendersauen in ihrem Revier zeitnah an die WFS. Oder schicken sie uns Sendertierbilder von Fotofallen, die heute in vielen Schwarzwildrevieren im Einsatz sind. Von Interesse ist vor allem die Größe und Zusammensetzung der Rotte, in der sich das Sendertier befindet. Bitte schonen sie besenderte Sauen bei der Jagd. Falls sie aus Versehen doch ein Senderschwein schießen, rufen sie uns bitte an (Tel:07525-942-340 oder -342). Wir holen das Band nach Absprache bei Ihnen ab. Bitte nutzen sie das Band nicht als Bergehilfe und zerschneiden sie es nicht, denn wir können es wieder verwenden, wenn es unversehrt ist. WFS-Mitteilung 1/2013 5

Abbildung 3: Das gelbe, ca. 5 cm breite Halsband ist i.d.r. auch nachts gut zu erkennen, wenn das Tier breit steht. Eine wichtige Fragestellung der Studie ist, welchen Einfluss die Bejagung auf die Raumnutzung des Schwarzwilds hat. Folgende Fragen, die auch für die Jagdpraxis von Relevanz sind, sollen untersucht werden: Wie reagiert die Rotte auf den Abschuss eines Rottenmitglieds? Werden die Erlegungsplätze nachhaltig gemieden? Teilt sich die Rotte? Diese Fragen können wir nur beantworten, wenn uns Abschüsse von Nichtsenderschweinen aus einer Rotte mit einem Sendertier gemeldet werden. Denn wir können zwar plötzliche Ortsveränderungen eines Senderschweins dokumentieren, aber wir wissen nicht, warum diese stattgefunden hat (z.b. Fluchtbewegung nach einem Schuss? andere Störung?). Als kleines Dankeschön schicken wir jedem Jäger, der die Erlegung eines Nichtsendertiers aus einer Rotte mit einem Sendertier meldet, den Fluchtweg der Rotte nach dem Schuss. Literatur DALÜGE, G., 2013: Habitatnutzung in der Vegetationsperiode. Wildforschung in Baden-Württemberg, Bd. 10: 47-52. Hrsg.: Wildforschungsstelle beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg, Aulendorf. ELLIGER, A., 2013: Laufwege und Ortswechselverhalten satellitentelemetrierter Sauen in Oberschwaben. Wildforschung in Baden-Württemberg, Bd. 10: 53-67. Hrsg.: Wildforschungsstelle beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden- Württemberg, Aulendorf. HUCKSCHLAG, D., 2008: Development of a digital infrared video camera system for recording and remote capturing. Eur. J. Wildl. Res. 54: 651-655. HUG, M., 2008: Einfluss des Schwarzwildes auf naturschutzrelevante Grünlandflächen. Wildforschung in Baden- Württemberg Band 7, 15-16. Hrsg.: Wildforschungsstelle beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg, Aulendorf. LINDEROTH, P. & M. PEGEL & A. ELLIGER & T. LIEBL & S. SEITLER, 2010: Schwarzwildprojekt Böblingen. Studie zum Reproduktionsstatus, zur Ernährung und zum jagdlichen Management einer Schwarzwildpopulation. Wildforschung in Baden-Württemberg Band 8. Hrsg.: Wildforschungsstelle beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg, Aulendorf. WFS-Mitteilung 1/2013 6