Vernehmlassung zum Erlass eines Normalarbeitsvertrages (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen für die im Detailhandel Basel-Stadt angestellten

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Transkript:

Abteilung Arbeitsbeziehungen Tripartite Kommission Vernehmlassung zum Erlass eines Normalarbeitsvertrages (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen für die im Detailhandel Basel-Stadt angestellten Personen Erläuterungsbericht 1. Ausgangslage Die Tripartite Kommission Arbeitsbedingungen des Kantons Basel-Stadt (TPK) beschloss an ihrer Sitzung vom 9. Juni 2015, dem Regierungsrat den Antrag auf Erlass eines Normalarbeitsvertrages (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen gestützt auf Art. 360a OR 1 für die im Detailhandel angestellten Personen zu unterbreiten. Im Rahmen der Vorarbeiten wurden an der ausserordentlichen Sitzung vom 28. August 2015 die Mindestlöhne intensiv diskutiert und mit Mehrheitsbeschluss festgesetzt. Der Entwurf über einen NAV mit Mindestlöhnen im Detailhandel Basel-Stadt wurde an der TPK-Sitzung vom 24. November 2015 verabschiedet. Nachdem es sich um den erstmaligen Erlass eines NAV mit zwingenden Mindestlöhnen in Basel-Stadt handelt, haben die Vorbereitungen und die Ausarbeitung der definitiven Vernehmlassungsunterlagen mehr Zeit als üblich in Anspruch genommen. 2. Die Voraussetzungen für den Erlass eines NAV mit Mindestlöhnen Der mit den flankierenden Massnahmen zu den Bilateralen Verträgen mit der EU per 1. Juni 2004 in Kraft gesetzte Art. 360a Abs. 1 OR sieht vor, dass die zuständige Behörde zur Bekämpfung von Missbräuchen auf Antrag der TPK einen befristeten NAV erlassen kann, der nach Regionen und gegebenenfalls Orten abgestufte Mindestlöhne für bestimmte Branchen oder Berufe festsetzt. Im Unterschied zum Inhalt herkömmlicher NAV sind solche Mindestlöhne einseitig zwingend, indem von ihnen durch Abrede nicht zuungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewichen werden kann. Da damit ein erheblicher staatlicher Eingriff in die Privatautonomie verbunden ist, wurde der Erlass eines NAV mit Mindestlöhnen an mehrere einschränkende Voraussetzungen gebunden: Voraussetzung ist, dass innerhalb einer Branche oder Berufes die Löhne wiederholt und in missbräuchlicher Weise unterboten werden und kein Gesamtarbeitsvertrag mit Bestimmungen über Mindestlöhne vorliegt, der allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Weiter ist gemäss Art. 360a Abs. 2 OR zu beachten, dass die Mindestlöhne und damit auch der Erlass eines NAV, der solche Mindestlöhne vorsieht, nicht dem Gesamtinteresse zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen anderer Branchen oder Bevölkerungskreise beeinträchtigen dürfen. 2.1 Wiederholte Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne innerhalb einer Branche oder eines Berufes Damit ein bestimmter Lohn als missbräuchlich qualifiziert werden kann, muss in einem ersten Schritt festgestellt werden, was der übliche Lohn in einer bestimmten Branche, einem Beruf ist. Allgemein gesprochen wird als üblicher Lohn im Sinn von Art. 360a OR der am Ort, in der Branche oder Beruf tatsächlich ausgerichtete Lohn verstanden. Der Begriff wird in verschiedenen Ge- 1 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220. Seite 1/6

setzen und Verordnungen umschrieben. Gemäss Art. 22 Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) bestimmen sich die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen nach den gesetzlichen Vorschriften, Gesamt- und Normalarbeitsverträgen sowie den Lohn- und Arbeitsbedingungen für die gleiche Arbeit im selben Betrieb und in derselben Branche. Die Ergebnisse von statistischen Lohnerhebungen sind ebenfalls zu berücksichtigen. Oft wird der übliche Lohn als Bandbreite definiert. Verschiedene Autoren definieren den üblichen Lohn als Bandbreite zwischen dem 25% und 75% Quartil. Diese Definition bietet den Vorteil einer leicht feststellbaren und unparteilichen Limite. Die unteren Werte der Bandbreite bilden demzufolge die Grenze des Üblichen und sind für die Anwendung von OR 360a OR von Interesse. Eine Missbräuchlichkeit kann grundsätzlich nur vorliegen, wenn der übliche Lohn bzw. die untere Grenze seiner Bandbreite unterboten worden ist. 2 Grundsätzlich ist die TPK in der Wahl der Methode der Bestimmung des orts- und branchenüblichen Lohnes frei. Da vorliegend die Ergebnisse der eigenen Lohnerhebungen der TPK kein einheitliches Bild ergaben und diese Ergebnisse statistisch nicht verwertet werden konnten, erfolgte die Bestimmung der orts- und branchenüblichen Löhne aufgrund von statistischen Lohnerhebungen. Die TPK stützte sich auf die Branchenübersicht Detailhandel Basel-Stadt des Statistischen Amtes Basel-Stadt sowie auf die Ergebnisse von statistischen Lohnerhebungen. Es wurden die Löhne des nationalen Lohnrechners vom Bundesamt für Statistik, die Daten des Salariums Individueller Lohnrechner 2012 des Bundesamtes für Statistik sowie des Lohnrechners des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes einander gegenüber gestellt. Die Lohndaten wurden zur besseren Vergleichbarkeit vom Statistischen Amt Basel-Stadt noch auf Ende 2014 indexiert. Verglichen wurden jeweils die Löhne des Verkaufspersonals im Detailhandel mit 19 Jahren ohne Berufserfahrung und einer Verkäuferin mit 24 Jahren mit einer fünfjährigen Berufserfahrung. Innerhalb dieser zwei Gruppen wurde jeweils zwischen einer gelernten und einer ungelernten Angestellten im Detailhandel unterschieden. Zudem wurde noch der ort- und branchenübliche Lohn der TPK Bund herangezogen. Diese hatte an ihrer Sitzung vom 24. Januar 2014 den ortsüblichen Lohn für Grossverteiler in der Branche Detailhandel mit Schuhen und Bekleidung für Arbeitnehmende unter 25 Jahren, die über keine Berufsausbildung und Berufserfahrung verfügen, für die Region Nordwestschweiz mit Fr. 3 295 (bei 40 Std. pro Woche) festgelegt. Bei 42 Stunden ergibt dies einen Monatslohn von Fr. 3 455 (siehe Lohnübersicht im Anhang 1). Aufgrund dieser Lohnangaben wurde von der TPK die Bandbreite zwischen dem 25% und dem 50% Quartil 3 als orts- und branchenüblicher Lohn angesehen: ohne eine Berufsausbildung mit einer Berufsausbildung ohne Berufserfahrung (19 Jahre) mit 5 Jahren Berufserfahrung (24 Jahre) ohne Berufserfahrung (19 Jahre) mit 5 Jahren Berufserfahrung (24 Jahre) Quartil 25% 50% 25% 50% 25% 50% 25% 50% TPK BS üblicher Lohn 3'500-3'600 3'600-3'900 3'700-4'000 3'800-4'100 2 Ausgewählte Fragen zum Erlass eines Normalarbeitsvertrags im Sinn von Art. 360a OR, AJP 20/2013, 1467ff. 3 25% Quartil: 25% der Löhne liegen unter diesem Wert, 75% darüber; 50% Quartil: 50% der Löhne liegen unter diesem Wert, 50% darüber Seite 2/6

Als untere Grenze des orts- und branchenüblichen Lohnes setzte die TPK folgende Löhne fest: TPK BS Mindestlohn 3'500 3'600 3'700 EBA 3'800 EBA 3'900 EFZ 4'000 EFZ EBA = zweijährige Lehre, EFZ = dreijährige Lehre Mehrere Betriebe des Detailhandels haben in der von der TPK durchgeführten Lohnerhebung in den Jahren 2012 und 2014 die festgesetzten Löhne unterschritten. Somit wurde der orts- und branchenübliche Lohn wiederholt unterboten. Beispiele für massive Lohnunterschreitungen (jeweils auf 42 Stunden pro Woche umgerechnet): Gelernte Angestellte im Detailhandel (EFZ) untere Grenze - Kleidergeschäft über 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 4000 Fr. 3 232.53 - Kleidergeschäft über 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 4 000 Fr. 3 325.89 - Kleidergeschäft über 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 4 000 Fr. 3 309.21 - Kleidergeschäft unter 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 3 900 Fr. 3 217.52 Ungelernte Angestellte im Detailhandel untere Grenze - Lebensmittelgeschäft über 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 3 600 Fr. 3 161.21 - Lebensmittelgeschäft über 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 3 600 Fr. 3 327.59 - Lebensmittelgeschäft über 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 3 600 Fr. 3 327.59 - Lebensmittelgeschäft unter 5 Jahre Berufserfahrung Fr. 3 500 Fr. 3 327.59 2.2 Missbräuchlichkeit der Unterbietung Vorliegend hat sich gezeigt, dass die von der TPK in ihren Lohnerhebungen festgestellten Lohnunterschreitungen keine begründbaren Einzelfälle darstellen. In der gesamten Branche des Detailhandels besteht ein Lohndruck. Insbesondere im Bereich der Lebensmittelläden, die keinem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, wie auch in den Läden des Schuh- und Bekleidungshandels sind die Löhne generell sehr tief angesiedelt und es sind dringend Massnahmen angezeigt. Da es sich teilweise um deutliche Unterschreitungen der orts- und branchenüblichen Löhne handelt, ist von einer Missbräuchlichkeit der Unterschreitung auszugehen. 2.3 Kein Vorliegen eines Gesamtarbeitsvertrages Seit 2010 gibt es im Detailhandel keinen Gesamtarbeitsvertrag mehr. Es fanden zwar Gespräche zwischen den Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände statt, welche aber zu keinem Erfolg führten. Insoweit fehlt es an einem Gesamtarbeitsvertrag für alle Angestellten des Detailhandels. Grossverteiler wie Migros oder Coop verfügen über eigene Gesamtarbeitsverträge. 2.4 Kein Zuwiderlaufen gegen das Gesamtinteresse Der vorgesehene NAV Detailhandel läuft keinen Gesamtinteressen zuwider. Vielmehr ist er als Seite 3/6

Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Dumpinglöhne gedacht. Die vorgeschlagenen Mindestlöhne passen auch in das vorliegende Lohngefüge der bestehenden Normalarbeitsverträge mit Mindestlöhnen wie auch der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge: Der NAV Hauswirtschaft mit Mindestlöhnen sieht für eine ungelernte Arbeitskraft ohne Berufserfahrung einen minimalen Stundenlohn von Fr. 18.55 bzw. einen Monatslohn bei 42 Wochenstunden von Fr. 3 376.10 vor. Der Gesamtarbeitsvertrag für das Coiffeurgewerbe schreibt für eine gelernte Mitarbeiterin (EFZ) seit 1. September 2015 einen Basislohn von Fr. 3 800 pro Monat vor. Im Reinigungsgewerbe in der Deutschschweiz verdient ein Unterhaltsreiniger seit 1. Januar 2016 einen Minimallohn von Fr. 18.50 pro Stunde. Im Gastgewerbe beträgt der Verdienst für eine ungelernte Arbeitskraft mindestens Fr. 3 407 und für eine gelernte Arbeitskraft Fr. 4 108 pro Monat. (Teilweise ist im Gastgewerbe wie auch im Reinigungsgewerbe allerdings noch ein 13. Monatslohn geschuldet.) 2.5 Keine Beeinträchtigung von berechtigten Interessen anderer Branchen oder Bevölkerungskreise Es erfolgt auch keine Beeinträchtigung von berechtigten Interessen anderer Branchen oder Bevölkerungskreise. 2.6 Die vorgesehenen Mindestlöhne Aufgrund der festgelegten unteren Grenze des orts- und branchenüblichen Lohnes sieht der NAV folgende Mindestlöhne vor: Art. 5 Höhe des Mindestlohnes 1 Der Mindestlohn beträgt brutto bei einer 42-Stunden Woche für die Kategorien: CHF/ Monat CHF/ Stunde a. ungelernt 3 500 19.25 b. ungelernt mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung im Detailhandel 3 600 19.80 c. gelernt mit EBA 3 700 20.35 d. gelernt mit EBA und mind. fünf Jahren Berufserfahrung im Detailhandel 3 800 20.90 e. gelernt mit EFZ 3 900 21.45 f. gelernt mit EFZ und mind. fünf Jahren Berufserfahrung im Detailhandel 4 000 22.00 g. Lernende im 1. Lehrjahr 600 h. Lernende im 2. Lehrjahr 800 i. Lernende im 3. Lehrjahr 1 000 j. Praktikantinen und Praktikantinnen ab dem 3. 12. Anstellungsmonat 900 2 Bei Teilzeitarbeit wird der Mindestlohn pro rata temporis berechnet. Die Löhne der Lernenden wurden aufgrund der in Basel-Stadt abgegebenen Lohnempfehlungen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt, Mittelschulen und Berufsbildung, in der beruflichen Grundbildung (Lehre) für den Detailhandel festgelegt. Der Mindestlohn für ein Praktikum, welches maximal für 12 Monate abgeschlossen werden kann, wurde zwischen dem Lohn im zweiten und dritten Lehrjahr angesiedelt. Seite 4/6

2.7 Die Befristung des NAV mit Mindestlöhnen Ein NAV mit Mindestlöhnen ist gemäss Art. 360a Abs. 1 OR zwingend zu befristen. Die TPK beantragt eine Befristung auf drei Jahre. Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten wird die TPK eine Neubeurteilung vornehmen und allenfalls die Verlängerung bzw. die Abänderung beantragen. 3. Zuständigkeit und Verfahren Da sich der NAV auf das Gebiet des Kantons Basel-Stadt beschränkt, ist gemäss Art. 359a OR der Kanton zuständig. Im Kanton Basel-Stadt ist dies gemäss 215 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches der Regierungsrat. Die Antragstellung für den Erlass eines NAV mit Mindestlöhnen erfolgt gemäss Art. 360b OR durch die TPK. 4. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 4.1 Kapitel Geltungsbereich Der NAV gilt nur für Betriebe, die im Kanton Basel-Stadt ansässig sind. Der Detailhandel wird dabei sehr breit gefasst. Massgebend ist dabei die vom Bundesamt für Statistik (BFS) verwendete Branchenklassifikation NOGA (Nomenclature Générale des Activités économiques), Branche Detailhandel (NOGA 47). Dazu zählen beispielsweise auch Drogerien und Apotheken, aber auch Tankstellen oder der Kunsthandel. Im vorliegenden NAV sind unabhängig des NOGA Codes 47 (Branche Detailhandel) der Versandhandel sowie Verkaufsstände an Messen und Märkten (z.b. Herbstmesse, Weihnachtsmarkt) von den vorgesehen Mindestlöhnen explizit ausgenommen. Weiter sollen die Mindestlöhne auch nicht für Kleinstbetriebe mit maximal drei Mitarbeitenden sowie für sehr nahestehende Personen wie die Ehefrau oder Ehepartner wie auch generell für Konkubinats- wie auch eingetragene Partnerinnen und Partner gelten. Soweit für den betreffenden Mitarbeitenden bereits ein anderer allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsvertrag Anwendung findet, gelten die dortigen Mindestlöhne (z. B. im Bereich Personalverleih). Ausnahmen sind zudem im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen vorgesehen. 4.2 Kapitel Pflichten des Arbeitgebers Grundsätzlich soll es für alle Angestellten im Detailhandel einen Mindestlohn geben. Dies gilt für gelernte wie ungelernte Arbeitskräfte, aber auch für Auszubildende und Praktikantinnen und Praktikanten. Die vorgesehenen Löhne sind entsprechend dem Ausbildungsniveau abgestuft. Auch wird im NAV festgehalten, dass ein Praktikum maximal zwölf Monate dauern kann. Die Verpflichtung den Mindestlohn zu zahlen, gilt ab dem dritten Monat. Somit sind Kurzpraktikas bis zu drei Monaten vom Mindestlohn ausgenommen. 4.3 Kapitel Behörden Die Kontrolle der Löhne im Detailhandel wird zukünftig der TPK obliegen. Bei Nichteinhaltung der Mindestlöhne kann das AWA gestützt auf das Entsendegesetz eine Verwaltungssanktion in Höhe von maximal Fr 5 000 (Erhöhung geplant auf Fr. 30 000) aussprechen. Damit eine unnötige Härte Seite 5/6

vermieden werden kann, wird eine wirtschaftlich oder persönlich schwierige Situation bei der Höhe der Verwaltungssanktion angemessen berücksichtig. Seite 6/6