Reform der Sachwalterschaft DAS NEUE ERWACHSENENSCHUTZRECHT

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Transkript:

Reform der Sachwalterschaft DAS NEUE ERWACHSENENSCHUTZRECHT Das jetzige System der Sachwalterschaft ist veraltet Alternativen wurden nicht ausgeschöpft: Bereits im geltenden Recht sollte die Sachwalterschaft bloß als letztes Mittel eingesetzt werden, in der Praxis wird das oft anders gelebt. So werden Sachwalter häufig nicht nur für eine bestimmte Angelegenheit (z. B. Abschluss eines Vertrages) oder einen Kreis von Angelegenheiten (z. B. Vertretung vor Behörden) bestellt, sondern für alle Angelegenheiten. Bestehende Alternativen wie die Vorsorgevollmacht oder die Vertretungsbefugnis durch Angehörige werden zu wenig genutzt oder deren Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Die Zahl der Sachwalterschaften ist enorm gestiegen: Während im Jahr 2003 noch etwa 30.000 Menschen in Österreich besachwaltet waren, so hat sich diese Zahl bis zum Jahr 2015 auf etwa 60.000 bestehende Sachwalterschaften verdoppelt. Dabei zeigt sich, dass oft schon sehr früh der Ruf nach einem Sachwalter kommt, ohne dass man sich je mit der betroffenen Person selbst auseinandergesetzt hätte. Zu wenige geeignete Sachwalter: Häufig wurde kritisiert, dass zu wenige geeignete Sachwalter zur Verfügung stehen. Gerade im städtischen Bereich sind oft keine Angehörigen vorhanden, die sich um die betroffene Person kümmern können oder wollen. Daher wurden oft Rechtsanwälte oder Notare zu Sachwaltern bestellt, ohne dass rechtliche Angelegenheiten zu besorgen wären. Unbekannte oder unattraktive Alternativen: Oft sind bestehende Alternativen zur Sachwalterschaft nicht oder zu wenig bekannt: Dies betrifft einerseits regionale Unterstützungsmöglichkeiten, andererseits aber auch alternative Vertretungsmodelle (Vorsorgevollmacht oder Angehörigenvertretung). Internationale Vorgaben: Nach Artikel 12 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist Österreich verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, behinderten Menschen die Unterstützung zukommen zu lassen, die nötig ist, damit sie ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit ausüben können. Das neue Erwachsenenschutzgesetz Unter Berücksichtigung dieser Kritikpunkte und der Erfahrungen aus der Praxis wird das 30 Jahre alte Sachwalterrecht mit dem vorliegenden Entwurf umfassend überarbeitet und modernisiert. Das neue Erwachsenenschutzgesetz soll das System der Sachwalterschaft ersetzen. Es steht auf vier Säulen der Vertretung, die durch unterschiedlich ausgeprägte Befugnisse den Betroffenen mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Dieser Systemwandel soll auch durch moderne Begrifflichkeiten zum Ausdruck gebracht werden. 1

Der Sachwalter wird daher zum Erwachsenenvertreter. Das entspricht der internationalen Terminologie, die vom Erwachsenenschutz spricht. Der Begriff behinderte Person soll aufgegeben werden, stattdessen spricht der Entwurf von der volljährigen, der vertretenen oder auch der betroffenen Person. Die geistige Behinderung soll als eine einer psychischen Krankheit vergleichbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit einer Person umschrieben werden. Völliges Umdenken durch ein neues Gesetz Um den gesellschaftlichen Entwicklungen wie beispielsweise der steigenden Lebenserwartung oder der zunehmenden Komplexität des Geschäftsverkehrs gerecht zu werden, haben wir den Erwachsenenschutz komplett neu gedacht. Der vorliegende Entwurf zum neuen Erwachsenenschutzgesetz stellt daher Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungshilfe für die Betroffenen in den Mittelpunkt. Deren Entscheidungsfähigkeit wird auch im Bereich der Personen- und Familienrechte wesentlich gestärkt. Der Aufbau der Vertretungsmöglichkeiten, der auf vier Säulen mit unterschiedlich weitgehenden Befugnissen basiert, fördert ein stärkeres Hinschauen, Reflektieren und Differenzieren aller Beteiligten. Damit soll für jede Situation die bestmögliche Lösung gefunden werden, damit der betroffenen Person so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Handeln ermöglicht wird. Entstehung des Gesetzes eine eigene Geschichte Völlig neu ist auch der Entstehungsprozess des Gesetzes - In die Neugestaltung des Erwachsenenschutzes waren alle betroffenen Personen und Personengruppen (Rechtsprechung, Anwaltschaft, Notariat, Behinderteneinrichtungen, SeniorenvertreterInnen, HeimvertreterInnen, Sachwaltervereine, Volksanwaltschaft, etc.) durch regelmäßige Gesprächsrunden, Arbeitskreise und Diskussionsgruppen über einen Zeitraum von über zwei Jahren intensiv eingebunden. Die Arbeitsgruppen wurden von einer speziell geschulten Moderatorin begleitet, die wesentliche Inhalte der Diskussion zeichnete und diese Zeichnungen dann erklärte. In den Arbeitsgruppen wurde zudem darauf geachtet, dass die Diskussionen in einer möglichst einfachen Sprache geführt werden. Dieser gemeinsame Arbeitsprozess wurde ergänzt durch das Modellprojekt Unterstützung zur Selbstbestimmung, das von März 2014 bis Dezember 2015 an 18 Gerichtsstandorten durchgeführt wurde. In Zusammenarbeit mit drei der vier Sachwaltervereine wurde dabei versucht, im Rahmen eines erweiterten Clearings Alternativen zur Sachwalterschaft zu finden. Die Ergebnisse wurden in einer Begleitforschung des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie dokumentiert und waren ebenfalls maßgeblich für die umfassende Reform der bestehenden Regelungen. Im internationalen Vergleich Mit dem neuen Erwachsenenschutzgesetz erfüllen wir nicht nur internationale Vorgaben im Bereich der Rechte von Behinderten, sondern können moderne rechtliche Grundlagen vorweisen, die auch dem internationalen Vergleich standhalten. Orientieren konnten wir uns dabei auch an Deutschland, das bereits seit 1992 ein System hat, das keinen automatischen Verlust der Geschäftsfähigkeit vorsieht und das gut funktioniert. Gleichzeitig wollen wir auch Vorreiter für andere Länder sein. So hat beispielsweise die Schweiz den Begriff Angehörigenvertreter von uns übernommen. Allgemein lässt sich ein Trend erkennen, der schutzbedürftige Menschen nicht mehr automatisch als pflegebefohlen ansieht. Mit der 2

Reformbestrebung nach mehr Selbstbestimmung und Autonomie für die betroffenen Personen sind wir also voll auf der Höhe der Zeit. Das neue Erwachsenenschutzgesetz Die 4 Säulen Arten der Vertretung: In Zukunft soll es vier mögliche Arten der Vertretung einer unterstützungsbedürftigen volljährigen Person geben. Damit kann individuell auf die jeweilige Situation und die Bedürfnisse der betroffenen Person eingegangen werden. Die Vorsorgevollmacht soll aus dem geltenden Recht übernommen werden, da sie sich weitgehend bewährt hat. Der Wirkungsbereich des Bevollmächtigten wird damit gesetzlich nicht beschränkt; Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Vollmacht ist aber, dass der sogenannte Vorsorgefall (Vollmachtgeber ist nicht mehr entscheidungsfähig) eingetreten und im ÖZVV eingetragen ist. Die gerichtliche Kontrolle ist hier im Wesentlichen auf die Genehmigung von Entscheidungen bei medizinischen Behandlungen, soweit zwischen Vertreter und Vertretenem ein Dissens erkennbar wird, und bei dauerhaften Wohnortänderungen ins Ausland beschränkt. Da die Vorsorgevollmacht auf der persönlichen Willensbildung der vertretenen Person beruht, ist sie auf unbestimmte Zeit eingerichtet. Neu geschaffen wird mit dem Entwurf die gewählte Erwachsenenvertretung: Damit soll eine Lücke im aktuellen System geschlossen werden. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht kann eine Person auch dann einen gewählten Erwachsenenvertreter bestimmen, wenn sie nicht mehr voll geschäftsfähig ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Person die Tragweite einer Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen verstehen und sich entsprechend verhalten kann. Auch diese Vertretungsbefugnis soll eine Eintragung in das ÖZVV voraussetzen und einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Da sie auf der wenn auch schon etwas eingeschränkten persönlichen Willensbildung des Vertretenen beruht, ist sie auf unbestimmte Zeit eingerichtet. Unter einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung versteht der Reform-Entwurf die Vertretung durch nächste Angehörige. Diese Vertretungsbefugnis der Angehörigen soll jedoch nicht mehr wie bisher unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern nur dann bestehen, wenn sie im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen wird. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung verschafft dem nahen Angehörigen weitergehende Befugnisse als bisher, soll dafür aber anders als nach geltendem Recht auch einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Sie muss spätestens nach drei Jahren erneuert werden. Der gerichtliche Erwachsenenvertreter soll den bisherigen Sachwalter ersetzen. Seine Befugnisse sollen aber deutlicher als nach geltendem Recht auf bestimmte Vertretungshandlungen beschränkt sein. Eine Erwachsenenvertretung für alle Angelegenheiten soll es nicht mehr geben. Die Wirkungsdauer einer solchen Vertretung soll mit Erledigung der Aufgabe bzw. spätestens drei Jahre nach Bestellung enden. Die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters soll so wie nach bisherigem Recht nur das letzte Mittel sein, die Alternativen dazu werden daher weiter ausgebaut. 3

Geschäftsfähigkeit und Genehmigungsvorbehalt Keine dieser Vertretungsarten soll zu einem automatischen Verlust der Geschäftsfähigkeit der vertretenen Person führen. Dem Pflegschaftsgericht soll jedoch im Fall der gerichtlichen Erwachsenenvertretung bei drohender Gefahr für den Vertretenen die Möglichkeit eingeräumt werden, ausnahmsweise anzuordnen, dass die Wirksamkeit von bestimmten rechtsgeschäftlichen Handlungen der betroffenen Person die Genehmigung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters voraussetzt (Genehmigungsvorbehalt). Ansonsten kommt es bei volljährigen Personen ausschließlich darauf an, ob sie im Rechtsverkehr die erforderliche Geschäftsfähigkeit aufweisen oder nicht. Persönliche und familiäre Angelegenheiten Auch in diesen Bereichen soll die Autonomie der betroffenen volljährigen Menschen gestärkt werden. Grundsätzlich soll eine volljährige Person in solchen Belangen vor allem wenn sie eine medizinische Behandlung oder eine Veränderung des Wohnorts betreffen selbst entscheiden. Ein Vertreter kann hier nur dann tätig werden, wenn die von ihm vertretene Person nicht entscheidungsfähig ist. Bestimmte Entscheidungen sind überhaupt vertretungsfeindlich : So kann jemand etwa bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung, einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, bei einer Eheschließung, bei der Annahme an Kindesstatt oder bei Anerkennung der Vaterschaft nicht fremdbestimmt werden. Ausbau der Erwachsenenschutzvereine und verpflichtendes Clearing Das Reformkonzept beruht auf einem weiteren Ausbau der durch die öffentliche Hand geförderten Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine. Ihre Beratungsfunktionen werden ausgeweitet. Zudem kann künftig auch bei ihnen eine Vorsorgevollmacht errichtet bzw. ein Erwachsenenvertreter gewählt werden. Darüber hinaus wird das sogenannte Clearing durch den örtlich zuständigen Verein im gerichtlichen Verfahren zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters verpflichtend. Das bedeutet, dass das Gericht den Akt dem Verein übermitteln muss, der überprüft, ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung notwendig ist oder nicht. Die guten Erfahrungen mit diesem seit 2006 bestehenden Angebot haben sich auch im Modellprojekt Unterstützung zur Selbstbestimmung bestätigt. Mit diesen und weiteren Maßnahmen werden die Erwachsenenschutzvereine zur Drehscheibe der Rechtsfürsorge ausgebaut. Entschädigung von Erwachsenenvertretern Die geltenden Regelungen über die Entschädigung von Sachwaltern sollen den Bedürfnissen der Praxis angepasst und in einigen Bereichen klarer gefasst werden. Diese Bestimmungen sollen sicherstellen, dass die Tätigkeit eines Erwachsenenvertreters einigermaßen adäquat honoriert wird. Damit sollen auch Anreize zur qualifizierten Vertretung geschaffen werden. Zugleich sollen aber Vorkehrungen eingebaut werden, die überzogene Honorare und damit eine Bereicherung des Vertreters an der volljährigen Person hintanhalten. 4

Personensorge medizinische Behandlung Auch nach neuem Recht soll die Sorge um die persönliche Lebenssituation der psychisch kranken oder vergleichbar beeinträchtigten Person nicht allein dem Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe überantwortet werden. Der Erwachsenenvertreter hat aber nicht die vollständige Betreuung einer von ihm vertretenen Person zu übernehmen. Wenn sie nicht ohnehin schon umfassend betreut ist, soll er sich um die erforderliche ärztliche und soziale Betreuung bemühen. Neu geregelt werden die Voraussetzungen einer medizinischen Behandlung bei psychisch kranken oder vergleichbar beeinträchtigten Menschen. Nicht entscheidungsfähige Patienten dürfen außer bei Gefahr im Verzug nur mit Zustimmung ihres Vertreters behandelt werden. Dessen ungeachtet muss auch der Vertretene selbst vom behandelnden Arzt über die Behandlung informiert und um seine Meinung befragt werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Patienten und seinem Vertreter muss eine gerichtliche Entscheidung eingeholt werden. Verfahrensrecht Die verfahrensrechtlichen Regelungen für die Bestellung eines Sachwalters werden übernommen und weiter verfeinert. Vor allem gilt das für das schon erwähnte Clearing, das künftig allgemein verpflichtend sein soll. Darüber hinaus werden erstmals Angehörige der vertretenen Person in das Bestellungsverfahren eingebunden. Ausweitung des Heimaufenthaltsgesetzes Das Heimaufenthaltsgesetz regelt derzeit die Zulässigkeit und Überwachung von Freiheitsbeschränkungen in vereinfacht gesagt Alten- und Pflegeheimen. Die Volksanwaltschaft und der bei ihr angesiedelte Menschenrechtsbeirat haben sich dafür ausgesprochen, den Anwendungsbereich dieser Regelungen auf Einrichtungen auszudehnen, die unter der Aufsicht der Kinder- und Jugendhilfe stehen. Diesem Anliegen soll aus Anlass der vorliegenden Reform nachgekommen werden. 5