Fact-Checking beim SPIEGEL

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Transkript:

Fact-Checking beim SPIEGEL fjum_forum journalismus und medien wien, Presseclub Concordia, Wien, 11. Februar 2014 Dr. Hauke Janssen, Leiter Dokumentation SPIEGEL-Verlag, Hamburg Februar 11, 2014

Der Ursprung der Verifikation beim SPIEGEL! Das im Produktionsprozess verankerte Fact- Checking verdanken wir einem peinlichen Fehler: Als ein Archivar im Nachhinein darauf hinwies, das in einem bereits gedruckten Artikel die irakische Stadt Basra fälschlich, ans Rote Meer verlegt worden war, antwortete Rudolf Augstein unwirsch: Dann überprüfen Sie das in Zukunft doch bitte schon vorher. Das war Anfang der 1950er Jahre.! Dass die Bedeutung der Verifikation, wie wir beim SPIEGEL sagen, bereits zuvor erkannt worden war, belegt das berühmte SPIEGEL-Statut vom Juni 1949.! Dort hieß es unter anderem:

Aus dem SPIEGEL-Statut von 1949: Der SPIEGEL ist ein Nachrichten- (Neuigkeiten-) Magazin. Darum muß der SPIEGEL 1. aktuell sein, 2. einen hohen Nachrichten- (Neuigkeits-) Gehalt haben. Dabei muß er andere, d. h. persönlichere, intimere, hintergründigere Nachrichten (Neuigkeiten) mitteilen und verarbeiten, als sie die Tagespresse darbietet zu 2: Alle im SPIEGEL verarbeiteten und verzeichneten Nachrichten, Informationen, Tatsachen müssen unbedingt zutreffen. Jede Nachricht und jede Tatsache ist vor die Weitergabe an die Redaktion peinlichst genau nachzuprüfen. Quellen sind in jedem Fall informativ mitzuteilen. In Zweifelsfällen ist eher auf eine Information zu verzichten, als die Gefahr einer falschen Berichterstattung zu laufen.

Vom Archiv zur Dokumentation! Unter dem Geschäftsführenden Redakteur und späteren Verlagsdirektor Hans Detlev Becker entwickelte sich das Archiv aus einem Annex der Redaktion zum autonomen Betriebsbereich Dokumentation, der sie neben Verlag und Redaktion heute noch ist.! Eine ihrer zentralen Aufgabe ist die Verifikation. Becker: Ursprünglich sollte ein Redaktionsarchiv nur Informationsmaterial sammeln. Aus Sammeln nach Schleppnetzprinzip wird unmerklich Beschaffen durch Recherche. Aus Sammeln und Beschaffen zur Verwertung wird im Chaos des Schlachtfelds der Redaktion unmerklich Verwertung des Gesammelten und Beschafften zum Belegen von Behauptetem

Der Bereich Recherche und Verifikation! ist analog den Ressorts in der Redaktion in Referate gegliedert und beschäftigt heute knapp 70 Dokumentationsjournalisten.! SPIEGEL-Dokumentationsjournalisten archivieren, recherchieren und verifizieren für die diversen SPIEGEL-Redaktionen. Es handelt sich um Fachleute, darunter Mediziner, Physiker, Juristen, Ökonomen, Historiker oder auch Sinologen und Islamwissenschaftler.! Recherchiert wird in der hausinternen Archivdatenbank DIGAS, in kostenpflichtigen externen Hosts (Lexis/Nexis, Faktiva, Bloomberg), im Internet, in Blogs und Social Media sowie im guten, alten Papierarchiv oder per Telefon.

Fact-Checking heute! Die Redaktion erwartet von der Dokumentation die gewissenhafte Verifikation des abgeschlossenen Manuskripts (Grundsätze der Zusammenarbeit ).! Dabei wird jede zur Veröffentlichung bestimmte Tatsache als solche und in ihrem Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und in Abhängigkeit der verfügbaren Zeit auf sachliche Richtigkeit geprüft.! Die Dokumentation erwartet im Gegenzug ausrecherchierte Geschichten und das benutzte Material.! Im Anschluss an die Verifikation einigen sich Dokumentar und Redakteur in einem Übergabegespräch auf die endgültige Text-Version.

Aus den geltenden Verifikationsrichtlinien! Zur Verifikation sind auch andere, als die vom Autor benutzen heranzuziehen.! Als verifiziert kann nur gelten, was mit zuverlässigen Quellen oder von Experten bestätigt worden ist.! Widersprechen Quellen den Angaben des Autors, muss dieser bei der Übergabe darauf aufmerksam gemacht werden, ebenso darauf, wenn Fakten nicht verifiziert werden konnten.! Informanten der Redaktion, die Objekt einer Geschichte sind, dürfen nur nach Absprache mit der Redaktion befragt werden.

Aus den geltenden Verifikationsrichtlinien! Aus zeitökonomischen Gründen müssen zuweilen Prioritäten gesetzt werden. Es kann dann nicht Zeile für Zeile fortlaufend verifiziert werden, sondern bevorzugt die Fakten, die erkennbar unter die Verantwortung der Dokumentation fallen.! Folgende Punkte sind besonders zu beachten: Stimmen die Fakten? Stimmen die Namen und Funktionen? Stimmen die Zeitbezüge? Enthält der Text innere Widersprüche? Stimmen die Zitate (nach Wort und Sinn)? Wie steht es mit der Aktualität und Seriosität der herangezogenen Quellen?

Beispiele verifizierter Manuskripte! Anmerkungen gut lesbar! Quellen angegeben! jede Zeile als belegt/ wahrscheinlich/nicht verifizierbar/ Recherche markiert

Beispiele verifizierter Manuskripte! langsam etwas weniger lesbar! unübersichtlicher! überprüfende Belegrechnung am Rand

Beispiele verifizierter Manuskripte! schlecht lesbar! was gehört wohin?

Datenjournalismus: Auswerten und visualisieren

Faktenrichtigkeit ist Grundvoraussetzung! von gutem Journalismus und objektiver Berichterstattung.! Menschen machen Fehler, ob unbeabsichtigt oder nicht. Solche Fehler schädigen das größte Kapital des seriösen Journalismus: die Glaubwürdigkeit.! Eine Methode, die Anzahl der Fehlern zu verringern, ist die Verifikation, also die Überprüfung der Fakten vor der Veröffentlichung.! Die Notwendigkeit einer journalistischen Qualitätssicherung nimmt im Zeitalter des Internets, der Wikis, Blogs und Social Media und der damit einhergehenden Subjektivierung und Beschleunigung in der Informationsvermittlung zu.

Obama or Osama, that is here the question

Mitterand oder Mitterrand? Pech, wenn der Autor das nicht weiß... Wie ist es, in einer Fremdsprache zu schreiben? Anka Muhlstein über den Schriftsteller Louis Begley: Natürlich können sie alle eine französische Speisekarte lesen, schätzen einen Grands-Echézeaux 71, wissen, dass man bei Wein immer den Jahrgang nennt, um die Qualität zu bestimmen, Le Canard eine französische Satirezeitung und "l'affaire de l'observatoire" eine mysteriöse Episode in Mitterands politischer Karriere ist - Pech, wenn der Leser das nicht weiß. http://derstandard.at/1381369768137/wie-ist-es-in-einer-fremdsprache-zu-schreiben Insgesamt gab es bei derstandart.at sechs Treffer bei der Suche auf ein Jahr zurück: dreimal Mitterand und dreimal Mitterrand.

! Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! Hauke_Janssen@spiegel.de