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Transkript:

Detailinformation zu den Problembereichen Bodenbeschaffenheit 61 % der Schweine leben auf Vollspaltenboden. 17 % der Mastschweine leben auf Teilspaltenboden. 22 % der Mastschweine leben auf geschlossenem Boden. Vollspaltenböden erleichtern den SchweinehalterInnen die Arbeit, bedeuten für die Tiere aber eine furchtbare Qual durch den harten Boden, die reizarme Umgebung und den permanenten Gestank. Aufgrund der schlechten Luftqualität leiden viele der Tiere unter roten, entzündeten Augen. Außerdem führen die eingeatmeten Schadgase zu Atemwegserkrankungen bis hin zu Lungenentzündungen. Vollspaltenböden können nicht mit Stroh eingestreut werden, weil das Stroh die Spalten verkleben würde und die Schweine dann nicht mehr ihren Kot in den Güllebereich unter die Spalten treten könnten. Das Gehen und Liegen auf dem durchbrochenen, harten Boden kann zu Haut- und Klauenverletzungen bzw. Gelenkentzündungen führen. Die reizarme Haltung bewirkt ein Beschäftigungsdefizit, Frustration und erhöht die Gefahr von negativen Sozialaktivitäten wie z.b. Ohrenoder Schwanzbeißen, sowie von Verhaltensstörungen insbesondere im Bereich Nahrungsaufnahme bzw. Erkundung. Teilspaltenböden oder geschlossene Bodensysteme sind geeigneter für Schweine, wenn ihnen Stroh zumindest im Liegebereich angeboten wird und wenn sie genügend Platz haben, um ihren Lebensraum in Bereiche einteilen zu können (Ess-, Schlaf- und Kotbereich). Vollspaltenboden

Geschlossener Boden Teilspaltenboden Vollspaltenböden müssen ausnahmslos abgeschafft werden! Ein Liegebereich mit Stroheinstreu muss vorhanden sein! Um Schweinen das artgemäße Ruhen zu ermöglichen, muss der Liegebereich nicht nur sauber und trocken, sondern auch bequem sein 1. Eine entsprechende Forderung findet sich im Bericht des Wissenschaftlichen Veterinärausschusses zur Schweinehaltung 2. Ein Perforationsgrad von 15% im Liegebereich von Sauen widerspricht dem obgenannten Gebot, den Liegebereich so komfortabel wie möglich auszugestalten. Im Liegebereich sollte auf jegliche Perforation verzichtet werden, da anderenfalls die Tiere gezwungen sind, mit ihrer empfindlichen Nase direkt über der Gülle zu liegen. Schweine besitzen sogar mehr Riechzellen als Hunde. Anderweitige Lösungen zum Ableiten von Kot und Harn (z.b. eine Bodenneigung von über 2% und eine Klappe oder ein Schlitz am Rand der Liegefläche) sind nach dem Stand der Technik möglich und sollten bevorzugt werden (IGN 3 ). Die Alternative zu Vollspaltenböden sind Mehrflächenbuchten, bei denen ein Bereich als Liegefläche dient und mit Stroh eingestreut ist. Ein anderer Bereich dient dem Erkunden und der Fütterung, und ein weiterer Bereich, der dann mit einem Spaltenboden ausgestattet sein kann, dient als Kotplatz. 1 Vgl. dazu Kap. I Nr. 11 des Anhangs zur Richtlinie 91/630/EWG. 2 Vgl. EU-Kommission, Scientific Veterinary Committee, Report on the welfare of intensively kept pigs 1997, S. 141 No. 13: comfortable. 3 IGN: Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung (1978 von schweizer und deutschen WissenschaftlerInnen gegründet; Präsident: Prof. Dr. A. Steiger, Universität Bern, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Bremgartenstr. 109a, CH - 3012 Bern). 2/11

Keine Stroheinstreu 99 % der Schweine leben ohne Stroheinstreu! Die reizarme Umwelt bedingt, dass die Schweine beginnen, sich gegenseitig anzuknabbern. Sie beschäftigen sich mit den Schwänzen der anderen Schweine, und knabbern diese manchmal bis zum Schwanzansatz ab. Durch die infizierten Wunden dringen Krankheitskeime in den Körper, die unter Umständen in die Wirbelsäule aufsteigen und bis zu einer Querschnittslähmung führen können. Nach den Erkenntnissen des Wissenschaftlichen Veterinärausschusses der EU dient die Bereitstellung von Stroh dem Wohlbefinden von Schweinen im mehrfacher Hinsicht: Stroh erhöht den Liegekomfort; Stroh kann den Mangel an Ballaststoffen im handelsüblichen Futter ausgleichen und ermöglicht Kauen, Wühlen und andere orale Tätigkeiten (IGN 1 ). Indem das Stroh als Beschäftigungsmöglichkeit genutzt wird, verhindert es Schwanzbeißen und Kannibalismus. Es gibt mittlerweile mehrere Auswertungen, die zeigen, dass die Wirtschaftlichkeit von eingestreuten, insbesondere einstreuarmen, Systemen sogar insgesamt besser sein kann als die von einstreulosen. Dabei wird der Mehraufwand für den Stroheinsatz durch niedrigere Energie- und Investitionskosten kompensiert. Zu den einstreuarmen Systemen gehören z.b. Kistenställe oder Schrägbodenställe. Keine Stroheinstreu im Liegebereich Verpflichtende Stroheinstreu für alle Schweine! Einstreu ist in anderen europäischen Ländern gesetzlich vorgeschrieben, so z.b. in der Schweiz und in Norwegen. Das Stroh muss als weiche, trockene Unterlage in die Liegebereiche eingebracht und regelmäßig gewechselt werden, um ein Verschmutzen zu verhindern. 1 IGN: Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung (1978 von schweizer und deutschen WissenschaftlerInnen gegründet; Präsident: Prof. Dr. A. Steiger, Universität Bern, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Bremgartenstr. 109a, CH - 3012 Bern). 3/11

Unhygienische Bedingungen In praktisch allen Betrieben herrschen unhygienische Bedingungen! In beinahe allen Betrieben leben die Schweine auf durch Kot und Urin verschmutzen Böden, oft schwimmt beinahe der gesamte Boden. Für Schweine, die sehr empfindliche Nasen haben, ist ein solches Leben eine einzige Katastrophe. Die Schweine leben auf einem Kot- Urin- Gemisch Schweine müssen einen trockenen und mit Stroh eingestreuten Liegebereich haben! Auf hygienische Standards ist zu achten! Frischwasser Bei 27 % der Betriebe gab es kein oder nur teilweise Frischwasser. Alle Schweine müssen ständig Zugang zu Frischwasser haben, so wie es das Gesetzt vorsieht! 4/11

Platzangebot Die meisten Betriebe halten sich an das vom Bundestierschutzgesetz vorgegebene Minimalplatzangebot! Der Flächenbedarf eines 100 kg schweren Schweins in Seitenlage ist wesentlich mehr, als dem Tier laut Bundestierschutzgesetz (0,7m²) an Platz geboten werden muss. D.h. die Tiere können sich bei diesem geringen Platzangebot nicht einmal richtig hinlegen. Um das gleichzeitige ungestörte Ruhen aller Tiere in gestreckter Seitenlage zu gewährleisten, würde nämlich laut Wissenschaftlichem Veterinärausschuss der EU gemäß der Petherick-Formel (Fläche[m²] = 0,047 x Lebendgewicht [kg] hoch 0,6) eine Fläche, von 1,0 m² pro Tier benötigt 2. Für eine verhaltensgerechte Unterbringung genügt es selbstverständlich nicht, dass Schweine nur diejenige Fläche erhalten, die sie für ein tiergerechtes Ruhen benötigen. Die Tiere müssen darüber hinaus auch die Möglichkeit haben, unterschiedliche Funktionsbereiche einzurichten und insbesondere die Kotfläche vom Liegebereich räumlich deutlich zu trennen. Zu einem tiergerechten Sozialverhalten gehört außerdem, dass Individualabstände eingehalten werden können und schwächere Tiere bei Auseinandersetzungen ausweichen und Deckung suchen können. All das ist bei diesen geringen Bodenflächen nicht möglich. Minimales Platzangebot Mehr Platz für die Schweine! 2 Vgl. EU-Kommission, Scientific Veterinary Committee aao S. 55, 58. 5/11

Beschäftigungsmaterial 48 % der Schweine haben kein Beschäftigungsmaterial. 42 % der Schweine haben ungeeignetes Beschäftigungsmaterial. Geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten müssen bearbeitbar, kaubar und abschluckbar sein, sowie keine Toxizität aufweisen. Nur so kann den angeborenen Bedürfnissen der Schweine zum Kauen, Wühlen und Erkunden Rechnung getragen werden. Schädigende Verhaltensweisen wie Schwanzbeißen oder orale Stereotypien vermindern sich, wenn den Tieren Zugang zu Stroh gewährt wird 3. Keinen Ersatz für Stroh bilden dagegen künstliche Materialien wie Ketten, Reifen oder Bälle; das Erkundungsinteresse daran nimmt parallel zum Neuigkeitswert ab 4. Die EU-Richtlinie 2001/93/EG v. 23.10.01 bezieht sich bei der Erwägung der Gründe unter (4) auf die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Veterinärausschusses (v. 30.9.97). Schweine sollten demnach ihren Bewegungs- und Spürtrieb befriedigen können. Ferner heißt es im Anhang der EU-Richtlinie 2001/88/EG (v. 9.11.01) unter 4. Schweine müssen ständigen Zugang zu ausreichenden Mengen an Materialien haben, die sie untersuchen und bewegen können, wie z.b. Stroh, Heu, Holz, Sägemehl, Pilzkompost, Torf oder eine Mischung dieser Materialien. Deutlich wird, dass ausschließlich organische Materialien aufgezählt werden, die auch in Versuchen ihre lang anhaltende Attraktivität für die Schweine gezeigt haben, da sie zu vielfältigen Verhaltensweisen anregen. Ein weiterer Vorteil ist, dass mehrere Tiere sich gleichzeitig mit diesen Materialien beschäftigen können während künstliche Angebote i.d.r. nur einzelnen oder wenigen Tieren zur Verfügung stehen. (GÖT 5 ) Eine Metallkette ist ein unzureichendes Beschäftigungsmaterial Verpflichtende Stroheinstreu und Beigabe von ausreichend organischem Beschäftigungsmaterial! 3 EU-Kommission, Scientific Veterinary Committee aao S. 36. 4 EU-Kommission, Scientific Veterinary Committee S. 141 No. 11. 5 GÖT: Gesellschaft für Ökologische Tierhaltung (Vereinigung von WissenschaftlerInnen zur Durchführung von Forschungsvorhaben in der Nutztierhaltung; Geschäftsstelle: Dr. Bernhard Hörning, Fachgebiet angewandte Nutztierethologie und tiergerechte Nutztierhaltung, Universität GH Kassel, Nordbahnhofstr. 1 a, D-37213 Witzenhausen). 6/11

Kastration, Zähnekupieren, Schwanzkupieren Ferkel bekommen routinemäßig von Laien ohne Narkose und Schmerznachbehandlung die Zähne und den Schwanz kupiert, und die männlichen Ferkel werden ohne wirksame Betäubung kastriert! In 100 % der Betriebe haben die Schweine routinemäßig abgeschnittene Schwänze. Es liegen etliche wissenschaftliche Arbeiten vor, die belegen, dass die genannten Eingriffe auch in diesem Alter mit enormen Belastungen der Jungtiere verbunden sind (Schmerzreaktionen etc.). Daher sollten die genannten Eingriffe grundsätzlich nur mit Betäubung durch fachkundiges Personal geschehen. Ferner mildern diese Eingriffe nur die Auswirkungen haltungsbedingter Belastungen, ändern aber nicht deren Ursachen. Bei einer Vorschrift von organischen Materialien als Beschäftigungsmaterial wie es die EU-Richtlinie vorsieht sollte ein Schwanzkupieren überflüssig sein. Ferner sollten einfache und kostengünstige Methoden entwickelt werden, die den Ebergeruchsstoff am Schlachtkörper eliminieren, um mittelfristig eine routinemäßige Kastration überflüssig zu machen. (GÖT) Es wurde mehr als die Hälfte des Schwanzes kupiert Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration und aller anderen schmerzhaften Eingriffen durch Laien ohne wirksame Betäubung und ohne Nachbehandlung der Schmerzen. 7/11

Luftqualität, Licht und Lärm In 64 % der Betriebe verursachte der hohe Ammoniakgehalt gereizte Schleimhäute und Atemwegserkrankungen. 23 % der Betriebe haben teilweise zu kleine oder teilweise gar keine Fenster. Bei 18 % der Betriebe waren die Tiere einem dauerndem hohen Lärmpegel durch technische Einrichtungen ausgesetzt. Tageslicht hat eine hohe Bedeutung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Schweine. Eine Fensterfläche von nur 3% der Stallgrundfläche ergibt eine Beleuchtungsstärke von weniger als 15 Lux und bleibt damit weit hinter den 80 Lux zurück, die als notwendige Beleuchtungsstärke genannt werden. (IGN 6 ) Größe des Fensters entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben Außenklimabereich für alle Schweine! 6 IGN: Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung (1978 von schweizer und deutschen WissenschaftlerInnen gegründet; Präsident: Prof. Dr. A. Steiger, Universität Bern, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Bremgartenstr. 109a, CH - 3012 Bern). 8/11

Kranke, verletzte und tote Tiere Bei 64 % der Betriebe gab es Krankheiten wegen schlechter Luftqualität. Bei 14 % der Betriebe gab es Verhaltenstörungen. Bei 9 % der Betriebe gab es Verletzungen durch Schwanz-, Ohren- und Flankenbeißen. Bei 14 % der Betriebe gab es Verletzungen durch die Stalleinrichtung. Die Luft ist beißend und durch die Unmengen an Fäkalien ammoniakverseucht. Nach nur wenigen Minuten im Stall bekommt man Atemwegsbeschwerden und Schmerzen im Rachen. Den Schweinen geht s nicht viel besser. Die meisten atmen schwer und rasselnd, viele haben Lungenentzündung. Offene wunde Stellen, Druckstellen vom Liegen oder Bisswunden durch ArtgenossInnen verheilen nicht unter diesen Bedingungen. Täglich sterben die Tiere in den Schweinefabriken, die Mistkübel vor der Tür sind voll mit Kadavern, die von der Tierkörperverwertung regelmäßig abgeholt werden. verletztes Schwein 9/11

Kastenstand 100% aller dokumentierten Zuchtsauen müssen ins Abferkelgitter! Die Kastenstände verhindern praktisch jegliche Bewegung, die Sauen können nicht einmal einen Schritt vorwärts oder rückwärts machen. Den Tieren wird durch die Enge sogar das Abliegen und das Aufstehen erschwert. Natürlich können sie auch ihren Lebensraum nicht in Liegeplatz und Kotplatz trennen und keinen adäquaten Nestbau durchführen. Auch die Mutter-Kind Beziehung wird durch den Kastenstand erschwert bzw. unmöglich gemacht. Zur Ermöglichung des Sozialverhaltens müssen Schweineställe so gebaut sein, dass in der Regel Gruppenhaltung vorgesehen wird. Das Halten von Sauen in Kastenständen bis zu vier Wochen nach dem Belegen erachtet die IGN 7 daher als zu lange. Werden Sauen vor dem Beginn der Nidationsphase der befruchteten Eier gruppiert, so ist keine höhere Abortrate zu erwarten als beim Gruppieren nach der Nidationsphase. Ein sehr kritischer Punkt bezüglich Tiergerechtheit ist die Fixierung der Sauen im Abferkelgitter. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen hat gezeigt, dass die Fixierung eine starke Belastung der Sau darstellt (Verhinderung des Wurfnestbaus, längere Geburtsdauer, Begünstigung MMA-Komplex, starke Einschränkung des Mutter-Kind-Kontaktes etc.). Eine Reihe von Versuchsergebnissen und mittlerweile Erfahrungen von hunderten Praxisbetrieben zeigen, dass gute Bewegungsbuchten nicht zu mehr Totgeburten bzw. erdrückten Ferkeln während der Geburt führen als in Abferkelbuchten mit Kastenständen. In der Schweiz und in Schweden sind Kastenstände verboten. Zuchtschweine im Kastenstand 7 IGN: Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung (1978 von schweizer und deutschen WissenschaftlerInnen gegründet; Präsident: Prof. Dr. A. Steiger, Universität Bern, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Bremgartenstr. 109a, CH - 3012 Bern). 10/11

Mutterschwein im Abferkelgitter Verbot aller Kastenstände, sowohl während der Schwangerschaft als auch in der Abferkelbucht! Statt dem Kastenstand während der Schwangerschaft können die Tiere in geeigneter Gruppenhaltung leben. Zur Geburt zieht sich die Sau gerne aus der Gruppe zurück und baut ein Nest. Dies kann in Buchtensystemen erfolgen, in denen sich die Muttersau frei bewegen kann, während ihre Ferkel ein von der Mutter abgegrenztes Liegenest haben, in das sie aus- und eingehen können. Es gibt aber auch Gruppenabferkelung und Gruppensäugen, die sich in der Praxis bewährt haben. Mehr Infos unter: www.vgt.at/kastenstand 11/11