Grundlagen der Mediengestaltung Konzeption, Kommunikation, Visualisierung, Bildaufbau, Farbe, Typografie Bearbeitet von Christian Fries 2. Auflage 2004. Buch. 208 S. Hardcover ISBN 978 3 446 22707 1 Format (B x L): 15,9 x 22,6 cm Gewicht: 464 g Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
Anforderungen an moderne Mediengestaltung Weil sich die Qualität von Produkten und Dienstleistungen immer mehr angleicht, wird die Kommunikation und somit die Gestaltung zum entscheidenden differenzierenden Merkmal. Die Mediengestaltung ist ein elementares Erfolgskriterium, nicht selten stellt sie den eigentlichen Zusatznutzen eines angebotenen Produkts oder einer Dienstleistung dar. Hier gilt es, in einem Umfeld ständig präsenter Konkurrenzangebote das hervorstechende Angebot zu sein. Ein schlecht gemachtes oder langweiliges Angebot kann jederzeit von einer sich überall bietenden besseren Alternative übertrumpft werden. Das ist für uns das Darwin sche survival of the fittest unserer heutigen Mediengesellschaft, und wir definieren es als erste und wichtigste Überlegensregel im Medien-Dschungel: 1 Wer langweilt, wird mit Nichtbeachtung und Desinteresse bestraft. Wer nicht langweilt, bekommt Aufmerksamkeit. Welche Anforderungen sind zu erfüllen, um die Aufmerksamkeit zu gewinnen: Der 1. Eindruck entscheidet Look and feel entscheiden, ob das Angebot interessiert oder nicht. Dranbleiben! Das einmal geweckte Interesse belohnen und interessant fortführen. (Keine Eintagsfliegen gestalten!) Der Geduldsfaden ist kurz. Die Wahrnehmungszyklen haben sich verkürzt, unsere Geduld im Umgang mit den Medien ist sehr gering. Eine Internetseite, die sich lang und länger aufbaut, wird schnell weggeklickt. Eine TV-Sendung, die langweilt, wird weggezappt. Eine Zeitschrift, die nicht fesselt etwa durch den Rhythmus von Bild und Text wird weggelegt.
1. Teil Gestalterische Grundlagen
Unterkapitel 15 1 Neu sehen lernen Ich sehe was, was du nicht siehst: die gestalterische Sichtweise Alles beginnt mit dem richtigen Blick. Die erste und zentrale Grundvoraussetzung für professionelle Mediengestaltung ist das neue Sehen. Wir wollen es hier die gestalterische Sichtweise nennen. Diese spezifische Sicht auf die Dinge nimmt die Umwelt anders wahr und ist mehr als das normale, erkennende und rein identifizierende Sehen. Ein an Gestaltung geschultes Auge erkennt zusätzlich ästhetische Momente und Dimensionen und vor allem besitzt es die Fähigkeit, die Bildhaftigkeit und den Bildaufbau des Gesehenen genau zu analysieren. Zu sehen, was wirklich alles zu sehen ist, zu erkennen, dass mehr zu sehen ist, als der bloße Augenschein vermuten lässt: Das kann man lernen und schulen. Analysieren wir aber zuerst einmal, wie das übliche Sehen funktioniert: Der Mensch neigt in der Regel dazu, diejenigen Dinge größer wahrzunehmen, die ihn gerade interessieren. So sieht ein Tennisspieler den Tennisball viel größer als er tatsächlich ist. Oder: Wir sehen den Mond als riesige Scheibe in Wirklichkeit ist er viel kleiner. Wie ist das zu erklären? Unser Auge ist in der Lage, bestimmte Reize stärker ans Gehirn weiterzuleiten als andere Reize. Um so in bestimmten Situationen schnell reagieren zu können: Das Auge bzw. das Gehirn gewichtet und unterscheidet unwichtige Informationen von wichtigen Informationen. Dieser so genannte Tunnelblick ist uns im täglichen Leben sehr nützlich. So hilft er uns zum Beispiel, in einem von Produkten überfüllten Supermarkt genau das Richtige aus dem Regal herauszufischen. 4Abbildung linke Seite Schauen Sie einmal genau hin. Was alles sehen Sie?
16 1 Neu sehen lernen 001 002 4Versuchen Sie ganz bewusst den Negativraum zwischen den Personengruppen zu sehen. (Abb. 001, 002) Doch dieser Tunnelblick ist das genaue Gegenteil der gestalterischen Sichtweise. Hier müssen wir zuerst lernen, die Dinge nicht mehr zu gewichten. Für die gestalterische Sehweise ist die Welt zuallererst ein zweidimensionales, flächiges Erscheinen von Dingen. Gleich gewichtet, ohne Vordergrund und Hintergrund. Mit anderen Worten: Wir lernen neu sehen. Und gehen heraus aus dem Tunnel. Neu sehen lernen heißt, zweidimensional sehen. Ein 50 Meter entferntes Objekt sehen wir wesentlich kleiner, als wenn sich das gleiche Objekt direkt vor uns befindet. Viele Schwierigkeiten und Fehler, etwa beim Zeichnen, rühren genau daher, dass wir die Objekte zwar verschieden groß sehen, aber aufgrund unseres objektiven Wissens, dass die Objekte ja in Wirklichkeit gleich groß sind, die Gegenstände auch gleich groß abbilden. Ein geschultes Auge, das gestalterisch zu sehen gelernt hat, wird diesen Fehler nicht machen und differenziert ganzheitlich wahrnehmen. Machen wir dazu jetzt einfach einmal einen kurzen Test. Der ALDI-Test Versuchen Sie aus dem Kopf, das ALDI-Logo zu zeichnen. Rufen Sie sich jetzt ins Gedächtnis, wie dieses markante Zeichen der Supermarktkette aussieht. Sie waren schon so oft dort, haben das Logo schon 1000 Mal gesehen aber wie steht es damit, dieses Logo naturgetreu aus dem Kopf zu zeichnen. Schwierig? (Sie kaufen nicht bei ALDI. Okay, dann nehmen Sie das KARSTADT-Logo.) In der Regel verzweifelt man beim ALDI-Test. Der Grund ist ein ganz einfacher: Sie haben dieses Logo zwar immer identifiziert und erkannt, aber noch nie die Gestaltung dieses Zeichens analysiert und sich mit den Gestaltungselementen dieses Logos auseinander gesetzt. Hier den Blick zu schärfen und die einzelnen Elemente zu analysieren die Farben, die geometrischen Formen, die zweidimensionale Betrachtung, dazu benötigen wir die gestalterische Sehweise.
Übungen 17 2 Um Medien zu gestalten, müssen wir neu sehen lernen. Die gestalterische Sichtweise ist der Blick auf das Ganze. Wir lernen damit mehr zu sehen. Das ist die Basis für professionelle Gestaltung und eine bereichernde Erfahrung für unser Leben. 4Übungen Neu sehen lernen : Beweisen Sie jetzt das richtige Augenmaß: Der Mond ist aufgegangen... Abb. 003: großer Mond So sehen wir den Mond... Abb. 004: kleiner Mond... und so groß bzw. klein ist er wirklich. 1. Die Welt als zweidimensionales Ereignis Gestalterisch sehen heißt, die Dinge anders gewichten. Entdecken Sie die vermeintlichen Zwischenräume einer Abbildung als wirkliche und wichtige Flächen der Gesamtgestaltung. Die folgende Übung ist ein erster Schritt. 2. Gegenstände als gestaltete Fläche Versuchen Sie, alle Gegenstände (Abb. 005, 006) den Lehnstuhl, den Tisch, die Stühle als Konturlinie zu zeichnen und somit Flächen zu erkennen und zu entdecken. 003 004 005 006
18 1 Neu sehen lernen 4Betrachen Sie diese Fotos hier genauer. Hier sind Dinge zu sehen, die wir vielleicht normalerweise gar nicht oder kaum mit Interesse anschauen. Aber häufig entdeckt man so seine Umwelt neu und erweitert das Bewusstsein. Das gilt für positive wie negative Eindrücke gleichermaßen. Wir sollten ein aktives und permanentes Interesse an unserer Umgebung entwickeln. (Die Frage: Was bringt mir das? beantwortet sich nach einer Weile von selbst. Es bringt viel!)
Beispiele 19
20 Hauptkapitel 2 Kreativität und gestalterisches Arbeiten Das Ziel jeder Gestaltungsarbeit ist, eine spezifische Ordnung und Anordnung einzelner Gestaltungselemente so herzustellen, dass die gewünschte optimale Kommunikationswirkung entsteht: Gestaltung soll kommunizieren und wirken. Dabei werden die einzelnen Elemente wie Texte, Fotos, Illustrationen, Bilder, Grafiken, Hintergründe usw. bewusst gestalterisch angeordnet und zu einem Ganzen komponiert. Um das zu erreichen, müssen viele Entscheidungen getroffen werden: Welche Elemente sollen wo und wie angeordnet werden? Welche Elemente werden reduziert, welche verlieren an Bedeutung, welche gewinnen an Bedeutung? Sollen neue Elemente hinzukommen oder sollen Gestaltungselemente ganz neu erfunden werden...? Genau diese Fragen zu stellen und bewusst zu beantworten, das ist der kreative Prozess. 4Der kreative Prozess Der kreative Prozess ereignet sich nach ganz eigenen Gesetzen. Sicher, immer gibt es einen Anfangs- und einen Endpunkt, das Dazwischen aber verläuft nicht in linearen und streng logisch nachvollziehbaren Schritten. Kreativ zu arbeiten heißt, emotional und intuitiv arbeiten. Der plötzliche Einfall der berühmte Geistesblitz spielt da eine Rolle. Sowie das Spielen und Experimentieren, das Entwerfen und Verwerfen. Und das bewusste /unbewusste Aufgreifen von Impulsen von außen. Der kreative Prozess lässt sich nicht logisch planen und vorhersehen, das unterscheidet ihn von den anderen, gewohnten Arbeitsprozessen. Exakt darin liegt ja der Reiz aber auch die Schwierigkeit des kreativen Arbeitens. Charakteristisch für das kreative Arbeiten ist schließlich noch ein anderer wichtiger Aspekt: Denken und Tun sind gleichwertig. Die geistige konzeptionelle Arbeit ist genauso wichtig wie die profesionelle handwerkliche Umsetzung, das Tun. Insofern heißt kreatives Arbeiten hierarchiefreies Arbeiten. Es gibt kein oben und unten.
2.1 Keine Angst vor dem weißen Blatt 21 3 Kreatives Arbeiten und Gestalten ist erlernbar. Es gibt dazu aber zwei Grundbedingungen: Erstens muss man sich wirklich darauf einlassen, zweitens muss man üben, üben, üben... 2.1 Keine Angst vor dem weißen Blatt Die Fähigkeit zu gestalten lässt sich trainieren. Das heißt für uns vor allem, die Art unserer Wahrnehmung sowie unseren visuell-sinnlichen Umgang mit der Umwelt neu zu definieren: bildhaft und anschaulich denken die Beobachtungsgabe steigern sich eine differenzierte bildhafte Vorstellungswelt erarbeiten das Form- und Farbempfinden schulen die räumliche Vorstellungskraft entwickeln Alles das sind die elementaren Möglichkeiten, die eigene Kreativität zu entdecken und zu fördern. Und das in einem umfassenden Sinne: Wir gewinnen dabei nicht nur für die Gestaltung, sondern bereichern auch unser Erkennen und unsere Wahrnehmung. Wir starten jetzt damit: Und zwar mit grundlegenden Umwelterfahrungen, die uns allen zwar sehr vertraut, aber gerade deshalb nicht voll bewusst sind. Gestalten heißt aber, bewusst sehen und aktiv ordnen. Also legen wir los mit dem Gestalten. Wie, Sie zieren sich noch etwas. Sie haben Angst vor dem weißen Blatt, sagen Sie?! Gut. Das üben wir gleich einmal: Sehen Sie dem weißen Blatt tief in die Augen...