Das staatsanwaltliche Plädoyer vor dem Strafrichter

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Transkript:

Das staatsanwaltliche Plädoyer vor dem Strafrichter Die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts und im Einzelfall die eines Staatsanwalt können unter dessen Aufsicht dem Rechtsreferendaren gemäß 142 Abs. 3 GVG übertragen werden. Sitzungsdienst vor dem Jugendgericht dürfen Referendare nach neuer Gesetzeslage demgegenüber nur noch unter Aufsicht und Beisein eines Jugendstaatsanwalts verrichten, 36 Abs. 2 Satz 3 JGG; für den Referendaren fällt die Sitzungsvertretung beim Jugendrichter dadurch praktisch weg, da es sich kaum eine Staatsanwaltschaft wird leisten können, zwei Sitzungsvertreter für einfach gelagerte Verhandlungen für dieselbe Sitzung einzuteilen. Nach Ende der Beweisaufnahme wird der Referendar als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als erster (also vor der Verteidigung) plädieren müssen. Der Aufbau des Plädoyers folgt einer logischen Struktur: A. Anrede Hohes Gericht! (Verehrter) 1 Herr Verteidiger! B. Feststellungen zum Schuldspruch Einleitungssatz: Die Beweisaufnahme hat den Sachverhalt, so wie er in der Anklageschrift zugrunde gelegt worden ist, vollumfänglich/im Wesentlichen/in Teilen bestätigt. Zur Beweiswürdigung in der Staatsanwaltsklausur siehe ausführlich: Dinter/Jakob, Die Staatsanwaltsklausur Prüfungswissen für das Assessorexamen, C.F.Müller Verlag, 2. Auflage, 2016. I. Zur Tatbestandsmäßigkeit Tipp 1: Falls der Angeklagte glaubhaft gesteht, sollten Sie nur kurze Ausführungen zur Tatbestandsmäßigkeit machen und/oder direkt auf die rechtliche Würdigung zu sprechen kommen. Formulierungsbeispiel: Nach dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten hat er das Handy des Geschädigten Meyer in seine Jacke eingesteckt, um es für sich zu behalten. Er hat sich deshalb des Diebstahls gem. 242 StGB schuldig gemacht. 1 Die Anrede Verehrter Verteidiger dürfte für so manchen Staatsanwalt bzw. Richter eine übergebührliche und deshalb unangemessene Ehrformel sein. Dies beruht auf dem unreflektierten Rechtsverständnis, wonach Verteidiger als lästige Übel im Strafprozess wahrgenommen werden. Diese déformation professionnelle wird der wichtigen strafprozessualen Rolle des Strafverteidigers nicht gerecht. 1

Tipp 2: Würdigen Sie nur die problematischen Tatbestandsmerkmale. Beispiel: Wegnahme bei 242 StGB Der Angeklagte schweigt zum Vorwurf / bestreitet das Handy eingesteckt zu haben. Sein Bestreiten ist aber durch die Aussage des Zeugen Neumann widerlegt. Denn der Zeuge hat ausgesagt, dass Der Zeuge zeigt auch keine einseitigen Belastungstendenzen..., sodass er glaubwürdig ist. Gestützt wird die Aussage des Zeugen zudem durch die Videobilder, die zeigen, dass II. Zur rechtlichen Würdigung Formulierungsbeispiel: Der Angeklagte hat sich des Diebstahls gem. 242 StGB schuldig gemacht. Anzeige AssessorenRep Besuchen Sie unser Tagesseminar zur Vorbereitung auf die Staatsanwaltsklausur. Mehr Infos unter. C. Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch I. Bestimmung des abstrakten Strafrahmens Formulierungsbeispiel: Im Fall des Diebstahls sieht der Gesetzgeber eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren vor. II. Strafrahmenverschiebungen berücksichtigen Formulierungsbeispiel: Dieser Strafrahmen ist hier zugunsten des Angeklagten zu modifizieren, da ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung vorliegt. Der Angeklagte wurde zuvor vom Opfer gekränkt und regelrecht zur Tat provoziert. Der Strafrahmen beträgt deshalb 3 Monate Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe. 2

1. Minder schwerer Fall / Besonders schwerer Fall (= sog. unbenannte Strafmilderungs- bzw. schärfungsgründe) Beispiele in Strafrichtersachen: Minder schwerer Fall: 224 Abs. 1 2. Hs StGB = 3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe statt 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe. Besonders schwerer Fall: 243 StGB = 3 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe statt Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. 2. Vertypte Strafmilderungsgründe ( 49 StGB) Beispiele: Verminderte Schuldfähigkeit, 21 StGB; Versuch, 22 StGB; (= jeweils fakultativ: die Strafe kann gemildert werden); Beihilfe, 27 StGB (= die Strafe muss gemildert werden) Führt zur Strafrahmenmilderung gem. 49 Abs. 1 StGB, das bedeutet: a) Reduzierung des Höchstmaß auf höchstens drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes Höchststrafe 1 Jahr (Bsp. 316 StGB): 9 Monate Höchststrafe 3 Jahre (Bsp. 246 I StGB): 2 Jahre 3 Monate Höchststrafe 5 Jahre (Bsp. 242 StGB): 3 Jahre 9 Monate Höchststrafe 10 Jahre (Bsp. 224 StGB): 7 Jahre 6 Monate b) Reduzierung des erhöhten Mindestmaß: Das erhöhte Mindestmaß der Freiheitsstrafe, falls es unter einem Jahr liegt (z.b. 243 StGB = 3 Monate), fällt auf das gesetzliche Mindestmaß. Merke: Das gesetzliche Mindestmaß beträgt 1 Monat Freiheitsstrafe, 38 Abs. 2 StGB. Erhöht ist das Mindestmaß folglich bei einer Freiheitsstrafe von mehr als 1 Monat. 3. Keine Doppelverwertung desselben Milderungsgrundes, 50 StGB Derselbe strafmildernde Umstand (z.b. Alkoholisierung) darf nicht sowohl zur Begründung eines minder schweren Falles und zugleich zur Begründung einer Strafrahmenreduzierung gem. 49 StGB verwendet werden. Gegenbeispiel: Wenn der Täter im Fall der gefährlichen Körperverletzung zuvor vom Opfer stark provoziert wurde und bei Begehung der Tat wegen starker Alkoholisierung vermindert schuldfähig war, kann 3

der Strafrahmen des minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung nochmals über 49 StGB gemildert werden (da nicht derselbe Milderungsgrund). III. Strafzumessungsgesichtspunkte, 46 Abs. 2 StGB Zugunsten des Angeklagten spricht... Beispiele: Nicht vorbestraft; Geständnis; Gelegenheitstat; geringer Schaden/ Wert der Beute gering; Schadenswiedergutmachung; unverschuldete wirtschaftliche Notlage; erheblicher Zeitablauf seit der Tat; (aufrichtige) Entschuldigung; lange Verfahrensdauer. Zulasten des Angeklagten spricht... Beispiele: (einschlägig) vorbestrafet; Tat langfristig geplant; eiskalt ausgeführt; erheblicher Schaden; Wert des Diebesgutes erheblich; Tatausführung; fehlende Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens; Länge des Tatzeitraums. Beachten Sie unbedingt das Verbot der Doppelverwertung gemäß 46 Abs. 3 StGB: Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass Sie dem Angeklagten nicht strafschärfend vorhalten dürfen, dass er beispielsweise im Zuge einer gefährlichen Körperverletzung nicht nur einen anderen Menschen verletzt, sondern dazu auch noch einen spitzen Stein benutzt hat! (Negativbeispiel aus der Praxis) das ist gerade Merkmal des 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Praxistipp: Nach Einspruch gegen den Strafbefehl ist es in der Praxis üblich, die im Strafbefehl genannte Strafe angemessen zu verschärfen, da bei Erlass des Strafbefehls noch ein Geständnis zugunsten des Angeklagten berücksichtigt worden ist, das nach Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl häufig gerade nicht mehr vorliegen dürfte. IV. Strafe: Freiheitsstrafe oder Geldstrafe 1. Vorüberlegungen a) Tateinheit Bei tateinheitlich begangenen Straftaten gilt 52 StGB (sog. Absorptionsprinzip): Der Strafrahmen wird dem Gesetz entnommen, das die schwerste Strafe androht. Beispiel: 242, 185, 52 StGB Der Strafrahmen ist 242 StGB zu entnehmen, da dort die Höchststrafe 5 Jahre und nicht wie im Fall des 185 StGB nur 1 Jahr Freiheitsstrafe beträgt. 4

b) Tatmehrheit: Bildung der Gesamtstrafe Bei tatmehrheitlich begangenen Straftaten ist auf eine Gesamt(geld)strafe zu erkennen, 53, 54 StGB. Die Schritte im Einzelnen: 1. Bestimmung der jeweiligen Einzelstrafe unter Würdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte 2. Bestimmung der Einsatzstrafe (= schwerste Einzelstrafe) 3. Gesamtstrafe (= Einsatzstrafe im Rahmen zusammenfassender Würdigung ( 54 Abs. 1 Satz 3 StGB) maßvoll mit Einzelstrafen erhöhen, ohne sie zu summieren) Beispiel: 223, 185, 53 StGB Einzelstrafe für 223 Abs. 1 StGB: 20 Tagessätze Einzelstrafe für 185 Abs. 1 StGB: 40 Tagessätze (= Einsatzstrafe) Gesamtstrafe z.b.: 50 Tagessätze o (nicht 60 Tagessätze, da dies die Summe aus den Einzelstrafen wäre) c) Sonderfall: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung, 55 StGB Prüfen Sie im Vorfeld der Verhandlungen durch einen Blick in den BZR- Auszug, ob die angeklagte Tat bereits bei vorherigen Urteilen hätte einbezogen werden können. Es wäre ggf. dann in der Verhandlung eine nachträgliche Gesamtstrafe zu beantragen. Es wird beantragt, den Angeklagten wegen Sachbeschädigung unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Stade vom 13.10.2013 verhängten Strafe und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten zu verurteilen. (...) Aber Vorsicht! Eine Strafe kann dann nicht einbezogen werden, wenn sie z.b. vollständig vollstreckt ist, 55 Abs. 1 StGB. Deshalb sollte das sog. Vollstreckungsheft der einzubeziehenden Strafen zuvor durch das Gericht beigezogen werden, um den Vollstreckungsstand zu überprüfen. 2. Geldstrafe, 40 ff. StGB Die Geldstrafe bemisst sich nach Zahl und Höhe der Tagessätze. a) Anzahl der Tagessätze: Mindestens 5, höchstens 360 ( 40 Abs. 1 Satz 1 StGB); bei Gesamtgeldstrafe: höchstens 720 ( 54 Abs. 2 StGB). Die Anzahl der Tagessätze wird durch das Ausmaß der Schuld festgelegt. Je schwerer die Schuld, desto höher die Anzahl der Tagessätze. 5

3. Freiheitsstrafe Beachte: Bei einer Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen gilt der Angeklagte als vorbestraft. Damit ist gemeint, dass die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 91 oder mehr Tagessätzen ins Führungszeugnis eingetragen wird (vgl. 32 Abs. 2 Nr. 5a BZRG und 53 BZRG). b) Höhe des Tagessatzes: Mindestens 1 Euro, höchstens 30.000 Euro ( 40 Abs. 2 StGB) Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in der Regel also am Nettoeinkommen des Angeklagten ( 40 Abs. 2 Satz 2 StGB). Das Nettoeinkommen ist vorher zu bereinigen, insbesondere von den Unterhaltsverpflichtungen des Angeklagten. Beispiel:.Der Angeklagte verdient 1.500 Euro (netto) im Monat. Er hat eine nichtverdienende Ehefrau und ein Kind. Nettoeinkommen: 1.500 Abzüglich Unterhalt je Kind: 1/10 150 Abzüglich Unterhalt für Ehefrau: 1/5 300 Bereinigtes Nettoeinkommen: 1.050 Das bereinigte Nettoeinkommen ist durch 30 (= Anzahl der Tage im Monat, 40 Abs. 2 Satz 2 StGB) zu teilen. Im Beispiel: 1.050 : 30 = 35, ergo 35 = Höhe des Tagessatzes. Übrigens: Bei Hartz-IV-Empfängern wird in der Praxis häufig eine Tagessatzhöhe zwischen 8 bis 10 zugrunde gelegt. Die Freiheitsstrafe beträgt bei zeitiger Freiheitsstrafe mindestens 1 Monat; das Höchstmaß beträgt 15 Jahre, 38 Abs. 2 StGB. Freiheitsstrafen unter 1 Jahr werden nach Wochen und Monaten, über 1 Jahr nach Monaten und Jahren bemessen, 39 StGB. Die anzusprechenden Gesichtspunkte: a) Höhe der Freiheitsstrafe Die Höhe der Freiheitsstrafe muss im ermittelten Strafrahmen liegen. Wichtig: Eine Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten soll nur ausnahmsweise verhängt werden, 47 Abs. 1 StGB, nämlich dann, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist. Hierzu müssen Sie sich im Plädoyer verhalten, wenn Sie eine Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten beantragen wollen. 6

b) Umwandlung der Freiheits- in Geldstrafe, 47 Abs. 2 StGB? Obwohl der Strafrahmen bei manchen Straftatbeständen gar keine Geldstrafe vorsieht, kann unter den Voraussetzungen des 47 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Häufiger Anwendungsfall ist in Strafrichtersachen hierfür 243 StGB sowie die gefährliche Körperverletzung gem. 224 Abs. 1 StGB. Sollte bei letzterer ein minder schwerer Fall bejaht werden, beträgt das Mindestmaß der Freiheitsstrafe nicht mehr 6 Monate, sondern nur noch 3 Monate (lies 224 Abs. 1 StGB), sodass der Anwendungsbereich des 47 Abs. 2 StGB (dort ungelenk formuliert mit: kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht ) grundsätzlich eröffnet ist. Sollte die Verhängung der Freiheitsstrafe nun nicht unerlässlich im Sinne des 47 Abs. 2 Satz 1 StGB sein, ist die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umzuwandeln. Wichtig: Beachten Sie hierbei unbedingt die Regelung des 47 Abs. 2 Satz 2 StGB! Sieht das Gesetz wie im Fall der gefährlichen Körperverletzung ein erhöhtes Mindestmaß (erhöht ist das Mindestmaß der Freiheitsstrafe, wenn es mehr als 1 Monat beträgt) vor, dann darf die Anzahl der Tagessätze bei der Geldstrafe umgerechnet nicht darunter liegen. 1 Monat entsprechen 30 Tagessätze. Das bedeutet, dass im Fall eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung die über 47 Abs. 2 StGB umgewandelte Geldstrafe mindestens 90 Tagessätze (3 Monate = 3 x 30 Tagessätze) betragen muss! c) Strafaussetzung zur Bewährung? Freiheitsstrafen von unter 1 Jahr sollen unter den Voraussetzungen des 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Ist dem Verurteilten eine günstige Sozialprognose zu erstellen? Steht also zu erwarten, dass sich der Verurteilte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und auch ohne Strafvollzug künftig von der Begehung weiterer Straftaten absieht? Beachte: Ungeachtet einer günstigen Sozialprognose können Freiheitsstrafen von über 6 Monaten ohne Bewährung vollstreckt werden, wenn dies die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet, vgl. 56 Abs. 3 StGB. 7

Freiheitsstrafen von über 1 Jahr und unter 2 Jahren können bei Bejahung einer positiven Sozialprognose nur unter den engen Voraussetzungen weiterer besonderer Umstände des 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von über 2 Jahren ist nicht aussetzungsfähig. 4. Verwarnung mit Strafvorbehalt, 59 StGB Die Verwarnung mit Strafvorbehalt wird verbreitet als Geldstrafe auf Bewährung verstanden. Unter den Voraussetzungen des 59 StGB wird der Angeklagte lediglich verwarnt, und die Verurteilung zu einer Geldstrafe mit bis zu 180 Tagessätzen vorbehalten. Zugleich bestimmt das Gericht die Bewährungszeit und weitere Bewährungsmaßnahmen. D. Formulierung des Antrags Ich beantrage den Angeklagten zu verwarnen und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro (im Urteil) vorzubehalten. Gesamtgeldstrafe: (...) Tat- und schuldangemessen ist es deshalb den Angeklagten für den Diebstahl (alternativ: Tat zu 1.) mit 30 Tagessätzen und für die Sachbeschädigung mit 20 Tagessätzen zu bestrafen. Ich beantrage nach nochmaliger Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte den Angeklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro zu verurteilen. Freiheitsstrafe: (...) Ich beantrage den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten zu verurteilen, wobei die Strafvollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist. Die Bewährungszeit sollte 3 Jahre betragen. Als Bewährungsauflage beantrage ich, dass der Angeklagte 600 Euro zur Schadenswiedergutmachung an den Geschädigten in monatlichen Raten von 100 Euro zahlt. Weitere Bewährungsauflagen stelle ich in das Ermessen des Gerichts. E. Nebenfolgen Nach dem Antrag zum Strafausspruch vergessen Sie bitte nicht weitere mögliche Nebenfolgen der Straftat zu beantragen. Neben einem Fahrverbot gem. 44 StGB und (eher selten in Strafrichtersachen) Haftanträgen ist vor allem an die Einziehung und die Entziehung der Fahrerlaubnis zu denken. I. Einziehung gem. 74 StGB Über 74 StGB können nur Tatprodukte oder Tatwerkzeuge eingezogen werden. Die sog. Beziehungsgegenstände können gemäß 74 Abs. 4 StGB nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung eingezogen werden. Beispiele in Strafrichterverhandlungen: 8

74 Abs. 4 StGB in Verbindung mit... 54 WaffG: Einziehung der Waffe 282 StGB: Einziehung einer Urkunde 21 Abs. 3 StVG: Einziehung des Kraftfahrzeugs Beachte die in der Vorschrift genannten erhöhten Voraussetzungen, insbesondere 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG! In Fällen wie 142 StGB ist das KFZ übrigens Tatwerkzeug, und kein Beziehungsgegenstand, sodass es im Einzelfall über 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden kann. 33 Abs. 2 BtMG: Einziehung der BtM (= Betäubungsmittel) Praxistipp: Nicht selten wird sich der Angeklagte mit der Vernichtung der einziehungsfähigen Gegenstände einverstanden erklären, sodass es der (formalen) Einziehung im Urteil gar nicht mehr bedarf. Deshalb sollte man sofern dies das Gericht vergisst den Angeklagten fragen, ob er auf die Rückgabe der Gegenstände verzichtet. Sein ausdrücklich erklärtes Einverständnis sollte optimaler Weise protokolliert werden, um unangenehme Haftungsfragen zu vermeiden. Sein Einverständnis notieren Sie bitte auch im Sitzungsvermerk. Sie ersparen dadurch dem zuständigen Dezernenten eine Menge unnötiger Arbeit, die durch die nachträgliche Abwicklung von nicht eingezogenen, aber einziehungsfähigen Gegenständen (häufig z.b. Betäubungsmittel) verursacht werden würde. II. Entziehung der Fahrerlaubnis und Sperre gem. 69, 69a StGB Dem Angeklagten kann unter den Voraussetzungen des 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden. Zusätzlich kann eine (ggf. isolierte) Sperre zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis angeordnet werden. Die Sperre beträgt dabei gem. 69a Abs. 1 StGB mindestens 6 Monate! Der Antrag könnte beispielsweise lauten: Der Angeklagte hat sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Ich beantrage daher dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen, den Führerschein einzuziehen und die Verwaltungsbehörde anzuweisen, ihm vor Ablauf einer Sperre von... keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Beachte: Die gemäß 69 StGB erforderliche (charakterliche) Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen eines Kfz muss im Zeitpunkt der Hauptverhandlung festgestellt werden. Deshalb kann die Entziehung der Fahrerlaubnis unzulässig sein, wenn der Angeklagte zwischen Tat und Hauptverhandlung einen nennenswerter Zeitraum ohne Beanstandung geblieben ist und dadurch zum Führen eines KFZ charakterlich nicht ungeeignet erscheint (siehe OLG Oldenburg, zfs 2005, 260: Sorgsame Prüfung der Ungeeignetheit nach 20 Monaten Zeitablauf). 9

III. Kosten Schlussendlich können Sie bei einer Verurteilung beantragen, die Kosten des Verfahrens dem Angeklagten aufzuerlegen. Im Fall eines Freispruchs lautet der Antrag: Ich beantrage den Angeklagten freizusprechen und die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. - Stand: 10/2016 (Verfasser: Dr. Dinter) 10