Basiswissen Desinfektion. Desinfektion richtig gemacht Desinfektionsmittel gezielt und effizient eingesetzt

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Transkript:

Basiswissen Desinfektion Desinfektion richtig gemacht Desinfektionsmittel gezielt und effizient eingesetzt

INDUSTRIEVERBAND HYGIENE UND OBERFLÄCHENSCHUTZ FÜR INDUSTRIELLE UND INSTITUTIONELLE ANWENDUNG E.V. Herausgeber: IHO Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz für industrielle und institutionelle Anwendung e.v. Mainzer Landstraße 55 60329 Frankfurt / Main Tel: 0 69 / 25 56-12 46 Fax: 0 69 / 25 56-12 54 iho@iho.de www.iho.de Stand 04/2012 Grußwort Lebensbedrohlich infizierte Frühgeborene, unsterile Instrumente, Noro-Viren-Ausbrüche in Kindergärten Hygieneskandale sind immer häufiger ein Thema in der Öffentlichkeit. Auch wenn nicht in allen Fällen ein Zusammenhang mit mangelnder Hygiene vorliegen mag: die Ereignisse zeigen, wie sensibel und sorgfältig der Infektionsschutz gehandhabt werden muss, damit Menschen gesund bleiben oder es wieder werden. Deutlich wird aber auch, wie komplex und facettenreich das Thema Desinfektion und Hygiene ist und vor welch hohe Anforderungen Hygieneverantwortliche heutzutage gestellt werden. Sei es durch multiresistente Erreger, neue gesetzliche Anforderungen, die Bewertung von Wirkstoffen u.v.m. Dies gilt für alle professionellen Sektoren, mithin in medizinischen und öffentlichen Einrichtungen, für Hersteller und Dienstleister, die Wissenschaft und auch für die Kontrollbehörden. Dabei darf die Wahrnehmung unterschiedlicher Interessen und Standpunkte einer sektorenübergreifenden Lösung fachlicher Probleme und Herausforderungen nicht entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund möchte ich mit diesen Zeilen einen kleinen Beitrag zur Bildung von kommunikativen Brücken zwischen allen Akteuren leisten und Ihre Aufmerksamkeit auf die Schriftenreihe Desinfektion richtig gemacht Desinfektionsmittel gezielt und richtig einsetzen lenken. Das fachliche Wissen und die langjährige Erfahrung, wie sie bei den Mitgliedsfirmen eines Industrieverbandes zweifellos vorhanden sind, bilden eine gute Basis, um über zentrale Fragen wie Wirkungsspektren der Desinfektionsmittel, Listungen, Umsetzung einzelner Hygienemaßnahmen, Verhalten bei bestimmten Erregern etc. zu informieren und praxisnahe Hilfen für die Umsetzung von Hygienemaßnahmen nach dem jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft zu geben. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung von Infektionen und trägt - so ist zu hoffen - auch dazu bei, dass in Zukunft das Thema Hygiene in der Öffentlichkeit weniger in Zusammenhang mit Skandalen und dafür häufiger mit Erfolgen genannt wird. Ich wünsche allen Beteiligten auf dem gemeinsamen Weg dahin viel Erfolg. Ihr 2 Prof. Dr. med. Volker Hingst

Inhalt Einleitung... 3 Begriffe zur Beschreibung von Wirkungsspektren... 4 Kategorisierung von Wirkungsspektren... 5 Auswahl der richtigen Produkte für die Routinedesinfektion... 7 Rechtliche Aspekte der Desinfektion... 8 Quellenangaben, weiterführende Informationen und Literatur... 11 Einleitung Ziel von Desinfektionsmaßnahmen ist, die Verbreitung von Erregern im Krankenhaus und anderen medizinischen Einrichtungen einzudämmen und damit die Ausbreitung vorwiegend von nosokomialen Infektionen zu verhindern. Wichtige Maßnahmen sind die Händedesinfektion, die Desinfektion von Flächen und die Instrumentendesinfektion. In der Praxis steht der Anwender häufig vor der Frage: Welches Desinfektionsmittel soll ich nehmen? Entspricht das ausgewählte Mittel den behördlichen Anforderungen? Wie wende ich ein Desinfektionsmittel richtig an? Welches Verfahren ist das geeignete? Die erste Broschüre der Reihe Desinfektion richtig gemacht Desinfektionsmittel gezielt und effizient eingesetzt, soll Anwendern als Hilfestellung zur Auswahl geeigneter Desinfektionsmittel dienen. Zusätzliche Informationen, z. B. zu häufig verwendeten Begriffen, Wirkungsspektren, rechtlichen Aspekten und Prüfmethoden, dienen dem besseren Verständnis. 3

Bei der Auswahl des geeigneten Desinfektionsmittels hat der Anwender zu berücksichtigen, welches Wirkungsspektrum ein Desinfektionsmittel hat. Nachfolgend sind die Begriffe erläutert, die Wirkungsspektren kennzeichnen: Bakterizidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen vegetative Bakterien, z. B. Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa. Tuberkulozidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen den Erreger der Tuberkulose, Mycobacterium tuberculosis. Mykobakterizidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen den Erreger der Tuberkulose und atypische Mycobakterien, z. B. Mycobacterium avium. Sporizidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen bakterielle Sporenbildner, z. B. Clostridium difficile. Levurozidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen Hefen, z. B Candida albicans. Fungizidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen Hefen und Schimmelpilze, z. B. Candida albicans und Aspergillus brasiliensis (ehemals Aspergillus niger). Begrenzte Viruzidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen alle behüllten Viren, z. B. Hepatitis B Virus (HBV), Hepatitis C Virus (HCV), Influenza-Viren, Humanes Immundefizienz Virus (HIV). Viruzidie Beschreibt die Wirksamkeit gegen behüllte und unbehüllte Viren, unbehüllte Viren sind z. B. Noro-Viren, Rota-Viren, Adeno-Viren, Hepatitis A-Viren (HAV). 4

Kategorisierung von Wirkungsspektren Je nach beabsichtigter Anwendung sind unterschiedliche Wirkungsspektren erforderlich: Routinedesinfektion Desinfektionsmittel sollten mindestens bakterizid, levurozid und begrenzt viruzid wirksam sein. Desinfektion beim Auftreten spezieller Erreger Bei der Desinfektion beim Auftreten spezieller Erreger ist das erforderliche Wirkungsspektrum vom Erregertyp abhängig. Desinfektion beim Auftreten unbehüllter Viren Desinfektionsmittel sollten zusätzlich zur bakteriziden, levuroziden und begrenzt viruziden Wirksamkeit auch wirksam gegen unbehüllte Viren (viruzid wirksam) sein. Da die viruzide Wirksamkeit schwieriger zu erzielen ist, als die begrenzte Viruzidie und die Umweltbelastung und Verträglichkeit (Hautverträglichkeit, allergenes Potenzial) eines Desinfektionsmittels bei der Auswahl mit berücksichtigt werden sollten, kann es gemäß RKI sinnvoll sein, in bestimmten Fällen anders vorzugehen. Bei Viren, die häufig umfangreiche Ausbrüche verursachen, wie z.b. Rota- Viren, kann es sinnvoll sein, die Wirksamkeit gegen ausgewählte unbehüllte Viren gesondert zu deklarieren. In diesem Fall erfolgt die Auslobung begrenzt viruzid mit dem Zusatz des jeweiligen unbehüllten Virus. Ein Beispiel: Begrenzt viruzid wirksam, zusätzlich wirksam gegen Rota-Viren. isoliertes Influenza-Virus Sonderfall Noro-Viren Bis heute ist es nicht möglich, menschliche Noro-Viren in der Zellkultur zu vermehren. Dies wäre notwendig, damit man die Stabilität dieser Viren gegenüber chemischen Desinfektionsmitteln untersuchen kann. Wenn man am eigentlichen Krankheitserreger keine Untersuchungen durchführen kann, greift man bei der Viruzidieprüfung auf sogenannte Surrogatviren (Ersatz- Testviren) zurück. Mit dem Noro-Virus der Maus (murines Noro-Virus = MNV) steht ein Vertreter der Gattung der Noro-Viren zur Verfügung, welches dem eigentlichen Krankheitserreger, dem menschlichen Noro-Virus sehr nahe verwandt ist. MNV als Surrogatvirus für das menschliche Noro-Virus scheint geeignet, bei den Viruzidieprüfungen die Aussagen zur Wirksamkeit chemischer 5

Desinfektionsmittel gegenüber dem menschlichen Noro-Virus zu präzisieren. Dies erfolgt analog der Deklaration der Wirksamkeit gegenüber einzelnen unbehüllten Viren. Im Falle der Begutachtung gegenüber MNV wäre dies begrenzt viruzid wirksam, zusätzlich wirksam gegen MNV (Surrogatvirus für menschliche Noro-Viren). Desinfektion beim Auftreten bakterieller Sporenbildner (z.b. Clostridium difficile) Desinfektionsmittel sollten zusätzlich zur bakteriziden, levuroziden und begrenzt viruziden Wirksamkeit auch wirksam gegen bakterielle Sporenbildner (sporizid wirksam) sein. Desinfektion beim Auftreten von Tuberkuloseerregern Desinfektionsmittel sollten zusätzlich zur bakteriziden, levuroziden und begrenzt viruziden Wirksamkeit auch wirksam gegen den Erreger der Tuberkulose (tuberkulozid wirksam) sein. Zuweilen sind Anwender beim Auftreten Spezieller Erreger oder Spezieller Infektionskrankheiten verunsichert, welches Wirkungsspektrum erforderlich ist. Ein Beispiel hierfür sind folgende Fragen: Benötige ich bei MRSA ein spezielles Desinfektionsmittel? MRSA (Mehrfach-/Multiresistenter Staphylococcus aureus) ist mit der Bakterizidie erfasst, somit ist die Wirksamkeit für die Routinedesinfektion ausreichend. Es sind keine speziellen Desinfektionsmittel erforderlich. Benötige ich ein spezielles Desinfektionsmittel für Influenza/ neue Grippe? Hier handelt es sich um behüllte Viren, sie sind mit der begrenzten Viruzidie erfasst, somit ist die Wirksamkeit für die Routinedesinfektion ausreichend. Es sind keine speziellen Desinfektionsmittel erforderlich. Beide Beispiele zeigen, dass es für den Anwender wichtig ist, Mikroorganismen zu den einzelnen Gruppen zuordnen zu können, daraus erschließt sich das geforderte Wirkungsspektrum und damit die Auswahl des Desinfektionsmittels. 6 Behördlich angeordnete Entseuchung Bei behördlich angeordneten Entseuchungen sind Mittel und Verfahren gem. 18 des Infektionsschutzgesetzes zu verwenden, also Präparate aus der RKI-Liste. Wichtig ist, die in der Liste angegebene Dosierung und Einwirkzeit zu beachten.

Auswahl der richtigen Produkte für die Routinedesinfektion Für die Auswahl eines geeigneten Desinfektionsproduktes stehen dem Anwender verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung: Produktdatenblätter der Desinfektionsmittel-Hersteller liefern Informationen über Wirkungsspektren, Anwendungskonzentrationen und Einwirkzeiten der entsprechenden Produkte. Darüber hinaus stehen Desinfektionsmittellisten zur Verfügung, in denen der Anwender ein geeignetes Produkt finden kann: Für die Routinedesinfektion egal, ob als vorbeugende oder gezielte Desinfektion ist die Liste des VAH das geeignete Hilfsmittel. Zu beachten ist, dass Wirksamkeiten gegenüber Viren in der VAH-Liste nicht bzw. nur teilweise abgebildet sind. Hierzu kann die IHO-Viruzidie-Liste (www.iho-viruzidie-liste.de) herangezogen werden. Der erste Schritt zur Festlegung von Desinfektionsmaßnahmen ist die Risikobewertung. Bewertet werden muss, welche Krankheitserreger mit welcher Wahrscheinlichkeit auftreten können und wie diese übertragen werden. Daraus wird im nächsten Schritt das erforderliche Wirkungsspektrum eines Desinfektionsmittels abgeleitet. Auf Basis dieser Informationen kann der Anwender über Informationen der Hersteller und in geeigneten Listen z.b. VAH-Liste und IHO-Viruzidie-Liste (Routinedesinfektion) oder der RKI-Liste (behördlich angeordnete Entseuchung) ein geeignetes Produkt auswählen. Dieses Produkt ist dann in den entsprechenden empfohlenen Konzentrationen und Einwirkzeiten anzuwenden. Auf Basis einer Risikobewertung muss der Betreiber in einem Hygieneplan entsprechende Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen festlegen. 7

Rechtliche Aspekte der Desinfektion Von allen Einrichtungen des Gesundheitswesens, z. B. Krankenhäusern, Arztpraxen oder Einrichtungen zur Pflege wird ein umfassendes, einrichtungsspezifisches Hygienemanagement, das Desinfektionsmaßnahmen einschließt, gefordert. Diese Anforderungen sind in verschiedenen Gesetzen, Verordnungen und Empfehlungen, z. B. denen des Robert Koch-Instituts (RKI), festgeschrieben. Nachfolgend sind die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen aufgeführt und ausgewählte Inhalte erläutert, die den Bereich der Desinfektion tangieren. IfSG (Infektionsschutzgesetz): Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) als Grundlage aller Gesetze im Bereich der Hygiene in Deutschland hat den Zweck, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Festgeschrieben ist u. a., dass für Einrichtungen des Gesundheitswesens Hygienepläne zu erstellen sind, die innerbetriebliche Verfahrensanweisungen zur Infektionshygiene enthalten, z. B. Verfahrensanweisungen zur Händehygiene, zur Flächendesinfektion und zur Aufbereitung von Instrumentarien. Ein Teil des Hygieneplans ist der Desinfektionsplan, in dem Desinfektionsmaßnahmen (häufig nach dem Schema Was? Wann? Wie? Wer? Womit?) niedergelegt sind. Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 28.07.2011 sind die Leiterinnen und Leiter von medizinischen Einrichtungen ausdrücklich dazu verpflichtet, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen zur Infektionsvermeidung und gegen resistente Erreger durchzuführen. Den dafür geltenden Standard bilden die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention und die Empfehlungen der neuen Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) beim Robert Koch-Institut. 8

BGR/TRBA 250: Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege Berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften werden gem. 15 SGB VII von den Berufsgenossenschaften erlassen. Sie dienen der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und sind rechtsverbindlich. Die BGR 250 gilt als Goldstandard des Personalschutzes für Einrichtungen des Gesundheitswesens. Sie dient dem Schutz des Personals vor sogenannten biologischen Arbeitsstoffen, zu denen z. B. krankheitserregende Bakterien, Viren und Pilze gehören. Bezogen auf Desinfektionsmaßnahmen gibt die BGR 250 z. B. vor, welche Schutzausrüstung der Arbeitgeber zur Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen bereit zu stellen hat, wie ein Handwaschplatz für das Personal ausgestattet sein muss, und dass das Tragen von Schmuck an Händen und Unterarmen bei Tätigkeiten, die eine hygienische Händedesinfektion erfordern, verboten ist. Richtlinien und Empfehlungen des Robert Koch-Institutes Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut erstellt Richtlinien und Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Die RKI-Empfehlungen geben den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet wieder und sind mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 28.07.2011 rechtsverbindlich. Wichtige Richtlinien und Empfehlungen sind: - Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention - Händehygiene - Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen - Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten - Infektionsprävention in Heimen 9

GefStoffV: Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen Die Gefahrstoffverordnung enthält allgemeine und spezielle Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Gefahrstoffen, zu denen auch Desinfektionsmittel zählen. Gemäß Gefahrstoffverordnung müssen Mitarbeiter Zugang zu den Sicherheitsdatenblättern der Desinfektionsmittel haben, mit denen sie umgehen. Zusätzlich muss eine Betriebsanweisung in für das Personal verständlicher Form und Sprache vorliegen. Sie enthält die möglichen Gefährdungen und entsprechende Schutzmaßnahmen. Eine mindestens jährliche Unterweisung der Mitarbeiter auf die Inhalte der Betriebsanweisung ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. MPG und MPBetreibV: Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz) und Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung) Medizinproduktegesetz und Medizinprodukte-Betreiberverordnung bilden den gesetzlichen Rahmen für die Aufbereitung von Instrumenten. So ist z. B. geregelt, dass die Aufbereitung von Instrumenten mit validierten Verfahren zu erfolgen hat. 10

Quellenangaben, weiterführende Informationen und Literatur Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.) - BGR/TRBA 250 Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege, Fassung Oktober 2003 mit Änderungen und Ergänzungen von November 2007, Stand 04/2010 Internetseite der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (bgw): http://www.bgw-online.de Internetseite des Bundesministeriums der Justiz, Gesetze und Verordnungen alphabetisch sortiert: http://www.gesetze-im-internet.de IHO-Viruzidieliste: http://iho-viruzidie-liste.de Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut - Händehygiene, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz 2000: 43, 230-233, Springer Verlag 2000 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch- Institut, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2001: 44, 1115 1126, Springer Verlag 2001 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch- Institut: Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2004: 47, 51 61, Springer Verlag 2004 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut: Infektionsprävention in Heimen, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2005: 48, 1061 1080 DOI 10.1007/s00103-005-1126-2, Springer Verlag 2005 Robert Koch Institut (Hrsg.) - Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, Loseblattwerk zur Fortsetzung, Elsevier Verlag, 2007 RKI-Liste - Kostenfrei im Internet verfügbar über: http://www.rki.de (Startseite - Infektionsschutz - Desinfektion) Internetseite des Robert Koch-Institutes: http://www.rki.de Die aktuellen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch Institut finden sich derzeit unter: Startseite - Infektionsschutz - Krankenhaushygiene - Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention Autoren: IHO Projektgruppe Öffentliches Gesundheitswesen Fabian Böhlke Schülke & Mayr GmbH Silke Carlsson Merz Hygiene GmbH Dr. Heiko Faubel IHO Anett Hartmann Bode-Chemie GmbH Barbara Heidrich IHO Manuela Plickat-Kaiser B. Braun Melsungen AG Verona Schmidt Chem. Fabrik Dr. Weigert GmbH & Co KG Dr. Silvia Schreiber Dr. Schumacher GmbH Dr. Jürgen Schwemmer Lysoform Dr. Hans Rosemann GmbH Carla von Gosen Schülke & Mayr GmbH Bildquellen: istockphoto WID Münster Healthwise Mitgliedsfirmen IHO Gestaltung und Herstellung: brönner mediengestalterei VAH-Liste - Zu beziehen über: http://www.vah-online.de/ 11

INDUSTRIEVERBAND HYGIENE UND OBERFLÄCHENSCHUTZ FÜR INDUSTRIELLE UND INSTITUTIONELLE ANWENDUNG E.V. Mainzer Landstraße 55 60329 Frankfurt / Main Tel: 0 69 / 25 56-12 46 Fax: 0 69 / 25 56-12 54 E-Mail: iho@iho.de www.iho.de Im IHO - Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz für industrielle und institutionelle Anwendung e.v. sind die Hersteller von professionellen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln organisiert. Der Verband repräsentiert seit 1992 überwiegend kleine und mittelständische Unternehmen einer Branche, die durch ihre Leistungen im Bereich der Reinigung, Desinfektion und Pflege in professionellen Anwendungen eine hohe Bedeutung für die Gesellschaft hat, beispielsweise im Verbraucherschutz. Die Produkte und Dienstleistungen der Mitgliedsfirmen werden in den unterschiedlichsten Bereichen zur Sicherung der Hygiene, zur Pflege und zum Schutz von Mensch, Tier sowie Anlagewerten eingesetzt. Mit seinem gebündelten Fachwissen ist der Verband der kompetente Ansprechpartner für Fachöffentlichkeit, Wirtschaft, Behörden, Politik etc. Informieren Sie sich über die vielfältigen weiteren Aufgaben und Tätigkeitsfelder unseres Verbandes unter www.iho.de. Basiswissen Desinfektion