Ringvorlesung Eine Veranstaltungsreihe des Kompetenzzentrums GLOKAL - Nachhaltigkeit im Globalen Wandel WS 2007/2008
Nachhaltigkeit und Medien Oder: Warum Sustainability nicht wirklich sexy ist Prof. Dr. Beatrice Dernbach 12.12.2007
Agenda I. Medien und Journalismus in der Gesellschaft II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung 1.1 Barrieren für eine nachhaltige Nachhaltigkeitsberichterstattung 1.1.1 Nachrichtenfaktoren 1.1.2 Redaktionelle Strukturen 2. Nachhaltige Strategien von Medienunternehmen III. Fazit
I. Medien und Journalismus in der Gesellschaft Medien sollen informieren zur (politischen) Meinungs- und Willensbildung beitragen kritisieren und kontrollieren u.u. eine anwaltschaftliche Funktion übernehmen unterhalten Medien (v.a. öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten) haben einen öffentlichen Auftrag/ eine öffentliche Aufgabe (siehe Landespressegesetze und Rundfunkstaatsvertrag). Mit Medien werden wir in die Gesellschaft integriert, d.h. sozialisiert. Mit Medien lernen wir. Medien wird ein großer Einfluss auf die öffentliche Meinungs- und die politische Willensbildung zugeschrieben.
I. Medien und Journalismus in der Gesellschaft Medien Journalismus Journalismus liefert neben Werbung und Unterhaltung Inhalte für die Medien. Journalismus ist ohne Medien nicht vorstellbar Medien funktionieren auch ohne Journalismus. Krise der Medien (ökonomisch) und des Journalismus (gesellschaftlich-normativ).
II. Medien und Nachhaltigkeit Zwei Perspektiven: 1. Medien als Berichterstatter über Nachhaltigkeit Erfüllung der Chronistenpflicht Setzen von Themen (Agenda setting) 2. Medien als nachhaltige Unternehmen Nachhaltigkeitsorientierter Produktionsprozess Nachhaltiges Management
II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung? Was sind Themen?! Politische, wirtschaftliche, kulturelle Ereignisse und Zusammenhänge!? Wie selektieren Medien und Journalismus Themen?! Agenda building und Agenda setting Nachrichtenwerttheorie und redaktionelle Produktionsprozesse!? Medien leben von öffentlicher Aufmerksamkeit mit welchen Themen generieren Medien und Journalismus Aufmerksamkeit und was erreichen sie?! Wirkungs- und Publikumsforschung, z.b. Diffusionsforschung!
II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung Ergebnisse aus den bisher vorliegenden Untersuchungen (z.b. Adolf Grimme- Institut 2004): Die politische Bedeutung des Nachhaltigkeitskonzepts schlägt sich nicht in der medialen Darstellung nieder. ( ) Diesem Informationsbedürfnis wird die heutige Medienberichterstattung nicht gerecht. Erklärungen?!
II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung 1.1 Barrieren für eine nachhaltige Nachhaltigkeitsberichterstattung Eigenlogik der Medien Prinzip: Wahrung der Unabhängigkeit in jeder Hinsicht, d.h. auch keine Partei für einen guten Zweck Orientierung an Zielgruppen Standards und Routinen im Produktionsprozess
II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung 1.1 Barrieren für eine nachhaltige Nachhaltigkeitsberichterstattung 1.1.1 Nachrichtenfaktoren Nachrichtenfaktoren-Ansatz von Galtung/ Ruge (1965) Frequenz (Erscheinungsperiodik der Medien) Schwellenfaktor (Auffälligkeit, Intensität) Eindeutigkeit Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe, Betroffenheit, Relevanz) Konsonanz (Erwartbarkeit, Wünschbarkeit) Überraschung (Unvorhersehbarkeit, Seltenheit) Kontinuität Variation (Vielfalt der Nachrichtenlage) Bezug auf Elite-Nationen und Elite-Personen Personalisierung Negativismus
II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung 1.1 Barrieren für eine nachhaltige Nachhaltigkeitsberichterstattung 1.1.1 Nachrichtenfaktoren Empirische Ergebnisse für das Thema Nachhaltigkeit: Schon der Begriff signalisiert, dass es sich um ein komplexes Thema handelt, das kaum mit den journalistischen/ medialen Selektionsregeln zu bearbeiten ist. Ergebnis der Studie des Grimme-Instituts (v.a. bezogen auf TV): Begriff und Leitbild zu komplex, zu anspruchsvoll, zu unkonkret, zu schwierig und damit kaum tauglich für die Umsetzung in (visuellen) Medien. Meist wird Nachhaltigkeit auf das ökologische Verständnis (v.a. Umwelt(schutz)fragen) reduziert. Der Begriff wird häufig in seiner einfachsten semantischen Form verwendet: nachhaltig im Sinne von lange nachwirkend/ anhaltend.
II. Medien und Nachhaltigkeit 1. Das Thema Nachhaltigkeit in der Berichterstattung 1.1 Barrieren für eine nachhaltige Nachhaltigkeitsberichterstattung 1.1.2 Redaktionelle Strukturen Journalistische Inhalte in Medien werden in redaktionellen Strukturen und auf der Basis spezifischer Programme (Recherche, Selektion, Darstellungsformen etc.) hergestellt. Komplexe Themen (wie NH) fallen häufig durch die Raster der Ressorts und der thematischen Zuständigkeiten. Oder werden in Nischen abgedrängt (wie z.b. in den Wissenschafts- oder Umweltjournalismus). Ausweg (schon Anfang der 90er Jahre gefordert): Umstrukturierung der Redaktionen, Bildung neuer Ressorts (wie z.b. Leben im 21. Jahrhundert)
II. Medien und Nachhaltigkeit 2. Nachhaltige Strategien von Medienunternehmen Ökologische Strategien: v.a. Materialverwendung in der Produktion (Papier, Ressourceneinsparung durch Digitalisierung) Politische Strategien: Medien sind ein wichtiger gesellschaftlicher Akteur; sie müssen sich in der Nachhaltigkeitsdebatte positionieren, ohne die Unabhängigkeit aufs Spiel zu setzen. Ökonomische Strategien: Vor allem privatwirtschaftlich finanzierte Printmedien, d.h. Zeitungen sind unter großen ökonomischen Druck geraten. Ad hoc-sparmaßnahmen gefährden qualitativ hochwertige Medienprodukte. Wie kann eine Balance zwischen dem öffentlichen Informationsauftrag und der ökonomischen Existenz gesichert werden?
II. Medien und Nachhaltigkeit 2. Nachhaltige Strategien von Medienunternehmen Studie der Schweizer Bank Sarasin (2004): 4 Kriterien Publizistische Verantwortung (transparente programmatische Grundsätze? faktengetreue Informationspolitik?...) Corporate Governance (Unabhängigkeit der Gremien, Transparenz der Unternehmenskommunikation ) Sozialverantwortliche Unternehmenspolitik Umweltschutz Ergebnis: Unter 16 internationalen Medienunternehmen kein deutsches in der Spitzengruppe; v.a. britische Unternehmen reagieren stärker auf die Forderungen der Stakeholder nach einem sozial und ökologisch verantwortungsbewussten Management.
III. Fazit Nur wenige deutsche Fernsehsender machen das Thema Nachhaltigkeit zum Programm und keiner publiziert bislang einen Nachhaltigkeitsbericht: Auf einen Brief an 14 Intendanten der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und Vorstände der privaten TV-Sender, in dem der Nachhaltigkeitsrat um Informationen gebeten hatte, in welchen Sendungen über Nachhaltigkeit berichtet wird und wie der Sender als Unternehmen im betrieblichen Alltag mit Ressourcen umgeht, antworteten nur das ZDF und die Deutsche Welle. (PM 2004)
III. Fazit Gutes Beispiel ZDF: Hauptredaktion Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik (Hauptsäulen Ökologie, Ökonomie und soziale Aspekte d. NH) Sendeplätze für NH: Europaberichterstattung, Zeitgeschichte, Wissenschaftsmagazine, Kinderprogramm, Dokumentationen und Reportagen. ZDF.umwelt: das einzige aktuelle, regelmäßige Umwelt- und Nachhaltigkeitsmagazin im deutschen Fernsehen (So. 13:15)
III. Fazit Medien stellen das Thema Nachhaltigkeit nicht in seiner Komplexität dar, da die Funktion die Komplexität zu reduzieren dagegen spricht. Sie selektieren deshalb mithilfe der Nachrichtenfaktoren. Die Strukturen in den Medien (z.b. Aufteilung in Ressorts Politik, Wirtschaft etc.) behindern die zusammenfassende Bearbeitung komplexer Themen. Medien fokussieren nahezu täglich auf einen jeweils anderen Aspekt der Nachhaltigkeit, d.h. das Thema wird segmentiert, z.b. in Energie, Klima, Ernährung, Verkehr etc..
III. Fazit Zwei Entwicklungen stimmen vorsichtig optimistisch: Entwicklung neuer Angebote im Bereich unterhaltsamer Wissens- und Wissenschaftsformate könnten für das Themenfeld Nachhaltigkeit sensibilisieren. Im Medium Internet als Wissensspeicher liegt die Chance, Wissen und Kenntnisse über Nachhaltigkeit kontinuierlich im Zusammenhang darzustellen.
Quellen: Bildnachweise: www.pixelio.de www.bmu.de www.nachhaltigkeitsrat.de ZDF (2004): Arbeitspapier zur Nachhaltigkeitsberichterstattung im ZDF. Mainz. Dernbach, Beatrice (2004): Journalismus und Nachhaltigkeit. Oder: Ist Sustainability Development ein attraktives Thema? In: Michelsen, Gerd/ Godemann, Jasmin (Hrsg.): Handbuch Umweltkommunikation. München.