Diplomarbeit. Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) Fachbereich Informatik/Mathematik. im Studiengang Medieninformatik.

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GFO Beratung: Organisationshandbuch

Transkript:

Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) Fachbereich Informatik/Mathematik Diplomarbeit im Studiengang Medieninformatik Thema: Corporate elearning zwischen Euphorie und Ernüchterung: Identifikation akzeptanzrelevanter Handlungsfelder für eine nachhaltige Implementierung in die betriebliche Bildungsarchitektur am Beispiel der Deutschen Bank AG eingereicht von: Ralf Metzig eingereicht am: 30.10.2006 entstanden in Zusammenarbeit mit: Deutsche Bank AG HR Learning & Development-Center Europe Theodor-Heuss-Allee 72, D-60486 Frankfurt am Main Betreuer: Zweitgutachter: Prof. Dr. Teresa Merino, HTW Dresden Prof. Dr.-Ing. Ivan Panajotov, HTW Dresden

Danksagung Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Teresa Merino für die Betreuung und die gelassenen Freiräume während der Anfertigung dieser Arbeit. Ihr Engagement und die Vielzahl fachlicher und persönlicher Ratschläge haben maßgeblich zum Gelingen dieser Diplomarbeit beigetragen. Allen Kollegen der Deutschen Bank danke ich für die angenehme Zusammenarbeit und die großartig gegebene Unterstützung. Für die zahlreichen Diskussionen und die konstruktive Kritik bin ich Andrea Hintermayr und Steffen Heise sehr verbunden. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an meine Familie, ohne deren Geduld und finanzielle Unterstützung mein Studium in Dresden und letztlich in Frankfurt am Main nicht möglich gewesen wäre. Vielen Dank!

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung... 3 1. Praxisbeispiel Deutsche Bank... 5 1.1 Organisationsstruktur... 6 1.2 HR Learning & Development... 7 2. Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung... 11 2.1 elearning - eine Frage der Definition... 12 2.1.1 elearning im Kontext lebenslangen Lernens... 13 2.1.2 Motive für den Einsatz von elearning... 14 2.1.3 Risiken des Einsatzes von elearning... 18 2.1.4 Anforderungen an eine virtuelle Lernumgebung... 20 2.2 Stakeholdermanagement... 22 2.3 elearning-strategie... 26 3. elearning bei der Deutschen Bank... 31 3.1 Die Evolution von elearning in der Bank... 32 3.2 Ein Aufbruch zu neuen Möglichkeiten - die globale Lernplattform dblearn... 37 3.2.1 Einführung von dblearn... 38 3.2.2 Strategische und operative Verbesserungen durch dblearn... 40 3.2.3 Technischer Rahmen des Lernmanagementsystems... 42 3.2.4 Bildungsadministrative Prozesse... 47 3.2.5 Der Einsatz von elearning in Zahlen... 51 3.3 elearning zwischen Euphorie und Ernüchterung - Eine neue Chance?... 56 3.3.1 Haupthindernisse beim Einsatz von elearning... 57 3.3.1.1 Aufwand... 58 3.3.1.2 Technik... 60 3.3.1.3 Durchführung... 63 3.3.1.4 Vermarktung... 66 4. Akzeptanzrelevante Einflussgrößen für elearning... 68 4.1 Akzeptanz - Was ist gemeint?... 68 4.2 Handlungsfeld 1: Kommunikation und Marketing... 70 4.2.1 Führungskräfte und Trainer als Multiplikatoren - Bildung einer Lobby... 71 4.2.2 Welche Themen sollten kommuniziert werden?... 72 4.2.3 Mögliche Kanäle der Kommunikationspolitik... 76 4.3 Handlungsfeld 2: Benutzerfreundlichkeit (Usability)... 81 1

Inhaltsverzeichnis 4.3.1 Bedienbarkeit (Operability)... 83 4.3.2 Zugänglichkeit (Accessibility)... 85 4.3.3 Lebenstauglichkeit (Viability)... 88 4.3.4 Soziale Umfeldbedingungen (Social Connectivity)... 89 4.4 Handlungsfeld 3: Qualifizierung der Lernenden... 92 Resümee... 97 Glossar... 99 Abkürzungsverzeichnis... 102 Abbildungsverzeichnis... 103 Literaturverzeichnis... 105 Selbstständigkeitserklärung... 110 2

Einleitung Einleitung Nach wie vor ist elearning in deutschen Unternehmen ein aktuelles Thema. Obgleich mit der elektronischen Weiterbildung in seinen verschiedenen Ausprägungen bereits seit mehreren Jahren intensive Auseinandersetzungen stattfinden, so sind erneut deutliche Tendenzen zu einer unternehmensspezifischen Verwirklichung in der betrieblichen Weiterbildung spürbar. Die Entwicklung zu unternehmensweiten Implementierungsinitiativen ist - zumindest in deutschen Großunternehmen - auch momentan noch in vollem Gange. Im Rahmen des Diplomsemesters im Studiengang Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden konnte ich wertvolle Einblicke in den Verlauf der Einführung einer unternehmensinternen, weltweit verfügbaren, virtuellen Lernplattform in der Deutschen Bank AG gewinnen. Die praktische Mitarbeit an diversen elearning-projekten bot mir die Möglichkeit, die während des Studiums im Fach elearning - Konzeption, Realisierung, Anwendung erworbenen Kenntnisse zu festigen und zu erweitern. Aus den praktischen Erfahrungen ergaben sich jedoch auch neue Fragen. Insbesondere die Erkenntnis, dass die Einführung von elearning im Rahmen einer virtuellen Lernplattform nicht nur durch die Bereitstellung der relevanten Systeme und Programme erfolgreich vorgenommen werden kann, sondern in besonderem Maße der Erarbeitung einer spezifischen Strategie und der Kooperation verschiedenster Gruppen bedarf, führte zur gezielten Auseinandersetzung mit der Akzeptanz von elearning. Zwar findet diese Thematik in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend Beachtung, besitzt aber im Ergebnis meiner Recherchen in der betrieblichen Weiterbildung noch nicht den nötigen Stellenwert. Während des Entstehungszeitraumes dieser Diplomarbeit schritt parallel die Implementierung von elearning in der Deutschen Bank AG fort. Insofern bemüht sich diese Arbeit um eine begleitende theoretische Aufarbeitung von Ansätzen zum Management von Veränderungsprozessen, hier im speziellen mit relevanten Handlungsfeldern zur Verbesserung der elearning-akzeptanz bei der Zielgruppe der Anwender. Zunächst wird die Deutsche Bank als Praxisbeispiel vorgestellt. Informationen zur Unternehmens- und Personalstruktur sollen dem Leser die Einschätzung der im Verlauf der Arbeit vorgestellten elearning-initiativen der Bank erleichtern und die Tragweite dieser Konzepte verdeutlichen. In Kapitel zwei werden wichtige Themenfelder für Implementierungsüberlegungen skizziert. Es wird dargestellt, wie sich gesellschaftlicher Wertewandel und ökonomische Entwicklungen auf Unternehmensstrategien und im Zuge dessen auf die betriebliche Weiterbildung auswirken. Die Schwerpunktsetzung in der Organisation der Weiterbildung führt hier zu neuen Schlüsselfragen im Hinblick auf die Rolle von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Personalentwicklungsprozess. 3

Einleitung Die Lernplattform fungiert dabei als technisches Vehikel zur Ermöglichung individualisierter Formen des Lernens. Sie kann nur als Werkzeug beim Wandel der Lernkultur in Richtung zu mehr Eigenverantwortung dienen. Als Kern der eigentlichen Veränderungsaufgabe muss die Akzeptanz und die Nutzung der Lernplattform im Unternehmen gesehen werden. Kapitel drei beschäftigt sich deshalb mit den anfänglichen Erfahrungen und weiterführend mit den aktuellen Prozessen der elearning-implementierung, die die organisationalen Veränderungen bestimmen. Neben den persönlichen Eindrücken während meines Praktikums bei der Deutschen Bank ermöglichte die Untersuchung der Handhabung von elearning die Identifikation von Hindernissen, die sich bei der Anwendung ergeben. Die erarbeiteten Erkenntnisse dienen als wesentliche Grundlage für den weiteren Verlauf der Ausarbeitung. Kapitel vier behandelt die Ableitung akzeptanzrelevanter Einflussgrößen für elearning und gliedert sich in drei Handlungsfelder. Die Nutzerakzeptanz der veränderten Bedingungen wird dabei als Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Implementierung von elearning gesehen. Einleitend wird auf den Akzeptanzbegriff eingegangen und die Ergebnisse ausgewählter Studien zur Nutzerakzeptanz vorgestellt. Exemplarisch werden anschließend mögliche praxistaugliche Ansätze in den Bereichen Kommunikationspolitik, Usability und Selbstlernkompetenz vorgestellt, um die bereits ermittelten theoretischen Überlegungen bzw. eigene und nachfolgende Überlegungen zu unterfüttern. Ein Resümee schließt Kapitel vier und damit die Arbeit ab. 4

Praxisbeispiel Deutsche Bank 1. Praxisbeispiel Deutsche Bank Das am 10. März 1870 in Berlin gegründete Finanzinstitut unterhält insgesamt 1500 Filialen in Europa, Asien und dem Amerikanischen Kontinent und gehört damit zu einer der größten Banken weltweit. Mit einer Bilanzsumme von rund 972 Milliarden Euro und einem Unternehmensergebnis von ca. 3 Milliarden Euro nach Steuern in den ersten neun Monaten 2005, nimmt die Deutsche Bank in Europa eine führende Stellung ein [db 2006c]. Ca. 64.000 Mitarbeiter sind zuständig für mehr als 13 Millionen Kunden in 74 Ländern und betreuen diese mit allen denkbaren Finanzdienstleistungen [db 2006a]. Die globale Ausrichtung des Unternehmens prägt das Gesicht des Hauses und stellt hohe Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter. Abb. 1: Überblick Mitarbeiterpräsenz weltweit (Stand: September 2005) [db 2006a] Zahlreiche Umstrukturierungen, der Verkauf von Randaktivitäten, Outsourcing vieler Prozesse und ein deutlicher Stellenabbau bilden die Grundlage für den heutigen Geschäftserfolg und sind Ausdruck für die Konsolidierung der Bank im globalen Wettbewerb. Die Deutsche Bank ist in drei Konzernbereiche unterteilt: Corporate and Investment Bank (CIB), Private Clients and Asset Management (PCAM) sowie Corporate Investments (CI), in deren Aufgabenfelder dieses Kapitel einen Einblick gibt. Wichtig an dieser Stelle und im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist die Verdeutlichung des Potentials, das elearning in der betrieblichen Bildungsarchitektur eines global ausgerichteten Unternehmens dieser Größenordnung hat. Einen zentralen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur sieht die Deutsche Bank in der Verschiedenartigkeit der Mitarbeiter und fördert dieses Anliegen unter dem Slogan Diversity - Chancen durch Vielfalt. Dabei ist es Aufgabe der Personalentwicklung, Talente zu entdecken, zu fördern, zu halten und für künftige Herausforderungen im Unternehmen zu qualifizieren. Diese Strategie führt sowohl bei der Altersstruktur als auch in kultureller Hinsicht zu einer starken Diversifikation der Zielgruppen, die bei der Implementierung von elearning-maßnahmen und generell bei Veränderungen der Bildungsarchitektur zu berücksichtigen sind. Jährlich werden große Budgets für die 5

Praxisbeispiel Deutsche Bank Weiterbildung mobilisiert, die sich beispielsweise in 2004 auf 1479 Euro pro Mitarbeiter und damit auf rund 96 Millionen Euro insgesamt beliefen [db 2006b]. Zur transparenten Gestaltung der umfangreichen Qualifizierungsmöglichkeiten und zur Erleichterung des Zugangs wurde im Jahr 2004 das unternehmensweite Lernmanagementsystem dblearn implementiert (vgl. Kapitel 3.2). 1.1 Organisationsstruktur Die Deutsche Bank AG ist in drei Konzernbereichen (Divisionen) organisiert, die wiederum in fünf Kerngeschäftsfeldern aktiv sind. Abb. 2: Organisationsstruktur der Deutschen Bank (Stand: Februar 2006) Konzernbereich 1 - Corporate and Investment Bank: Global Markets befasst sich u. a. mit Handels-, Verkaufs- und Analyseaktivitäten im Bereich des Wertpapierhandels. Dazu gehören zum Beispiel Aktien, Devisen, Rohstoffe und Fremdkapitalinstrumente. Global Banking ist der Anbieter von Finanzdienstleistungen für internationale Kunden weltweit. Fragen der Unternehmensfinanzierung, Kreditvergabe, Fusionsberatung und die Begleitung von Unternehmen bei Börsengängen sind einige der Serviceprodukte. 6

Praxisbeispiel Deutsche Bank Konzernbereich 2 - Private Clients and Asset Management: Asset Management vereint das Fondsgeschäft für private und institutionelle Kunden. Ende 2004 verwaltete der Bereich Vermögenswerte in Höhe von 536 Milliarden Euro. Private Wealth Management ergänzt das Angebot für vermögende Privatpersonen und ausgewählte institutionelle Kunden. Zum Service gehören auch Nachfolgeplanung und das Stiftungsmanagement für Vermögen. Private & Business Clients betreut ca. 13 Millionen Kunden auf dem europäischen Markt mit Finanzlösungen für private und geschäftliche Ansprüche. In Deutschland ist die Deutsche Bank mit rund 9 Millionen Privat- und Geschäftskunden Marktführer. Konzernbereich 3 - Corporate Investments: Der Konzernbereich Corporate Investments verwaltet beispielsweise Industriebeteiligungen und eigengenutztes Immobilienvermögen der Deutschen Bank. Der Vorstand der Bank hat die Aufgabe, den Konzern strategisch zu steuern, Ressourcen zuzuteilen und deren Verwendung zu kontrollieren. Josef Ackermann, der Sprecher des Vorstandes, ist zugleich Vorsitzender des Group Executive Committee. Im Group Executive Committee sind der Konzernvorstand und die Leiter der fünf Kerngeschäftsfelder (Business Heads) zusammengefasst. Hier werden konzernstrategische Überlegungen erörtert und die Entwicklung der Geschäftsbereiche analysiert. Auf den erarbeiteten Empfehlungen stützt der Vorstand seine endgültigen Entscheidungen und bestimmt damit den Kurs der Bank. Das Corporate Center ist in verschiedene Funktionsbereiche gegliedert und unterstützt den Vorstand bei der einheitlichen Führung des Gesamtkonzerns. Dazu gehören z. B. Rechnungslegung, Kontrolle, Risikoüberwachung und Steuerung von Mitarbeitern. Weiterhin obliegt den Stabsfunktionen die Optimierung der Ressourcen sowohl in personeller als auch ökonomischer Hinsicht. Auch die Kommunikation mit den Medien, Mitarbeitern, Aktionären und die Weiterentwicklung der Marke Deutsche Bank gehören zu den Aufgaben. 1.2 HR Learning & Development Die Personalabteilung der Bank Human Resources zählt zu den Funktionsbereichen, die strukturell im Corporate Center angesiedelt sind. HR Learning & Development bündelt die verschiedenen Aus- und Weiterbildungsaktivitäten von HR in globalen, regionalen und divisionalen Practice Teams (vgl. Abbildung 4). Hier werden Maßnahmen der Personal- 7

Praxisbeispiel Deutsche Bank entwicklung entworfen und Qualifizierungsmöglichkeiten empfohlen bzw. kreiert. Fachwissen, das die Geschäftsbereiche betrifft, wird von den divisionalen L&D Teams koordiniert. Bereichsübergreifende Trainingsangebote (z. B. Sprachen, Softskills) planen und steuern die regionalen Practice Teams in den L&D-Zentralen in New York, Singapur, Frankfurt am Main und London. Die Zentralen sehen sich als bankinterne Dienstleister und bieten u. a. folgende Services an: Berufsausbildung, Unterstützung der divisionalen L&D-Teams, Trainings- und Eventmanagement, elearning, Coaching, Produktmanagement für Qualifizierungsdienstleistungen, Qualitätskontrolle, Evaluation von Produkten, Berichterstattung an das Management. Angebote werden zum Teil individuell auf Mitarbeiter zugeschnitten, zum Teil beziehen sie sich auf ganze Divisionen oder die gesamte Bank. HR Learning & Development Center Europe am Standort Frankfurt koordiniert zusätzlich die drei im Folgenden beschriebenen Global Practice Teams : Leadership Development, Global Learning Management und das Global Practice Team elearning. Leadership Development ist mit dem Aufbau von Führungsfähigkeiten sowohl auf individueller als auch auf Unternehmensebene beauftragt. Basis dafür sind die db Leadership Standards, die 2004 von HR in Zusammenarbeit mit ca. 100 höheren Führungskräften der Bank entwickelt wurden. Die Leadership Standards sind aus der strategischen Agenda der Bank abgeleitet und stehen für ein einheitliches Verständnis von Führung. Abb. 3: Deutsche Bank Leadership Standards 8

Praxisbeispiel Deutsche Bank Die Abbildung zeigt die in den Standards festgelegten zwölf Verantwortlichkeiten von Führungskräften und Mitarbeitern und definiert Führungserfolg entlang der vier Kategorien: Finanzieller & Geschäftlicher Erfolg, Operative Exzellenz, Marken- & Identitätsbildung und Mitarbeiterführung (vgl. Abbildung 3). Global Learning Management ist mit der Administration aller Bildungsangebote der Bank beauftragt, die seit 2004 komplett über dblearn abgewickelt wird. Speziell für Fragestellungen, die der Einsatz von elearning aufwirft, wurde eine neunköpfige Arbeitsgruppe aus Vertretern der regionalen L&D-Zentralen aufgestellt, um die Geschäftsbereiche bei der Integration geeigneter und kosteneffizienter elearning-lösungen zu unterstützen. Das so genannte Global Practice Teams elearning hat dabei eine Ratgeberfunktion, besitzt als Stabsabteilung jedoch keine konzernweite Weisungsbefugnis. Es obliegt grundsätzlich den Geschäftsbereichen, selbst über die Details von elearning-projekten zu entscheiden. Das Practice-Team bietet Entscheidungshilfen an und übernimmt bei Bedarf auch die Koordination und Evaluation der Maßnahmen. Weitere Ziele sind: Erarbeitung einer bankweiten elearning-strategie Konsolidierung der technischen Lösungen Ausbau von elearning zu einem flächendeckenden Angebot der Bank Überprüfung bestehender Curricula in Hinsicht auf deren Substituierbarkeit mit elearning-produkten (Mapping) Sicherung der kosteneffizienten Umsetzung Harmonisierung von Prozessen, den Einkauf, die Administration und das Reporting von Lernprogrammen betreffend Integration globaler Marketing Tools, die auf regionale und divisionale Gegebenheiten abgestimmt sind und die Mitarbeiter über das elearning-angebot kontinuierlich informieren Entwicklung von Kriterienkatalogen für die Auswahl und Bewertung geeigneter Anbieter von elearning Produkten Auch Überlegungen zu Vertragsmodellen, die mit elearning-providern abgeschlossen werden, gehören zu den Aufgaben des Teams. Hier musste man feststellen, dass die Lizenzverträge mit mehrjähriger Laufzeit nicht mehr der schnelllebigen Struktur der Bank entsprachen. Oft standen Projektverantwortliche vor dem Problem, dass sich Zielgruppen in ihrer Zusammensetzung 9

Praxisbeispiel Deutsche Bank spontan änderten oder einzelne Geschäftsbereiche Faktoren in ihrer Weiterbildungsstrategie neu gewichteten. Aus diesem Grund werden heute, wo immer es möglich ist, pay-per-use -Modelle mit elearning-anbietern vereinbart. Bucht ein Mitarbeiter im Unternehmen ein WBT, wird die Zahlung einer Gebühr fällig. Abb. 4: Organisationsstruktur HR Learning & Development (Stand: Februar 2006) 10

Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung 2. Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung Das ökonomische Umfeld ist durch die Beschleunigung von Produktzyklen, sich ständig verändernden Arbeitplatzanforderungen und der zunehmenden Internationalisierung der Märkte gekennzeichnet. Diese Situation führt auf Unternehmensebene zu der Herausforderung, neue Lösungen zur Kompetenzentwicklung von Arbeitnehmern anzubieten. Bedarfsgerechtes und situationsbezogenes Lernen sind notwendig, um mit den Anforderungen des modernen Arbeitsprozesses Schritt zu halten. Insbesondere die Anwendung virtueller Lernund Arbeitsmittel stellt die hierfür nötigen Rahmenbedingungen dar. Arbeit lässt sich infolge dieser Veränderungen, bei denen Arbeits- und Lernprozesse praktisch verschmelzen, nicht mehr nur berufs-, sondern eher prozessbezogen definieren. Kompetenzaufbau soll verstärkt am Lernort Arbeitsplatz durch Selbstqualifikation erfolgen. Ehlers schreibt dazu: Die Entwicklung zum lebensbegleitenden Lernen führt zu einer Entstandardisierung von Berufsund Bildungsbiografien. [Ehlers 2004, S. 35f]. Diese Tendenz rückt methodische, soziale und kommunikative Kompetenzen in Bezug auf die Nutzung der neuen Medien verstärkt in den Vordergrund. Die gegenüberstellende Betrachtung alter und neuer Paradigmen ergibt eine Verlagerung der Weiterbildungsverantwortung auf den Mitarbeiter - Weiterbildung wird damit zu einer Holschuld der Arbeitnehmer. Dies entbindet die Unternehmen und insbesondere die betriebliche Weiterbildung jedoch nicht von der Verpflichtung, die Ressourcen in Form eines passenden Lernumfeldes zur Verfügung zu stellen. Als besonders geeignet zur Realisierung der veränderten Anforderungen an betriebliches Lernen gilt die Erweiterung der Lernarchitektur durch die unterschiedlichen Ausprägungen des elearning, die in Kombination mit weiteren Funktionen den Mitarbeitern in einer virtuellen Lernumgebung (vgl. Kapitel 2.1.4) zur Verfügung gestellt werden. Trotz der rasant voranschreitenden Entwicklung der technischen Möglichkeiten ist die Nutzung multimedialer Lernsysteme meist eine Domäne der Großunternehmen, deren Bedarf das derzeitige Marktangebot im Bereich der elearning-lösungen bestimmt [Severing 2004]. Der Lernprozess in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erfolgt oft kontinuierlich entlang von Lernnotwendigkeiten und wird als explizite Weiterbildung gar nicht wahrgenommen. Severing beschreibt die Situation in KMU folgendermaßen: Hohe Selbstständigkeit bei der individuellen Qualifikationsplanung ist - mangels zentraler Unterstützung - immer schon notwendig. [Severing 2004, S. 116]. Er bemerkt weiter, dass in KMU dadurch keine grundlegenden Mängel in der Weiterbildung auftreten. Vielmehr ist diese traditionelle Form 11

Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung der Weiterbildung großen Unternehmen Vorbild für die angestrebte arbeitsplatznahe und selbstorganisierte Form der Qualifizierung. 2.1 elearning - eine Frage der Definition Die American Society of Training and Development definiert elearning wie folgt: E-learning (electronic learning): Term covering a wide set of applications and processes, such as Web-based learning, computer-based learning, virtual classrooms, and digital collaboration. It includes the delivery of content via Internet, intranet/extranet (LAN/WAN), audio- and videotape, satellite broadcast, interactive TV, CD-ROM, and more. [ASTD 2006]. Diese allgemeine Definition fasst die in den letzten Jahren in der Literatur auffindbaren Bezeichnungen für computergestützte Lernprozesse in einer gebräuchlichen Art und Weise zusammen und demonstriert gleichzeitig die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Anwendungen. Sie birgt aber auch die Gefahr, wichtige Differenzierungen bei der Beurteilung der Eignung von bestimmten Medien in spezifischen Bildungssituationen außer Acht zu lassen. Dabei ist gerade die Auswahl der geeigneten medialen Unterstützung im Bildungsprozess von entscheidender Bedeutung. Auch die Potentiale, die von elearning als arbeitsplatznahes bzw. arbeitsintegriertes Lernmittel ausgehen (vgl. Kapitel 2.1.1) und den Boom Mitte der 90er Jahre erst auslösten, finden in Definitionen selten Beachtung. Trotz der genannten Defizite wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff elearning ebenfalls in einer weitgefassten Art und Weise verwendet und subsumiert alle Formen des Einsatzes von elektronischen On- und Offlinemedien in Lernprozessen der beruflichen Weiterbildung. Behrendt berücksichtigt bei der Abgrenzung des Gegenstandsbereichs elearning über den technologischen Hintergrund hinaus soziologische Aspekte. Demnach handelt es sich bei elearning nicht, wie oft publiziert, vorrangig um eine Medieninnovation, sondern um eine Veränderung organisatorischer und sozialer Strukturen in Verbindung mit der Nutzung dieser Medien. [Behrendt 2004, S. 150]. Gemeint sind hier Entwicklungen, wie beispielsweise vom Gruppenunterricht hin zum autonomen Selbstlernen oder vom Umgang mit traditionellen Lehrmedien hin zum Lernen mit interaktiver Software. Aus verbindlichen Orten und Zeiten des Lernens werden Optionen, die der Lerner eigenverantwortlich organisieren soll. Die Ausbilder müssen durch Kombination von Präsenzkursen und elearning-angeboten neue Lernarrangements modellieren und moderieren. Damit verändert der Aspekt des Selbstlernens 12

Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung das Sozialgefüge der Beteiligten und definiert deren Rollen in Bezug auf die Kommunikation und Interaktion untereinander neu - das notwendige Methoden- und Medieninventar nimmt zu. 2.1.1 elearning im Kontext lebenslangen Lernens Eine rasante Verbreitung und die zunehmend selbstverständliche Nutzung neuer Informationsund Kommunikationstechnologien (IKT) ließen vermuten, dass elearning ähnlich schnell in der betrieblichen Weiterbildung Fuß fassen würde. Leider hat sich das ursprünglich propagierte Nutzungsvolumen bisher zumindest in Deutschland nicht eingestellt, was nicht zuletzt daran liegt, dass wir kein typisches IKT-Land wie beispielsweise Japan oder Finnland sind [Laur- Ernst 2004]. Trotzdem bleibt zu konstatieren: Ohne die Informations- und Kommunikationstechnologien ist lebenslanges Lernen auf breiter Basis nicht realisierbar. Ohne E-Learning kann die individuelle Kompetenzentwicklung mit den Veränderungen von Arbeitswelt und Alltag nicht Schritt halten. [Laur-Ernst 2004, S. 11]. Im Kontext des lebenslangen Lernens erfolgt Lernen zum einen formal, d. h. es findet im regulären Schul- und Hochschulsystem statt, ist strukturiert und wird zertifiziert. Informelles Lernen läuft dagegen außerhalb des formalen Bildungssystems ab, z. B. am Arbeitsplatz oder beim Austausch mit Kollegen. Dabei handelt es sich nicht notwendigerweise um bewusstes Lernen, weshalb es auch von den Lernenden selbst oft nicht als Erweiterung ihres Wissens wahrgenommen wird [BMBF 2001]. Nach Laur-Ernst lassen sich drei typische Lernkonstellationen in Bezug auf lebenslanges Lernen unterscheiden: systematisches, curriculumbezogenes Lernen mit normativen Vorgaben (formalisierte Bildungsgänge, Kurse mit definierten Lernzielen); kasuistisches, durch Arbeitsanforderungen ausgelöstes Lernen in realen Situationen (im Arbeitsumfeld) und selbstgesteuertes, interessengeleitetes Lernen, das sich auf subjektive Vorstellungen gründet. Kompetenzentwicklung, Umlernen und Neulernen, beispielspielsweise im Zuge einer neuen Unternehmensorganisation, erfolgt größtenteils arbeitsplatznah und damit informell. Unterstrichen wird dies durch die Erkenntnisse der zweiten europäischen Weiterbildungserhebung. Bereits 1999 kam man hier zu dem Ergebnis, dass Weiterbildungspläne für 65 % der Unternehmen der Kredit- und Versicherungsbranche von großer Bedeutung sind. Allerdings liegt der europäische Durchschnitt von jährlich 31 Stunden 13

Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung pro Teilnehmer an betrieblich organisierten Lehrveranstaltungen nicht gerade hoch und verdeutlicht die Bedeutung selbstgesteuerten Lernens [EU Bildung 2000]. Der informelle Charakter von elearning kann jedoch durch pädagogisch dominierte Strukturen in Bezug auf Inhalte, Ziele und Zertifizierungen auch formalisierte Züge annehmen [Hahne 2004, S. 58]. Für elearning ergeben sich demnach ebenfalls Differenzierungen: Formelles arbeitsplatznahes elearning ist durch einen seminaristischen Aufbau geprägt. Dabei ist die Struktur des Lernmediums vorgegeben, die Inhalte sind didaktisch aufbereitet und durch motivierende Elemente ergänzt. Der Lerner hat nur geringe Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten und distanziert sich von der konkreten Arbeitssituation. Informelles elearning als Instrument arbeitsintegrierten Lernens bietet dagegen den freien Zugriff auf benötigte Ressourcen. Ausgangspunkt sind Fragestellungen der praktischen Arbeitssituation, die individuell durch den Lerner organisiert gelöst werden. So treffen beispielsweise auf virtual classrooms, die einer synchronen Kommunikation zwischen Tutor und Lernenden bedingen, wesentliche Merkmale des formellen Lernens zu. Das lernendengesteuerte Surfen im Internet entspricht dagegen eher einer idealtypischen Variante des arbeitsintegrierten elearning, welches weitgehend von den bewussten oder weniger bewussten Intentionen und Zielen der Lernenden gekennzeichnet ist [Hahne 2004, S. 58]. Intranet, email, Chat, FAQ-Listen oder Newsgroups sind weitere Beispiele für informelle elearning-lösungen, die zur Problemlösung genutzt werden. Im Weiteren sollen die Motive präzisiert werden, die elearning zu einem geeigneten Medium im Prozess des lebenslangen Lernens machen. 2.1.2 Motive für den Einsatz von elearning Von Thomas Alva Edison (1847-1931), US-amerikanischer Wissenschaftler und einer der bedeutendsten Erfinder der modernen Welt, stammt folgendes Zitat aus dem Jahr 1913 zum Thema Film : Bücher werden in unseren Schulen bald überflüssig sein, denn man kann jede Art von Wissen mit der neuen Technik lehren. Dieser Gedanke blieb bis heute Illusion und wird es wahrscheinlich auf absehbare Zeit bleiben. elearning wird andere Bildungsformen nicht vollständig verdrängen, dafür die Bildungslandschaft um einiges bereichern. 14

Paradigmenwechsel in der betrieblichen Weiterbildung Damit elearning zu einer realen Ergänzung traditioneller Trainingsformen werden kann, bedarf es einer Offenheit im Unternehmen und einer starken, auch emotionalen Beteiligung der Stakeholder (vgl. Kapitel 2.2) an diesem Prozess. Die Vorteile des Einsatzes von elearning sind den Entscheidern wahrscheinlich hinreichend bekannt. Trotzdem werden diese hier nochmals explizit aufgeführt, da sie einen wichtigen Baustein in der unternehmensinternen Kommunikation dieses Themas darstellen können. Insbesondere für die eigentliche Zielgruppe, den Lernenden, sollte der Mehrwert den elearning leisten kann, nachvollziehbar und transparent sein. Dabei ist es ratsam, elearning nicht als neues Zauberwerkzeug darzustellen, denn erfahrungsgemäß besitzt diese Lernform auch seine Nachteile und birgt Schwierigkeiten (vgl. Kapitel 2.1.3). Die positiven Aspekte werden im Folgenden Zusammengefasst [Laur-Ernst 2004]: Flexibilität: Ein individualisierter und eigenverantwortlicher Umgang mit dem eigenen Weiterbildungsbedarf wird ermöglicht. Der Lernende kann darüber hinaus sein Lerntempo angepasst an sein Vorwissen selbst bestimmen bzw. je nach gegebener Situation flexibel variieren. Pre-Assessments und Lernempfehlungen können ihn dabei unterstützen. Lernen auf Vorrat, dass die Nachhaltigkeit und Praxistauglichkeit des vermittelten Wissens beeinträchtigt, kann verringert bzw. vermieden werden. Zeit- und Ortsunabhängigkeit: Durch elearning kann lernen dort stattfinden, wo es benötigt wird - unabhängig von räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen. Der Lerner muss sich nicht mehr an vorgegebenen Unterrichtseinheiten orientieren, die oftmals dann stattfinden, wenn der Lernbedarf noch nicht oder nicht mehr besteht. Multimedialität: Abbildung fünf verdeutlicht, welchen Wert das Ansprechen verschiedener Wahrnehmungskanäle für das Erinnerungsvermögen hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Multimedia nicht zur bunten Verpackung von elearning, sondern zur bedarfsgerechten Unterstützung der Lerninhalte eingesetzt wird. Interaktivität: Qualitativ hochwertig aufbereitete Lernarrangements bieten intensive Möglichkeiten zur Interaktion zwischen den Teilnehmern bzw. zwischen Tutor und Lernern. Lektionen mit automatisierten und individuell zugeschnittenen Rückmeldungen bereichern die Programme und erhöhen die Nutzerfreundlichkeit. 15