Research Group on Equity Market Regulation Forschungsgruppe Aktienmarktregulierung. REGEM Analysis 19



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Transkript:

REGEM Research Group on Equity Market Regulation Forschungsgruppe Aktienmarktregulierung REGEM Analysis 19 Strompreisaufsicht im liberalisierten Energiemarkt der Bundesrepublik Deutschland Felix Seebach, MA Abstract Recently the steady rise in energy prices results in a controversial debate about causes and consequences of regulation and pricing. Thereby establishing an efficient advisory for non-discriminatory market access to mark down prices for consumers was the main intent of the amendment of energy legislation in 2005. By regulating network charges authorities on federal and Länder level have been commissioned to ensure fair competitive conditions. This survey deals with electricity market regulation in Germany, especially since the reform measures 2005. Based on the analytical concept called Policy Cycle, four issues are covered: (1) Configuration of the regulation regime (formal, organisational and procedural terms), (2) political, economic and historical structures as well as the main actors, (3) success and outcomes of the adopted reforms in terms of effectiveness, efficiency and aims, (4) conclusions and discussed reforms of all parties concerned. Chapter 2 (Agenda-Setting) deals with former EU initiated reforms within the Single European Market since the 1980s. The European Commission is identified as one of the main engines for domestic electricity market reforms in Germany. Chapter 3 (Formulation and Decision-Making) focuses aims, options and instruments within the electricity market reforms since 1998. In a first step Chapter 4 (Implementation) analyses historical path dependencies as well as political and economic constraints that electricity market reforms are confronted with. In a second step actors, market shares and interest organisations are analysed. In a third step the organisation of government supervision concerning goals, government actors (Bundesnetzagentur / Bundeskartellamt) and instruments are described. Chapter 5 (Evaluation) deals with the administrative and political evaluation of the reforms in the electricity sector. The evaluation process is strongly covered by continuous rise in electricity prices. In Chapter 6 (Conclusion) it is argued that the political intent of marking down electricity prices by reforming the regulation regime has been missed by a mile. Political impacts as increasing demand on international energy wholesale markets counteracted obvious network charges cutbacks by the Bundesnetzagentur. Please cite as: Autor: Seebach, Felix Titel: Strompreisaufsicht im liberalisierten Energiemarkt der Bundesrepublik Deutschland REGEM Analysis No. 19, November 2008, Trier University http://www.regem.org

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis... Abbildungsverzeichnis... 1. Einleitung 1.1. Thematische Einführung... 1.2. Relevanz des Themas... 1.3. Fragestellung und Untersuchungszeitraum... 1.4. Methode und Vorgehensweise... 2. Agenda-Setting 2.1. Agenda-Setting... 2.2. Faktoren zur Öffnung des Policy Window... 2.2.1. Wandel von Staatlichkeit... 2.2.2. Der Binnenmarkt für Strom auf europäischer Ebene... 2.3. Die Europäische Kommission als Antriebskraft... I III 1 2 3 4 7 8 8 10 15 3. Politikformulierung und Entscheidungsfindung 3.1. Politikformulierung und Entscheidungsfindung... 3.2. Problemdefinition, Zielsetzung und Politikformulierung... 3.2.1. Ziele deutscher Energiepolitik... 3.2.2. Die Energierechtsnovelle 1998... 3.2.2.1. Marktöffnung... 3.2.2.2. Netzzugang... 3.2.3. Die Energierechtsnovelle 2005... 3.2.3.1. Netzzugang... 3.2.3.2. Entflechtung... 19 20 20 22 22 24 27 27 30 4. Politikimplementation 4.1. Politikimplementation... 4.2. Problemlage und Marktstruktur... 4.2.1 Historisch verankerte Strukturen... 4.2.2. Konzentration durch horizontale und vertikale Verflechtung... 4.2.3. Struktur und Akteure der Energieindustrie... 4.2.4. Organisierte Interessen in der deutschen Energieindustrie... 4.2.5. Zielkonflikte der Energiepolitik... 4.3. Gestaltung der Strompreisaufsicht im liberalisierten Energiemarkt... 4.3.1. Zielsetzung... 4.3.1.1. Wettbewerb durch diskriminierungsfreien und preisgünstigen Netzzugang 4.3.1.2.Versorgungssicherheit... 4.3.2. Akteure... 4.3.2.1. Bundesnetzagentur / Regulierungsbehörden der Bundesländer... 4.3.2.2. Bundeskartellamt / Kartellämter auf Länderebene... 33 36 36 39 45 50 53 56 56 56 57 58 58 63

4.3.3. Instrumente... 4.3.3.1. Kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht... 4.3.3.2. Ex-Ante Netzentgeltregulierung... 4.3.3.3. Anreizregulierung... 5. Politikevaluation 5.1. Politikevaluation... 5.2. Strompreise seit 1998: Entwicklung, Staatsanteil, Stromhandel... 5.2.1. Preisentwicklung seit 1998... 5.2.2. Zusammensetzung und Einflussfaktoren... 5.2.3. Stromhandel: EEX und Großhandelsmärkte... 5.3. Akteure und Positionen im Evaluationsprozess... 5.3.1. Akteure innerhalb des administrativen Evaluationsprozesses... 5.3.1.1. Bundesregierung... 5.3.1.2. Bundesnetzagentur... 5.3.1.3. Bundeskartellamt... 5.3.2. Akteure außerhalb des administrativen Evaluationsprozesses... 5.3.2.1. Industrielle und private Verbraucher... 5.3.2.2. Energiewirtschaft... 5.4. Reformvorhaben im Bereich eigentumsrechtlicher Entflechtung auf EU-Ebene... 6. Fazit und Ausblick... 7. Literaturverzeichnis 7.1. Monographien... 7.2. Aufsätze... 7.3. Tagespresse / Periodika... 7.4. Interviews aus Fachzeitschriften/Tagespresse... 7.5. Quellen/Geschäftsberichte/Gutachten... 66 66 69 72 76 76 77 81 86 94 94 94 97 101 104 104 110 115 120 125 126 130 133 134

Abkürzungsverzeichnis Abb. AG ARE ARegV Art. Aufl. BaFin BAPT BDEW BDI BEWAG BGW BKartA BMPT BMWA BMWI BNE BNetzA BTO Elt DEA DFB DFL DVG Ebd. EdF EEA EEG EEX EG EGV EnBW EnWG EU EuGH EURATOM Abbildung Aktiengesellschaft Arbeitsgemeinschaft regionaler Energieversorgungsunternehmen Anreizregulierungsverordnung Artikel Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesamt für Post und Telekommunikation Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Bundesverband der deutschen Industrie Berliner Kraft- und Licht - Aktiengesellschaft Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft Bundeskartellamt Bundesministerium für Post und Telekommunikation Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundesverband Neuer Energieanbieter Bundesnetzagentur Bundestarifordnung Elektrizität Data Envelopment Analysis Deutscher Fußballbund Deutsche Fußballliga Deutschen Verbundgesellschaft Ebenda Électricité de France Einheitliche Europäische Akte Erneuerbare-Energien-Gesetz European Energy Exchange Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Energie Baden Württemberg Energiewirtschaftsgesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Atomgemeinschaft I

EVS Energie-Versorgung Schwaben f. Folgende FEDV Freier Energiedienstleister-Verband GDF Gaz de France GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GW Gigawatt GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWh Gigawattstunde HEW Hamburger Electricitäts-Werke Hrsg. Herausgeber KAV Konzessionsabgabenverordnung KWh Kilowattstunde KWK Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz LPX Leipzig Power Exchange MWh Megawattstunde OTC Over-the-counter PostG Postgesetz RegTP Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post REGTP Regulierungsbehörde für Energie, Gas, Telekommunikation und Post S. Seite SFA Stochastic Frontier Analysis Tab. Tabelle TKG Telekommunikationsgesetz TWh Terrawattstunde u. a. Und andere überarb. Überarbeitete VEAG Vereinigte Energiewerke Aktiengesellschaft VDEW Verband der Elektrizitätswirtschaft VDN Verband der Netzbetreiber VEW Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen Vgl. Vergleiche VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft VRE Verband Regionaler Energieversorger VKU Verband Kommunaler Energieversorger VV Verbändevereinbarung VZBV Verbraucherzentrale Bundesverband WpHG Wertpapierhandelsgesetz II

Abbildungsverzeichnis Tabellen Tab. 2.1. (S. 13): Maßnahmen/Initiativen im Rahmen des EG Binnenmarktprogramms für Elektrizität Tab. 4.1. (S. 34): Implementationstypen politischer Programme Tab. 4.2. (S. 46): Marktanteil der Stromversorger Tab. 5.1. (S. 90): Jahresmittelwerte für Phelix Base und Peakload Tab. 5.2. (S. 92): Jahresmittelwerte für Phelix Base und Peakload Future Abbildungen Abb. 4.1. (S. 42): Marktkonzentration anhand der Anteile an inländischer Nettostromerzeugung Abb. 4.2. (S. 43): Regelzonen der Verbundunternehmen Abb. 5.1. (S. 78): Entwicklung des durchschnittlichen Strompreises für Industriekunden seit 1998 Abb. 5.2. (S. 79): Entwicklung des durchschnittlichen Strompreises für Haushaltskunden seit 1998 Abb. 5.3. (S. 81): Zusammensetzung des Strom Einzelhandelspreises für Haushaltskunden 2007 Abb. 5.4. (S. 82): Zusammensetzung des Strom Einzelhandelspreises für Industriekunden 2007 Abb. 5.5. (S. 84): Entwicklung der politischen Belastungen am Strompreis seit 1998 (in Mrd. Euro) Abb. 5.6. (S. 84): Staatlicher Anteil am Strompreis eines durchschnittlichen Drei Personen Haushalts Abb. 5.7. (S. 89): Entwicklung des Handelsvolumens am Spotmarkt der EEX seit Januar 2007 Abb. 5.8. (S. 91): Entwicklung Strompreis am Spotmarkt der EEX seit Januar 2007 Abb. 5.9. (S. 93): Entwicklung der Strom Forward Preise im OTC Handel seit Mai 2006 Abb. 5.10. (S. 98): Anteil der Netzkosten am Strom Einzelhandelspreis für Privatkunden Abb. 5.11. (S. 99): Anteil der Netzkosten am Strom Einzelhandelspreis für Industriekunden Abb. 5.12. (S. 105): VIK Strompreisindex Abb. 5.13. (S. 107): Entwicklung Netznutzungsentgelte im Bereich Höchstspannung seit 2001 Abb. 5.14. (S. 108): Änderungen der Netznutzungsentgelte im Jahr 2007 gegenüber 2005 III

Kapitel 1: Einleitung 1. Einleitung 1.1. Thematische Einführung Die dauerhaft in der öffentlichen Berichterstattung geführte Debatte um steigende Strompreise verdeutlicht, welchen Stellenwert eine preisgünstige Energieversorgung für private und industrielle Verbraucher einnimmt. Gerade angesichts steigender Preise in vielen alltäglichen Bereichen wird die zusätzliche Belastung durch hohe Energiepreise von Verbraucherseite zunehmend mit Sorge betrachtet. Dabei spielt die Einkommenssituation des einzelnen Verbrauchers keine erhebliche Rolle. Vielmehr klagen Verbraucher aller Einkommensschichten über erhebliche Belastungen. 1 Die häufige mediale Präsenz der Strompreisdebatte zeigt darüber hinaus deutliche Kontroversen über Ursachen, Erklärungen und Konsequenzen der Preisentwicklung. Dabei bedienen sich die beteiligten Akteure mitunter eindimensionalen Erklärungsmustern. Politik, private und industrielle Verbraucher sehen häufig Missbrauch von Marktmacht großer Versorger wie EON, RWE, Vattenfall und EnBW, mangelnden Wettbewerb und strukturelle Defizite auf dem deutschen Strommarkt als Hauptursachen für steigende Strompreise. 2 Öffentlichkeitswirksam ist nicht selten von Preistreiberei, Abzockern, Mafia-Methoden und Würgegriff der Energiekonzerne die Rede. 3 Darüber hinaus werfen Kritiker vor allem den großen Verbundunternehmen enge (personelle) Verflechtungen mit der Politik und intransparentes Lobbying vor, durch das diese ihre Vormachtstellung sichern indem Gesetzesvorhaben systematisch blockiert und zu eigenen Gunsten verändert werden. 4 Im Gegensatz dazu betonen Vertreter der großen Energiekonzerne die Funktionsfähigkeit von Energiegroßhandelsmärkten sowie die Rolle des Staates bei der Strompreisbildung. Die im europäischen Vergleich hohen Strompreise sind aus Sicht der Branche zu erheblichem Anteil auf politisch gewollte Belastungen zurückzuführen. 5 Angesichts der skizzierten Kontroversen erscheint eine sachliche Analyse des Themas ungleich schwieriger. Mit der Liberalisierung des deutschen Energiemarktes 1998 hat sich der rechtliche Rahmen der Energiewirtschaft grundlegend verändert. Wettbewerb auf Erzeugungs- und Vertriebsseite zwischen den Versorgern sollte die früheren Gebietsmonopole ersetzen. Angetrieben 1 2 3 4 5 Vgl. Renate Köcher (2007), Der Preisschock auf dem Energiemarkt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Dezember, S. 6. Vgl. Dieter Schmitt (2004), Faktoren der jüngeren Preisentwicklung im deutschen Strommarkt, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 54. Jg. (2004), Heft 10, S. 638. Vgl. Frank Dohmen (2007), Kartell der Abkassierer, in: Der Spiegel, Nr. 45, S. 104. Vgl. auch: Anonymus (2004), Interview mit Johannes Theyssen, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 54. Jg. (2004) Heft 12, S. 798. Vgl. Thomas Leif/Rudolph Speth (2006), Die fünfte Gewalt Anatomie des Lobbyismus in Deutschland, in: Thomas Leif/Rudolph Speth [Hrsg.] (2006), Die fünfte Gewalt: Lobbyismus in Deutschland, Bonn, S. 10-11. Vgl. Rainer Hank/Winand von Petersdorff (2007), Interview mit Eon-Chef Wulf Bernotat, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14. Oktober, S. 37. 1

Kapitel 1: Einleitung durch Liberalisierungsmaßnahmen auf EU-Ebene und positiven Erfahrungen in anderen Staaten (Großbritannien, Chile, Neuseeland, Vereinigte Staaten) während der 1980er und 1990er Jahre, sollte auch auf dem vormals stark reglementierten deutschen Energiemarkt der Wettbewerb um den Verbraucher die ökonomische Effizienz der Energiebereitstellung erhöhen. Eines der Hauptziele der Maßnahmen, die Preise für Endkunden deutlich zu senken, sollte auf diese Weise erreicht werden. 6 Dieses Ziel ist, wie noch ausführlich gezeigt wird, nicht erreicht worden. Stattdessen ist seit 2000 ein weitgehend konstanter Anstieg der Preise sowohl für Strom als auch für Gas zu beobachten. 7 1.2. Relevanz des Themas Ein wesentlicher Indikator für die Relevanz eines Themas ist die Aktualität des Untersuchungsgegenstands. Dieser Bezug ist bei dem vorliegenden Gegenstand unbestritten gegeben. Die Debatte um steigende Strompreise und die daraus zu ziehenden Konsequenzen wird die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik unzweifelhaft auch in den kommenden Jahren beschäftigen. Auf EU-Ebene ist vor allem die gegenwärtige, von der Europäischen Kommission und mehreren Mitgliedsstaaten angetriebenen eigentumsrechtlichen Entflechtung der nationalen Energiekonzerne von Belang. 8 Dieser Vorschlag, der in den Mitgliedsstaaten auf ein breites Echo in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit trifft, wird auch in näherer Zukunft Gegenstand kontroverser Debatten sein. Sollte er sich am Ende durchsetzen, würde dies für einige Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland und Frankreich, enorme Konsequenzen für die Ausgestaltung des Strommarktes nach sich ziehen. Ferner steht die Energiebranche immer wieder durch spektakuläre Vertragsverletzungs- und Kartellverfahren der EU-Kommission gegen europäische Energiekonzerne im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dabei geht es in der Regel um Verstöße gegen europäisches Wettbewerbsrecht aufgrund von vermuteten Preisabsprachen oder der Diskriminierung dritter hinsichtlich des Zugangs zu den Übertragungsnetzen. Als Beispiel sei an dieser Stelle auf die deutsche EON AG verwiesen, die sich Ende Februar 2008 für den Verkauf des eigenen Stromnetzes entschied, um damit die Einstellung eines im Juli 2007 durch die EU-Kommission eröffneten Kartellverfahrens zu erwirken. 9 6 7 8 9 Vgl. Christoph Weber (2004), Regulierung auf dem Strommarkt: Anfang oder Ende des Wettbewerbs, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 102 (4/2004), S. 28. Vgl. Markus M. Müller (2006), Consolidating the New Regulatory State in Germany?: The New Energy Regime of 2005, in: German Politics, Vol. 15., No. 3, September 2006, S. 275. Vgl. Hendrik Kafsack/Andreas Mihm (2007), EU will Energieproduktion und Netz strikt trennen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. September, S. 13. Vgl. Jürgen Flauger/Helmut Hauschild/Klaus Stratmann (2008), Eon opfert der EU Stromnetz, in: Handelsblatt, 29. Februar, S. 1. 2

Kapitel 1: Einleitung Auf nationaler Ebene sind in Deutschland immer wieder die Regulierungsbehörden, -verfahren und -instrumente Gegenstand der wirtschaftspolitischen Diskussion. Die seit 2005 mit der Regulierung des Energiemarktes betraute Bundesnetzagentur (BNetzA) nimmt dabei ebenso eine zentrale Position ein wie Kartellbehörden des Bundes und der Länder. Um einen möglichst weitgehenden Wettbewerb zu ermöglichen, stehen im Zusammenhang mit den genannten Behörden die Einführung neuer Instrumente im Mittelpunkt. Beispiele sind die von der Bundesnetzagentur ausgearbeitete Anreizregulierung für Strom und Gas sowie die vor kurzem im Bundestag verabschiedeten Maßnahmen zur Reform des Kartellrechts. 10 1.3. Fragestellung und Untersuchungszeitraum Die vorliegende Arbeit befasst sich schwerpunktmäßig mit zwei Themenkomplexen. Auf Basis der Neuordnung des deutschen Energierechts 2005 und der damit verbundenen Neuausrichtung des Regulierungsregimes will die Arbeit beleuchten, wie sich der institutionelle Regulierungsrahmen darstellt und welche Ziele verfolgt werden. Dabei wird zum besseren Überblick der Fokus auf zentrale staatliche und gesellschaftliche Akteure des Politikfelds, historisch bedingte Marktstrukturen und jüngere Entwicklungen gerichtet. Darüber hinaus steht die Politikevaluation im Mittelpunkt des Interesses. Diese allgemein als Bewertung veranlasster Maßnahmen durch beteiligte Akteure definierte Phase des Politikprozesses gehört im Hinblick auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand zu den spannendsten Feldern. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die ursprünglich politisch formulieren Ziele erreicht wurden. Traditionell bestehen bei der Bewertung politischer Maßnahmen erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Akteuren. Ausgehend von einer aktuellen Bestandsaufnahme und der Bewertung der beteiligten Akteure bietet die Politikevaluation die Möglichkeit, Ideen und Ansätze für zukünftige Maßnahmen in den Politikprozess einzubringen. Im Hinblick auf beide Schwerpunkte sollen vier Fragestellungen formuliert werden: (1) Wie stellt sich das Regulierungsregime in organisatorischer und verfahrenstechnischer Hinsicht dar und welcher Zielsetzung unterliegt es? (2) In welchen politischen, ökonomischen und historischen Strukturen bewegen sich staatliche und gesellschaftliche Akteure? (3) Wie erfolgreich, gemessen an Effektivität, Effizienz und formulierter Zielsetzung, ist die Preisund Wettbewerbsaufsicht in ihrer gegenwärtigen Form? 10 Vgl. Bundesregierung (2008), Jahreswirtschaftsbericht 2008, Berlin, S. 32. Download: http://www.bmwi.de/bmwi/redaktion/pdf/publikationen/jahreswirtschaftsbericht- 2008,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf [29. Februar 2008]. Vgl. auch: Jürgen Flauger/Klaus Stratmann (2008), Unter strenger Aufsicht, in: Handelsblatt, 28. Januar, S. 2. 3

Kapitel 1: Einleitung (4) Welche Rückschlüsse ziehen die Beteiligten aus der bisherigen Entwicklung und welche Optionen im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung des energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmens werden diskutiert? Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich im Wesentlichen auf die Zeit nach der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 bis etwa Mai 2008. Er umfasst die Einrichtung einer staatlichen Regulierungsbehörde und die Debatten um strukturelle Eingriffe in die Eigentumsstruktur der Energiebranche. Der Zeitraum 1998 bis 2005, fließt ebenfalls in die Untersuchung ein, bildet jedoch keinen thematischen Schwerpunkt. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich Regulierung und Preisaufsicht, der Strompreisentwicklung und die Diskussion um strukturelle Reformen innerhalb der Energiebranche seit 2005 erscheinen, nicht zuletzt aufgrund der dünnen politikwissenschaftlichen Literaturlage, als Untersuchungszeitraum interessanter. Der auf dem EU- Energieministerrat am 6./7. Juni 2008 erzielte Kompromiss 11 hinsichtlich des bevorstehenden dritten Richtlinienpaketes zum Energiebinnenmarkt fließt deshalb nicht mehr explizit in die Untersuchung ein. 1.4. Methode und Vorgehensweise Die Arbeit wird auf das Konzept des Policy Cycle zurückgreifen. Dabei wird angenommen, dass Politikgestaltung als Entscheidungs- und Produktionsprozess verstanden wird. 12 Ausgangspunkt der Argumentation ist die Vorstellung von Politik als Policy Making-Prozess 13, in dem lösungsbedürftige Probleme artikuliert, politische Ziele formuliert, alternative Handlungsmöglichkeiten entwickelt und schließlich als verbindliche Festlegung gewählt werden. 14 Zum besseren Verständnis bietet es sich an, diesen Problemverarbeitungsprozess in verschiedene Zyklen zu unterteilen, so dass im Ergebnis der Politikprozess als sequentieller Ablauf von verschiedenen Phasen betrachtet werden kann. 15 Diese Unterteilung ermöglicht die Reduzierung von Komplexität und Heterogenität politischer Prozesse und verbessert damit den Zugang zum Untersuchungsgegenstand. 16 Policy Making ist demnach ein Prozess der Problemlösung, der mit der Problemdefinition und artikulation beginnt und mit verbindlichen Festlegungen von politischen 11 12 13 14 15 16 Vgl. Michael Kröger (2008), EU verzichtet auf Zerschlagung der Energiekonzerne, in: Spiegel Online, 7. Juni 2008. Download: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,558249,00.html [7. Juni 2008]. Vgl. Volker Schneider/Frank Janning (2006), Politikfeldanalyse: Akteure, Diskurse und Netzwerke in der öffentlichen Politik, Wiesbaden, S. 62. Vgl. Werner Jann/Kai Wegrich (2003), Phasenmodelle und Politikprozesse: Der Policy Cycle, in: Klaus Schubert/Nils Bandelow [Hrsg.] (2003), Lehrbuch der Politikfeldanalyse, München, S. 71. Fritz W. Scharpf (1973), Planung als politischer Prozess: Aufsätze zur Theorie der planenden Demokratie, Frankfurt, S. 15. Vgl. Michael Howlett/M. Ramesh [Hrsg.] (2003), Studying Public Policy: Policy Cycles and Policy Subsystems, 2. Aufl., Oxford, S. 11. Vgl. Schneider/Janning 2006: 62. 4

Kapitel 1: Einleitung Maßnahmen und Programmen endet. 17 Im Einzelnen sind dabei folgende Phasen 18 zu unterscheiden: Agenda-Setting umfasst den Prozess, während dessen ein Problem die Aufmerksamkeit der entscheidenden politischen Akteure auf sich zieht und somit an Relevanz gewinnt. 19 Politikformulierung bezieht sich auf die inhaltliche Ausgestaltung eines Programmes und Auswahl unterschiedlicher Optionen und Handlungsalternativen. 20 Entscheidungsfindung bezeichnet die Phase, in der in formellen Entscheidungsverfahren über eine Policy entschieden wird. 21 Politikimplementation umfasst die Durchsetzung politischer Maßnahmen ( translating policy into action ). 22 Politikevaluation als letzte Phase umfasst die Frage nach der Auswirkung eines konkreten Handlungsprogrammes und nach dem Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag der Maßnahmen. Im Mittelpunkt stehen dabei die auf staatlicher und gesellschaftlicher Seite beteiligten Akteure und deren Bewertung. 23 Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Agenda-Setting und den Antriebskräften, die die Reformen des energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmens wesentlich antrieben. Es wird deutlich werden, dass sowohl die Marktliberalisierung 1998 als auch die Novelle 2005 ohne den Einfluss der EU- Kommission nicht erklärbar sind. Der deutsche Energiemarkt hat sich über lange Zeit als reformresistentes System erwiesen, das aus sich selbst heraus keine einschneidenden Reformen einleitete. Erst mit wachsendem Einfluss europäischer Institutionen konnten wettbewerbsorientierte Reformen eingeleitet. Kapitel 3 wird sich der Politikformulierung/Entscheidungsfindung hinsichtlich der Energierechtsnovellen 1998 und 2005 widmen. Es wird gezeigt, wie die Formulierung und Entscheidungsfindung in zentralen Aspekten des Marktzugangs, Netzzugangs, Preisaufsicht und Entflechtung verlief, welche Optionen diskutiert wurden und welche sich am Ende durchsetzten. Ferner werden drei Ziele Versorgungssicherheit, funktionierender Wettbewerb, ausgewogene Endpreise aufgezeigt, die nicht zuletzt in der Evaluationsphase wieder im Mittelpunkt stehen werden. Kapitel 4 bildet anschließend mit der Politikimplementation den ersten thematischen Schwerpunkt. Es wird deutlich werden, dass die Implementation einer funktionierenden Regulierung im Bereich der Energiewirtschaft kein leichtes Unterfangen darstellt. Eine Vielzahl historischer, technischer, 17 18 19 20 21 22 23 Vgl. Jann/Wegrich 2003: 71. Die gegenwärtige verwendete Unterteilung des Policy Cycles in die Abschnitte Problemdefinition, Agendagestaltung, Politikformulierung, Politikimplementation, Politikevaluation geht auf Jones zurück. Vgl. dazu: Charles O. Jones (1977), An Introduction to the Study of Public Policy, 2. Aufl., North Scituate, S. 11f. Vgl. Schneider/Janning 2006: 50. Vgl. John Kingdon (2003), Agendas, Alternatives and Public Policies, 2. Aufl., New York u.a., S. 2-3. Vgl. Jann/Wegrich 2003: 85. Vgl. Helga Pülzl/Oliver Treib (2007), Implementing Public Policy, in: Frank Fischer/Gerald J. Miller/Mara S. Sidney [Hrsg.] (2007), Handbook of Public Policy Analysis: Theory, Politics and Methods, Boca Raton u.a., S. 89. Vgl. Schneider/Janning 2006: 59f. 5

Kapitel 1: Einleitung ökonomischer und politischer Bedingungen prägen das Politikfeld und stellen Ansprüche an Regulierer und Adressaten. Während der erste Teil des Kapitels den grundlegenden Problemen und Herausforderungen für staatliche Aufsichtsbehörden nachgeht, werden in einem zweiten Schritt die zentralen Akteure, Organisationsformen und Instrumente auf staatlicher Seite identifiziert. Kapitel 5 bildet den zweiten thematischen Schwerpunkt der Arbeit. Im Rahmen der Politikevaluation werden zunächst Preisentwicklung, Zusammensetzung sowie börsenhandliche Preisbildungsmechanismen behandelt. Daran schließt sich die Bewertung der beteiligten Akteure hinsichtlich Wettbewerbssituation, Preisentwicklung, staatlicher Instrumente und zukünftiger Optionen an. Zu Beginn jedes Kapitels wird zu zentralen analytischen Aspekten der jeweiligen Phase des Policy Cycles eingegangen. Diese erscheinen wichtig, um Akteure und Prozesse in der folgenden Analyse zu identifizieren und abschließend einordnen zu können. Bei der Darstellung der analytischen Grundlagen sollen lediglich die für die vorliegende Arbeit nach Ansicht des Autors wichtigsten und für die Untersuchung fruchtbaren Aspekte abgehandelt werden. 6

Kapitel 2: Agenda Setting 2. Agenda Setting 2.1. Agenda Setting Obwohl die Umstände in Analysen häufig als gegeben betrachtet werden, erscheint die Frage zentral, warum manche Themen den Sprung auf die politische Agenda schaffen, während andere unter der Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung verbleiben. Von Bedeutung ist bei dieser Frage zunächst der Begriff Agenda, verstanden als the list of subjects or problems to which governmental officials, and people outside of government closely associated with those officials, are paying some serious attention at any given time. 24 Aufgrund begrenzter Kapazität der institutionellen Entscheidungsfindung des politischen Systems stehen Themen im Wettbewerb um die Aufnahme auf die politische Agenda zueinander. 25 Das Agenda-Setting bzw. Agenda-Building umfasst demnach den Prozess [ ] by which demands of various groups in the population are translated into items vying for the serious attention of public officials [ ]. 26 Von Bedeutung ist bei der Betrachtung des Agenda-Settings ferner die Art der Initiierung eines Themas. In der klassischen Forschung wurden in diesem Zusammenhang im Wesentlichen drei mögliche Modelle diskutiert. Das erste Model der externen Thematisierung (Outside Initiative Model) steht in der Tradition des liberalen Lehrbuchmodells. Ein Problem wird von Akteuren außerhalb des Regierungsapparates, etwa nichtstaatlichen Gruppen oder Organisationen in die Öffentlichkeit gebracht. Es gewinnt in der Folge so stark an Aufmerksamkeit, dass es dadurch von politischen Entscheidungsträgern als relevant angesehen wird. 27 Möglich ist auch das Modell der internen Thematisierung (Inside Initiative Model). Hier stellt sich der erfolgreiche Zugang zur formalen Agenda und die anschließende Implementation aufgrund der Position der initiierenden Akteure zu den relevanten Entscheidungsträgern als am wahrscheinlichsten dar. Ein Problem wird hierbei innerhalb des Regierungs- und/oder Verwaltungsapparates als bearbeitungsbedürftig eingestuft. 28 Ferner ist dann von einem Mobilisierungsmodell (Mobilization Model) die Rede, wenn die Initiierung von Akteuren innerhalb des Regierungsapparates erfolgt. Der Unterschied zum Modell der internen Thematisierung besteht jedoch darin, dass Themen bereits von Entscheidungsträgern auf die formale Agenda gesetzt wurden, aber auf die Unterstützung der Öffentlichkeit angewiesen sind. Insofern wird der Prozess hier umgekehrt: Statt von den Entscheidungsträgern von der informellen auf die formale Agenda gesetzt zu werden, verfolgen 24 25 26 27 28 Vgl. Kingdon 2003: 3. Vgl. Roger W. Cobb/Charles D. Elder (1972), Participation in American Politics: The Dynamics of Agenda- Building, Baltimore/London, S.14. Vgl. Auch: Vgl. Kingdon 2003: 3-4. Vgl. Roger Cobb/Jennie-Keith Ross/Marc Howard Ross (1976), Agenda Building as a Comparative Political Process, in: American Political Science Review, 70, 1976, S. 126. Vgl. Ebd.: 128. Vgl. auch: Schneider/Janning 2006: 54. Vgl. Cobb/Ross/Ross 1976: 135. 7

Kapitel 2: Agenda Setting diese die Strategie, das Thema auf die informelle Agenda zu setzen. 29 Der neuere Ansatz der Politikdiffusion betont die Ausbreitung von Ideen und Innovationen über nationalstaatliche Grenzen hinweg und deren Übernahme durch andere Staaten, Personen und Organisationen. Themen können danach von einem Staat auf die Agenda eines anderen gesetzt werden, ohne dass in diesem ein eigenständiges Problembewusstsein vorhanden sein muss. 30 Neben der oben angesprochenen absichtlichen Initiierung von Themen durch staatliche und gesellschaftliche Akteure lassen sich auch strukturelle Auslöser für die Artikulation von Problemen identifizieren. Bestimmte Ereignisse können ein Thema erwartet oder unerwartet auf die Agenda bringen. Andererseits bringt der Politikprozess immer wieder zyklische Themen hervor, die in bestimmter Regelmäßigkeit auftauchen. Diese können kurzfristiger Natur und vor allem auf mediale Aufmerksamkeit gerichtet sein, sie können Bestandteil mittelfristiger Themenkarrieren oder sie können Gegenstand langfristiger Reformwellen sein. 31 Formulierte Probleme können Möglichkeitsfenster öffnen, in deren Rahmen ein Problem an Bedeutung gewinnt. Diese, von Kingdon als Policy Windows definierten Fenster, bieten staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren die Möglichkeit, als Policy Entrepreneurs ein Thema voranzutreiben und auf eine politische Lösung zu dringen und das Thema auf der formalen Agenda zu etablieren. 32 2.2. Faktoren zur Öffnung des Policy Windows 2.2.1. Wandel von Staatlichkeit Der vielfach konstatierte Wandel von Staatlichkeit wird allgemein mit einem Rückzug des Staates aus Bereichen gleichgesetzt, innerhalb derer er über einen langen Zeitraum eine wichtige Rolle einnahm. Die Phase der Expansion des Staates, der immer stärker zunehmenden Macht- und Ressourcenallokation staatlicher Institutionen, die Verstaatlichung vormals privater oder gesellschaftlicher Bereiche hat spätestens seit Mitte der 1970er Jahre nicht nur ihr Ende erreicht. Vielmehr befinde sich der Staat auf dem Rückzug. 33 Obwohl die Bestandsaufnahme van Crevelds, des Decline of the State 34, von der überwiegenden Mehrheit nicht geteilt wird, sind Entwicklungen, die den Staat fundamental herausfordern, seit den 1970er Jahren unübersehbar. Diese Entwicklung wird aus europäischer Sicht häufig als Krise des keynesianischen Wohlfahrtsstaates mit vielfältigen Herausforderungen für Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik bezeichnet. Aufgrund dieser veränderten Rahmenbedingungen erfolgte 29 30 31 32 33 34 Vgl. Ebd.: 132. Vgl. auch Howlett/Ramesh 2003: 134. Vgl. Schneider/Janning 2006: 54. Vgl. Ebd.: 56. Vgl. Howlett/Ramesh 2003: 135. Vgl. Arthur Benz (2001), Der moderne Staat: Grundlagen der politologischen Analyse, München, S. 223. Vgl. Martin van Creveld (1999), The Rise and Decline of the State, Cambridge, Preface VII. 8

Kapitel 2: Agenda Setting zunächst in den USA und Großbritannien zu Beginn der 1980er Jahre ein Bedeutungszuwachs neoliberaler Ökonomen und Politiker, die eine Abkehr von oben genanntem Modell und stattdessen eine Hinwendung zu mehr Markt statt Staat forderten. Dieser Paradigmenwechsel im wirtschaftspolitischen Denken hat, mit zeitlicher Verzögerung und in unterschiedlicher Intensität, auch die europäischen Industriestaaten und damit auch die Bundesrepublik Deutschland erfasst. Privatisierungsprogramme mit der Konsequenz des Rückzuges des Staates aus den Eigentumsstrukturen von Unternehmen sowie Liberalisierungsmaßnahmen von Märkten und der damit einhergehenden Befreiung von wachstumshemmenden Reglements wurden in vielen Industriestaaten als Lösungsansatz der aufkommenden Probleme betrachtet. 35 Diese Entwicklung wurde darüber hinaus verstärkt durch sich teilweise ergänzende bzw. verstärkende technologische Wandlungsprozesse, durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien, zunehmenden internationalen Wettbewerbsdruck sowie der europäischen Integration. Die zum Großteil in der Tradition der europäischen Sozialdemokratie verankerten Vorstellungen von politischer Gestaltung und Machbarkeit musste angesichts dieser Herausforderungen ihren traditionellen Reiz verlieren, bewirkten die neuen Entwicklungen doch sinkende Transaktionskosten, flexibilisierte Produktionsstrukturen, neue Verteilungswege und veränderte Verhaltensmuster im Konsum. 36 Neben den vielfältigen Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist für diese Arbeit vor allem die Entwicklung im Bereich der Infrastruktur- und Versorgungsleistungen von Belang. Aus verschiedenen Gründen wie etwa natürlichen Monopolstellungen, öffentlichen Gütern und externen Effekten wurde diesen Sektoren lange Zeit eine natürliche Tendenz zu Marktversagen unterstellt. Insofern wurde die staatliche Bereitstellung von Gütern und der Ausschluss vom Wettbewerb innerhalb dieser Sektoren als unverzichtbar betrachtet. Aufgrund dieses Verständnisses gehörten Sektoren wie Telekommunikation oder Energieversorgung in allen entwickelten Industriestaaten zum Staatssektor oder zu staatsnahen Sektoren. Darüber hinaus ergaben sich aus diesem Verständnis zwei Steuerungsregime, innerhalb derer der Staat die zentrale Rolle einnahm. Entweder er übernahm die Leistungen selbst oder er überließ die Bereitstellung privaten Akteuren und kontrollierte deren Verhalten mittels Regulierungsinstitutionen. Auf der einen Seite stand demnach der produzierende Staat bzw. Leistungsstaat, auf der anderen der 35 36 Vgl. Susanne Lütz/Roland Czada (2000), Einleitung: Marktkonstitution als politische Aufgabe: Problemskizze und Theorieüberblick, in: Roland Czada/Susanne Lütz [Hrsg.] (2000), Die politische Konstitution von Märkten, Wiesbaden, S. 9. Vgl. auch: Edgar Grande/Burkhard Eberlein (2000), Der Aufstieg des Regulierungsstaates im Infrastrukturbereich: Zur Transformation der politischen Ökonomie der Bundesrepublik Deutschland, in: Roland Czada/Hellmut Wollmann [Hrsg.] (2000), Von der Bonner zur Berliner Republik, Wiesbaden, S. 631. Vgl. auch: Christoph Knill/Dirk Lehmkuhl (2002), Private Actors and the State: Internationalization and Changing Patterns of Governance, in: Governance, Vol. 15, Nr. 1, Januar 2002, S. 41. Vgl. Lütz/Czada 2000: 9. 9

Kapitel 2: Agenda Setting Gewährleistungsstaat bzw. Regulierungsstaat. 37 Im Hinblick auf die deutsche Elektrizitätswirtschaft lässt sich diese Erosion des Leistungsstaates deutlich aufzeigen. Aufgrund verschiedener technischer Merkmale wie Leitungsgebundenheit, Nichtspeicherbarkeit von Elektrizität sowie Größen- und Verbundvorteile der Energieversorger war die Energieversorgung vom Wettbewerb ausgenommen und weit reichend von staatlicher Seite reguliert. 38 Aufgeteilt durch Konzessions-, Demarkations- und Verbundverträge sollte durch das Zusammenwirken öffentlicher, gemischtwirtschaftlicher und privater Unternehmen die optimale Versorgung sichergestellt werden. Die Stromwirtschaft wurde auch in kartellrechtlicher Hinsicht als Ausnahmebereich betrachtet, der nicht dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterlag. 39 Die Energieversorgung unterlag im Gegenzug Anschluss- und Versorgungspflichten und staatlicher Preisaufsicht. 40 Entscheidenden Reformdruck übte neben dem europäischen Energiebinnenmarktprogramm 41 auch der seit Beginn der 1990er Jahre internationale Umbruch der Energieversorgung aus. Ausgehend von den USA und Großbritannien erhielten in vielen Staaten marktwirtschaftlich orientierte Reformen Einzug. Diese umfassten, angetrieben sowohl durch liberal ausgerichtete Wirtschaftspolitik als auch durch technologischen Fortschritt, die Trennung des natürlichen Übertragungsmonopols (Netze) von den wettbewerbsfähigen Systemen Erzeugung und Vertrieb. Das deutsche Energiewirtschaftsgesetz, das seit 1935 unveränderten strukturellen Grundprinzipien folgte und sich lange Zeit als resistent gegenüber marktwirtschaftlichen Reformen gezeigt hatte, erhielt demnach in erster Linie von äußeren Entwicklungen die entscheidenden Reformimpulse. 42 2.2.2. Der Binnenmarkt für Strom auf europäischer Ebene Lange Zeit hat sich der Energiesektor aufgrund verschiedener Besonderheiten ökonomischer und technischer Natur als hochgradig resistent gegenüber Liberalisierungsvorhaben erwiesen. Staatliche bzw. regionale (natürliche) Monopolstrukturen auf der Angebotsseite sowie die Leitungsgebundenheit der Stromversorgung ließen nationale Strommärkte lange Zeit als 37 38 39 40 41 42 Vgl. Grande/Eberlein 2000: 631. Vgl. auch: Burkhard Eberlein (2000a), Regulierung und die Konstitution von Märkten in Europa, in: Roland Czada/Susanne Lütz [Hrsg.] (2000), Die politische Konstitution von Märkten, Wiesbaden, S. 89-90. Vgl. Grande/Eberlein 2000: 638. Vgl. auch: Josef Auer et. Al. (2003), Traditionelle Monopole: Wachstum durch mehr Wettbewerb, Deutsche Bank Research, Nr. 261, 20. März 2003, S. 7. Download unter: http://www.dbresearch.com/prod/dbr_internet_en-prod/prod0000000000053012.pdf [22.März 2008]. Vgl. Edmund Ortwein (1996), Die Ordnung der deutschen Elektrizitätswirtschaft, in: Roland Sturm/Stephen Wilks [Hrsg.] (1996), Wettbewerbspolitik und die Ordnung der Elektrizitätswirtschaft in Deutschland und Großbritannien, Baden-Baden, S. 106-107. Vgl. Grande/Eberlein 2000: 639. Siehe dazu Kap. 2.2.2. Vgl. Grande/Eberlein 2000: 639. 10

Kapitel 2: Agenda Setting wettbewerbsuntauglich erscheinen. 43 Aufgrund dieser Besonderheiten fristete eine einheitliche europäische Energiepolitik bis Mitte der 1990er Jahre ein Schattendasein. Dies erscheint vor allem deshalb widersprüchlich, da sich zwei der drei Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaft auf den Energiesektor beziehen. Gestützt wird dieser Widerspruch dadurch, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine primärrechtliche Fixierung einer einheitlichen Energiepolitik besteht. Der Widerspruch löst sich erst auf, wenn man in Betracht zieht, dass sowohl die 1951 gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) als auch die 1957 etablierte Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) sektorale Integrationsprojekte darstellen, die von geringer Reichweite waren. 44 Folglich war die europäische Energiepolitik bis in die 1980er Jahre hinein primär auf Versorgungssicherheit durch Reduzierung der Erdöl- und Erdgasabhängigkeit, auf Diversifizierung der Energieträger sowie stärkere Verbrauchssteuerung mit dem Ziel höherer Energieeffizienz beschränkt. 45 Politische Gestaltung war in erster Linie auf sekundärrechtliche Regelungen begrenzt. Zwischen den Mitgliedsstaaten bestand in diesen Fragen weitgehend Konsens. Fundamentale Herausforderungen für energiepolitische Prioritäten und Energiesektoren der Mitgliedsstaaten stellten diese Ansätze nicht dar. 46 Die grundlegende Intention der Römischen Verträge von 1957 bestand in der Schaffung einer Güterunion und der schrittweisen Etablierung eines gemeinsamen, barrierefreien Marktes. Dieses Konzept erhielt Mitte der 1980er Jahre mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) nach Jahren der europapolitischen Stagnation neuen Schwung. 47 In den folgenden Jahren bis hin zur förmlichen Verabschiedung der Binnenmarktrichtlinie Strom am 16. Dezember 1996 zielten Maßnahmen auf EU-Ebene auf die weitergehende und stärker am Prinzip des Wettbewerbs orientierte Neuordnung des Ordnungsrahmens zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes für Elektrizität und Gas ab. 48 Die Liberalisierung der nationalen Energiemärkte war ein fester Bestandteil des Binnenmarkprojektes und der gemeinsamen Wettbewerbspolitik der Europäischen Gemeinschaft geworden, das keiner expliziten primärrechtlichen Fixierung bedurfte. 49 43 44 45 46 47 48 49 Vgl. Stephen Padgett (1992), The Single European Energy Market: The Politics of Realization, in: Journal of Common Market Studies, Vol. 30, Nr. 1, März 1992, S. 53. Vgl. auch: Nicolas Jabko (2006), Playing the Market: A Political Strategy for Uniting Europe 1985-2005, Ithaca/London, S. 93. Vgl. Thomas Renz (2001), Vom Monopol zum Wettbewerb: Die Liberalisierung der deutschen Stromwirtschaft, Opladen, S. 112. Vgl. Tooray Jamasb/Michael Pollitt (2005), Electricity Market Reform in the European Union: Review of Progress toward Liberalization & Integration, Cambridge S. 6. Download unter: http://tisiphone.mit.edu/repec/mee/wpaper/2005-003.pdf [16. März 2008]. Vgl. Renz 2001: 113-114. Vgl. Janne Haaland Matláry (1997), Energy Policy in the European Union, Houndmills u.a., S. 19. Vgl. Hans-Wilhelm Schiffer (2005), Energiemarkt Deutschland, 9. Aufl., Köln, S. 189. In Art. 1. Der Binnenmarktrichtlinie-Strom heißt es demnach: Es müssen Maßnahmen zur Sicherstellung des einwandfreien Funktionierens des Binnenmarkts getroffen werden. Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. 11

Kapitel 2: Agenda Setting Die im 1985 verabschiedeten Weißbuch zum Binnenmarkt formulierten Vorhaben zur Schaffung des gemeinsamen Marktes für Waren, Personen, Kapital und Dienstleistungen betrafen somit auch die nationalen Energiemärkte. 50 Die enormen Herausforderungen bei der Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes für Energie waren der Grund, weshalb die Energiepolitik aus dem Weißbuch von 1985 zunächst ausgeklammert und erst nach Verabschiedung der EEA von der EU- Kommission 1988 angegangen wurde. 51 Im Grünbuch Der Binnenmarkt für Energie wurden erstmals Elemente eines gemeinsamen Marktes, Preistransparenz und grenzüberschreitender Handel von Elektrizität, offiziell formuliert. 52 Konsumenten standen der Marktöffnung aufgrund der Hoffnung auf sinkende Strompreise von Beginn an positiv gegenüber. Ebenso begrüßten viele Mitgliedsstaaten die Möglichkeit des europaweiten Handels mit Elektrizität. Demgegenüber stießen die Pläne in vielen Mitgliedsstaaten mit monopolistischer Struktur auf Widerstände. 53 Zwei weitere Verordnungen waren 1990 und 1991 Gegenstand kontroverser Verhandlungen, um die im Grünpapier der Kommission formulierten und vergleichsweise moderaten Zielsetzungen zu erreichen. Nach deren Verabschiedung war jedoch keineswegs klar, ob die angestrebten Ziele des gemeinsamen Binnenmarktes für Elektrizität erreicht werden können. Jeder Versuch der Kommission, den Prozess anzutreiben, war aufgrund der Widerstände aus den Mitgliedsstaaten riskant. 54 Vor allem das aus Sicht der Kommission zentrale Vorhaben für die Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes für Elektrizität, der Netzzugang für Dritte (Third Party Access), traf innerhalb der meisten Mitgliedsstaaten auf Widerstand. 55 Nach einem ersten Vorschlag zum Netzzugang 1991, der im Gegensatz zu den beiden ersten Vorhaben Transparenz und grenzüberschreitender Handel, fundamentale Herausforderungen für die Struktur nationaler Energiemärkte bedeutete, entschied sich die Kommission aufgrund des Widerstandes einiger großer Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, für das im Vertrag von Maastricht neu eingeführte Mitentscheidungsverfahren, statt, wie in den vorangegangen Initiativen, von den 50 51 52 53 54 55 Daraus ergibt sich, dass Elektrizität als gleichwertiges Gut angesehen werden muss, das ebenso wie alle anderen Waren und Dienstleistungen dem EU-Binnenmarkt unterliegt. Siehe dazu: EG (1997), Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, Amtsblatt Nr. L027 vom 30.01.1997. Download unter: http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=celex:31996l0092:de:html [16. März 2008]. Im Folgenden werden nur die nach Ansicht des Autors zentralen Initiativen des über zehn Jahre andauernden Verhandlungsprozesses auf nationaler Ebene angeführt. Eine ausführliche Darstellung des Verhandlungsprozesses auf EU-Ebene findet sich bei Rainer Eising (2000), Liberalisierung und Europäisierung: Die regulative Reform der Elektrizitätsversorgung in Großbritannien, der Europäischen Gemeinschaft und der Bundesrepublik Deutschland, Opladen, S. 198-251. Vgl. auch: Renz 2001: 111-144. Siehe auch: Tab. 2.1. Vgl. Matláry 1997: 19-20. Vgl. Jabko 2006: 97. Vgl. Matláry 1997: 19-20. Vgl. Jabko 2006: 98. Vgl. Ian Bartle (2005), Globalisation and EU-Policy-Making: The Neo-Liberal Transformation of Telecommunications and Electricity, Manchester/New York, S. 75. 12

Kapitel 2: Agenda Setting Kompetenzen im Wettbewerbsrecht gemäß Art. 90 EGV (heute Art. 86 EGV). 56 Die verabschiedete Richtlinie enthielt Vorschriften für Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Strom, für die Trennung dieser Bereiche in Management und Rechnungslegung (betriebswirtschaftliches Unbundling), für die Organisation des Netzzugangs für Dritte sowie den freien Leitungsbau. 57 Der Stillstand der Verhandlungen im Ministerrat wurde letzten Endes durch ein Übereinkommen Deutschlands und Frankreichs überwunden, in dem Prinzipien der Marktöffnung und der Bedarf nach gemeinsamen Regeln im Europäischen Energiemarkt von beiden Seiten anerkannt wurden. Die Verabschiedung der Richtlinie bedeutete somit den endgültigen Durchbruch zum gemeinsamen Binnenmarkt für Elektrizität. 58 Tabelle 2.1: Maßnahmen/Initiativen im Rahmen des EG-Binnenmarktprogramms für Elektrizität Datum Initiative/Maßnahme Mai 1988 Grünpapier der EU-Kommission: Gemeinsamer Binnenmarkt für Energie Juni 1990 Verabschiedung Richtlinie: Preistransparenz Juni 1990 Verabschiedung Richtlinie: Grenzüberschreitender Handel Januar 1992 Richtlinienvorschlag: Verbindlicher Netzzugang Dezember Richtlinienvorschlag: Verhandelter Netzzugang 1993 Januar 1994 Vorschlag Frankreich: Single-Buyer-Modell als Netzzugang März 1995 Kommissionspapier: Vereinbarkeit von Single-Buyer-Modell und verhandeltem Netzzugang Juni 1996 Einigung im Ministerrat über Aufnahme des Single-Buyer-Modells und des verhandelten Netzzugangs in Binnenmarktrichtlinie Strom Dezember 1996 Verabschiedung der Binnenmarktrichtlinie Strom im Ministerrat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments im Mitentscheidungsverfahren (1996/92/EG) Februar 1999 Anforderung an Mitgliedsstaaten: Öffnung von mindestens 26% des nationalen Strommarktes November Übereinkunft im Ministerrat: Vollständige Öffnung der nationalen Strommärkte 2002 Juni 2003 Verabschiedung der Binnenmarktrichtlinie Strom im Rahmen des Binnenmarktpaketes für die leitungsgebundene Energieversorgung (2003/54/EG) September 2007 Richtlinienvorschlag: Eigentumsrechtliche Trennung (Ownership Unbundling) des Netzbetriebs von Handel und Erzeugung Quelle: Ian Bartle (2005), Globalisation and EU Policy-Making: The Neo-Liberal Transformation of Telecommunications and Electricity, Manchester/New York, S. 75.; Hendrik Kafsack und Andreas Mihm (2007), EU will Energieproduktion und Netz strikt trennen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. September 2007, S. 13. (Mit eigenen Ergänzungen) Aufgrund der Herausforderungen, denen sich die Mitgliedsstaaten bei der Implementierung der Richtlinie in nationales Recht sowie der Einhaltung der Wettbewerbsbestimmungen gegenüber 56 57 58 Vgl. Susanne K. Schmidt (1998a), Commission Activism: Subsuming Telecommunications and Electricity under European Competition Law, in: Journal of European Public Policy, Vol. 5, Nr. 1, März 1998, S. 177. Vgl. EG 1997: 1-4. Burkhard Eberlein (2008). The Making of the European Energy Market: The Interplay of Governance and Government, in: Journal of Public Policy, Vol. 28, Nr. 1, 2008, S.76. 13

Kapitel 2: Agenda Setting sahen, wurde und wird dieser Prozess dauerhaft von Seiten der Europäischen Kommission überwacht. Eine Vielzahl von Berichten und Studien dokumentiert den Implementationsprozess der Mitgliedsstaaten und bietet gleichzeitig Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Fortschritten einzelner Staaten. 59 Wie bereits deutlich wurde, erstreckt sich der Prozess der Etablierung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes vor allem im Strom- und Gasbereich über einen langen Zeitraum. Die ersten Anforderungen zur Etablierung eines verbindlichen gemeinsamen Regelwerks waren von den Mitgliedsstaaten im Anschluss an die Verabschiedung der Binnenmarktrichtlinie-Strom Ende 1996 bis etwa 1997/1998 erfüllt worden. Die meisten Mitgliedsstaaten erfüllten zwar die grundlegenden Anforderungen schneller als der Zeitplan ursprünglich vorsah. Aufgrund der unterschiedlichen Marktstrukturen war jedoch eine Vielzahl an liberalisierten nationalen Energiemärkten entstanden, was nicht dem Leitbild eines gemeinsamen Binnenmarktes entsprach. Hinsichtlich Regelungen, die über grundlegende Vereinbarungen wie beispielsweise die Marktöffnung für Wettbewerber hinausgingen, konnten die Mitgliedsstaaten das Reformtempo selbst im Rahmen der Richtlinie bestimmen. 60 Während der Implementation der Richtlinie 96/92/EG traten folglich eine Vielzahl an Problemen auf, aus denen jedoch drei Entwicklungen herausragten. Erstens die bereits angesprochene ungleichen Implementationsbemühungen zwischen den Mitgliedsstaaten, zweitens eine in vielen Mitgliedsstaaten vorherrschende Ungleichbehandlung neuer Marktakteure, vor allem im Bereich des Netzzugangs, sowie drittens marktbeherrschende Stellungen von etablierten Versorgungsunternehmen. 61 Um Verzerrungen dieser Art abzudämpfen und somit der Vollendung des Binnenmarkts näher zu kommen, beschloss die Kommission ein zweites Richtlinienpaket. Dieses wurde am 26. Juni 2003 vom Europäischem Parlament und Ministerrat angenommen und beinhaltete zwei Richtlinien für Strom und Gas sowie eine Bestimmung für grenzüberschreitenden Energiehandel. 62 Die Richtlinie 2003/54/EG 63 war bis zum 1. Juli 2004 in nationales Recht umzusetzen. Sie sah (1) die betriebswirtschaftliche Entflechtung von Netz und Vertrieb von anderen Geschäftsbereichen innerhalb des Versorgungsunternehmens, (2) freien Zugang zum Aufbau von Stromerzeugungskapazitäten, (3) Monitoring über Stromerzeugungskapazitäten, (4) vollständige Marktöffnung bis Juli 2007, (5) Förderung erneuerbarer Energien, (6) Einrichtung eines nationalen 59 60 61 62 63 Vgl. Bartle 2005: 77-78. Vgl. Peter D. Cameron (2005), Completing the Internal Market in Energy: An Introduction to New Legislation, in: Peter D. Cameron [Hrsg.] (2005), Legal Aspects Of EU Energy Regulation: Implementing the New Directives on Electricity and Gas Across Europe, Oxford, S. 7-8. Vgl. Ebd.: 9. Vgl. Ebd.: 8. Vgl. EG (2003), Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, Amtsblatt Nr. L 176 vom 15.07.2003. Download unter: http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=celex:32003l0054:de:html [16. März 2008]. 14