2. Modul: AVWS - phonologische Bewusstheit (phb) - Sprachrezeption (SR) 1 Fallbeispiele 2 Zusammenhänge 3 Symptome: Woraus resultieren sie? 4 AVWS-Diagnostik (mehrstufig) 5 Förderung von Kindern mit AVWS 6 Phonologische Bewusstheit (phb) 7 Sprachrezeption (SR)
Beispiel 1: Junge (11;0) (Böhme) Schwächen: Hörgedächtnisspanne (Zahlen, Silbenfolgen, Sätze, Geschichten) Lautdiskrimination, -kategorisierung Pseudowortsegmentierung, Restwortbestimmung Phonemvertauschung, Vokallänge, Wortumkehr Stärken: Erkennen visuell-serialer Abfolgen
Beispiel 2: Mädchen (7;11) Schwächen: dichotisches Hören auditive Merkfähigkeit, Sequenzen (Silben, Zahlen) Lautdiskrimination (/d/-/g/, /t/-/k/, bes. in Pseudowörtern) Stärken: Wortsynthese, -ergänzung Motivation, Konzentration
Beisp. 3: Mädchen (5;9). Schwächen: Lautdiskrimination Hörgedächtnisspanne (2 Zahlen, Silben, Wörter) Ordnungsschwelle Stärken: Sprachverständnis im Störgeräusch, dichotisches und Richtungshören
2 Zusammenhänge primäre aud. Felder sekund. aud. Felder tertiäre aud. Felder präfront. Cortex Amygdala Hippocampus Thalamus Hormonsystem Hörbahn retikuläre Formation Rückmeldungen (Peripherie)
2.1 Cortikale Felder und Funktionen Primäre Felder (Area 41): Wahrnehmung/Unterscheidung von Geräuschen und Klängen Sekundäre Felder: Area 42 : - Phonemidentifikation und diskriminierung (Wernickesches bzw. sensorisches Sprachzentrum) Area 22: - Worterkennung und Satzverständnis - Integration lexikalisch-semantischer Aspekte (zusammen mit Area 21) Tertiäre Felder (Area 20 und z.t. Area 21.): - intermodale Wahrnehmung - Sprachverständnis gemäß Absicht, in Verbindung mit Emotionalität (Amygdala)
a) Wahrnehmungsleistungen der primären auditiven Felder linkshemisphärisch: Geräusch / -abfolgen - erkennen - unterscheiden - einspeichern und abrufen Beisp.: manche Tierlaute rechtshemisphärisch: Töne, Klänge, Melodien - erkennen - unterscheiden - einspeichern und abrufen Beisp.: (Kinder-)Lieder
b) Sprachverständnis in den sekundären auditiven Feldern (Günther 2008): Sprachliche Äußerungen von Geräuschen unterscheiden Sprachlaute differenzieren Laut-/Silbenketten erkennen und speichern Wörter heraushören Wörter als sinntragende Einheiten erkennen
2.2 AVWS und weitere Störungen Defizite in der auditiven Info-Verarbeitung: ein Risikofaktor für Sprachentwicklungsstörungen Gedächtnis, Kognition: Erkennen von Strukturen und Regelbildung, z.b.: zeitliche Verarbeitung: Bedeutung für phonologische Analyse, z.b.: Prosodie: wichtig für Lexikon- u.grammatikerwerb, z.b.: auditive und weitere Teilleistungsschwächen Verhältnis von Ursache(n) und Symptom(en)?
Exkurs: Zeitverarbeitung von Lautsprache Phonemebene: ( `gap-detection ) Unterscheidung von stimmhaft / stimmlos, z.b. /g/ - /k/ Wortebene: Wahrnehmung der Silbengliederung z.b. Blumentopferde Satzebene: Pausen = Wortgrenzen? z.b. Paulli-kdadrüben...
3 Symptome: Woraus resultieren sie? 3.1 bei Kindern mit AVS : Unempfindlichkeit / Unaufmerksamkeit für Schall Überempfindlichkeit für laute, schrille Schallreize Schwächen beim Richtungshören im Alltag Schwierigkeiten in der schnellen Verarbeitung bzw. im selektiven Hören (v.a. unter Störschall) Rhythmusprobleme (Klatschen: Reime und Lieder)
3.2 bei Kindern mit AWS : (auditive) Aufmerksamkeit zeitliche und räumliche Orientierung (Richtungshören) Phonemdiskrimination Hörmerkspanne: Geräusche, Klänge, Spracheinheiten (Ziffernreihen, Wörter, Sätze, Geschichten) Sprachverständnis, v.a. in speziellen Situationen (Hintergrundgeräusch!) Sprachverstehen in der Kommunikation (kommunikative Absicht der sprechenden Person?)
4 AVWS-DIAGNOSTIK (mehrstufig) 4.1 Anamnese und Beobachtung bei Verdacht auf AVWS Woran erkennt man eine Störung der auditiven Wahrnehmung? (Rosenkötter 2003, 208 f) Beobachtungsbogen für Eltern (Rosenkötter 2003, 210 ff) Beobachtungsbogen für Lehrer und Therapeuten (Rosenkötter 2003, 213 ff)
4.1.1 Beobachtungen (nach Rosenkötter) a) bei Verdacht auf AVWS : 1. Empfindet Ihr Kind gewisse Geräusche als schmerzvoll oder störend? 2. Hat Ihr Kind Schwierigkeiten, Sprache in lauten oder hallenden Räumen zu verstehen? 3. Kann Ihr Kind einen leichten Rhythmus klopfen oder klatschen? 4. Kann ihr Kind erkennen, aus welcher Richtung ein Geräusch oder Sprache kommt? 6. Empfinden Sie die Sprachmelodie Ihres Kindes eher als eintönig? 7. Scheut Ihr Kind Gruppen wegen der Geräusche oder des Lärms?
a) bei Verdacht auf Defizite in der phb 1) Verwechselt Ihr Kind bestimmte Laute, sagt z.b. Tanne statt Kanne oder Jäder statt Jäger? 2) Wird Ihr Kind von den meisten Lauten verstanden? 3) Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Kind lange Zeit braucht, um eine Äußerung zu verstehen? 4) Braucht Ihr Kind viele Wiederholungen, um etwas zu verstehen? 5) Mag es gerne Geschichten zuhören? 6) Kann es Geschichten nacherzählen?
4.2 HNO-Untersuchung Gehörgangsinspektion Tympanometrie Tonaudiometrie Sprachaudiometrie (verschiedene Alterstufen) - ohne und mit Störgeräusch ggf. BERA Richtungshören (Kinderlieder, Rauschen)
4.3 Pädaudiologische Überprüfung: Test-CD (Audiva) - neu sortiert 1) Lautebene: Lautunterscheidung - 4 Stufen - ohne / mit Störgeräusch 2) Wortebene: Wörter ergänzen Laute verbinden dichotischer Hörtest 3) Satz-/Textebene: Sätze nachsprechen Geschichte nacherzählen 4) Gedächtnis: Mottier-Test Zahlentest 5) Basale Funktionen: Hochtonverstehen Zeitkomprimierter Text Rhythmus mitklopfen Rhythmus erkennen Tonfolgen erkennen Konsonanz/Dissonanz unterscheiden
5 Förderung von Kindern mit AVWS 5.1 Hilfen im (Förder-)Unterricht (nach Schründer-Lenzen 2004) auditive Differenzierung: verschiedene Ebenen aus einer Geschichte bestimmte Wörter heraushören Ergänzung der audit. Wahrnehmung: visuelle Hervorhebung u. motor. Hilfen zur Unterscheidung langer/kurzer Vokale Akustik im Raum verbessern Blickkontakt mit der sprechenden Person Reduktion des Lärmpegels Stille-Übungen
5.2 Hörschmaus (Wilhelm 2008) auditive Lokalisation / Selektion / Aufmerksamkeit: - Geräusche, Wörter Speicherung (Hörmerkspanne) / Sequenzgedächtnis: - Geräusche, Silben, Wörter, Sätze, Texte Differenzierung / Diskrimination: - Geräusche, Laute, Identifikation, Position Analyse / Synthese: - Reime finden, Wort-/Lautsynthese phonologische / graphematische Bewusstheit: - buchstabieren, Wörter zerlegen
5.3 AudioLog Ebene Geräusche Ziele Identifikation / Diskrimination Memory (Sequenzen) dichotisches Gehör Figur/Grund-Unterscheidung Aufmerksamkeit / Vigilanz
6 Phonologische Bewusstheit (phb) ist ein wesentlicher Prädiktor für die LR- Entwicklung, des weiteren die schnelle Worterkennung (Objektbenennung?) Komponenten der ph.b.: - i.w.s: - Silbentrennen und Silbenzählen - Reime erkennen - i.e.s: - Phonemsynthese (Laute, z.b. U-l-i ) - Anlauterkennung ( M-ond ) - Ergänzung ( ma?en ) - Phonemersetzung (/a/ durch /i/ in Wand )
6.1 Entwicklung der phb VS-Alter / Schulanfang: - Silbenklatschen/- segmentieren: Mo-ni-ka 1./2. Schuljahr: - Synthese: m-a-l-e-n T-o-m-a-t-e 3./4. Schuljahr: - Phonemersetzungen: /g/ in Gabel durch /k/... - Phonemvertauschungen (Pseudowörter): aus kana wird...
6.2 Überprüfung der phb am Schulanfang: Rundgang durch Hörhausen (Bd. 1) (Martschinke et al. 2004) 1. Wörter in Silben segmentieren ( Tiernamen klatschen) 2. Silben zusammensetzen ( Neue Tiere benennen ) 3. Phonemanalyse ( Wörter zerlegen ) 4. eigenen Namen schreiben 5. Anlaute erkennen ( Befreundete Wörter im gelben Haus ) 6. Endlaut erkennen (... im roten Haus ) 7. Endreim erkennen (... im blauen Haus ) 8. Buchstabenkenntnis ( Hexenhäuschen )
6.3 Förderung der phonologischen Basisfähigkeiten (Mayer 2010) Einsatz von Trainingsprogrammen (Erfahrungen?) Bedeutung der Phonemanalyse und -synthese ( Wo hörst du ein /o/ in Ofen?) Fortführung im Klassenunterricht Phonem-Graphem-Korrespondenzen Anlaut-Identifizierung: z.b W-al / Sch-al, T-asche /? Schnecken- und Robotersprache Handzeichen Wortauswahl nach linguistischen Kriterien Beachtung der Silbenstrukturen und Lautauswahl
6.4 AudioLog: - Übungen zur Verbesserung der phb Ebene: Laute Silben Wörter Ziele: Memory (Sequenzen) dichotisches Gehör Wort- u. Zahlengedächtnis Laut- u.silben-diskrimination Lautsynthese
Audiolog 4 - Neuerungen (mit Fotos) 1) Zahlengedächtnis: - Telefonspiel : 1-10 Stimuli - Wort- / Bild 2) Richtungshören: (auf allen Ebenen): Vierkanal 3) Selbsthören: Lautunterscheidung, Aufnahme eigener Wörter, Vergleich mit Vorgaben 4) Wortebene: - Sequenzen - Silbenzählen - Laute - Lautunterscheidung - dichotisches Hören
7 Sprachrezeption Übung: Worin bestehen Beeinträchtigungen? Beispiele: Laute und Silben: Wortebene: Satz-, Text-, Diskursebene:
7.1 Marburger Sprachverständnistest für Kinder (MSVK, Elben 2000) Material: Testheft mit Bilder-Reihen Aufgabe: richtiges Bild markieren (mehrere ling. Ebenen) Passiver Wortschatz: Substantive, Verben, Adjektive Satzverständnis: z.b. Das Ei liegt im Nest. Instruktionsverständnis: z.b. Mach einen Kreis um die dünnste Katze! Personbezogene Sprachzuordnung: z.b. Wer sagt: Wieviel kostet ein Ei?
7.2 Therapie bei rezeptiven Sprachstörungen (Amorosa/Noterdaeme 2003) 5 Bereiche: 1) Beziehungsaufbau und Motivation 2) Sprachtherapeutische Interventionen : Hilfen auf der Wort-, Satz- und Textebene 3) Pädagogische Interventionen, z.b. Hilfestellungen in der Familie 4) Schulische Intervention, z.b. im mündl. Unterricht und im Schriftspracherwerb 5) Koordination der therapeutischen Maßnahmen
Literatur und Materialien (Auswahl) Amorosa, H.; Noterdaeme, M. (2003): Rezeptive Sprachstörungen. Göttingen Audiolog : Flexoft; Tel. 0049 30 25793900; www.flexoft.de Böhme, G. (2006): Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen; Bern Elben, C.E. (2000): Marburger Sprachverständnistest für Kinder (MSVK). Göttingen Günther, H.: (2008): Sprache hören Sprache verstehen. Weinheim/Basel Mayer, A.: (2010): Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen. München Martschinke, S. / Kirschhock, E.-M. / Frank, A. (2004): Der Rundgang durch Hörhausen (Bd. 1). Donauwörth Rosenkötter, H. (2003): Auditive Wahrnehmungsstörungen. Stuttgart Schründer-Lenzen, A. (2004): Schriftspracherwerb und Unterricht.Opladen Test-CD für die auditiven Funktionen: AUDIVA, Best.Nr. TU 03 A; www.audiva.de Wilhelm, E. (2008): Hörschmaus, Förderung der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung. Köln (ProLog)