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Kreativität ist gefragt. Die Forderung nach mehr kreativen Ideen und Lösungen ist nicht nur im künstlerischen Bereich allgegenwärtig, sondern auch in der Schule, in Wirtschaft und Politik. Hirnforscher sind der Kreativität auf der Spur, indem sie die Entstehungsbedingungen untersuchen und mit bildgebenden Verfahren den neuronalen Ort dieser Fähigkeit versuchen ausfindig zu machen. Der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther von der Universität Göttingen: 1. O-Ton: Wir können nachweisen, dass es Zustände gibt, wo ein Mensch in der Lage ist, sehr viele Bereiche in seinem Hirn zu aktivieren, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen, und es gibt auch Bedingungen, wo ein Mensch gewissermaßen nicht die Möglichkeit hat, all das an Wissen und Erfahrungen einfließen zu lassen in den Verarbeitungsprozess um ein bestimmtes Problem zu lösen. Typischerweise ist es so, dass wir unter den Bedingungen von Angst eben gezwungen sind, sehr schnell eine Lösung zu finden, und da verschwindet sofort die Neugier, da verschwindet auch die Fähigkeit umsichtig noch andere Dinge zu berücksichtigen und miteinander zu verbinden. Da ist Handeln gefragt, da ist Effizienz gefragt und da wird das Hirn auf eine sehr einfache Weise benutzt. Angst blockiert die Kreativität, Neugier indes beflügelt sie. Sie ist die Grundvoraussetzung für das Lernen. Wie sie entsteht, wie sie vergeht, und was man tun kann, um sie wieder zu wecken, wenn sie verschwunden ist, ist deshalb auch der Ausgangspunkt für die neurowissenschaftliche Kreativitätsforschung. 2. O-Ton: D.h. um neugierig zu sein, um kreativ zu sein, muss man in der Lage sein sich zu öffnen für alles, was es an neuen Wahrnehmungen zu machen gibt, und man muss auch in der Lage sein, 2
diese vielen Erinnerungen, die vielen Vorstellungen, auch das viele Wissen, das man im Hirn in regionalen Netzwerken abgespeichert hat, auf eine neue Art und Weise miteinander zu verbinden. AUTORN: Frei von Angst und Druck lässt sich das vorhandene Wissen am besten kreativ umsetzen. Offenheit ist eine Grundvoraussetzung. Dann werden vielfältige Aktivitätsmuster im Gehirn sichtbar, weil verschiedene Wissensbereiche gleichzeitig genutzt und neu kombiniert werden. 3. O-TON Das gelingt sonderbarerweise immer dann am besten, wenn nichts von einem verlangt wird. Also man muss fast, um kreativ eine Lösung zu finden in der Lage sein zu vergessen, dass man diese Lösung jetzt so unbedingt suchen möchte. Das haben viele große Naturwissenschaftler und Entdecker beschrieben in ihren Biographien: die schönsten Einfälle, die großartigsten kreativen Lösungen sind häufig gefunden worden in einem Zustand des halbwachen Dahindämmerns, kurz nach dem Aufwachen morgens. Die Entfaltung von Neugier und Kreativität ist aber nicht nur an situativen Bedingungen gebunden, es müssen auch in früher Kindheit die neuronalen Voraussetzungen dafür geschaffen werden: 4. O-TON: Das Hirn wird ja so aufgebaut, dass in den plastischen Bereichen des Gehirns, bei den Tieren, und bei uns ist das vor allen Dingen im Cortex, dass dort ein Überangebot von Nervenzellverschaltungen durch die genetischen Programme bereitgestellt wird. Also viel mehr an Vernetzung zunächst einmal angeboten wird als da unter Umständen gebraucht wird. Und dann müssen bestimmte Erregungsmuster in diesem bereitgestellten Überangebot von Vernetzungsmöglichkeiten entstehen, dadurch dass man etwas Bestimmtes lernt, dass 3
man eine bestimmte Erfahrung macht. Und je häufiger man immer wieder die gleiche Erfahrung machen kann, desto stärker werden dann diese betreffenden Verschaltungsmuster erregt, aktiviert und damit auch stabilisiert. Alles andere, was nicht benutzt wird, wird wieder zurückgeformt. Nur mit viel Aufwand lassen sich die Nervenzellverschaltungen im Hirn später wieder neu umformen und vielleicht zur Aussprossung bringen, Prof. Gerald Hüther vergleicht diesen Zustand mit einem weitverzweigten Baum. Aufgrund der Plastizität des Gehirns können zwar noch bis ins hohe Alter neue Äste wachsen, d.h. neue synaptische Verbindungen geschaltet werden viel leichter funktioniert dies jedoch, wenn man die Phase nutzt, in der das riesige Überangebot bereitgestellt wird. Bei Menschen wie bei Tieren werden dafür früh die Grundlagen gelegt: 5. O-TON: Alle lernfähigen Tiere nutzen dieses riesige Überangebot an Verschaltungsmöglichkeiten eben in vollem Umfang eigentlich beim Spielen. Dort passiert alles: da werden Bewegungsmuster gelernt, da werden neue Erfahrungen gesammelt, da wird neues Wissen angeeignet das ist sozusagen die vielfältigste Nutzungsform, die es für so eine Phase der Hirnentwicklung gibt, wo sehr viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht werden können und entsprechende Verschaltungsmuster im Hirn verankert werden. Denn die im Frontalhirn angelegten neuronalen Verschaltungsmuster sind nicht angeboren, sondern werden im Laufe des Lebens erworben. Auch kleine Kinder entwickeln in erster Linie beim Spielen ihr kreatives Potential. Wenn sie beispielsweise ähnlich wie beim Puzzlespiel ohne klar vorgegebenen Rahmen selber ein Bild vom großen Ganzen entwickeln müssen. Die kindliche Neugier wird besonders dann gefördert, wenn die Erwachsenen Hilfestellungen geben, die Lust machen, selber Lösungsstrategien zu finden. Dann gelingt es, die Ressourcen optimal zu nutzen, über das Bestehende hinauszudenken auf einer Metaebene und so den kreativen Schatz zu heben. 6. O-TON: 4
Indem man als Kind schon, und später als Erwachsener immer wieder die Erfahrung macht, dass es möglich ist, etwas zu gestalten, dass es möglich ist, neue, innovative Lösungen zu finden dann entsteht das, was wir Selbstwirksamkeitskonzept nennen, dann entsteht diese intrinsische Neugier, sich auch immer wieder neuen Problemen stellen zu wollen, weil man das Gefühl hat, dass man sie auch immer lösen kann, und natürlich solche Fähigkeiten, wie Handlungen zu planen, über viele Schritte vorauszudenken und die Folgen seines Handelns abzuschätzen. Das sind natürlich hochkomplexe Leistungen, zu denen eigentlich nur Menschen in der Lage sind, wenn sie immer wieder auch Gelegenheiten vorfinden, die ihnen deutlich machen, dass es gut ist, wenn man vorausschauend denkt. Es ist diese Umsicht, die der Göttinger Neurobiologe Prof. Gerald Hüther als wesentliches Merkmal von Kreativität ausmacht. Dabei werden nicht nur vielfältige Wissensbereiche und Erfahrungen genutzt, die in komplexen neuronalen Verschaltungen im Hirn sichtbar werden. Emotionen spielen dabei eine genauso wichtige Rolle, denn wahre Kreativität ist immer auch Ausdruck einer Herzensangelegenheit: 7. O-TON: Richtig frei über die verschiedenen Erfahrungen, die man im Laufe seines Lebens gesammelt hat, kann man eigentlich nur dann verfügen, wenn man das Motiv aus sich selbst heraus entwickelt. D.h.frei von jedem Druck, frei von jeder selbstbelastenden Vorstellung, dass man nun entweder Strafe zu erwarten hat oder dass man keine Belohnung bekommt, sondern ganz aus sich heraus das Motiv schöpft, sich mit einer bestimmten Thematik zu befassen. Das sind die wunderbaren Phasen, wo man gewissermaßen in ein Flow hineinkommen kann, dass einem immer mehr einfällt, wie man es machen könnte. Voraussetzung dafür ist aber immer, dass einem das, worum es einem geht auch tatsächlich am Herzen liegt. D.h. man braucht auch zu dem, was man lösen will, eine Beziehung. Und das muss möglichst sogar eine emotionale Beziehung sein. 5
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