St. Galler Tagung zum Arbeitsrecht. Grand Casino, Luzern (1169 / 1176) 28. November 2014 / 05. Dezember 2014

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Transkript:

St. Galler Tagung zum Arbeitsrecht Grand Casino, Luzern (1169 / 1176) 28. November 2014 / 05. Dezember 2014

Lohnfortzahlung und Lohnersatzzahlungen bei variablen Löhnen Freitag, 28.11. / 05.12.2014 Grand Casino Luzern Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht Lehrbeauftragter HSG Advokaturbüro FAA-HSG, Forschungsinstitut Frei Steger Grosser Senti für Arbeit und Arbeitsrecht Kriessernstr. 40 Guisanstr. 92 9450 Altstätten SG 9010 St. Gallen www.faa.unisg.ch

Variabler Lohn: Ursachen (I) Mögliche Ursachen von Lohnschwankungen Leistungslohn Lohnzulagen / -zuschläge Variable Arbeitszeiten Entlöhnung in Abhängigkeit vom eingetretenen Erfolg: - Anteil am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR) - Provision (Art. 322b OR) - Akkordlohn (Art. 326 OR) Seite 3

Variabler Lohn: Ursachen (II) Mögliche Ursachen von Lohnschwankungen Leistungslohn Lohnzulagen / -zuschläge Variable Arbeitszeiten Variables Arbeitspensum bei fix definiertem Stundenlohn: - echte / unechte Arbeit auf Abruf - Teilzeitarbeit nach Belieben des Arbeitnehmers Seite 4

Variabler Lohn: Ursachen (III) Mögliche Ursachen von Lohnschwankungen Leistungslohn Variable Arbeitszeiten Lohnzulagen / -zuschläge Fixer Monatslohn mit verschiedenen Zulagen / Zuschlägen: - Schichtzulagen - Nachtzulagen - Schmutz-, Lärm- oder andere Inkonvenienzzulagen - Überstunden- / Überzeitzuschläge Seite 5

Leistungslohn: Anteil am Geschäftsergebnis Bemessungsgrundlage: Beliebige Kennzahl, und zwar beliebig in Bezug auf: - Referenzgrösse: Umsatz, Gewinn, EBIT, Cash Flow,. - Organisationseinheit: Unternehmung, Gruppe, Profit Center,. - Zeitlich: Kalender-/Geschäftsjahr, Quartal,. Unechter Leistungslohn: Lohnhöhe nicht direkt und unmittelbar von der Leistung des Arbeitnehmers abhängig. Fälligkeit: Sobald festgestellt, spätestens 6 Monate nach Ablauf Geschäftsjahr. Seite 6

Anteil am Geschäftsergebnis & Lohnfortzahlungspflicht Beispiel: Gewinnbeteiligung von 2% des Gewinnes gemäss der durch die Generalversammlung genehmigten Jahresrechnung. Höhe Gewinnbeteiligung 2012 2011 2012 2013 Jahr Bemessungsgrundlage Auszahlung Fälligkeit Seite 7

Leistungslohn: Provision Bemessungsgrundlage: - Gegenstand: Abschluss eines bestimmten Geschäfts; - Höhe: Betrag in % oder absoluter Höhe (pro Geschäft); - Erfasste Geschäfte: bestimmte Region, Unternehmung, Unternehmensteil, Firmengruppe etc. Echter Leistungslohn: Lohnhöhe ergibt sich aus dem individuellen Verkaufserfolg des Arbeitnehmers. Entstehung des Anspruches: Rechtsgültiger Abschluss des Rechtsgeschäftes (Verpflichtungsgeschäft). Fälligkeit: Ende jedes Monats, mit bestimmten Ausnahmen. Seite 8

Provision & Lohnfortzahlungspflicht Beispiel: Umsatzprovision von 2% auf die durch den Mitarbeiter verkauften Produkte. Höhe? Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Juli Aug Sept Seite 9

Leistungslohn: Akkordlohn Bemessungsgrundlage: Gegenstand: Zeit-, Geld-, Stückakkord; Anzahl Mitarbeiter: Einzel- oder Gruppenakkord. Einzelakkord als echter Leistungslohn: Lohnhöhe ergibt sich aus der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Gruppenakkord als unechter Leistungslohn: Lohnhöhe nicht direkt und unmittelbar von der individuellen Leistung des Arbeitnehmers abhängig. Fälligkeit: Spätestens per Ende Monat (keine besondere Vorschriften). Seite 10

Akkordlohn & Lohnfortzahlungspflicht Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält eine Vergütung von CHF 2.50 pro fertig verlegten Laufmeter. Höhe? Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Juli Aug Sept Seite 11

Variable Arbeitszeit Gemeinsame Erscheinungsmerkmale: Fix vereinbarter Stundenlohn bei schwankenden Arbeitszeiten, ausbezahlt wird jeweils nur die effektiv geleistete Arbeitszeit. Vergütung: Schwankender Monatslohn, da nur die effektiv geleistete Arbeitszeit abgerechnet wird. Erscheinungsformen: - Echte Arbeit auf Abruf: Arbeitnehmer hat dem Abruf Folge zu leisten; - Unechte Arbeit auf Abruf: Arbeitnehmer kann Abruf ablehnen (Gelegenheitsarbeit); - Unregelmässige Teilzeitarbeit mit Einsatz nach Belieben des Arbeitnehmers. Seite 12

Variable Arbeitszeit & Lohnfortzahlungspflicht Beispiel: Der Arbeitnehmer arbeitet im Stundenlohn zu CHF 35.- brutto. Die Einsatzzeiten sind unregelmässig und werden jeweils 1 Woche im Voraus bekannt gegeben. Höhe? Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Juli Aug Sept Seite 13

Lohnzulagen / -zuschläge Erscheinungsformen: - Sozialzulagen: Kinder-, Ausbildungs-, Familien-, Ortszulagen; - Inkonvenienzzulagen: Schmutz-, Hitze-, Lärmzulagen; - Zulagen/Zuschläge im Zusammenhang mit Lage oder Umfang der Arbeitszeit: Nacht-, Schichtzulagen, Überstunden-, Überzeitzuschlag. Fälligkeit: Spätestens per Ende Monat (keine besonderen Vorschriften). Seite 14

Lohnzulagen / -zuschläge & Lohnfortzahlungspflicht Beispiel: Der Arbeitnehmer arbeitet 42 Stunden pro Woche. Die Arbeitszeiten sind unregelmässig verteilt. Es werden Nacht-, Sonntagsund Pikettdienstzulagen ausbezahlt. Zudem werden Überstunden, die nicht innert 3 Monaten kompensiert wurden, mit einem Zuschlag von 25% ausbezahlt. Höhe? Zulagen / Zuschläge monatlicher Fixlohn Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Juli Aug Sept Seite 15

Lohnfort- oder Lohnersatzzahlungen (I) Fälle von Lohnfort- oder Lohnersatzzahlungen: - Lohnfortzahlung bei Arbeitsverhinderung (OR 324a); - Lohnzahlung während der Ferien (OR 329d); - Lohnzahlung während (kündigungsbedingter) Freistellung (OR 324); - Lohnfortzahlung bei Kurzabsenzen und während Feiertagen (OR 329); - Lohnzahlungspflicht bei Annahmeverzug des Arbeitgebers (OR 324); - Zahlung des hypothetischen Verdienstes bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung (OR 337c); Weitere Fälle von Zahlungen in Abhängigkeit des Lohnes: - Strafzahlung bei ungerechtfertigter fristloser oder missbräuchlicher Kündigung (OR 337c, OR 336a); - Lohnfortzahlung im Todesfall (OR 338); - Abgangsentschädigung (OR 339b) Seite 16

Lohnfort- oder Lohnersatzzahlungen (II) Fälle von Lohnfort- oder Lohnersatzzahlungen: Arbeitsverhinderung, Ferien, (kündigungsbedingte) Freistellung, Kurzabsenzen, Feiertage, Annahmeverzug des Arbeitgebers oder hypothetischen Verdienst bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung: Was hätte der Arbeitnehmer verdient, wenn er gearbeitet hätte? Weitere Fälle der Pflicht zur Zahlung in Abhängigkeit des Lohnes: Strafzahlung, Lohnfortzahlung, Abgangsentschädigung: Höhe der Zahlung richtet sich nach dem vergangenen Verdienst. Seite 17

Rechtsgrundlagen (I) Allgemeine Rechtsgrundlagen: Fallspezifische Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts: OR 324, OR 324a, OR 329d, OR 337c etc. Besondere Bestimmungen: - Sondervorschriften zur spezifischen Lohnart: - Akkordlohn: OR 326 f.; - Überstundenzuschlag: OR 321c; - Zuschläge nach Arbeitsgesetz: ArG 13, ArG 17b, ArG 19; - Berechnung des Zuschlages ArGV1 33. - Sondervorschriften zur spezifischen Vertragsart: - Handelsreisendenvertrag: OR 349c; - Heimarbeitsvertrag: OR 353b. Seite 18

Rechtsgrundlagen (II) Besondere Bestimmungen: - Sondervorschriften in Gesamtarbeitsverträgen: - GAV Coiffeurgewerbe: Ferienlohn bei umsatzabhängiger Entlöhnung: Durchschnittslohn der letzten 6 Monate; - GAV Coiffeurgewerbe: Höhe der Lohnfortzahlung bei Krankheit bestimmt sich nach dem AHV-pflichtigen Lohn; - GAV Sicherheitsdienste: Höhe der Lohnfortzahlung bei Krankheit bestimmt sich nach dem durchschnittlichen AHV-pflichtigen Lohn der letzten 9 Monate; - GAV Möbelindustrie: Ferienlohn bei Akkordarbeit entspricht dem Durchschnitt der letzten drei Zahltagsperioden. - Sondervorschriften aus anderen Rechtsgebieten: - Arbeitslosenversicherung: Zur Bestimmung, ob ein Verdienstausfall nach AVIG 11 vorliegt, wird auf das Ausmass der Abweichungen vom Durchschnittsverdienst abgestellt. Seite 19

Methodik bei der Lohnbemessung (I) Zentrale Frage: Was hätte der Arbeitnehmer verdient, wenn er gearbeitet hätte? Methodisches Vorgehen nach BGer: 1. Referenzperiodenprinzip ( = Pauschalmethode): Bei unregelmässigem Einkommen ist auf den bisherigen Durchschnittslohn während einer Referenzperiode abzustellen. Laut BGer als Methode vorzuziehen, solange sich der hypothetisch erzielte Verdienst nicht konkret bestimmen lässt. Andernfalls ist abzustellen auf das: Seite 20

Methodik bei der Lohnbemessung Methodisches Vorgehen nach BGer: 2. Lohnausfallprinzip: Ermittlung desjenigen Einkommens, welches der Arbeitnehmer erzielt hätte, wenn er gearbeitet hätte. Anzuwenden, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der hypothetische Verdienst vom Ergebnis der Pauschalmethode abweicht. 3. Schätzung nach OR 42: Ergeben beide Methoden keine brauchbare Lösung, ist der hypothetische Verdienst zu schätzen. Seite 21

Pauschalmethode: Vorgehen in drei Schritten 1. Bestimmen der Referenzperiode für die Berechnung des Durchschnittslohnes: - Üblich ist das Abstellen auf 3 / 6 / 9 / 12 Monate; - BGer scheint möglichst lange Perioden zu favorisieren (in casu 48 Monate zur Berechnung der Höhe des Ferienlohnes). 2. Festlegen, welche Lohnbestandteile zu berücksichtigen sind: - Fixlohn und Provisionen oder nur Provisionen? - Regelmässig geleistete Überstundenentschädigungen? - Zuschläge für Nacht-/Sonntags-/Schichtarbeit? - 13. Monatslohn? 3. Bestimmen der Zahlungsperiode für die Zeit des Lohnausfalles: - Berechnung in Form eines Zuschlages (bspw. Ferien: 8.33)? - Freistellung während sechs Monaten: Abstellen auf einen monatlichen Durchschnittslohn oder die gesamte Periode? Seite 22

Pauschalmethode als untauglicher Ansatz (I) Problemstellung: In vielen Fällen ist absehbar, dass die Pauschalmethode zu falschen Ergebnissen führt. Beispiele: - BGer 4C.173/2004: Umstellung des Lohnsystems führte zu tieferem (neuem) Fixlohn mit tieferen (alten) Durchschnittsprovisionen. - Aussendienstmitarbeiter bricht sich das Bein. Er sitzt zu Hause und telefoniert seinen Kunden. Der Umsatz erreicht das in anderen Monaten übliche Niveau. - Aussendienstmitarbeiter beziehen ihre eigenen Ferien während der Ferienzeit ihrer Kunden. - CEO einer Unternehmung ist im Herbst während 3 Wochen krank. Im März des Folgejahres erhält er eine Gewinnbeteiligung in % des Jahresgewinns gemäss genehmigter Jahresrechnung. Seite 23

Pauschalmethode als untauglicher Ansatz (II) Lösungsansatz: Vorgehen nach Lohnausfallprinzip. Theorie: Ermittlung des in dieser Zeit hypothetisch verdienten Lohnes. Praxis: Meines Erachtens: Zulässig ist die Berücksichtigung sämtlicher Methoden, Einflussfaktoren oder Argumente, welche dazu führen, dass der zu zahlende Lohn näher an den hypothetischen Verdienst heranreicht. Beispielsweise: - Vergleich mit Vorjahresperiode desselben Mitarbeiters; - Vergleich mit Arbeitskollegen; - Anpassung des Durchschnittswertes bei Vor- / Nachgeholten Einkäufen; - etc. Seite 24

Pauschalmethode als untauglicher Ansatz (III) Wenn auch das Lohnausfallprinzip nicht umsetzbar ist: Schätzung nach Art. 42 OR (vgl. BGer 4C.173/2004). Prozessuales zur Schätzung: Gleiche formelle Anforderungen wie bei der Schätzung von Überstunden? (Vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Praxiskommentar, Art. 321c N 10). Seite 25

Einzelfragen und praktische Probleme (I) Lohnfortzahlung via Krankentaggeldversicherung: - Durchschnittlich erzielter Leistungslohn als versicherter Verdienst; - Analoge Anwendbarkeit von Art. 349c OR? - Doppelzahlungen und Überentschädigungen? Kurzabsenzen und Feiertage: - Handlungsspielraum durch Vertragsvereinbarung wegen fehlender Lohn(fort)zahlungspflicht (mit Ausnahme 1. August); - Erlittener Lohnausfall? Provisionsvereinbarungen: - Ferienzuschlag auf Provisionszahlungen zur Abgeltung? - Anzurechnen sind die in der betreffenden Periode entstandenen nicht zur Zahlung fällig gewordenen Provisionen. Seite 26

Einzelfragen und praktische Probleme (II) Variable Arbeitszeiten bei Lohn(fort)zahlungspflicht: - Jahresarbeitszeit: Gutschrift der hypothetischen oder durchschnittlichen Arbeitszeit? - Arbeit auf Abruf: Anspruch auf die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit während der Kündigungsfrist. Lohnzulagen / -zuschläge bei Lohn(fort)zahlungspflicht: - Orange-Urteil: 132 III 172, vgl. demgegenüber BGer. 8D_6/2013 im Bereich des öffentlichen Dienstrechts; - Überstunden- / Überzeitarbeit ist zu berücksichtigen, wenn sie regelmässig geleistet wurde und anzunehmen ist, dass sie auch während der arbeitsfreien Zeit geleistet worden wäre; - Keine Gutschrift des Zeitzuschlages bei nicht geleisteter Arbeitszeit? Begründung STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH: Art. 324a OR spricht von «dem darauf entfallenen Lohn» und nicht der darauf entfallenden Arbeitszeit. Seite 27

Fragen? Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 28