Pfarrer Wolfgang Baumann Begrüßung Eröffnung / Einweihung Amtsstraße 4 in Idar-Oberstein 21. September 2012 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Mitarbeitende, Herr Kreisbeigeordneter Helmut Billert, Herr Bürgermeister Frank Frühauf, verehrte Schwester Basina Kloss, ich heiße Sie herzlich willkommen zur Einweihung des neuen Hauses hier in der Amtsstraße 4 und zum 10-jährigen Jubiläum des Tagesaufenthalts Horizont und des Straßensozialdienstes. Ich tue dies auch im Namen meines Vorstandskollegen Dr. Frank Rippel. Ich beglückwünsche die Wohnungslosenhilfe kreuznacher diakonie zu diesem Haus, das für diesen Geschäftsbereich neue Maßstäbe setzt. Wie man sehen kann, schon rein äußerlich, eine gelungene Architektur. Funktional, hell und freundlich sind die Räumlichkeiten. Ideale Voraussetzungen für eine gute Arbeit der Wohnungslosenhilfe. Als Pastor, der über 20 Jahre in der Wohnungslosenhilfe als Seelsorger tätig war, weiß ich, dass viele Menschen, die zu uns in die Stiftung kreuznacher diakonie kommen, keine Wohnung haben. Dass sie aus verschiedenen Gründen auf der Straße leben müssen.
Ich weiß zum anderen, als Theologe, dass in der Bibel das Recht sicher zu wohnen, als Gottesrecht gesehen wird. Und ich weiß auch, dass dieses Gottesrecht Menschenrecht werden muss. Meine Schlussfolgerung daraus ist: Wer es mit Gott zu tun bekommen will, für den kann Wohnungslosigkeit von Menschen keine Nebensache bleiben. Wohnen, das ist Zuhause sein, und ein Zuhause haben. Bei sich sein können. Keine Wohnung ist keine Heimat haben. Keine Heimat, das ist draußen vor der Tür, immer unterwegs. Das hält kein Mensch auf Dauer aus. Wohnung ist ein Schutzort, wo ich zu mir selber finden kann. Und nur der, der zu sich selber findet, findet auch zur Ruhe. Ein Dach über dem Kopf heißt darum auch, Boden unter die Füße bekommen. Gut und sehr gerne erinnere ich mich an die ersten Gespräche mit Ihnen, Schwester Basina Kloss, Vorsitzende des Vorstandes der Marienhausstiftung, Sie waren damals Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, als Sie uns die Hand reichten zur ökumenischen Zusammenarbeit und uns anboten, hier an dieser Stelle ein neues Haus zu bauen, um wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen ein Unterstützungsangebot zu machen. Der Verkauf des Grundstücks an die Stiftung kreuznacher diakonie, die Übernahme der Architekturleistungen durch die Waldbreitbacher Schwestern und die Bauleitung durch Ihre Architekten, sowie ihr Kooperationsangebot und ihre jährliche finanzielle Unterstützung für diese Arbeit zeigen zum einen ihr großes Interesse und Engagement, Menschen in Armut zu unterstützen, und zugleich ihr Vertrauen in die Wohnungslosenhilfe kreuznacher diakonie.
Für diese ökumenische Initiative bedanke ich mich ganz herzlich bei Ihnen Schwester Basina Kloos! Dem Architekten des Hauses, Herrn Wilfried Großmann danke ich für gute Zusammenarbeit und für diese gelungene Architektur, die sich wunderbar einpasst in das nachbarschaftliche Ensemble. Zwölf Männer und Frauen können in diesem Haus wohnen. Sie sind nicht mehr ausgesetzt dem Regen, dem Wind und der Kälte der Straße. Nicht mehr ausgesetzt der Nacht, dem Lärm, dem Schmutz und dem Gestank der Ecken, den Tücken der Krankheit, die ein Leben auf der Straße nach sich zieht. Meine Damen und Herren! Zum Wohnen muss noch etwas anderes für uns Menschen hinzukommen. Wir sind soziale Wesen und eben aus diesem Grunde auch auf Kontakte mit anderen Menschen angewiesen. In dem neuen Haus hat der Mitarbeiter in der Straßensozialarbeit seinen Stützpunkt. Er sucht Menschen in Not dort auf, wo sie sich aufhalten: Auf Straßen und Plätzen. Er hört zu, hilft, gewinnt Vertrauen, knüpft Kontakte, organisiert, kommt wieder ohne Vorbedingungen. Dank all denen, die Arbeit von Herrn Engel seit 10 Jahren ermöglichen! Der Mitarbeiter in der Straßensozialarbeit lädt ein in den Tagesaufenthalt Horizont. Das neue Haus bietet Raum für den Tagesaufenthalt, der von ca. 40 Personen täglich besucht wird. Für arme und isolierte Menschen ermöglicht er Begegnung und Kommunikation im geschützten Raum. Neben dem Aufenthalt im Warmen bietet der Tagesaufenthalt Essen und Trinken und die Möglichkeit zur Körper- und Kleiderpflege. Ich danke allen, die dieses niederschwellige Unterstützungsangebot in den letzten 10 Jahren aufgebaut haben. Schließlich bekommt in dem neuen Haus die Idar-Obersteiner Tafel ein neues Zuhause. Sie hilft Menschen eine schwierige Zeit zu überbrücken und gibt ihnen dadurch Motivation für die Zukunft.
Circa 50 ehrenamtlich Mitarbeitende sammeln bei den örtlichen Supermärkten, Bäckereien und Metzgereien täglich überschüssige Lebensmittel ein, sortieren, putzen und lagern diese. Das Ziel ist qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel an Bedürftige zu verteilen. Menschen, die in den Tagesaufenthalt und in die Idar-Obersteiner Tafel kommen, tun dies in der Regel, weil ihre Not so groß ist, dass sie sonst nicht wissen, wie sie ihre Versorgung gewährleisten können. Durch Arbeitslosigkeit, zu geringes Einkommen, Krankheit, Überschuldung und unzureichende Sozialleistungen geraten Menschen in prekäre wirtschaftliche Situationen. Das statistische Bundesamt hat am vergangenen Montag seine Erhebung zur Struktur der Arbeitsverdienste in Deutschland vorgestellt: Jeder Fünfte bezieht einen Niedriglohn. Jeder Vierte ist atypisch beschäftigt. Niedrige Löhne bedeuten Altersarmut. Obwohl staatliche Transferleistungen eine Grundsicherung ermöglichen sollen, fehlt es in vielen Familien am Notwendigsten. Es sind in der Regel pragmatische Zwänge, die Idar-Obersteiner Bürgerinnen und Bürger in den Tagesaufenthalt und in die Idar-Obersteiner Tafel führen. Die Wohnungslosenhilfe bietet nachhaltige Hilfen an und verschafft gleichzeitig mit ihren Angeboten hier im Haus den Gästen einen finanziellen Spielraum. In den Haushalten werden Mittel frei, die für andere Ausgaben eingesetzt werden können und die Teilhabemöglichkeiten erweitern. Meine Damen und Herrn! Mit der Eröffnung dieses Hauses hat die Wohnungslosenhilfe kreuznacher diakonie auf ihrem Weg dezentrale, normalitätsorientierte Wohnformen anzubieten ein wichtiges Ziel erreicht. Auf dem Weg die präventive Versorgung von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen zu verbessern, haben wir noch ein gutes Stück Weg vor uns.
Da sind noch dicke Bretter zu bohren bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es menschlicher ist Menschen in ihren Wohnungen zu unterstützen, als erst ihren Wohnungsverlust abzuwarten, bevor Hilfe einsetzt, und dass dies allemal ökonomisch sinnvoller ist. Dazu braucht man eine Fachberatungsstelle. Lassen Sie mich zum Abschluss ein aktuelles Thema aus der Ökumene ansprechen. Am vergangenen Sonntag hat Bischof Ackermann den Auftakt zu einer neuen Kampagne des katholischen Caritasverbandes gegeben. Sie steht unter dem Motto: Armut macht krank. Die wichtigste Erkenntnis, die nicht neu ist: Wenn Menschen lange arbeitslos sind, Hartz IV beziehen oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten oder über wenig Einkommen verfügen, steigt das Krankheitsrisiko. Arme sterben früher und verzichten häufiger auf den notwendigen Arztbesuch. Laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe haben männliche Obdachlose eine durchschnittliche Lebenserwartung von 46 Jahren. Sie liegt damit rund 30 Jahre unter dem Durchschnitt. Völlig lebensfremd ist die Vorstellung, die Gruppe der Wohnungslosen würde Quittungen und Belege sammeln, um sie bei einer Krankenkasse einzureichen. Da sind sich Caritas und Diakonie einig: Wo eine Gemeinschaft ihre schwächsten Mitglieder wahrnimmt und für sie eintritt, da baut sie an ihrer eigenen Freiheit. Es ist das Merkmal einer achtsamen Gesellschaft, wenn sie aufmerksam ist auf die Lebensmöglichkeiten ihrer Mitglieder am Rand. Caritas und Diakonie setzten sich ein für nachhaltige Strukturen zur Prävention von Armut, für mehr Chancen und Teilhabe aller Menschen. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch allen ehrenamtlich Tätigen, die in Zukunft dieses Haus beleben und hier ihren Dienst tun. Ich wünsche allen, die hier ihr Zuhause finden, die hier arbeiten,
die hier Gastfreundschaft und Unterstützung erfahren, alle die hier ein und ausgehen Gottes Segen, der mehr wird, wenn wir ihn teilen.