Psychische Störungen in der Familie

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Transkript:

Fachtag Landratsamt Ebersberg 26.10.2016 Psychische Störungen in der Familie Unterstützungsbedarf bei psychisch erkrankten Eltern erkennen und Hilfen vermitteln

Übersicht Relevante psychische Erkrankungen Peripartale Erkrankungen im Besonderen Kinderwunsch bei psychischer Vorerkrankung Psychisch erkrankte Väter Kinder in Familien mit psychisch erkrankten Eltern Vulnerabilität und Resilienz Was wünschen sich Eltern und Kinder? Einschätzung der Erziehungsfähigkeit

Einteilung psychiatrischer Erkrankungen Psychosen (meist genetische Disposition, Familienanamnese) 1. Schizophrene Erkrankungen 2. Affektive Erkrankungen: unipolar ( endogene Depression ), bipolar ( manischdepressive Störung, schizoaffektive Störung) Neurosen (Entwicklungsgeschichte) 1. Dysthymie 2. Zwangserkrankungen 3. Angst- und Panikstörungen Persönlichkeitsstörungen (v.a. emotional instabile P.) Posttraumatische Belastungsstörungen

Sucht Essstörungen

Peripartale Erkrankungen - Schwangerschaft Depression (am häufigsten) Risikofaktoren: - Depression in der Anamnese - ambivalente Schwangerschaft - fehlende soziale Unterstützung - Kinderwunschpatientinnen - hohe Kinderzahl - sehr junges Alter der Mutter

Folgen einer Schwangerschaftsdepression -Vernachlässigung der Vorsorge -Substanzmissbrauch -Vermehrte Komplikationen (z.b Frühgeburtlichkeit) -Suizidalität -Hohes Risiko für Wochenbettdepression

Exazerbation vorbestehender psychiatrischer Erkrankungen Vor allem: -Psychosen (Wahrnehmungsstörungen!) -Zwangs- und Angsterkrankungen (Krankheitsängste) -Essstörungen (Gewichtszunahme)

Wochenbett Häufigste Erkrankungszeit für psychiatrische Erkrankungen! 1. Depression (bei genetischer Disposition) 2. bis 12. Woche postpartal (v.a. Woche 4-6), selten nach Abstillen 4% Suizid und/oder Infantizid (häufigste Todesursache junger Mütter) Risikoeinschätzung: 10% ohne Vorbelastung, 20-50% bei affektiver Vorerkrankung, 20-30% bei positiver Familienanamnese, 50% bei Z.n. Wochenbettdepression

2. Erschöpfungsdepression (Anpassungsstörung) Starke Zunahme Hochleistungsfrauen 24-Stunden-Dienst Fehlendes familiäres und soziales Netz

3. Wochenbettpsychose Meist bei manisch-depressiver oder schizoaffektiver Erkrankung oder genetischer Belastung damit Sehr selten: 0,01% Innerhalb der ersten 74 Stunden postpartal Hohes Rückfallrisiko (75%)

4. Exazerbation vorbestehender Erkrankungen Schizophrenie Angst- und Zwangsstörungen Persönlichkeitsstörungen, v.a. emotional instabile Essstörungen i.s. von overfeeding

Peripartale Erkrankungen sind hochgradig schuld- und schambesetzt! ---> Aktives Nachfragen, da meist keine spontanen Berichte! -Gefühl der Gefühllosigkeit -Zwangsgedanken -Schuldgefühle -Entfremdungsgefühle -Suizidalität (passive und aktive) --->Psychische Erkrankungen in Schwangerschaft und Wochenbett sind immer behandlungsbedürftig

Kinderwunsch bei psychischer Vorerkrankung Alle raten ab: Psychiater 75%, Familie 40%, Partner 20%, Gynäkologen 15% Aber: 50% aller Schwangerschaften sind ungeplant Kein panisches Absetzen! ---> Kinderwunsch bei Frauen im gebärfähigen Alter ansprechen: Ziel: geplante Schwangerschaft, multiprofessionelles Team, individuelle Lösungen

Psychisch kranke Väter Scheinbar weniger problematisch Seltener, Frauen trennen sich häufiger nach Erkrankung des Mannes Akute Gefahr bei unbehandelten Psychosen, schwereren Persönlichkeitsstörungen, Sucht, sexueller Devianz Hausbesuch!

Psychotische Informationsverarbeitungsstörung Psychose, Manie, wahnhafte Depression --->Reizüberflutung --->Rückzug oder Aggression --->Protest oder Abwehr des Kindes --->Gefühl der Ablehnung bei der Mutter --->psychotische Verarbeitung oder Überstimulation. Desorganisation, fehlende Geborgenheit, unsensible Reaktionen, Vernachlässigung

Depressive Wahrnehmungsstörung Unfähigkeit zu gefühlvoller Beziehungsaufnahme Versuch zu perfekter physischer Versorgung Massive Überforderungssituation Wenig Blick- und verbaler Kontakt --->Rückzug oder Protest des Kindes

Resilienzfaktoren Aktives, kontaktfreudiges Temperament (bessere Anpassungsfähigkeit und Gefühl der Selbstwirksamkeit) Intelligenz?? Adäquate Bedürfnisversorgung, finanzielle Sicherheit Sichere Bezugsperson und stabile Familiensituation/Elternbeziehung Umgang mit der Erkrankung (Einsicht Verleugnung) Umfang und Qualität des sozialen Netzwerks

Kinder psychisch erkrankter Eltern (Studie Prof. Lenz, Paderborn) Kinder werden oft vergessen: 1/3 kommt klar, 1/3 zeigt vorübergehende Probleme, 1/3 entwickelt dauerhafte Störungen 30% aller kinder- und jugendpsychiatrisch hospitalisierten Kinder haben mindestens ein psychiatrisch erkranktes Elternteil V.a. soziale, emotionale und kognitive Entwicklungsstörungen Psychisch kranke Eltern sind keine Randgruppe: 30% haben Kinder, 75% dieser Kinder leben bei ihren Eltern, Hilfsangebote werden oft nicht genutzt, aus Angst das Sorgerecht zu verlieren, obwohl 25% dieser Kinder auch von den Eltern für auffällig gehalten werden

Was wünschen sich Eltern und Kinder? Aufklärung und Hilfe bei der Aufklärung Erziehungshilfen, Unterstützung bei Hausarbeit und Hausaufgaben Adäquate Therapie Einbezug der Kinder, beugt falschen Vorstellungen vor Kinder wollen über eigene Sorgen sprechen (Angst vor Trennung, Wut, Schuldgefühle, Angst vor eigener Erkrankung, Loyalitätskonflikte) ---> Kinder wollen nicht geschont werden, sondern offene und ehrliche Antworten

Einschätzung der Erziehungsfähigkeit Früher: Versorgung der Kinder bei stationärer Behandlung Heute: Sicherstellung des Kindswohls während der Erkrankte zu Hause behandelt wird Psychische Erkrankung bedeutet nicht Aufhebung der Erziehungsfähigkeit! Unterstützungsbedarf hängt nicht von der Diagnose ab!

Checkliste Können alters- und entwicklungsabhängige Grundbedürfnisse erfüllt werden? Wie erleben die Kinder die Krise? Ausmaß der Parentifizierung Ausmaß der Tabuisierung Information über Störungsbild und Verlauf (Dauer, Schwere, Rückfälle) Innerfamiliäre Beziehungsqualität Ökonomische und soziale Ressourcen

Alarm bei akuter Psychose mit Einbau des Kindes in ein Wahnsystem, bei akuter Manie mit Größenwahn, akuter Suizidalität und florider Sucht! Nach Möglichkeit Hinzuziehen aller bekannten Helfer! Aber keine Angst vor gesetzlicher Unterbringung!

Gesprächsführung mit psychisch erkrankten Eltern Kenntnis der Diagnose und des Verlaufs, wenn möglich Fragen nach konkreten Alltagsabläufen, Mahlzeiten, Schularbeiten, wer macht was?, wer hilft schon? Geschützter Gesprächsraum Klares Gesprächsthema (um was geht es hier? Führen!) Lieber 2 kurze, als ein langes Gespräch ( vorher festlegen, wieviel Zeit zur Verfügung steht) Zwischenversicherung bzgl. Verständnis, gibt es Fragen? Bei akuten Krisen immer 2 Personen Vorsicht vor zuviel Verständnis

Psychisch krank und schwanger geht das? Rhode, Dorsch, Schaefer (2015)

Dr. med. Elisabeth Schmölz Josef-Kistler-Str. 10 82110 Germering Tel.: 089/8948264 Fax: 089/8948267 www.nerven-praxis.de