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Transkript:

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS Torsten Kaiser, Lübeck * Streit um den Nachlass THEMATIK SCHWIERIGKEITSGRAD BEARBEITUNGSZEIT HILFSMITTEL Kontovollmacht, Bereicherungsrecht mittel bis schwer 5 Stunden Gesetzestext, Palandt, Thomas/Putzo Beachte: Der Klausursachverhalt ist aus Platzgründen auf die wesentlichen Informationen gekürzt worden. Im Examen würde der Sachverhalt in Form eines (längeren) Aktenauszuges gestellt sein. Das zutreffende Erfassen eines Aktenauszugs ist sicher auch ein Teil der Klausurleistung, muss aber leider in einer Ausbildungszeitschrift zugunsten der rechtlichen Erwägungen zurücktreten. & SACHVERHALT Hubert L. Nazarenus -Rechtsanwalt- Wallstraße 37 21030 Hamburg Aktenvermerk zur Akte 464/10 In der Kanzlei erscheint am 10.08.2010 Brigitte Stöver aus Hamburg (Adresse: Landwehr 3, 21004 Hamburg) von Person bekannt und trägt folgenden Sachverhalt vor: Lieber Herr Nazarenus, ich war ja in dieser Sache schon vor einiger Zeit bei Ihnen. Ich fasse den Sachverhalt nochmal kurz zusammen, damit Sie im Bilde sind: Ich bin ja die alleinige Erbin meines Mannes, der nach einem tragischen Verkehrsunfall am 08.06.2009 verstorben ist. Ab Januar 2009 lebte mein Mann allerdings mit der Frau Röhl in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen, da wir uns getrennt hatten. Es gab persönliche Differenzen zwischen uns, so dass wir unsere Ehe erstmal ruhen lassen wollten. Diese Frau Röhl hatte ja nach dem Tod meines Mannes von seinem Konto bei der Dresdner Bank völlig zu Unrecht 25.000 für sich abgehoben, ohne dass ich das wusste und gebilligt hätte. Diese Möglichkeit hatte sie, weil mein Mann ihr am 02.05.2009 eine Kontovollmacht über sein eigenes Konto gegeben hatte, damit sie sich auch um die finanziellen Angelegenheiten meines Mannes kümmern konnte. Mit Schreiben vom 02.08.2009 bat ich sie mir mitzuteilen, aus welchem Grund sie denn diesen Betrag vom Konto meines Mannes entnommen habe. Frau Röhl hat mir nur am Telefon lapidar mitgeteilt, dass das Geld ihr zustehe. Das habe sie von meinem Mann schriftlich bekommen. Hier meine ich, dass das Geld auf keinen Fall Frau Röhl gehört, sondern mir als die Alleinerbin. Dieses Geld habe ich im Schreiben an Frau Röhl vom 05.08.2009 erfolglos unter Setzung einer Frist bis zum 05.10.2009 zurückgefordert. Das einzige, was ich von der Frau Röhl bekommen habe, ist ihr pampiges Schreiben vom 05.12.2009 gewesen. Danach bin ich ja zu Ihnen gekommen und habe Sie um die entsprechenden außergerichtlichen Schritte gebeten. Mit Schreiben vom 06.01.2010 haben Sie von Frau Röhl die Rückzahlung verlangt, doch auch selbst bei Ihnen hat sich Frau Röhl nicht gerührt. Jetzt dürfte meiner Meinung nach eine Klage nicht zu vermeiden sein, wofür ich Ihnen nunmehr Klageauftrag erteile. Zudem hat sich jetzt neuerdings auch noch Folgendes ergeben: Mein Ehemann hatte bei einer Lebensversicherung AG eine kapitalbildende Lebensversicherung gehalten und zunächst mir die Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung eingeräumt. Die entsprechenden Unterlagen habe ich mitgebracht. Mit an den Versicherer gerichtetem Schreiben vom 02.03.2009 widerrief mein Mann die ursprüngliche Bezugsberechtigung und setzte stattdessen die Frau Röhl als Bezugsberechtigte für die Todesfallleistung ein, was ihm der Versicherer mit Schreiben vom 08.03.2009 bestätigte. Es handelte sich bei der Einsetzung von R um eine widerrufliche Einsetzung als Bezugsberechtigte. * Der Verfasser ist Rechtsanwalt, zunächst bei Clifford Chance in Düsseldorf, heute in Lübeck. Er ist zudem Repetitor der Kaiserseminare und Mitherausgeber der JA. Außerdem betreut er bundesweit die Examensvorbereitung der Referendare bei den Kanzleien Clifford Chance und Sidley Austin LLP. 1/2011 49

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS Erst jetzt in den letzten Tagen haben wir die Versicherungsunterlagen vollständig gesichtet (die waren in einem Ordner versteckt, den wir bislang übersehen hatten) und überhaupt davon erfahren. Nach Sichtung der Versicherungsunterlagen wies der Bruder meines Mannes, der mir in der Zeit nach dem Tod meines Mannes geholfen hatte, die Frau Röhl im Laufe des 17.07.2010 auf ihre Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung hin. Dieser war der Sachverhalt auch neu. Frau Röhl beauftragte meinen Schwager daraufhin, die Bezugsberechtigung gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. In einem von meinem Schwager noch am selben Tage mit dem Versicherer geführten Telefonat forderte der zuständige Sachbearbeiter zunächst die Übersendung der Versicherungspolice und einer Sterbeurkunde. Letztere wurde dem Versicherer von meinem Schwager am 28.07.2009 zugestellt. Ich habe bei der Versicherung mehrmals telefonisch angefragt, ob ich nun als Alleinerbin die Versicherungssumme von 100.000 endlich ausbezahlt bekomme. Die Versicherung hat das Guthaben leider nicht an mich ausgekehrt, sondern wies mich mit Schreiben vom 03.08.2010 darauf hin, dass sie sich für verpflichtet halte, die Versicherungsleistung an die Frau Röhl auszuzahlen, weil deren Bezugsberechtigung durch den Versicherungsfall unwiderruflich geworden sei. Mit der Frau Röhl habe man bislang zwar keinen Kontakt gehabt, man werde sich aber in den nächsten Wochen darum kümmern. Darf die Frau Röhl die Versicherungssumme behalten, wenn die Versicherung die jetzt an sie auszahlt? Vielleicht sollten wir hier schnell Maßnahmen ergreifen, damit die Versicherungssumme nicht endgültig bei Frau Röhl verbleibt. Gerichtlich vorgehen möchte ich gegen die Versicherung allerdings erstmal nicht. Die Mandantin überreicht folgende Unterlagen: Handschriftliches Testament vom 01.12.2001, Versicherungsvertragsurkunden vom 03.05.2004, Todesurkunde des Herrn Michael Stöver vom 08.06.2009, Schreiben der Versicherung vom 03.08.2010, Schreiben der Mandantin vom 05.08.2009 und das Schreiben der Frau Röhl vom 05.12.2009 nebst Anlage. Annegerd Röhl 05. 12. 2009 Önkelstieg 15 20333 Hamburg Frau Brigitte Stöver Landwehr 3 21004 Hamburg Hallo Brigitte, wegen der 25.000 kann ich nur nochmal wiederholen: Das Geld gehört mir! Der Michi hat mir noch zu seinen Lebzeiten das Geld geschenkt gehabt und ich habe dann davon Gebrauch gemacht und mir das dann abgehoben. Außerdem hatte ich ja eine Kontovollmacht und das bedeutet ja schon, dass ich Geld abheben und behalten darf. Du kannst dich freuen, dass ich nicht noch mehr abgehoben habe. Ich finde das eine Frechheit, dass du jetzt hier jedem Pfennig nachläufst. Das entsprechende Schreiben von Michael habe ich in Kopie beigefügt. Bitte belästige mich jetzt damit nicht mehr. Mit freundlichen Grüßen A. Röhl Michael Stöver Kaiserdamm 112 23001 Hamburg Hamburg, 09.05.2009 Liebe Annegerd, ich habe dir ja eine Kontovollmacht erteilt. Du kannst gerne, wenn ich sterben sollte, nach meinem Tod dir etwas selbst von dem Geld abheben und dir was Schönes leisten. Dein Michi 50 1/2011

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS Bearbeitervermerk: Versetzen Sie sich in die Lage des Rechtsanwalts Nazarenus und bereiten Sie die Entscheidung des Rechtsanwalts durch ein Gutachten vor. Das Gutachten soll auch prozesstaktische Erwägungen enthalten. Ein Sachbericht ist nicht erforderlich. Soweit ein Schriftsatz an ein Gericht für erforderlich gehalten wird, so sind nur dessen Anträge auszuformulieren. Klausurtipp: Es kommt in Examensklausuren nicht selten vor, dass wenn wie hier die rechtlichen Probleme der Klausur nicht ganz einfach zu lösen sind, im praktischen Teil der Anwaltsklausur nur die Ausformulierung der Anträge verlangt wird. Achten Sie ganz genau auf den jeweiligen Bearbeitervermerk. Soweit danach ein Schriftsatz ans Gericht nicht für erforderlich gehalten wird, sind die wesentlichen Gründe hierfür in einem kurzen Schreiben an die Mandantin darzulegen. Ansonsten ist ein Mandantenschreiben entbehrlich. Auch ggf. für erforderlich gehaltene Schreiben an Dritte sind lediglich im Gutachten anzusprechen, nicht aber auszuformulieren. Die von der Mandantin erwähnten Schreiben und Urkunden liegen vor und haben den angegebenen Inhalt. Rechtsanwalt Nazarenus hat der Mandantin für seine bisherige Tätigkeit noch keine Gebührenrechnung gestellt. Die Gesetze sind in ihrer neuesten Fassung anzuwenden. & LÖSUNGSVORSCHLAG Hinweis: Die Klausur ist einer Original-Examensklausur nachempfunden worden. Zudem ist eine neuere und äußerst examensrelevante BGH-Entscheidung (BGH NJW 2008, 2702 ff.) eingearbeitet, die man als Referendar für die Examensvorbereitung kennen sollte. A. GUTACHTEN Merke: Die Lösung folgt dem einschichtigen Aufbau, da der Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig ist. Auch ein zweischichtiger/relationsmäßiger Aufbau wäre aber vertretbar, weil der Bearbeitervermerk hier keine Vorgaben macht (Vgl. dazu Kaiser Anwaltsklausur Zivilrecht, 3. Aufl. 2010, Rn. 3). I. Prüfung der materiellen Rechtslage 1. Ansprüche gegen R auf Rückzahlung der abgehobenen 25.000 Zu prüfen ist, ob zugunsten der Mandantin als Erbin ein Anspruch auf Rückzahlung des von Frau Röhl (im Folgenden R) abgehobenen Geldes vorgetragen werden kann. a) Anspruch aus 1922, 812 I 1 Alt. 2 BGB Hinweis: Da originäre eigene Ansprüche der Mandantin nicht in Betracht kommen, sie stattdessen vielmehr Ansprüche aus ihrer Position als Erbin des Michael Stöver meint zu haben, muss stets 1922 BGB mitzitiert werden. Kontoabhebung als Fall der Eingriffskondiktion Rechtsgrund? Es kommt ein Anspruch aus Eingriffskondiktion in Betracht. Die Eingriffskondiktion ist nach h.m. nämlich einschlägig, wenn jemand aufgrund einer ihm für bestimmte Fälle erteilten Kontovollmacht (unberechtigte) Abhebung von einem Fremdkonto vornimmt (Argument: Das eigenmächtige Bedienen ist typischer Fall des Eingriffs in einen fremden Zuweisungsgehalt) (vgl. BGH NJW-RR 2007, 488 ff.; Palandt/Sprau BGB, 69. Aufl. 2010, 812 Rn. 79; Kaiser Materielles Zivilrecht im Assessorexamen, 4. Aufl. 2010, Rn. 64). Die zentrale Frage des Anspruches ist, ob R einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen zusteht oder nicht. Die vom Erblasser erteilte Kontovollmacht ist keinesfalls der Rechtsgrund, weil diese nur die Möglichkeit verschafft, Geld abzuheben. Über die materielle Berechtigung hinsichtlich des Behaltendürfens des Geldes trifft sie keine Aussage. Klausurtipp: Auf diesen Punkt sollte der Bearbeiter unbedingt eingehen, da R entsprechende Andeutungen gemacht hat. Schenkung: 516 ff. oder 2301 BGB? In Betracht kommt ein (postmortaler) Schenkungsvertrag. Das entsprechende Angebot liegt in dem Schreiben des Erblassers vom 09.05.2009. Dieses Angebot konnte R durch Abhebung des Geldes nach 153 BGB auch nach dem Tod des Erblassers konkludent annehmen, wobei der Zugang der Annahme nach 151 S. 1 BGB entbehrlich war. Problematisch ist nun, ob darin 1/2011 51

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS Heilung nach 518 II BGB Heilung nach 2301 II BGB 331 BGB sperrt nicht Kontoabhebung als Fall von 816 II BGB Kontovollmacht als (konkludenter) Auftrag? Pflichtverletzung? eine Schenkung nach 516, 518 BGB oder nach 2301 I, 2276 BGB liegt. Beide Schenkungen setzten die notarielle Form voraus, die nicht eingehalten wurde. Liegt eine Schenkung nach 516, 518 BGB vor, so dürfte die Bewirkung der versprochenen Leistung i.s.v. 518 II BGB spätestens im Abheben des Geldes durch R liegen. Eine quasi- Heilung i.s.v. 2301 II BGB wäre dagegen problematisch, da für die Anwendung von 2301 II BGB der Schenkende selbst zu Lebzeiten und nicht erst sein Erbe das Vermögensopfer erbracht haben muss (Palandt/Edenhofer a.a.o. 2301 Rn. 8 ff.). Hierfür reicht die bloße Vollmachtserteilung zu Lebzeiten des Erblassers aber nicht aus (Palandt/ Edenhofer a.a.o. 2301 Rn. 9; Prütting/Wegen/Weinreich/Deppenkemper BGB, 4. Aufl. 2009, 2301 Rn. 14 f.; Kaiser Materielles Zivilrecht a.a.o. Rn. 90). Dies gilt selbst im Falle einer unwiderruflichen Kontovollmacht. Da hier im Deckungsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Bank keine Vereinbarung nach 328, 331 BGB getroffen wurde, die ggf. die Geltung von 2301 BGB beeinflussen könnte (siehe dazu sogleich), wäre die Anwendung von 2301 BGB alternativ zu 516, 518 BGB im vorliegenden Fall möglich. Bei lebensnaher und am Wortlaut des Schreibens vom 09.05.2009 orientierten Auslegung dürfte hier ein Schenkungsversprechen von Todes wegen nach 2301 BGB vorliegen. Der Erblasser hat mit der Formulierung wenn ich sterben sollte zumindest konkludent die für 2301 BGB erforderliche Überlebensbedingung formuliert, die gerade den wesentlichen Unterschied von 2301 BGB zu 516, 518 BGB ausmacht. Zudem wird die Überlebensbedingung i.d.r. immer dann gewollt sein, wenn die Gründe für die nach dem Tod versprochene Leistung gerade in der Person des Zuwendungsempfängers liegen, was vorliegend der Fall sein dürfte (Palandt/Edenhofer a.a.o. 2301 Rn. 3; PWW/Deppenkemper a.a.o. 2301 Rn. 6). Es liegt demnach eine Schenkung nach 2301 BGB vor, eine Überwindung des Formmangels nach 2301 II BGB ist zu verneinen. Ein Rechtsgrund besteht daher nicht, ein Anspruch auf Rückzahlung des abgehobenen Geldes aus 1922, 812 I 1 Alt. 2 BGB kann daher schlüssig zugunsten der Mandantin vorgetragen werden. b) Anspruch aus 1922, 816 II BGB Ein Anspruch aus 1922, 816 II BGB könnte hier mit dem Argument verneint werden, dass R aufgrund der Kontovollmacht zur Abhebung berechtigt war und daher nicht Nichtberechtigte i.s.v. 816 II BGB sein kann. Vertretbar dürfte es auch sein, beim Tatbestandsmerkmal Nichtberechtigter i.s.v. 816 II BGB nicht auf die formale Auszahlungsberechtigung, sondern auf die materielle Berechtigung des Empfängers gegenüber dem eigentlich Berechtigten (hier die Mandantin) auf Entgegennahme der Leistung abzustellen (so wohl Palandt/Sprau a.a.o. 816 Rn. 17). Dann wäre ein Anspruch aus 1922, 816 II BGB zu bejahen, weil R die abgehobenen 25.000 nicht zustehen (s.o.). Hier dürften bei entsprechender Argumentation beide Auffassungen vertretbar sein. c) Anspruch aus 1922, 662, 280 BGB Auch ein Anspruch aus 1922, 662, 280 BGB kommt in Betracht. Vorliegend dürfte es sich nämlich um ein Auftragsverhältnis zwischen dem Erblasser und R handeln und nicht um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis, da bei der Vermögensverwaltung, für die eine Kontovollmacht erteilt wird, i.d.r. ein Rechtsbindungswille vorhanden sein dürfte. Hinweis: Vgl. zu dieser examensrelevanten Problematik Kaiser Materielles Zivilrecht a.a.o. Rn. 4. Innerhalb einer Ehe dürften allerdings strengere Maßstäbe gelten. Die R ist nach 667 BGB zur Herausgabe des abgehobenen Betrages verpflichtet. Dieser Pflicht ist R unstreitig nicht nachgekommen. Darin liegt nur dann keine Pflichtverletzung, wenn sie eine auftragsgemäße/berechtigte Verwendung nachweisen kann, wofür sie die Beweislast trägt. Der Anspruch steht und fällt daher ebenfalls mit der Frage der Behaltensberechtigung/des Rechtsgrundes. Da ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des abgehobenen Betrages nicht vorliegt (s.o.), liegt eine Pflichtverletzung der R vor. Das Vertretenmüssen wird nach 280 I 2 BGB vermutet. Klausurtipp: Ein anderes Ergebnis wäre hier bei entsprechender Argumentation sicherlich vertretbar, insbesondere z.b. damit, dass sich R auf das unstreitig vorhandene Schenkungsangebot des Erblassers verlassen durfte (selbst wenn dies nach 2301 I BGB formnichtig war) und daher die eigene Verwendung des Betrages gerade keine Pflichtverletzung darstellt bzw. spätestens das Vertretenmüssen ausscheidet. 52 1/2011

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS d) Anspruch aus 1922, 687 II BGB Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung dürften ausscheiden. Die Anwendung von 687 II BGB wird nämlich verneint, wenn es sich lediglich um die Überschreitung vertraglich eingeräumter Befugnisse handelt (Palandt/Sprau a.a.o. 687 Rn. 5). 2. Ansprüche hinsichtlich der Versicherungssumme Zu prüfen ist, ob für die Mandantin schlüssig ein Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungssumme gegen R vorgetragen werden könnte, wenn diese die Versicherungssumme ausbezahlt bekäme. Auszahlung der Versicherungssumme als Fall der Leistungskondiktion Rechtsgrund? Schenkung: 516 ff. oder 2301 BGB? 331 BGB sperrt 2301 BGB a) Anspruch aus 1922, 812 I 1 Alt. 1 BGB Das erlangte Etwas der R wäre die Bezugsberechtigung samt Anspruch aus 328, 331 BGB i.v.m. 159 VVG (vgl. Kaiser Materielles Zivilrecht a.a.o. Rn. 65; Palandt/Sprau a.a.o. 812 Rn. 9). Mit Auszahlung der Versicherungssumme surrogiert der Geldbetrag den Auszahlungsanspruch, 818 I BGB (BGH NJW 1987, 3131 f.; Vollersen ZGS 2009, 305 ff.). Geleistet hat der Erblasser (mittels der Versicherung), in dessen Rechtsposition die Mandantin als Erbin eingetreten ist, so dass es sich hier um eine Leistungs- und nicht um eine Eingriffskondiktion handelt. Bei Verfügungen unter Lebenden zu Gunsten Dritter auf den Todesfall ist zwischen dem Deckungsverhältnis hier dem im Rahmen des Lebensversicherungsvertrags abgeschlossenen Vertrag zu Gunsten der R ( 328, 331 BGB i.v.m. 159 VVG), kraft dessen ihr das Bezugsrecht für die Todesfallleistung eingeräumt wurde und dem Zuwendungsverhältnis (Valutaverhältnis) zwischen dem Verfügenden und dem Begünstigten (der R) zu unterscheiden. Ob der von einer Bezugsberechtigung Begünstigte die Versicherungsleistung im Verhältnis zu den dem Versicherungsnehmer nachfolgenden Erben behalten darf, beantwortet grundsätzlich allein das Valutaverhältnis. Rechtsgrund ist i.d.r. wie hier die (konkludente) Schenkung zwischen dem Versicherungsnehmer/Erblasser und dem Bezugsberechtigten. Die Bezugsberechtigung selbst ist dagegen kein tauglicher Rechtsgrund, weil diese allein das Verhältnis Versicherung Bezugsberechtigter betrifft (Thüringer OLG NotBZ 2004, 108 ff.). In Betracht kommt hier daher eine (konkludente) Schenkung als Rechtsgrund. Die Erklärung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, es werde der R eine Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung einer Lebensversicherung eingeräumt, ist bezogen auf das Valutaverhältnis zugleich als konkludenter Auftrag an den Lebensversicherer zu verstehen, ihr nach Eintritt des Versicherungsfalls das Schenkungsangebot des Versicherungsnehmers zu überbringen (BGH NJW 2008, 2702 ff.). Ein insoweit mit Botendiensten beauftragter Versicherer erfüllt diesen Auftrag in der Regel durch Auszahlung der Versicherungssumme an den Begünstigten, weil darin konkludent das Schenkungsangebot des verstorbenen Versicherungsnehmers zum Ausdruck kommt. Dieses Angebot kann der Begünstigte durch Annahme des Geldes nach 153 BGB auch nach dem Tod des Erblassers konkludent annehmen, wobei der Zugang der Annahme nach 151 S. 1 BGB entbehrlich ist. Im hier zu entscheidenden Fall ist ein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und der R allerdings noch nicht zu Stande gekommen. Das Telefonat, das der Bruder des Versicherungsnehmers im Auftrag der R am 17.07.2010 mit einem Sachbearbeiter des Versicherers geführt hat, konnte einen solchen Vertragsschluss noch nicht herbeiführen. Der Versicherer hat der R das Schenkungsangebot des verstorbenen Versicherungsnehmers am 17.07.2010 noch nicht unterbreitet. Er hat weder die Versicherungssumme ausgezahlt noch anderweitig eine Erklärung des Versicherungsnehmers übermittelt. Vielmehr hat er lediglich Belege zur Prüfung des seitens der R erhobenen Anspruchs (Versicherungspolice, Sterbeurkunde) angefordert. Wenn allerdings die Versicherung das Geld an R übermittelt und diese das Geld annimmt, liegt ein (konkludenter) Schenkungsvertragsschluss vor. Fraglich wäre dann auch hier, nach welchen Formvorschriften sich die Schenkung im Valutaverhältnis bemisst: Liegt eine normale Schenkung nach 515, 518 BGB oder eine spezielle erbrechtliche Schenkung nach 2301 I, 2276 BGB vor? Beide Schenkungen setzten die notarielle Form voraus, die nicht eingehalten wurde. Eine Entscheidung zwischen beiden Schenkungsarten ist deshalb wichtig, weil eine Heilung nach 518 II BGB durch den Eintritt des Versicherungsfalles (Eintritt des Todes des Versicherungsnehmers) zu bejahen wäre, spätestens aber durch die Abhebung des Geldes (PWW/Deppenkemper a.a.o. 2301 Rn. 26). Eine Heilung i.s.v. 2301 II BGB wäre dagegen problematisch, da für die Anwendung von 2301 II BGB der Schenkende selbst zu Lebzeiten und nicht erst sein Erbe das Vermögensopfer erbracht haben muss. Hierfür dürfte aber die widerrufliche Einsetzung eines Dritten als Bezugsberechtigten wohl noch nicht ausreichen (PWW/Deppenkemper a.a.o. 2301 Rn. 19 m.w.n.; ungenau Palandt/Edenhofer a.a.o. 2301 Rn. 13). Nach dem BGH gelten vorliegend nur die 516, 518 BGB, da 2301 BGB bei Schenkungen im Rahmen von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall nicht anwendbar ist. Dies folgt daraus, dass der Vertrag 1/2011 53

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS zugunsten Dritter zwischen Versicherung und Erblasser ein rein schuldrechtliches Rechtsgeschäft unter Lebenden ist, bei dem konsequenterweise auch das damit zusammenhängende Valutaverhältnis zwischen Erblasser und Beschenkten nur nach Schuldrecht und nicht nach Erbrecht behandelt werden kann (BGH NJW 2008, 2702 ff. m.w.n.; Palandt/Grüneberg a.a.o. 331 Rn. 1 u. 4; Palandt/Edenhofer a.a.o. 2301 Rn. 17 ff.; PWW/Deppenkemper a.a.o. 2301 Rn. 25). 2301 BGB findet daher vorliegend auf die Schenkung keine Anwendung. Eine Heilung nach 518 II BGB wäre danach zu bejahen, ein Rechtsgrund besteht. Ein Anspruch aus 1922, 812 I 1 Alt. 1 BGB könnte daher nicht schlüssig vorgetragen werden. Versicherungsauszahlung als Fall von 816 II BGB b) Anspruch aus 1922, 816 II BGB Ein Anspruch aus 1922, 816 II BGB dürfte dann ebenfalls ausscheiden, da die R als Bezugsberechtigte nicht Nichtberechtigte i.s.v. 816 II BGB ist. Die Bezugsberechtigung kann durch die Mandantin nachträglich auch nicht geändert werden, weil diese nach dem Tod des Versicherungsnehmers nicht mehr änderbar ist (Palandt/Grüneberg a.a.o. 331 Rn. 4). Stellt man beim Tatbestandsmerkmal Nichtberechtigter i.s.v. 816 II BGB nicht auf die formale Bezugsberechtigung, sondern auf die materielle Berechtigung des Empfängers gegenüber dem eigentlich Berechtigten (hier die Mandantin) auf Entgegennahme der Leistung ab, wären 1922, 816 II BGB ebenfalls zu verneinen, da R bei Auszahlung der Versicherungssumme einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen hätte (s.o.). Prozesstaktik Mahnverfahren unzweckmäßig 93 ZPO: Kostengefahr? Zuständigkeit? Beweislage? Beweislast bei 812 BGB 3. Ansprüche hinsichtlich der Bezugsberechtigung Zwar kann die Bezugsberechtigung nach dem Tod des Versicherungsnehmers nicht mehr geändert werden. Der Mandantin steht aber diesbezüglich ein Anspruch aus 1922, 812 I 1 Alt. 1 BGB auf Herausgabe der Bezugsberechtigung zu, da auch die Bezugsberechtigung als Rechtsposition i.s.v. 812 BGB erlangt sein kann. Der Rechtsgrund besteht nicht, weil zum jetzigen Zeitpunkt ein Rechtsgrund (noch) nicht vorliegt. II. Prozesstaktische Erwägungen/Zweckmäßigkeit Aufgrund der im Gutachten dargestellten Erfolgsaussichten ist der Mandantin daher zu raten, R auf Rückzahlung der 25.000 zu verklagen. Zinsen dürften hier wegen des Verzuges der R nach 280 II, 286 I, 187 BGB (analog) bereits ab dem 06.10.2009 verlangt werden können. Beachte: Für die Geltendmachung von Verzugszinsen gilt 187 I BGB analog, d.h. es können Zinsen erst einen Tag nach Verzugseintritt verlangt werden, vgl. Kaiser Materielles Zivilrecht (a.a.o.) Rn. 21. Die Beantragung eines Mahnbescheids nach 688 ff. ZPO (Vorteil: Schnelle Erlangung eines Titels) wäre dagegen nur dann zweckmäßig, wenn zu erwarten ist, dass die Gegnerin keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid bzw. Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einlegen wird. Ansonsten käme es nur zu einer unnötigen Verzögerung des Verfahrens. Hier wäre aufgrund des vorprozessualen Verhaltens der R mit einem Widerspruch zu rechnen, so dass das Mahnverfahren nicht zu empfehlen wäre. Eine Kostengefahr v.a. nach 93 ZPO besteht nicht, da die R bereits vorprozessual jegliche Befriedigung der Mandantin abgelehnt hat. Für eine Klage wäre das LG Hamburg örtlich und sachlich zuständig, vgl. 12, 13 ZPO, 23 I Nr. 1, 71 I GVG. Obwohl der Sachverhalt zwischen den Parteien wahrscheinlich unstreitig bleibt, ist dennoch vorliegend nach Maßgabe anwaltlicher Vorsicht für den Fall, dass die Gegnerin im Prozess bestreiten sollte, die Beweislage zu prüfen. Beachte: Vgl. zu diesem in den Examensklausuren wichtigen Punkt Kaiser Anwaltsklausur Zivilrecht a.a.o. Rn. 10. Die Mandantin trägt für alle anspruchsbegründenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast. Daher sind insbesondere die von der Mandantin zur Verfügung gestellten Urkunden (v.a. Versicherungsunterlagen, Testament, vorprozessuale Korrespondenz zwischen der Mandantin und R, Schenkungsangebot des Erblassers) dem Schriftsatz an das Gericht beizufügen, wobei im Prozess der Urkundsbeweis nach 420 ZPO durch Vorlage der Urkunde im Original zu führen ist. Insbesondere Folgendes dürfte hier wichtig sein: Der Anspruchsteller trägt nach allgemeinen Grundsätzen für alle Tatbestandsvoraussetzungen des 812 BGB die Darlegungsund Beweislast, also auch für den fehlenden Rechtsgrund. Positiv dürfte für die Mandantin hier sein, dass im Rahmen der Eingriffskondiktion die h.m. zugunsten des Anspruchstellers Ausnahmen zugelassen hat, insbesondere bei der Abhebung von Geld durch den Anspruchsgegner, der z.b. eine Schenkung dieses Geldes behauptet. In diesen Fällen trägt der Anspruchs- 54 1/2011

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS Antrag nach 331 III BGB Gebührenschaden Anrechnungsproblematik Verhinderung des Schenkungsvertrages 174 BGB Vorgehen gegen die Versicherung wg. der Versicherungssumme? gegner die Beweislast für das Bestehen des Rechtsgrundes (Palandt/Sprau a.a.o. 812 Rn. 79; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 20.09.2006, Az.: 7 U 196/05; OLG Köln NJW 1993, 939; BGH NJW 1986, 2107 f.; BGH NJW 1999, 2887 f.; im Ergebnis ebenfalls BGH NJW-RR 2007, 488 ff.). Für den Fall, dass die R im schriftlichen Vorverfahren eine Reaktion versäumt, könnte bereits in der Klageschrift ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils nach 331 III ZPO gestellt werden. Die Mandantin hat auch einen Gebührenschaden erlitten, da sie bzgl. der 25.000 vor dem Klageauftrag bereits anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Diese Kosten (v.a. die 1,3 Geschäftsgebühr nach Rn. 2300 VV RVG) sind dann als Schaden i.s.v. 249 I BGB ersetzbar, wenn die Inanspruchnahme des Anwalts erforderlich und zweckmäßig war (OLG Frankfurt NJW-RR 2010, 403 f.; Kaiser Materielles Zivilrecht a.a.o. Rn. 33). Als mögliche Anspruchsgrundlage gegenüber der R auf Ersatz dieser Kosten kommt hier v.a. 280 II, 286 I BGB in Betracht, da die Mandantin erst nach dem von ihr selbst herbeigeführten Verzugseintritt anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Da der Gebührenschaden bei einem anschließenden Gerichtsverfahren nicht von selbst am Kostenfestsetzungsverfahren der 103 ff. ZPO teilnimmt, ist es grds. zweckmäßig, diese Schadensposition mit einzuklagen. Problematisch ist wegen der Anrechungsvorschriften in Teil 3 Vorbemerkung 3 (4) zu Nr. 3100 VV RVG und 15a II RVG allerdings, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr einzuklagen ist. Vor Einführung von 15a RVG vertrat der BGH die Auffassung, dass sich wenn eine Anrechnung vorzunehmen ist wegen des Wortlauts von Teil 3 Vorbemerkung 3 (4) zu Nr. 3100 VV RVG nicht die vorprozessuale Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr vermindere (BGH NJW 2007, 2049 ff.). Obwohl 15a II RVG dazu nichts sagt, dürfte dies fortgelten (BGH, Beschl. v. 09.12.2009, Az.: XII ZB 175/ 07; Müller-Rabe NJW 2009, 2913 ff.). In der Regel kann der Gebührenschaden aber nur als Freistellungsanspruch geltend gemacht werden, weil der Mandant an seinen Anwalt i.d.r. noch nicht gezahlt hat. Erforderlich ist aber stets, dass der Anwalt bereits eine Rechnung gestellt hat, sonst ist der Anspruch nicht fällig, vgl. 10 I RVG. Da dies vorliegend noch nicht geschehen ist, kommt eine Geltendmachung des Gebührenschadens neben den weiteren Ansprüchen der Mandantin (noch) nicht in Betracht. Eine spätere Geltendmachung im Rückforderungsprozess wäre als nachträgliche objektive Klagenhäufung nach 261 II, 260, 263 Alt. 2 ZPO zulässig (Vgl. Kaiser Zivilgerichtsklausur Band I, 4. Aufl. 2010, Rn. 418). Da bei Auszahlung der Versicherungssumme an R eine Rückforderung der Versicherungssumme nicht in Betracht kommt (siehe oben), wäre es zudem zweckmäßig, die (konkludente) Schenkung als Rechtsgrund der Versicherungsleistung von vorneherein im Ansatz zu verhindern. Beachte: Die Einsetzung der R als Bezugsberechtigte kann nicht widerrufen werden. Grundsätzlich kann die Erbin die wirksame Schenkung dadurch verhindern, dass sie entweder unter den Voraussetzungen von 130 I 2 BGB gegenüber der Bezugsberechtigten das Schenkungsangebot oder nach 671, 168 S. 1 BGB gegenüber der Versicherung vor Übermittlung des Schenkungsangebotes den Auftrag zur Übermittlung und damit auch die Botenmacht bzw. Vollmacht widerruft, wenn das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen wurde (Palandt/ Grüneberg a.a.o. 331 Rn. 5; BGH NJW 2008, 2702 ff., BGH NJW 1975, 382 ff.). Die Versicherung darf dann nicht mehr das Schenkungsangebot des Erblassers an die R übermitteln. Bei einer Zuwiderhandlung würde die Versicherung entweder als Botin ohne Botenmacht oder als falsus procurator handeln, es gelten 177 ff. BGB (analog). Es wäre wohl am einfachsten und daher empfehlenswert, gegenüber der Versicherung den vom Erblasser erteilten Auftrag zu widerrufen. Dabei ist unbedingt 174 BGB zu beachten, so dass dem Schreiben an die Versicherung aus anwaltlicher Vorsicht eine Originalvollmacht beizufügen wäre. Hinweis: Vgl. zu diesem wichtigen Examensproblem in der Anwaltsklausur Kaiser Anwaltsklausur Zivilrecht a.a.o. Rn. 30. Zudem ist der Mandantin zu raten, die R außerprozessual zur Herausgabe der Bezugsberechtigung aufzufordern. Eine diesbezüglich klageweise Geltendmachung wäre noch nicht zu empfehlen, weil die R bislang in dieser Sache keine Veranlassung zur Klage gegeben hat und daher die negative Kostenfolge von 93 ZPO droht. Für den anwaltlichen Schriftsatz wäre wiederum an 174 BGB zu denken. Da die Bezugsberechtigung der R nach dem Erbfall nicht mehr geändert werden kann, bleibt die R auch bei erfolgreichem Verhindern einer Schenkung im Valutaverhältnis zum jetzigen Zeitpunkt formal auszahlungsberechtigt gegenüber der Versicherung, solange R die 1/2011 55

KLAUSUR ZIVILRECHT STREIT UM DEN NACHLASS Bezugsberechtigung nicht an die Mandantin herausgegeben hat (z.b. durch eine entsprechende Verzichtserklärung gegenüber der Versicherung und der Mandantin oder durch Abtretung ihrer Rechtsstellung). Zum Schutz der Rechte der Mandantin ist daher zu prüfen, ob diese gegenüber der Versicherung zum jetzigen Zeitpunkt bereits die Auszahlung des Guthabens verlangen kann. Klausurtipp: Wichtig war es, sich mit entsprechenden Argumenten überhaupt mit diesem Problem auseinanderzusetzen. Das Ergebnis ist hier für die Note zweitrangig, zumal auch der Palandt hierzu in der Klausursituation (leider) keine Hilfestellung bietet. Das kann auch im Examen vorkommen! pro Dies dürfte mit guten Gründen zu bejahen sein, so dass zusätzlich eine entsprechende vorgerichtliche Zahlungsaufforderung an die Versicherung zu empfehlen wäre: Die Mandantin rückt als Erbin des Versicherungsnehmers in die Stellung als Vertragspartner der Versicherung ein. Auch wenn die Erbin wegen der vorrangigen Bezugsberechtigung der R formal keine Auszahlung an sich verlangen könnte, so dürfte die Versicherung gegen ihre Rücksichtnahmepflichten aus dem Versicherungsvertrag nach 241 II BGB verstoßen, wenn sie ihren Vertragspartner durch die Auszahlung an den Bezugsberechtigten der letztlich die Versicherungssumme ohnehin an die Erbin weiterreichen müsste willentlich auf einen Rückforderungsprozess gegen den Bezugsberechtigten verweist, dessen Liquiditätsrisiko die Erbin dann tragen würde. Auch wenn die Einsetzung der R als Bezugsberechtigte dem Willen des Erblassers als damaligen Versicherungsnehmer entsprach, so dürfte nunmehr auf die Interessen der Erbin abzustellen sein, weil sie in die Position des Versicherungsnehmers einrückt. Der geschilderte Abwicklungszirkel könnte dann nur durch eine direkte Zahlung an den Erben vermieden werden. contra Anträge Hinweis: In diese Richtung geht auch BGH NJW 2008, 2702 ff. Dort heißt es u.a.: Stattdessen stand der aus der Beklagten und ihrem Sohn bestehenden Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Versicherungsnehmer der Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen den Versicherer zu. Ähnlich auch MüKo-BGB/Gottwald Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, 331 Rn. 6: Der Anspruch ist Teil des Nachlasses. Gegenüber dem Zahlungsverlangen der Bezugsberechtigten könnte die Versicherung dann die Einrede des 242 BGB erheben, weil die Bezugsberechtigte die Versicherungssumme sofort an die Erbin weiterreichen müsste (So z.b. Langheid/Müller NJW 2009, 337 ff.). Nur dieses Ergebnis ist letztlich auch logisch: Unstreitig ist, dass die Versicherung die Summe nicht einbehalten darf. Auch die Bezugsberechtigte darf die Versicherungssumme nicht endgültig in ihrem Vermögen behalten, so dass eine Auskehrung an sie keinen Sinn macht und das bloße Abstellen auf die nicht widerrufliche Bezugsberechtigung reiner Formalismus wäre. Es bleibt daher nur die Erbin als Auszahlungsberechtigte übrig. Vertretbar wäre allerdings auch folgende Argumentation: Bei einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Erbin würde die Versicherung nicht nach 362 BGB gegenüber der Bezugsberechtigten befreit. Auch die Einrede des 242 BGB könnte man mit dem Argument verneinen, dass der Herausgabeanspruch der Erbin gegenüber der Bezugsberechtigten lediglich das Valutaverhältnis betrifft und die Versicherung nichts angeht. Die Versicherung müsste daher eine nochmalige Inanspruchnahme durch die Bezugsberechtigte befürchten. Aus dieser misslichen Lage (die Versicherung ist zwei Gläubigern ausgesetzt) kann sich die Versicherung dann durch eine Hinterlegung nach 372 ff. BGB befreien. Zu dieser Hinterlegung wäre die Versicherung dann entsprechend vorprozessual aufzufordern. Von dem Bezugsberechtigten kann dann falls im Valutaverhältnis wie hier der Rechtsgrund fehlt die Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Betrages verlangt werden (so der Fall bei BGH NJW 2008, 2702 ff.). Schließlich kann auch vertreten werden, dass wegen des Vorrangs des Erblasser-/Versicherungsnehmerwillen ein Auszahlungsanspruch der Erbin aus dem Versicherungsvertrag aufgrund der Nichtänderbarkeit der Bezugsberechtigung auch i.v.m. 241 II BGB nicht besteht (so Vollersen ZGS 2009, 305 ff. und Jura 2009, 923 ff.). Eine Auszahlung an sich selbst könnte die Erbin dann nur verlangen, wenn sie die Bezugsberechtigung von R übertragen bekommen hat. Auch eine Hinterlegung würde die Versicherung dann nicht befreien, weil sie in R eben nur einen Gläubiger hat und daher nach 372 ff. BGB zur Hinterlegung nicht befugt wäre. B. PRAKTISCHER TEIL Folgende Anträge sind im Schriftsatz an das LG Hamburg zu empfehlen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.10.2009 zu zahlen. 2. Es wird beantragt, gem. 331 III ZPO ein Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung zu erlassen, wenn die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig anzeigt. 56 1/2011