Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen).

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Transkript:

Bsw 25951/07 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V, Beschwerdesache Gas und Dubois gg. Frankreich, Urteil vom 15.3.2012, Bsw. 25951/07. Art. 8 EMRK, Art. 12 EMRK, Art. 14 EMRK - Verweigerung der Adoption durch Partnerin der Mutter. Zurückweisung der Einrede der Regierung (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Die beiden Bf. leben seit 2002 in einer eingetragenen Partnerschaft. Die ZweitBf. brachte am 21.9.2000 in Frankreich ihre Tochter A. zur Welt, die im Wege künstlicher Befruchtung mit dem Samen eines anonymen Spenders in Belgien gezeugt worden war. Am 3.3.2006 stellte die ErstBf. beim Zivilgericht von Nanterre den Antrag, A. adoptieren zu dürfen, was dieses jedoch mit Beschluss vom 4.7.2006 ablehnte. Begründet wurde dies damit, dass die Voraussetzungen für eine Adoption zwar erfüllt seien, die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen aber nicht im Interesse sowohl der Bf. als auch des Kindes liegen würden. Durch die Adoption würde nämlich das Sorgerecht von der biologischen Mutter auf die ErstBf. übertragen und würden der ZweitBf. sämtliche elterlichen Rechte aberkannt. In der dagegen erhobenen Berufung brachten die Bf. vor, dass der durch eine Adoption herbeigeführte Verlust des Sorgerechts der biologischen Mutter im Wege einer

2 Bsw 25951/07 (teilweisen) Delegation des Sorgerechts auf die ZweitBf. korrigiert werden könnte. Mit der Begründung, dass nach Art. 365 des Code Civil nur verheiratete Paare, nicht aber Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, vom geteilten Sorgerecht im Rahmen einer Adoption Gebrauch machen können, wies das Gericht zweiter Instanz von Versailles die Berufung der Bf. ab. Es vertrat die Ansicht, dass auch eine nachträgliche Delegation der Ausübung des Sorgerechts den Verlust der elterlichen Rechte der biologischen Mutter nicht wettmachen könnte und dass eine Adoption somit nicht im Interesse des Kindes wäre. Am 21.2.2007 brachten die Bf. beim Cour de Cassation ein Rechtsmittel ein, das jedoch wegen eines unheilbaren Formfehlers zurückgewiesen wurde. Rechtsausführungen: Die Bf. behaupten eine Verletzung von Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Zur Verletzung von Art. 14 ivm. Art. 8 EMRK Die Bf. bringen vor, sie wären aufgrund ihrer sexuellen Orientierung einer diskriminierenden Behandlung unterworfen worden. Zur Einrede der Regierung Laut der Regierung ist Art. 8 EMRK auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da diese Bestimmung weder ein Recht auf Adoption noch auf Eingehen einer Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem Kind zwecks Führung eines Familienlebens garantiere. Da Art. 8 EMRK nicht anwendbar sei, könnten die Bf. auch nicht eine Verletzung von Art. 14 EMRK behaupten. Der GH räumt ein, dass Art. 8 EMRK weder ein Recht auf Familiengründung noch ein Recht auf Adoption

3 Bsw 25951/07 garantiert. Dennoch wurde bei der Prüfung der Situation der Bf. festgestellt, dass es sich in ihrem Fall um»familienleben«isd. Art. 8 EMRK handelt. Darüber hinaus fällt die sexuelle Orientierung in die durch Art. 8 EMRK geschützte Sphäre des Privatlebens. Somit fallen die Sachverhalte unter einen Artikel der Konvention, der durch Art. 14 EMRK ergänzt werden kann. Die Einrede der Regierung ist daher zurückzuweisen (einstimmig). In der Sache Vorab ist festzustellen, dass sich der vorliegende Fall von E. B./F unterscheidet, ging es in diesem Fall doch um die Frage der Bewilligung eines Adoptionsantrags durch eine alleinstehende homosexuelle Person. Der vorliegende Fall liegt anders, beklagen sich doch die Bf. über die Weigerung der Gerichte, die Adoption von A. zu genehmigen. Sie vertraten die Ansicht, dass eine Adoption nicht im Interesse des Kindes liegen würde, da die ZweitBf. in ihrer Eigenschaft als biologische Mutter, die ihr Kind auch weiterhin erziehen möchte, dadurch ihr Sorgerecht zugunsten der ErstBf. verlieren würde. Die französischen Gerichte beriefen sich auf die Bestimmung des Art. 365 des Code Civil, der die Abtretung des Sorgerechts im Falle einer sogenannten»einfachen Adoption«regelt. Da die Bf. nicht verheiratet sind, konnten sie auch nicht die einzige in dieser Bestimmung geregelte Ausnahme, welche die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts für die adoptierte Person durch Ehepartner vorsieht, in Anspruch nehmen. Die Bf. behaupten eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Rahmen der vom französischen Recht vorgesehenen Regelung der künstlichen Befruchtung mit einem anonymen Spender und die damit einhergehenden rechtlichen Folgen. Sie haben die einschlägige Gesetzeslage

4 Bsw 25951/07 vor den nationalen Gerichten hingegen nicht in Frage gestellt. Der GH weist darauf hin, dass das französische Recht den Zugang zu diesem Instrument heterosexuellen Paaren vorbehält. Die Situation der Bf. kann daher mit jener von solchen Paaren nicht verglichen werden. Folglich kann die französische Gesetzgebung betreffend künstliche Befruchtung mit einem anonymen Spender nicht als Ursache einer Ungleichbehandlung, deren Opfer die Bf. wären, angesehen werden. Die einschlägigen Normen erlauben auch nicht die Schaffung elterlicher Bande durch Adoption, wie sie von den Bf. beansprucht wird. Die Bf. bringen vor, die verweigerte Adoption habe ihr Recht auf Privat- und Familienleben in diskriminierender Weise verletzt. Als homosexuelles Paar müssten sie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber heterosexuellen Paaren mögen sie nun verheiratet sein oder nicht erdulden. Der GH hält es für notwendig, die rechtliche Situation der Bf. im Verhältnis zu jener von verheirateten Paaren zu untersuchen. Er stellt fest, dass Art. 365 des Code Civil eine Teilung des Sorgerechts nur gestattet, wenn die Person, die adoptiert, gleichzeitig der Ehepartner/die Ehepartnerin des biologischen Elternteils ist. Da ihnen das französische Recht die Eheschließung verweigert, können die Bf. davon nicht profitieren. Der GH erinnert in diesem Zusammenhang an sein Urteil im Fall Schalk und Kopf/A, wonach Art. 12 EMRK den Mitgliedstaaten nicht die Verpflichtung auferlegt, die Institution der Ehe für homosexuelle Paare zu öffnen. Das Recht auf Eheschließung von homosexuellen Paaren könne auch nicht aus Art. 14 ivm. Art. 8 EMRK abgeleitet werden.

5 Bsw 25951/07 Die Bf. stellen zwar klar, nicht den Zugang zur Ehe zu verlangen, jedoch befänden sie sich in einer gleichartigen Situation wie Eheleute und behaupten deshalb eine diskriminierende Unterscheidung. Der GH ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Er erinnert daran, dass er bereits festgestellt hat, dass die Ehe jenen, die sie eingehen, einen besonderen Status verleiht. Das Recht sich zu verheiraten ist durch Art. 12 EMRK geschützt und bringt soziale, persönliche und rechtliche Folgen mit sich. Man kann daher nicht davon ausgehen, dass sich die Bf. in der Frage der Adoption durch einen nichtbiologischen Elternteil in einer mit verheirateten Paaren vergleichbaren Situation befinden. Zu prüfen ist schließlich die Situation der Bf. gegenüber jener von unverheirateten heterosexuellen Paaren. Diese Paare können wie sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft leben. Im Wesentlichen finden sich jene Paare, die in einer rechtlich vergleichbaren Situation leben, mit denselben Konsequenzen, namentlich einer Verweigerung der»einfachen Adoption«, konfrontiert. Der GH vermag daher keine Ungleichbehandlung festzustellen, die sich auf die sexuelle Orientierung der Bf. gründet. Gewiss, die Bf. behaupten eine indirekte Diskriminierung, gegründet auf der Unmöglichkeit sich zu verheiraten, da heterosexuelle Paare den Vorgaben des Art. 365 des Code civil über den Umweg der Ehe entgehen könnten. Der GH begnügt sich in diesem Zusammenhang mit dem Hinweis auf seine zuvor getätigten Ausführungen. Der GH hat im Fall Emonet u.a./ch die Logik des der umstrittenen Adoption unterliegenden Konzepts die eine Beseitigung der elterlichen Bande zwischen dem/der Adoptierten und dem biologischen Elternteil zur Folge hat bei minderjährigen Personen für geeignet erachtet. Er vertritt

6 Bsw 25951/07 die Meinung, dass in Anbetracht des Inhalts und der Zielsetzungen von Art. 365 des Code Civil (Abtretung der Ausübung des Sorgerechts bei der»einfachen Adoption«) man diese Bestimmung in ihrer Auslegung durch die Gerichte nicht in Frage zu stellen braucht, weil sie zur Schaffung doppelter elterlicher Bande zugunsten von A. nicht berechtigt. Es hat somit keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK stattgefunden (6:1 Stimmen; im Ergebnis übereinstimmende Sondervoten von Richter Costa, gefolgt von Richter Spielmann, sowie von Richter Spielmann, gefolgt von Richterin Berro-Lefèvre; Sondervotum von Richter Villiger). Vom GH zitierte Judikatur: Karner/A v. 24.7.2003 = NL 2003, 214 = ÖJZ 2004, 36 Emonet u.a./ch v. 13.12.2007 = NL 2007, 327 E. B./F v. 22.1.2008 (GK) = NL 2008, 10 = ÖJZ 2008, 499 Schalk und Kopf/A v. 24.6.2010 = NL 2010, 185 = EuGRZ 2010, 445 Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 15.3.2012, Bsw. 25951/07 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2012, 78) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im französischen Originalwortlaut (pdf-format): www.menschenrechte.ac.at/orig/12_2/gas und Dubois.pdf

7 Bsw 25951/07 Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.