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Transkript:

Dieser Beitrag ist wie folgt zu zitieren: Dölitzsch, C. & Scheithauer, H. (2008). Schwere, zielgerichtete Gewalt am Arbeitsplatz. Prävention schwerer Formen von Mitarbeitergewalt und Möglichkeiten zur Früherkennung potentiell gewaltbereiter Mitarbeiter. Vortrag beim Fachsymposium Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz Möglichkeiten der Prävention und der Rehabilitation der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Landesverband Nordost. Internet: www.dguv.de/landesverbaende/de/presse/index.jsp [Zugriff am 15. Oktober 2008].

Dipl.-Psych. Claudia Dölitzsch & Prof. Dr. Herbert Scheithauer Schwere, zielgerichtete Gewalt am Arbeitsplatz Prävention schwerer Formen von Mitarbeitergewalt und Möglichkeiten zur Früherkennung potentiell gewaltbereiter Mitarbeiter

Übersicht 1. Einführung Begriffe und Definitionen Formen 2. Entstehung und Prävention Einflussfaktoren Phasenmodell zum Verhalten Threat Assessment 3. Fazit

Begriffe und Definitionen Mit Gewalt am Arbeitsplatz verknüpfte Begriffe Gewalt am Arbeitsplatz Gewaltstraftaten am Arbeitsplatz oder während das Opfer auf der Arbeit oder im Dienst ist Mit der Arbeit zusammenhängende Gewalt Gewaltstraftaten mit einer eindeutigen Beziehung zu Arbeitsinhalten Aggression am Arbeitsplatz Nicht-kriminelle Versuche, (Mit-)Arbeiter oder ihre Organisationen zu schädigen Kriminalität am Arbeitsplatz Nicht-gewalttätige Straftaten Hier: Gewalt, die schwer, d.h. strafbar und gewalttätig, ist, zielgerichtet ist, am Arbeitsplatz stattfindet und/oder mit der Arbeit zusammenhängt (Bulatao & VandenBos, 1996, p. 4; Folger & Baron, 1996)

Formen Täter Kriminelle ohne legitimierte Beziehung zum Arbeitsplatz Kunden, Klienten, Patienten, Studenten/Schüler, Insassen etc. Gegenwärtige bzw. frühere Mitarbeiter Personen, die eine persönliche Beziehung zu einem Mitarbeiter haben Opfer Angestellte von Geschäften, Tankstellen, Banken, Mitarbeiter, die Dienstleistungen bereitstellen Mitarbeiter, Vorgesetzte Meist (ehemaliger) Ehe- oder Lebenspartner, weitere Mitarbeiter Die Formen 3 und 4 werden auch als Beziehungsgewalt am Arbeitsplatz bezeichnet (Federal Bureau of Investigation, 2002)

Einflussfaktoren Entstehung von Gewalt am Arbeitsplatz aufgrund des Zusammenspiels und der wechselseitigen Einflussnahme dreier grundlegender Faktoren - Ineffektive Beschwerde-Prozesse - Autoritäres Management - Mobbing - (Wahrgenommene) Ungerechtigkeit! - Umwelt Organisation Person Mitarbeiter - Soziale Isolation - Psychische Störung - Gefühle der Hoffnungslosigkeit - Situation Ereignis - Entlassung - Herabstufung - Trennung von der Ehefrau - Achtung: Nicht die Wichtigkeit eines Ereignisses an sich, sondern dessen Relevanz für den Mitarbeiter entscheidet darüber, ob er mit einer Gewalttat reagiert (Kenny, 2002)

Phasenmodell zum Verhalten 1. Stufe ständige Diskussionen mit Kollegen regelmäßiger Zorn leichte Frustrierbarkeit verschleierte Drohungen 2. Stufe Stalking Zerstörung von Einrichtungsgegenständen ständige verbale Attacken gegenüber Kollegen spezifische Drohungen 3. Stufe Tragen einer Waffe während der Arbeit Angriffe Suizidversuche Mord Prävention auf der 1. und 2. Stufe möglich entscheidend ist das frühzeitige Erkennen eines potentiellen Gewalttäters (Kenny, 2002)

Threat Assessment I Ansatz des U.S. Secret Service zum Schutz des Präsidenten und anderer nationaler und internationaler Führungspersonen Übertragbar auf andere Bedrohungssituationen Anlass: - Drohungen, denn diese können eine geplante Gewalttat ankündigen - Aber: Viele, die eine Bedrohung darstellen, drohen nicht Nicht nur Drohungen, sondern auch andere Verhaltensweisen (siehe Phasenmodell) berücksichtigen - Und: Nicht jeder, der droht, stellt tatsächlich eine Bedrohung dar Dennoch sollte jede Drohung ernst genommen werden Zentrales Prinzip: - Gewalt am Arbeitsplatz = Endpunkt einer Entwicklung - Gewalt am Arbeitsplatz = Ergebnis einer Planungsphase (Borum, Fein, Vossekuil & Berglund, 1999; Fein & Vossekuil, 1998; Fein, Vossekuil & Holden, 1995)

Threat Assessment II Generell 10 zu überprüfende Schlüsselthemen: 1. Motiv 2. Kommunikationen 3. Interesse an schweren Gewalttaten (insb. am Arbeitsplatz) und Waffen 4. Tatspezifisches Verhalten 5. Paranoide Symptome und dementsprechendes Handeln 6. Fähigkeit zur Tatplanung und Tatumsetzung 7. Verlusterlebnis 8. Übereinstimmung von Kommunikationen und Verhalten 9. Einschätzung (bzw. Besorgnis) des persönlichen Umfelds 10. Die Wahrscheinlichkeit einer Tat erhöhende und verringernde Faktoren im Leben und Umfeld des potentiellen Täters Zentral: Was hat die Person ihrer Meinung nach noch zu verlieren? (Borum, Fein, Vossekuil & Berglund, 1999; Fein & Vossekuil, 1998)

Fazit Frühzeitige Gespräche und Nachforschungen bei auffälligem Verhalten (Stufen 1 + 2 im Phasenmodell) Sofortiges Eingreifen bei bereits erfolgten Planungs- und/oder Vorbereitungsaktivitäten Achtung: Gefahr der Stigmatisierung! Risikoeinschätzung durch kompetente Personen, d.h. diesbezüglich geschulte Psychologen Nulltoleranz-Strategie Erstellung von Notfallplänen

Kontakt Freie Universität Berlin Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie Arbeitsbereich Entwicklungswissenschaft und Angewandte Entwicklungspsychologie Habelschwerdter Allee 45 14195 Berlin Leitung: Prof. Dr. Herbert Scheithauer http://userpage.fu-berlin.de/~hscheit/index.html

Literaturverzeichnis Borum, R., Fein, R., B. Vossekuil & Berglund, J. (1999). Threat Assesment : Defining an Approach for Evaluating Risk of Targeted Violence. Behavioral Sciences and the Law, 17, 323-337. Bulatao, E. & VandenBos, G. R. (1996). Workplace Violence: Its scope and the issues. In G. R. VandenBos & E. Bulatao (Eds.), Violence on the job: Identifying risks and developing solutions (p. 1-23). Washington, DC: American Psychological Association. Federal Bureau of Investigation (2004). Workplace violence: Issues in response. Virginia, VA: Critical Incident Response Group, National Center for the Analysis of Violent Crime, FBI Academy, U.S. Department of Justice. Fein, R. A. & Vossekuil, B. (1998). Protective intelligence and threat assessment investigations: A guide for state and local law enforcement officials. Research Report. Washington, DC: National Institute of Justice. Fein, R. A., Vossekuil, B. & Holden, G. A. (1995). Threat assessment: An approach to prevent targeted violence. Washington, DC: National Institute of Justice, U.S. Department of Justice. Folger, R. & Baron, R. (1996). Violence and hostility at work: A model of reactions to perceived injustice. In G. R. VandenBos & E. Bulatao (Eds.), Violence on the job: Identifying risks and developing solutions (p. 51-85). Washington, DC: American Psychological Association. Kenny, J. F. (2002). The process of employee violence: The building of a workplace explosion. In M. Gill, B. Fisher & V. Bowie (Hrsg.), Violence at work: Causes, patterns and prevention (p. 76-89). Devon, Großbritannien: Willan Publishing.